529/AB
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dipl. lng. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen
haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend die unmenschliche Behandlung
eines Unschuldigen durch Justiz und Polizei, gerichtet und folgende Fragen gestellt:
''1 . Hat die Staatsanwaltschaft gegen die Freisprüche vom Vorwurf der Körper-
verletzung im vorIiegenden Fall Einspruch erhoben bzw. wird sie Einspruch
erheben?
2. Wenn nein: warum nicht?
3. Wie beurteiIen Sie die Bemerkungen des Richters, wie sie in der Begründung
dieser Anfrage zitiert sind?
4. Entspricht die von einer Tageszeitung am 26. April 1996 aufgestellte Behaup-
tung, daß ''Polizeiopfer ... bei einer Anzeige meistens mit einer 'Gegenanzei-
ge' ... rechnen müssen'', den Tatsachen?
5. Sofern Sie Frage 4 nicht generell verneinen: welche legistischen Möglichkei-
ten würden Sie als zweckmäßig ansehen, daß die vorgebliche Praxis, daß
Polizeiopfer auch noch Justizopfer werden, nicht fortgesetzt wird?''
lch beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 und 2:
Die Staatsanwaltschaft Wien hat gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsa-
chen Wien vom 24. April 1996 am 25. April 1996 Berufung wegen Nichtigkeit und
Schuld angemeldet.
Zu 3:
Vorweg weise ich darauf hin, daß jeder Richter im dienstlichen Verkehr mit Ange-
klagten, Zeugen und anderen Verfahrensbeteiligten zu einer strengen Sachlichkeit
verpflichtet ist. lch bedaure es außerordentlich, wenn Äußerungen von Richtern be-
wirken, daß eine Hauptaufgabe unserer Gerichtsbarkeit, nämlich die Gewährlei-
stung eines fairen Verfahrens, in Zweifel gezogen werden kann. Die Justizverwal-
tung überprüft die ihr - auf welchem Weg immer - zukommenden Hinweise auf soI-
che Vorfälle und ist mit Nachdruck bestrebt, Unzukömmlichkeiten abzustellen.
Der erkennende Richter in dem Verfahren, auf das sich die Anfrage bezieht, hat im
Zuge des dienstbehördlichen Einschreitens des Präsidenten des Landesgerichts für
Strafsachen Wien, von dem ihm die Berichterstattung in den Medien vorgehalten
worden ist, zum TeiI bestritten, die Äußerungen in der wiedergegebenen Form ge-
macht zu haben, zum Teil hat er erklärt, sich nicht mehr an den genauen Wortlaut
erinnern zu können, zum Teil hat er seine ''ungeschickte'' Ausdrucksweise eingese-
hen.
Der Richter wurde vom Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien er-
mahnt und hat versichert, sich künftig um eine korrekte Wortwahl zu bemühen. lm
übrigen hat er jedoch betont, daß er in der Sache in keiner Weise voreingenommen
gewesen sei.
Zu 4 und 5:
Wie im Sicherheitsbericht der Bundesregierung dargelegt, wurden im Jahr 1994 von
den Staatsanwaltschaften 426 (1993: 697) angezeigte Fälle von Mißhandlungsvor-
würfen gegen Organe der Sicherheitsbehörden bearbeitet. Demgegenüber wurden
im Jahr 1994 56 (1993: 55) Personen wegen des Verdachtes der Verleumdung
durch Behauptung von Mi ßhandlungen durch Polizei- oder Gendarmeriebeamte ver-
folgt.
Schon dieser statistische Vergleich belegt, daß Personen, die eine ''Mißhandlungs-
anzeige'' erstatten, nicht ''automatisch'' mit einer ''Gegenanzeige'' rechnen müssen.
Das Gesamtbild ändert sich auch dann nicht, wenn man - als weitere Möglichkeit ei-
ner solchen "Gegenanzeige" - den Tatbestand des Widerstandes gegen die Staats-
gewalt in die Betrachtung einbezieht.
Im übrigen verweise ich auf den - angeschlossenen - Erlaß des Bundesministeriums
für Justiz vom 31. Mai 1991 zum UNO-Übereinkommen zur Verhütung der Folter
und zur Verfolgung von Beschwerdeführern wegen Verleumdung, JABl. Nr. 27/1991 ,
in dem es - unter anderem - ausdrücklich heißt, daß ''allfällige Verfolgungsanträge
gegen den Beschwerdeführer wegen wahrheitswidriger Erhebung von Vorwürfen
(der Mißhandlung, Körperverletzung oder dergleichen gegen Organe von Sicher-
heitsbehörden) im Stadium der gerichtlichen Vorerhebungen gegen den Angezeig-
ten im allgemeinen nicht gestellt werden sollten ... Überhaupt wäre jeder Anschein
zu vermeiden, daß der Beschwerdeführer wegen der Erhebung seiner Vorwürfe ein-
geschüchtert oder daß sonst aus diesem Grund gegen ihn vorgegangen werde.''
Nach Ergehen dieses Erlasses ist die Zahl der Strafverfolgungen von Personen, die
Mißhandlungen durch Exekutivbeamte behauptet haben, wegen des Verdachtes der
Verleumdung deutlich zurückgegangen.