5399/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. PARTIK - PABLÉ und LAFER haben am

16.02.1999 unter der Nummer 5747/J betreffend „immer noch unaufgeklärte

Ungereimtheiten im Mordfall Hochgatter“ an mich eine schriftliche

parlamentarische Anfrage gerichtet.

 

Bevor ich auf die an mich gerichteten Fragen im einzelnen eingehe, weise ich

daraufhin, daß der Fall FOCO Tibor und der Mord an HOCHGATTER Elfriede

bereits Gegenstand mehrerer parlamentarischer Anfragen an meine

Amtsvorgänger und mich waren. Auf gleiche oder ähnliche Themenbereiche wie

in der vorliegenden Anfrage bezogen sich insbesondere folgende

Anfragebeantwortungen:

 

• Zahl 50.115/247 - II/2/89 vom 05.06.19989 zur Anfrage Nr. 3585/J vom

   06.04.1989,

• Zahl 50.115/274 - II/2/89 vom 18.07.1989 zur Anfrage Nr. 4055/J vom

   29.06.1989,

• Zahl 4400/64 - II/D/90 vom 13.03.1990 zur Anfrage Nr. 4876/3 vom

   24.01.1990,

• Zahl 4400/136 -II/D/93 vom 12.04.1993 zur Anfrage Nr. 4290/J vom

   18.2.1993,

• Zahl 4400/150 - II/10/93 vom 04.12.1993 zur Anfrage Nr. 5420/J vom

   20.10.1993.

Die einzelnen Fragen beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1

 

Punkt 1 - 8:

 

Wie bereits im 1. Absatz der Einleitung zur Anfrage zutreffend angeführt, ist das

Strafverfahren gegen Tibor FOCO (Voruntersuchung) wegen Verdachtes des

Mordes nach wie vor anhängig. Ich sehe mich daher außerstande, zu den

Punkten 1 - 8, die sich auf täterrelevante Untersuchungen und Ermittlungen

beziehen, Stellung zu nehmen.

 

Zu Frage II

 

Punkt 1:

 

Ob gegen den Beamten ein Strafverfahren eingeleitet wurde, ist nicht bekannt.

Anlaß für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens bestand nicht, zumal die

Dienstbehörde von den Einzelheiten der Aussage des KREUZER keine

Kenntnis hatte. Bei Vorliegen von Verdachtsgründen für eine wissentlich

falsche Aussage wäre es gemäß § 277 StPO primäre Aufgabe des Gerichtes

gewesen, diesbezüglich weitere Maßnahmen zu treffen und gemäß § 288 StGB

Anzeige an die Staatsanwaltschaft zu erstatten. Erst die Verständigung des

Gerichtes von der Einleitung des diesbezüglichen Strafverfahrens hätte die

Dienstbehörde in die Lage versetzt, erforderlichenfalls disziplinärrechtliche

Maßnahmen zu treffen.

 

Punkt 2:

 

Bei den sogenannten Ausführungen ist ein vom Gericht aufgelegtes Formular

(damals Int. Form Nr. 133) von der Untersuchungsrichter - Abteilung

auszufüllen. Eine Auswertung der im Akt der Bundespolizeidirektion Linz

vorhandenen Ablichtungen dieser Ausführungsprotokolle ergab, daß im

Regelfall ein oder zwei bestimmte Kriminalbeamte einen Genehmigungsantrag

an den Untersuchungsrichter stellten, daß die bewilligten Ausführungen

(Abholungen und Rückbringungen) aber vielfach (aus praktischen Gründen) von

anderen Beamten durchgeführt wurden. In allen vorhandenen Ablichtungen von

Ausführungsprotokollen scheinen als Antragsteller in den Protokollen der ersten

Zeit durchwegs zwei Kriminalbeamte als Antragsteller, in den späteren

Ausführungsprotokollen scheint jedoch vielfach nur ein Name eines

Kriminalbeamten auf. Es ist davon auszugehen, daß sich angesichts der Vielzahl

der Ausführungsanträge (zwei wurden gar nicht realisiert) bei der Ausfüllung

der Formulare durch die Untersuchungsrichter - Abteilung eine gewisse Routine

und Vereinfachungstendenz durchgesetzt hat. Es ist zu vermuten, daß bei der

Protokollierung der Besuche ebenfalls dieselben Gepflogenheiten eingehalten

wurden. Demnach ist davon auszugehen, daß die schriftlichen Aufzeichnungen

nicht gänzlich mit den tatsächlichen Vorgängen übereinstimmen.

 

Es ergibt sich daher, daß die von dem Kriminalbeamten KREUZER „allein

durchgeführten Besuche oder Ausführungen“ nicht mit letzter Sicherheit

rekonstruiert werden können. Es ist davon auszugehen, daß bei sämtlichen

Ausführungen der Regina UNGAR, die nach ihrer Ersteinlieferung in das

landesgerichtliche Gefangenenhaus durchgeführt wurden, bei der

Bundespolizeidirektion Linz Niederschriften angefertigt wurden. Es handelt sich

um die im Akt enthaltenen Niederschriften der Regina UNGAR aus diesem

Zeitraum. Was die Besuche bei der Untersuchungsgefangenen Regina UNGAR

im landesgerichtlichen Gefangenenhaus angeht, so steht fest, daß dabei nicht in

allen Fällen Niederschriften angefertigt wurden. Bei diesen Besuchen wurden

Niederschriften hauptsächlich über kürzere Einzelfragen erstellt. Wenn die

Notwendigkeit ausführlicherer Einvernahmen zur größeren Komplexen

erkennbar waren, wurde zweckmäßigerweise eine Ausführung beantragt. Andere

Niederschriften gibt es nicht.

 

Punkt 3:

 

Sämtliche Ausführungen und Besuche erfolgten im dienstlichen Auftrag und mit

ausdrücklicher gerichtlicher Genehmigung.

 

Die Ausführungen wurden zum Zwecke von Einvemahmen bzw. zur Erstellung

von Niederschriften durchgeführt. Die Besuche dienten zur ergänzenden

Befragung der beschuldigten und später angeklagten Regina UNGAR und waren

auch deshalb notwendig, weil das Gericht laufend bis zum Schluß der

Hauptverhandlung Erhebungsaufträge an die Polizei erteilte.

 

Zu Frage III

 

Gegen den Beamten wurde diesbezüglich weder ein Strafverfahren noch ein

Disziplinarverfahren eingeleitet.

 

Am 07.05.1990 erstatteten die Eltern FOCOS Strafanzeige gegen den

Kriminalbeamten KREUZER und andere Kriminalbeamte, daß bestimmte von

den Kriminalbeamten gesichtete Briefe die Unschuld ihres Sohnes bewiesen

hätten, aber dem Gericht nicht abgeliefert worden seien. Das Verfahren gegen

die Polizeibeamten wurde von der Staatsanwaltschaft Linz am 16.08.1990 aus

dem Grunde des § 90 StPO zurückgelegt. Am 21.01.1993 brachten die Eltern

FOCOS einen Subsidiarantrag diesbezüglich ein, der mit Beschluß der

Ratskammer des Landesgerichtes Linz vom 24.02.1993 abgewiesen wurde.

Im letzten Absatz dieses Beschlusses wird wörtlich ausgeführt:

„Abgesehen davon setzt die Einleitung der Voruntersuchung einen konkreten

Tatverdacht voraus. Bloße Vermutungen, die nicht auf empirischen

Erkenntnissen beruhen und über den Charakter von bloßen Spekulationen nicht

hinauskommen, werden dem Gebot der Konkretisierung des Tatverdachtes nicht

gerecht. Nach dem ausführlich geschilderten Sachverhalt ergibt sich nicht

einmal der geringste Hinweis einer rechtswidrigen Handlung seitens der

Kriminalbeamten. Die Anschuldigung, die Beamten hätten an Christine RESCH

gerichtete Briefe der Regina UNGAR unterdrückt bzw. falsch ausgesagt,

entbehrt jeder Grundlage. Somit war der Subsidiarantrag auch mangels

konkreten Tatverdachtes abzuweisen.“

 

Zu Frage IV

 

Punkt 1:

 

Die Beteiligung des Kriminalbeamten Othmar KREUZER am Lokalaugenschein

hatte für ihn keine Konsequenzen. Aus der filmischen Darstellung einer

Bewegung auf eine besondere Beschaffenheit eines „Druckes“ oder auf die

innere Absicht des die Bewegung Ausführenden verläßlich schließen zu können,

muß als reine Hypothese gewertet werden. Hätte sich der Beamte tatsächlich

unkorrekt verhalten, wäre dies zweifellos von den beim gesamten

Lokalaugenschein anwesenden Mitgliedern des Schwurgerichtshofes, von den

Geschworenen, vom öffentlichen Ankläger und vom Verteidiger beanstandet

worden.

 

Punkt 2:

 

Für diese gerichtliche Amtshandlung war ein ausreichendes Kontingent von

Kriminalbeamten abgestellt, wobei die von den einzelnen Beamten zu

übernehmenden Rollen in dem Sinn vorgeplant waren, als sie den bisherigen

Aufgaben dieser Beamten im Ermittlungsverfahren entsprachen. Die

tatsächlichen Dienstverrichtungen der Beamten bei diesem Lokalaugenschein

konnten durch die unvorhersehbaren Erfordernisse für die Parteien dieses

Strafprozesses nicht in allen Einzelheiten im voraus geplant werden und wurden

je nach den ergangenen speziellen Aufträgen des Gerichtes ausgeführt.

 

Punkt 3:

 

Die Zeugenaussagen der beiden Kriminalbeamten führten soweit der

Bundespolizeidirektion Linz bekannt - zu keiner Reaktion des Gerichtes in

Richtung § 277 StPO, weshalb auch keine Notwendigkeit zum disziplinären

Einschreiten gegeben war.

 

Punkt 4..

 

Aus den Bestimmungen der StPO (§§ 232 ff) geht eindeutig hervor, daß die

Ausübung der Sitzungspolizei im Zuge der Hauptverhandlung dem

Vorsitzenden zukommt. Die Organe der Sicherheitsbehörden haben daher -

ausgenommen über Ersuchen des Vorsitzenden - auch nicht zu überprüfen, ob

allenfalls später zu vernehmende Zeugen (§ 248 StPo) schon vor ihrer

Vernehmung bei der Hauptverhandlung anwesend sind. Gemäß § § 116 ff in

Verbindung mit § 123 StPO obliegt die Leitung des Lokalaugenscheins dem

Gericht.

 

Zu Frage V

 

Es ist richtig, daß der Kriminalbeamte als Trauzeuge fungierte, durch diesen

Umstand sind jedoch nach Bericht der Bundespolizeidirektion Linz keine

negativen Auswirkungen auf den Dienst eingetreten.

 

Zu Frage VI

 

Punkt 1:

 

Nach der im Jahr 1986 geltenden Dienstanweisung für den polizeiärztlichen

Dienst bei den Bundespolizeibehörden (Erlaß vom 04.07.1968, Zahl 68.000 -

13/68) waren im Sinne der §§ 4 und 5 dieses Erlasses Personen, die

Verletzungen als Folge einer gerichtlich strafbaren Handlung aulweisen oder

behaupten, zu untersuchen und darüber ein Befund und Gutachten zu erstellen.

Die Bestimmungen der §§ 39 und 40 regelten die Untersuchung von

Polizeiarrestanten auf Haftfähigkeit, welche spätestens 24 Stunden nach der

Anhaltung zu erfolgen hatte. Sofern dabei Verletzungen festgestellt oder

behauptet wurden, die auf Fremdverschulden zurückzuführen sind, war die

Beweissicherung nach den Bestimmungen der §§ 1 bis 4 der Dienstanweisung

vorzunehmen.

 

In den §§ 20 bis 23 wurde die Mitwirkung des Polizeiamtsarztes bei der

Feststellung der Zurechnungsfähigkeit geregelt. Über Antrag des Leiters der

Amtshandlung hatte der Amtsarzt u.a. auch bei Personen, die einer gerichtlich

strafbaren Handlung verdächtig waren, diese Untersuchung vorzunehmen und

die medizinisch relevanten Umstände zu beschreiben, um in weiterer Folge dem

Gericht die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit zu ermöglichen.

Zu Punkt 2:

 

Bei der Erstuntersuchung wurden von Regina UNGAR keinerlei Angaben über

die äußerlich nicht sichtbaren Verletzungen an der Unterlippe und unter dem

Haar gemacht.

 

Punkt 3:

 

Die Dienstanweisung für den polizeiärztlichen Dienst bei den

Bundespolizeibehörden wurde mit Erlaß vom 02.08.1996 neu verlautbart.

Hinsichtlich den unter Punkt 1 erwähnten Bestimmungen weicht die neue

Dienstanweisung nicht von den vorher geltenden Regelungen ab. Zu erwähnen

wäre nur der Zusatz, daß nötigenfalls zur Dokumentation von Verletzungen

auch Fotografien angefertigt werden können.

 

Punkt 4:

 

Gegenständliche Anschuldigung wurde zweimal untersucht, erstmals durch

Beamte des BMI, im zweiten Falle durch Beamte der Kriminalabteilung des

Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich im Auftrag des BMI.

 

Punkt 5:

 

Da weder ein Strafverfahren eingeleitet wurde, noch der Verdacht einer

Dienstpflichtverletzung vorlag, bestand kein Anlaß zu disziplinarrechtlichen

Maßnahmen.

 

Punkt 6:

 

Nein.

 

Zu Frage VII

 

Ich sehe mich aus den zu Frage I/Punkt 1 - 8 angeführten Gründen zu einer

Beantwortung außerstande.

 

Zu Frage VIII

 

Punkt 1:

 

Nach § 7 AVG haben sich Verwaltungsorgane der Ausübung ihres Amtes zu

enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sie mit dem Betroffenen

näher verwandt oder verschwägert sind, oder wenn sonstige wichtige Gründe

vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.

Gemäß Art. V EGVG sind die Bestimmungen über das Verwaltungs -

strafverfahren - und damit jene des AVG über die Befangenheit von

Verwaltungsorganen - bei der Tätigkeit im Dienste der Strafjustiz sinngemäß

anzuwenden.

 

Punkt 2:

 

Falls zum Zeitpunkt der Amtshandlung eine Nahebeziehung zwischen dem

Beamten und Eva FOCO bestanden hätte, wäre er verpflichtet gewesen, seine

dann zweifelsfrei gegebene Befangenheit selbst wahrzunehmen.

 

Punkt 3..

 

Ja. Allerdings begann dieses Naheverhältnis lange nach Abschluß der

sicherheitsbehördlichen Vorerhebungen in dem Mordfall.

 

Punkt 4:

 

Dies ist nicht bekannt.

 

Punkt 5..

 

Anläßlich der Niederschrift vom 24.06.1988. Diesbezüglich wurde ein

Disziplinarverfahren eingeleitet.