5403/AB XX.GP

 

                                                               B e a n t w o r t u n g

 

der Anfrage der Abgeordneten Mag. Stadler und Kollegen an die Frau

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, betreffend zweifel -

hafte Vergabepraxis bei den Kassenplanstellen (Nr. 5745/J).

Zur oben angeführten parlamentarischen Anfrage führe ich zunächst einleitend

Folgendes aus:

 

Gemäß § 343 Abs. 1 ASVG erfolgt die Auswahl der Vertragsärzte und der Abschluss

der Einzelverträge nach den Bestimmungen des Gesamtvertrages im Einvernehmen

zwischen Krankenversicherungsträger und der zuständigen Ärztekammer.

 

Wie der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, der gemäß

§ 341 Abs. 1 ASVG für die Krankenversicherungsträger und mit deren Zustimmung

die Gesamtverträge abschließt, in seiner diesbezüglichen Stellungnahme mitgeteilt

hat, sehen die Gesamtverträge vor, dass freie Vertragsarztstellen im Einvernehmen

mit der Ärztekammer in deren Mitteilungen vom Krankenversicherungsträger ausge -

schrieben werden. Der Wortlaut der Ausschreibung ist in der Regel in einem Anhang

zum Gesamtvertrag vereinbart und enthält insbesondere die Aufzählung der einzu -

reichenden Bewerbungsunterlagen. Die Ärztekammer überprüft, ob die Bewerber die

geforderten Voraussetzungen erbringen und erstattet einen begründeten Vorschlag.

Ist der Krankenversicherungsträger mit dem Vorschlag nicht einverstanden, hat er

einen begründeten Gegenvorschlag zu erstellen. Kommt kein Einvernehmen zu -

stande, ist eine Anrufung der Landesschiedskommission vorgesehen.

 

  Die Gesamtverträge sehen weiters vor, dass für die Auswahl der Vertragsärzte

  Richtlinien vereinbart werden können. Soweit solche Richtlinien überhaupt

  vereinbart worden sind, beziehen sie sich größtenteils nur auf die formalen Vor -

  gangsweisen. Lediglich die zwischen der Tiroler Gebietskrankenkasse und der

  Ärztekammer für Tirol vereinbarte Richtlinie enthält ein Punkteschema hinsichtlich

  materieller Auswahlkriterien. Weiters gehen auch die Oberösterreichische

  Gebietskrankenkasse und die Ärztekammer für Oberösterreich bei der Stellenbe -

  setzung nach einer einvernehmlich erstellten „Bewertungsliste“ vor.

 

  Daneben bestehen in einigen Bundesländern ärztekammerinterne Richlinien hin -

  sichtlich des Vorschlages für eine Stellenbesetzung, die ein Punkteschema ent -

  halten.

 

  Die in der Einleitung der gegenständlichen parlamentarischen Anfrage aufgestellte

  Behauptung, es gebe in Niederösterreich eine Abmachung zwischen Gebiets -

  krankenkasse und Ärztekammer über eine „Punkteliste“ für Bewerber um

  kassenplanstellen, ist unzutreffend. Die zitierte „Punkteliste“ ist rein ärzte -

  kammerintern und wurde von der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse

  nie anerkannt. Auch die Ärztekammer für Niederösterreich hat in einer an mich

  gerichteten Stellungnahme ausdrücklich festgehalten, dass es in Niederösterreich

  nur kammerinterne, von der Vollversammlung der Ärztekammer für Niederöster -

  reich beschlossene Richtlinien für die Vergabe von Kassenplanstellen gebe,

  jedoch keine gemeinsamen Richtlinien zwischen Sozialversicherung und Ärzte -

  kammer vereinbart sind. Die Beurteilung von Bewerbern um Kassenplanstellen

  durch die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse erfolgt eigenständig.

 

  Zum Thema ,,Familiennachfolge“ bei Kassenplanstellen hat die Niederöster -

  reichische Gebietskrankenkasse folgende Fakten bekanntgegeben:

 

  In den letzten Jahren wurden im Bundesland Niederösterreich insgesamt 143

  Ärzte in Vertrag genommen; hievon lag in 12 Fällen eine Familiennachfolge vor. In

8 von diesen 12 Fällen hat es sich um eine Einzelbewerbung gehandelt, d. h., dass

sich um die betreftenden ausgeschriebenen Kassenplanstellen keine weiteren

Ärzte beworben haben. In den übrigen vier Fällen war die Vertragsvergabe an den

Familiennachfolger aus Sicht der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse

bzw. nach deren Kriterien berechtigt. Die Bewerber waren gegenüber ihren

Mitbewerbern aufgrund des früheren Datums der Erlangung der Berechtigung zur

selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes sowie aufgrund des früheren

Datums der erstmaligen Vormerkung für eine Kassenplanstelle im Bundesland

Niederösterreich vorzuziehen.

 

Auch die Ärztekammer für Niederösterreich kommt bei ihrer Darstellung der

statistischen Zahlen für den Zeitraum 1995 bis 1998 zu einem vergleichbaren

Ergebnis: von 218 besetzten Planstellen wurden 14 an Deszendenten vergeben,

bei Außerachtlassung der Einzelbewerbungen waren es acht Planstellen.

 

Zu den einzelnen Fragen der Anfrage führe ich Folgendes aus:

 

Zur Frage 1:

 

Wie schon einleitend ausgeführt, gibt es lediglich zwischen der Tiroler Gebiets -

krankenkasse und der Ärztekammer für Tirol eine Vereinbarung über Richtlinien,

die ein Punkteschema hinsichtlich materieller Auswahlkriterien enthalten.

 

Die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse und die Ärztekammer für Ober -

österreich gehen - ohne formelle Vereinbarung - einvernehmlich nach einer

solchen Richtlinie mit Punkteschema aus.

 

Richtlinien ohne Punkteschema sind für den Bereich der Wiener Gebietskranken -

kasse (Allgemeinmediziner und Zahnärzte) und der Niederösterreichischen

Gebietskrankenkasse vereinbart. In Niederösterreich bestehen - wie bereits oben

dargestellt - neben den mit der Kasse vereinbarten und nur das Verfahren

regelnden Richtlinien noch kammerinterne Richtlinien. Für den Bereich der

Kärntner Gebietskrankenkasse sind Richtlinien für Zahnärzte vereinbart.

Zur Frage 2:

 

Es bestehen keine derartigen Vereinbarungen.

 

Zur Frage 3:

 

Weder in den von der Tiroler Gebietskrankenkasse vereinbarten noch in den von

der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse angewandten Richtlinien sind

Punkte für die Familiennachfolge vorgesehen.

 

Zur Frage 4:

 

Aus meiner Sicht ist es unbestritten, daß die Qualifikation und Praxiserfahrung

und nicht die Familienzugehörigkeit bei der Vergabe von Kassenplanstellen

prioritär zu bewerten sind. Hinsichtlich der Vereinbarungen zwischen kranken -

versicherungsträgern und Ärztekammern verweise ich auf meine Ausführungen

zur Frage 3.

 

Zu den Fragen 5 bis 8:

 

Im Hinblick auf meine Ausführungen zur Frage 1, wonach es nur in Tirol und

Oberösterreich eine einvernehmliche Vorgangsweise zwischen Gebietskranken -

kasse und Ärztekammer anhand einer Punkteliste gibt, kann ich diese Fragen nur

für die genannten Bundesländer beantworten, da im Bereich der übrigen Bundes -

länder allfällige „Bewertungslisten“ nur ärztekammerintern für das Vorschlagsrecht

relevant sind. Die diesbezügliche Praxis der jeweiligen Landesärztekammern ent -

zieht sich meiner Einflussnahme, weil die Aufsicht über die einzelnen Ärzte -

kammern der jeweiligen Landesregierung obliegt.

 

Hinsichtlich der Finanzierung von Praxen aus öffentlichen Mitteln liegen mir keine

Informationen vor.

 

Zur Situation in Tirol halte ich fest, dass laut Auskunft der Tiroler Gebietskranken -

kasse in den letzten drei Jahren jeweils mit dem Erstgereihten laut Punkteliste der

Kassenvertrag abgeschlossen wurde.

Im Bereich der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse wird grundsätzlich

immer mit dem Erstgereihten der Kassenvertrag abgeschlossen. Sollte jedoch der

Punkteabstand zwischen dem Erstgereihten und seinen Mitbewerbern innerhalb

von 4 Punkten liegen, so ist ein Hearing vor einem aus Vertretern der Ärzte -

kammer und der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse bestehenden

Gremium vorgesehen. Wenn dieses Gremium keine einvernehmliche andere Ent -

scheidung trifft, wird der Kassenvertrag mit dem Erstgereihten abgeschlossen.

 

Seit 1. 1. 1997 wurden 36 Stellenbesetzungen durchgeführt, wobei bei acht

Besetzungen Hearings durchgeführt worden sind; viermal wurde mit dem Erstge -

reihten und viermal mit dem Zweitgereihten der Kassenvertrag abgeschlossen.

Ausschlaggebend war immer der persönliche Gesamteindruck, der im Hearing

aufgrund der von der Kommission gestellten Fragen gewonnen wurde. Hiebei kam

es in einem Fall zum Abschluss eines Kassenvertrages mit einem zweitgereihten

Familienmitglied des bisherigen Vertragsarztes.

 

Zu den Fragen 9 und 12:

 

Meine Zielvorstellung ist es, dass Kassenplanstellen in einem möglichst

objektiven, am Patientenwohl orientierten Verfahren vergeben werden. Nach der

bestehenden Rechtslage ist das diesbezügliche Verfahren zwischen Sozialver -

sicherung und Ärztekammern zu vereinbaren. Der Hauptverband der öster -

reichischen Sozialversicherungsträger hat bereits vor längerer Zeit ein Modell für

Auswahlrichtlinien erarbeitet. Der Richtlinienentwurf konnte aber noch nicht

flächendeckend und vollinhaltlich umgesetzt werden, weil dafür das Einver -

nehmen mit den Ärztekammern erforderlich ist. Ich werde auch an die Ärzteschaft

appellieren, dass es österreichweit zu entsprechenden Vereinbarungen kommt.

 

Was das Angebot an Kassenfachärzten im ländlichen Bereich angeht, muss ich

zunächst darauf hinweisen, dass die Weiterentwicklung des

Versorgungsangebotes in den letzten Jahren zügig fortgesetzt wurde. Allein in

den Jahren 1997 und 1998 konnten 307 zusätzliche Kassenverträge für

niedergelassene Fachärzte vergeben werden. Diese zusätzlichen Stellen wurden

in ländlichen Regionen und Regionen mit wachsender und/oder stark alternder

Bevölkerung geschaffen. Eine Weiterentwicklung der Versorgungskapazität hängt

auch wesentlich von den Öffnungszeiten der Vertragsärzte ab. Diesbezüglich ist

ein Diskussionsprozess zwischen Sozialversicherung und Ärztekammern zur

Ausweitung der vertraglich vereinbarten Öffnungszeiten in Gange, dessen

Ergebnissen ich nicht vorgreifen möchte. Schließlich ist auch festzuhalten, dass

manche Vertragsarztstellen im ländlichen Bereich mangels entsprechender

Bewerber nicht besetzt werden können.

 

Zur Frage 10:

 

Ich halte das österreichische Stellenplansystem grundsätzlich für ein taugliches

Instrument zur Sicherstellung einer ausreichenden ärztlichen Versorgung bei

gleichzeitiger Bedachtnahme auf einen angemessenen und zweckmäßigen

Einsatz der finanziellen Ressourcen der sozialen Krankenversicherung. Der

Bedarf nach Vertragsärzten ist derzeit weitgehend gedeckt. Es kann jedoch kein

Arzt gezwungen werden, sich auf einer freien Vertragsarztplanstelle

niederzulassen. So können beispielsweise derzeit 20 Facharztstellen in

Niederösterreich nicht besetzt werden. Durch eine „Freigabe“ von

Kassenplanstellen können solche regionalen Versorgungslücken nicht

geschlossen werden, da seitens der Ärzte bekanntlich eine Niederlassung in

Ballungsräumen deutlich favorisiert wird. Ich hege vielmehr die Befürchtung, dass

sich bei einer „Freigabe“ von Kassenplanstellen die regionalen Ungleichgewichte

noch verschärfen würden.

 

Zur Frage 11:

 

Die in dieser Frage angesprochene Äußerung des Präsidenten der Ärztekammer

für Niederösterreich zielt darauf ab, das geltende Sachleistungsprinzip abzu -

schaffen. Es wurde die Forderung erhoben, dass alle niedergelassenen Ärzte ihre

Behandlungen „ohne einengende Sozialversicherungsverträge“ (Zitat Weintögl)

privat verrechnen können und die Patienten bei ihrem Krankenversicherungs -

träger eine Erstattung ihrer Kosten beantragen sollen. Wenn man bedenkt, dass

diese Kostenerstattung durch die Krankenversicherung aus finanziellen Gründen

jedenfalls nur in einer begrenzten Höhe möglich wäre, würde die Umsetzung

dieses Vorschlages bedeuten, die Versicherten mit der Vorfinanzierung und der

über den Erstattungstarif hinausgehenden Honorarforderung des Arztes zu

belasten. Ich halte diesen Vorschlag daher für unausgegoren und sozial - und

gesundheitspolitisch unverantwortlich.