5428/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Helmut Haigermoser und Kollegen haben am
25. Februar 1999 unter der Nr. 5840/J - NR/1999 an mich eine schriftliche
parlamentarische Anfrage betreffend Rückführung Österreichischer Kulturgüter aus dem
Gebiet der ehemaligen Sowjetunion gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 - 3:
Soweit Österreichische Kulturgüter betroffen sind, die sich auf Grund der Folgen des
Zweiten Weltkrieges heute auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion befinden oder
befinden könnten, handelt es sich nach Kenntnis des BMaA
- um Tapisserien aus dem Kunsthistorischen Museum, die im Jahre 1939 an
Dienststellen des Deutschen Reichs verliehen wurden und von denen sich acht
zumindest zeitweise in der Berliner Reichskanzlei und neun im Landsitz von
Hermann GÖring (Karinhall) befunden haben sollen, und
- um eine Sammlung mittelpersischer Papyrusfragmente (insgesamt 500 Posten) - die
sogenannte Sammlung "Pahlevi“ -, die im Jahre 1936 nach Berlin zur Restaurierung
geschickt wurde und sich zu Kriegsende noch dort befand.
Kürzlich wurde durch eine Anfrage des Kulturministeriums der Russischen Föderation an
die österreichische Botschaft in Moskau bekannt, daß sich auf russischem Staatsgebiet
ein größerer Bestand von Büchern aus dem Eigentum der Familie Esterházy befindet, der
offenbar auf Grund der Folgen des Zweiten Weltkrieges in das Gebiet der ehemaligen
Sowjetunion verbracht wurde - möglicherweise aus Österreich.
Bezüglich der Tapisserien aus dem Kunsthistorischen Museum besteht allenfalls die
Möglichkeit, daß sich diese heute noch auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion
befinden könnten. Jene aus der Berliner Reichskanzlei könnten aber auch bei der
Eroberung Berlins zerstört worden sein, während jene aus dem Landsitz Hermann
Görings auch beim Abtransport des Inventars durch den Genannten nach
Süddeutschland in andere Hände gelangt sein könnten. In den vergangenen Jahren
wurde wiederholt in Kontakten des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten
und des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten mit russischen
Stellen die Frage erhoben, ob sich die Tapisserien auf dem Gebiet der Russischen
Föderation befinden. Die Gesprächspartner erklärten jeweils, daß man der Sache
nachgehen würde. Es besteht aber aus heutiger Sicht kein sicherer Anhaltspunkt dafür,
daß sich die Tapisserien tatsächlich auf dem Gebiet der Russischen Föderation oder auf
dem Gebiet etwa der Ukraine oder anderer Nachfolgestaaten der ehemaligen
Sowjetunion befinden.
Demgegenüber ist hinsichtlich der Papyrussammlung "Pahlevi" aus dem Eigentum der
Österreichischen Nationalbibliothek bekannt und unbestritten, daß sie sich gegenwärtig in
den Beständen des Eremitage - Museums von Sankt Petersburg befindet. Sie unterliegt
derzeit aus russischer Sicht, so wie alle Kulturgüter, die in Folge des Zweiten Weltkrieges
in die ehemalige Sowjetunion verbracht wurden und sich heute auf russischem
Hoheitsgebiet befinden, dem am 21. April 199B amtlich veröffentlichten Föderalen Gesetz
über die In Folge des Zweiten Weltkrieges in die Sowjetunion verbrachten und sich im
Hoheitsgebiet der Russischen Föderation befindlichen Kulturgüter. Österreich scheint in
der Regelung dieses Gesetzes richtigerweise nicht als "ehemaliger Feindstaat“ auf,
sondern wird unter der Kategorie ,,betroffener Staat“ erfaßt (d.h. als Staat außerhalb des
Hoheitsgebietes der ehemaligen Sowjetunion, dessen eigenes Hoheitsgebiet "vollständig
oder teilweise von
den Truppen der ehemaligen Feindstaaten besetzt war. „) Die
Rückstellung der Sammlung nach Österreich bedarf aus der Sicht der russischen
Rechtsordnung eines vom russischen Parlament zu verabschiedenden Spezialgesetzes.
Das Kulturministerium der Russischen Föderation hat gegenüber der österreichischen
Botschaft in Moskau zuletzt mitgeteilt, daß auf russischer Seite beabsichtigt ist, den hierzu
erforderlichen Regierungsvorschlag im Parlament einzubringen, um die Angelegenheit so
rasch wie möglich zu einem positiven Abschluß zu bringen. Die Haltung des russischen
Parlaments zu einem solchen Vorschlag wäre angesichts der gegenwärtigen
innenpolitischen Lage in der Russischen Föderation allerdings offen. Das
Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten steht in dieser Frage in engem
Kontakt mit der Österreichischen Nationalbibliothek und wird weiter mit Nachdruck eine
Lösung betreiben. So wurde auch anläßlich des Besuchs des russischen Premierministers
J.M. Primakov in Österreich im Oktober 1998 im Gespräch mit Außenminister Ivanov die
österreichische Forderung auf Rückgabe der Sammlung erneut bekräftigt.
Hinsichtlich des vorerwähnten Bestandes von Büchern aus dem Eigentum der Familie
Esterházy hat die für die Ausübung des Eigentumsrechts in Frage kommende
österreichische Stiftung kürzlich direkte Gespräche mit russischen Stellen aufgenommen.
Zu Frage 4:
Über den Zeitpunkt eines positiven Ergebnisses in der Frage der Papyrussammlung
,,Pahlevi" kann derzeit keine Aussage getroffen werden, da hierfür auch bei positiver
Erledigung durch die Regierungsstellen der Russischen Föderation nach der derzeitigen
russischen Rechtslage ein Gesetzgebungsakt des russischen Parlaments erforderlich ist.
Was den Bestand von Büchern aus dem Eigentum der Familie Esterházy betrifft, verfügt
das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten derzeit über keine Informationen
hinsichtlich des Verlaufs der kürzlich begonnen Gespräche, die von der für die Ausübung
des Eigentumsrechts in Frage kommenden österreichischen Stiftung mit russischen
Stellen geführt werden.