544/AB
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Partik-Pable` und Genossen haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Haftverhandlungen, gerichtet und folgende Fragen gestellt:
"l. Wieviele Haftverhandlungen wurden in den Landesgerichten für Strafsachen Wien, Graz, Linz, Innsbruck und Klagenfurt seit dieser Einführung bisher jeweils durchgeführt?
2. Welche Kosten für Pflichtverteidiger sind im Zusammenhang mit diesen HaftVerhandlungen bei den einzelnen Landesgerichten entstanden?
3. Wie hoch waren jeweils die Dolmetschkosten?
4. Wieviele Untersuchungshäftlinge wurden in der ersten oder in der zweiten Haftverhandlung bei den genannten Gerichten aus der Untersuchungshaft entlassen?
5. Sind Sie der Ansicht, daß dieses Haftprüfungsverfahren in Geltung bleiben soll oder planen Sie eine Änderung? Wenn ja, in welcher Form?"
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1:
Anzahl der Haftverhandlungen
1994 1995 1996
(1.1. bis 30.4.)
Landesgericht für Strafsachen Wien 2860 2498 910
Landesgericht für Strafsachen Graz 329 362 132
Landesgericht Linz 397 455 162
Landesgericht Innsbruck 280 530 230
Landesgericht Klagenfurt 333 257 89
Zu 2 und 3:
Vorweg weise ich darauf hin, daß über den Gegenstand der Fragen keine zentrale Statistik geführt wird. Die folgenden Angaben beruhen daher auf Berichten der jeweiligen Landesgerichte, wobei diesen Zahlen weitgehend Schätzungen zugrunde liegen. Zum Teil haben sich die Gerichte, insbesondere das Landesgericht Linz, Oberhaupt außer Stande gesehen, auch bloß geschätztes Zahlenmaterial zur Verfügung zu stellen. Verläßliche und exakte Angaben wären lediglich nach Einholung sämtlicher Akten aus den jeweiligen Gerichtsabteilungen möglich, deren Auswertung allerdings mit einem großen Verwaltungsaufwand verbunden wäre.
Folgende Zahlen haben die Gerichte mitgeteilt:
a) Landesgericht für Strafsachen Wien:
Kosten für Pflichtverteidiger:
1994: S 3 308.500 1995: S 3 909.000
b) Landesgericht für Strafsachen Graz:
Kosten der Pflichtverteidiger: jährlich ca. S 132.000
Dolmeschkosten: jährlich ca. S 137.500
1996 (1.1. bis 30.4.): S 1 225.500
d) Landesgericht Innsbruck:
Kosten für Pflichtverteidiger: von 1994 bis 30.4.1996 ca. S 2 Mio Dolmetschkosten: ca. S 60.000
e) Landesgericht Klagenfurt:
Kosten für Pflichtverteidiger:
1994: ca S 642.000
1995: ca S 630.000
1996(1.1. bis 30.4.): ca S 267.000
Zu 4 und 5:
Auch zur Frage 4 konnten die Gerichte - aus den zu 2 und.3 angeführten Gründen - überwiegend keine oder nur vage Angaben machen. Das Landesgericht für Strafsachen Wien gab 24 Fälle der Aufhebung der Untersuchungshaft nach erster bzw zweiter Haftverhandlung an, das Landesgericht Klagenfurt berichtete, daß 20 bis 30 Untersuchungshäftlinge in der ersten oder zweiten Haftverhandlung entlassen worden sind, und das Landesgericht Innsbruck schätzt, daß 10 bis 150/o der Untersuchungshäftlinge auf diese Weise entlassen werden.
Der Kriminologe Univ.Prof. Dr. Franz Csäszär hat das neue Untersuchungshaftrecht in der Praxis anhand einer empirischen Erhebung im Landesgericht für Strafsachen Wien untersucht (FS Platznummer, 351 ff). Er kommt für das Jahr 1994 u.a. zum Ergebnis, daß 19 0/o aller Untersuchungshäftlinge aufgrund einer Haftverhandlung ernsthaft worden sind, wobei die korrespondierenden Werte für die Jahre 1988 und 1989 6 % und 5 % betragen.
Als Indikator für den "Erfolg" der im Rahmen des Strafprozeßänderungsgesetzes-durchgeführten Reform des Haftrechtes der StPO ist meines Erachtens freilich in erster Linie die spürbare Verkürzung der Haftdauer hervorzuheben, die einerseits durch die bereits erwähnte Untersuchung von Univ.Prof. Dr. Csäszär gewürdigt, andererseits in meiner Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 1184/J-NR/1995 vom 19. Juli 1995 zahlenmäßig ausgewiesen wird. Danach ist festzustellen, daß im Zusammenhang mit den zu Jahresbeginn 1994 wirksam gewordenen gesetzlichen
Änderungen des Verfahrens über die Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft infolge gleichzeitiger Verminderung der Haftfälle und Verkürzung der durchschnittlichen Haftdauer im Jahr 1994 gegenüber dem Vorjahr um 189.939 (oder rund 23,5 %) Hafttage weniger angefallen sind. Aufgrund dieser - im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK besonders bedeutsamen - Verfahrenskonzentration, die, wie die Untersuchung von Csäszär beweist, nicht bloß in einer früheren Anklage, sondern in einer Beschleunigung des Strafverfahrens insgesamt besteht, sehe ich derzeit keinen Anlaß, das System fester Haftfristen und periodischer, kontradiktorischer Haftverhandlungen zu verändern.
21-. Juni 1996