5472/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Rauch-Kallat und Kollegen haben am 17. Februar

1999 unter der Nr. 5757/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betref -

fend Weiterbau des Atomkraftwerks K2/R4 gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

 

Zuständig für die Vergabe einer EURATOM - Anleihe ist die Europäische Kommission.

Der Beschluß, der die Europäische Kommission zur Vergabe einer EURATOM - Anlei -

he auch in bestimmten Drittländern ermächtigt, wurde vom Rat bereits 1994 und da -

mit vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union gefaßt. Die Europäische

Kommission holt vor ihrer Entscheidung Stellungnahmen in technischer und wirt -

schaftlicher Hinsicht ein, ist jedoch in keiner Weise an diese Stellungnahmen ge -

bunden. Die Einflußmöglichkeiten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union

beschränken sich dabei auf die Möglichkeit, die Entwürfe dieser Stellungnahmen zu

kommentieren. Die wirtschaftliche Stellungnahme zu diesem Projekt, die Anfang

dieses Jahres von der Europäischen Investitionsbank abgegeben wurde, ist

außerordentlich kritisch ausgefallen.

Nicht zuletzt unter Hinweis auf diese Stellungnahme habe ich in einem gemeinsa-

men Schreiben mit dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie an die

Kommissare PAPOUTSIS, BJERREAARD und FISCHLER die Ansicht vertreten,

daß nach österreichischer Ansicht keine Grundlage für eine positive Beurteilung

durch die Europäische Kommission gegeben ist. Dieselbe Ansicht hat auch der

Bundesminister für Finanzen in seinem Schreiben an den für die EURATOM - Anleihe

federführend zuständigen Kommissar DE SILGUY zum Ausdruck gebracht.

 

Zu den Fragen 2 bis 5:

 

Die Bundesregierung befaßt sich bereits seit Jahren eingehend mit diesem Projekt.

So hat der Ministerrat bereits am 10. Juni 1997 beschlossen, für ein strikte Einhal -

tung der einschlägigen Vergaberichtlinien der EBRD (das Projekt muß Teil einer

kostenoptimalen Investitionsstrategie und finanziell tragfähig sein, westlichen Prin -

zipien nuklearer Sicherheit entsprechen und den Erfordernissen der Umweltverträg -

lichkeit und der Öffentlichkeitsbeteiligung Genüge tun) einzutreten. Diese Haltung

wurde auch vom Herrn Bundeskanzler in einem Briefwechsel aus dem Jahr 1997 mit

dem ukrainischen Präsidenten klar zum Ausdruck gebracht.

 

Unmittelbar nach Ankündigung des Verfahrens zur Konsultation mit der Öffentlich -

keit, das der ukrainische Kernkraftwerkbetreiber ENERGOATQM gemäß den EBRD -

Vergaberichtlinien durchzuführen hatte, hat der Bundesminister für Finanzen im Juli

1998 den damaligen geschäftsführenden Präsidenten der EBRD in einem Schreiben

ersucht, für eine Notifikation Österreichs und die Einbindung der österreichischen

Öffentlichkeit in das Verfahren zur Konsultation mit der Öffentlichkeit Sorge zu

tragen.

 

Nach Veröffentlichung der K2/R4 - Projektdokumentation am 18. August 1998 durch

EN ERGOATOM haben das für Umweltverträglichkeitsprüfungen zuständige Bundes -

ministerium für Umwelt, Jugend und Familie und das Bundeskanzleramt Experten

beauftragt, eine Stellungnahme für die Bundesregierung zum K2/R4 - Projekt auszu -

arbeiten. Dieses Expertengutachten, das ich Mitte November 1998 gemeinsam mit

dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie der österreichischen Öffentlich -

keit präsentiert habe, bildet die wissenschaftlich - technische Grundlage für die ableh -

nende Haltung der Bundesregierung.

 

Der Bundesminister für Finanzen hat dieses Gutachten Anfang Dezember ver -

gangenen Jahres dem EBRD - Präsidenten übermittelt. Darüber hinaus wurde das

Gutachten den Direktoren der EBRD, ihren Stellvertretern und dem Projektwerber

ENERGOATOM übermittelt.

 

Aufgrund des Engagements aller im Gegenstand befaßten Bundesministerien konnte

am 9. Dezember 1998 der „Runde Tisch“ in Wien unter Beteiligung des Projektwer -

bers ENERGOATOM abgehalten werden. Diese Tatsache allein stellt einen ent -

scheidenden Fortschritt hinsichtlich der Einbindung von einem Unfall potentiell be -

troffener Staaten dar. Diese öffentliche Veranstaltung, die eine eingehende Dis -

kussion des K2/R4 - Projekts auf Expertenebene ermöglicht und auch der breiteren

Öffentlichkeit die Möglichkeit zur Information und zur Diskussion geboten hat, wurde

von den Teilnehmern aufgrund der Fairness und Sachlichkeit der Diskussionen

positiv bewertet. Obwohl einige offene Fragen geklärt werden konnten, blieben und

bleiben jedoch die Hauptkritikpunkte des Expertengutachtens weiterhin gültig.

 

Anschließend habe ich zusammen mit dem Herrn Bundeskanzler, dem Bundes -

minister für Finanzen, dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie sowie

dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten erneut den Ministerrat befaßt.

Am 14. Dezember 1998 hat die Bundesregierung beschlossen, daß die jeweils zu -

ständigen Minister das erwähnte Expertengutachten den in die Kreditentscheidung

involvierten bzw. interessierten Regierungen und Institutionen in geeigneter Weise

zur Kenntnis bringen und in konsequenter Fortsetzung der österreichischen Kern -

energiepolitik um Unterstützung für die österreichische Haltung werben werden.

Im Dezember des Vorjahres sowie am 29. März dieses Jahres habe ich bei meinem

Zusammentreffen mit dem deutschen Umweltminister TRITTIN auch die österreichische

Haltung zum K2/R4 - Projekt eingehend erläutert und auf die besondere Verantwortung

Deutschlands hingewiesen.

 

Im Hinblick auf die seinerzeit für März 1999 erwarteten Entscheidungen der Europäi -

schen Kommission und der EBRD hat der Bundesminister für auswärtige Angelegen -

heiten im Februar dieses Jahres diplomatische Interventionen in allen EU - Mitglied -

staaten angeordnet.

 

In den von mir initiierten Schreiben an die Energie - und Umweltminister der Mitglied -

staaten der Europäischen Union sowie in den bereits erwähnten Schreiben an die

Kommissare PAPOUTSIS, BJERREGAARD und FISCHLER vom 26. Februar 1999

haben der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie und ich erneut den öster -

reichischen Standpunkt bekräftigt, daß weder die Voraussetzungen für eine Pro -

jektgenehmigung durch das Direktorium der EBRD noch für eine positive Beurteilung

durch die Europäische Kommission gegeben sind. Statt dessen sollten nach

österreichischer Ansicht rascher realisierbare und den Unwägbarkeiten der zukünfti -

gen wirtschaftlichen Entwicklung angemessenere Alternativen zur Entscheidungs -

reife gebracht und umgesetzt werden, um die Ukraine bei der Bewältigung ihrer

energiewirtschaftlichen Probleme zu unterstützen. Die Bundesregierung sieht diesen

Ansatz in voller Übereinstimmung mit dem Ende 1995 zwischen der Regierung der

Ukraine einerseits und den Regierungen der G7-Staaten sowie der Europäischen

Kommission andererseits vereinbarten „Memorandum of Understanding“ und ist be -

reit, an einer diesbezüglichen Initiative mitzuwirken. Die deutschen Minister TRITTIN

und MÜLLER wurden darüber hinaus im Hinblick auf die gegenwärtige Doppelrolle

Deutschlands als EU- und G7 - Vorsitz sowie angesichts der Tatsache, daß die EBRD

von einem deutschen Präsidenten geleitet wird, an die besondere Verantwortung

Deutschlands in dieser Angelegenheit erinnert.

Mit dieser Vielzahl von Aktivitäten hat die Bundesregierung ihre Haltung deutlich

dargelegt und wird dies auch in Zukunft konsequent fortsetzen.

 

Zu den Fragen 6 bis 9:

 

Österreich ist von Beginn für eine flexible Strategie der kleinen Schritte, wie etwa die

schrittweise Ertüchtigung bestehender Anlagen, Investitionen in effizientere Ener -

gienutzung oder den bedarfsorientierten Zubau dezentraler kleinerer Erzeugungsein -

heiten eingetreten. Insbesondere tritt Österreich für die verstärkte Nutzung erneuer -

barer Energieträger und für Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz der Energie -

nutzung ein. Diese Position wurde und wird von den Vertretern Österreichs in allen

einschlägigen Gremien sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene

vertreten.

 

Es wäre eine Verkennung der realen Gegebenheiten, wenn die Bundesregierung da -

von ausgehen würde, allein mit einer österreichischen Initiative die ukrainische Ener -

giewirtschaft reformieren und einen Ausstieg aus der Kernenergie bewirken zu kön -

nen. Unbeschadet dessen hat der Bundesminister für Finanzen in Abstimmung mit

dem Herrn Bundeskanzler anläßlich seines offiziellen Besuchs in der Ukraine im

Herbst 1997 eine Energiepartnerschaft angeboten. Die Energieverwertungsagentur

(E.V.A.) wurde vom Bundeskanzleramt mit diesbezüglichen Vorarbeiten betraut.

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