5519/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Müller und Genossen haben am

24. Februar 1999 unter der Nr. 5792/J an mich eine schriftliche parlamentari -

sche Anfrage betreffend Kennzeichnung von Fernsehprogrammen zum Schutz

der Kinder und Jugendlichen gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

 

Zu Frage 1:

Aufgrund der Novelle des Rundfunkgesetzes (RFG), BGBI. 1 Nr. 1/1999, dürfen

Fernsehprogramme „keine Sendungen enthalten, die die körperliche, geistige

oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen schwer beeinträchtigen können,

insbesondere solche, die Pornographie oder grundlose Gewalttätigkeiten

zeigen. Bei Fernsehsendungen, die die körperliche, geistige, moralische oder

sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, ist durch die

Wahl der Sendezeit oder durch technische Mittel dafür zu sorgen, daß Sendun -

gen von Minderjährigen üblicherweise nicht wahrgenommen werden“ (§ 2a

Abs. 3).

Überdies wurde dem § 2a ein neuer Abs. 4 angefügt, der die Kennzeichnungs -

verpflichtung betrifft: „Die unverschlüsselte Ausstrahlung von Sendungen

gemäß Abs. 3 letzter Satz ist durch akustische Zeichen anzukündigen oder

durch optische Mittel während der gesamten Sendung kenntlich zu machen.“

 

Der in § 2a neue Abs. 4 setzt die entsprechende Bestimmung der EU - Richtlinie

„Fernsehen ohne Grenzen“ um. Von einer Kennzeichnungsverpflichtung für

sämtliche Programme wurde Abstand genommen, weil es sinnvoll erscheint,

diesbezüglich zunächst den zur Zeit von den europäischen Rundfunkveran -

staltern geführten Diskussionsprozeß in bezug auf einheitliche europäische

Standards der Kennzeichnung abzuwarten.

 

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, daß der ORF - wie vor kurzem

auch im Rahmen einer Enquete zum Thema „Gewalt im TV“ - in seinem

Selbstverständnis als öffentlich - rechtliche Rundfunkanstalt die Auffassung

vertritt, daß mit der Kennzeichnung von bestimmten Programmen dem Jugend -

schutz und dem Schutz der Minderjährigen keineswegs genüge getan ist;

vielmehr kann es sich dabei nur um einen Aspekt eines Maßnahmenbündels

gegen Gewaltdarstellung im Fernsehen handeln.

 

Ich schließe mich dieser Auffassung mit dem Hinweis auf ein weiteres Argu -

ment der Kritiker der Kennzeichnung an, wonach entsprechend der „Forbidden -

Fruits“ - Theorie Programme mit dem „Achtung Gewalt - Symbol erst recht das

Interesse bei Jugendlichen wecken könnten. Die Kennzeichnung kann folglich

nur als zusätzliche Entscheidungshilfe für die Eltern betrachtet werden, sie darf

freilich nicht dazu führen, daß sich die Rundfunkanstalten der ihnen gesetzlich

und moralisch auferlegten Verpflichtungen entledigen.

Zu Frage 2:

Eine Regierungsvorlage für eine Novelle des Kabel - und Satellitenrundfunk -

gesetzes, BGBl. l Nr.42/1997, ist derzeit in parlamentarischer Behandlung.

Die Bestimmungen zum Jugendschutz der Richtlinie „Fernsehen ohne

Grenzen“ - somit auch jene über die Kennzeichnungspflicht - werden in dem

Entwurf selbstverständlich berücksichtigt. Der Gesetzgeber strebt eine Verab -

schiedung des Gesetzes vor Ende der Legislaturperiode an.

 

Zu Frage 3:

Das Thema „Kennzeichnungspflicht“ wird gegenwärtig auf europäischer Ebene

intensiv diskutiert, da Fernsehen als grenzüberschreitendes Medium gerade

unter dem Aspekt des Jugendschutzes ein Anliegen aller Mitgliedstaaten der

EU ist. Wie in meiner Beantwortung zu Frage 4 näher ausgeführt wird, finden

sich in einer jüngsten Studie der Europäischen Kommission aktuelle Erkennt -

nisse, die es nunmehr näher zu prüfen und auf ihre - spezifisch nationale -

Umsetzung hin zu hinterfragen gilt. Ich bin daher der Auffassung, daß eine

Erweiterung der derzeitigen Regelung des § 2a Abs. 4 Rundfunkgesetz allen -

falls erst dann ins Auge gefaßt werden könnte, wenn Experten in Österreich

aus den erwähnten Erkenntnissen nach entsprechender Evaluierung die

Notwendigkeit eines weiteren Handlungsbedarfs ableiten sollten.

 

Zu Frage 4:

Vor kurzem wurde eine im Auftrag der Europäischen Kommission erstellte

Studie, die sich mit technischen Einrichtungen der elterlichen Kontrolle von

Fernsehprogrammen beschäftigt, vorgelegt. Unter dem Titel „Programme in

Comparative Media Law and Policy“ wurden insbesondere bislang bekannte

Klassifizierungs - und Bewertungssoftwareanwendungen sowie der in den USA

und in Kanada eingesetzte V(iolence) - Chip analysiert. Der V - Chip ist ein in das

Fernsehgerät eingebauter elektronischer Chip, der eine vom Sender mitgelie -

ferte Kennung, die Gewalt signalisiert, erkennt und das Signal unterbricht. Der

Chip ist programmierbar und kann auf verschiedene Kennungssignale einge -

stellt werden. Gegenwärtig codieren die Rundfunkveranstalter ihre Programme

nach den Kategorien Gewalt, Sex, Sprache und Altersstufe. Bis zum Jahr 2000

sollen alle im Handel erhältlichen Fernsehgeräte mit dem V - Chip ausgestattet

sein.

 

Die Studie verweist zu Recht darauf, daß der V - Chip kein geeignetes Instru -

ment darstellt, um den Jugendschutz und den Schutz der Minderjährigen im

Fernsehbereich sicherzustellen. So zeigen Untersuchungen, die nach der

gesetzlich vorgeschriebenen Einführung des V - Chips durchgeführt wurden, daß

die Rundfunkveranstalter in immer stärkerem Ausmaß Programme ausstrahlen,

die „die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung der Minderjährigen

schwer beeinträchtigen können“. Überdies wird es der Studie zufolge in den

USA rund 10 bis 15 Jahre dauern, bis die Mehrzahl der Haushalte mit Fernseh -

geräten, die den V - Chip installiert haben, bestückt sein wird - dies, obwohl die

Einführung des V - Chips in den USA in einer konzertierten Aktion von Geräte -

industrie, Verbraucherverbänden, Rundfunkveranstaltern und Regierung durch -

geführt wurde.

 

Weiters ist zu bedenken, daß der V - Chip voraussetzt, daß sich die Eltern ein -

gehend über das Fernsehprogramm informieren und den V - Chip entsprechend

programmieren (können), in Umfragen aber lediglich 2/3 der befragten Eltern

angegeben haben, daß sie dies auch tun wollen.

Die Studie kommt zu dem Schluß, daß der V - Chip für Europa keine adäquate

Lösung bietet, vielmehr sollte in Europa - neben der Kennzeichnungsverpflich -

tung - insbesondere auf medienpädagogische Ansätze, auf Aufklärung und

Bewußtseinsbildung, gesetzt werden.