5594/AB XX.GP
Beantwortung
der parlamentarischen Anfrage der Abgeordneten Haller, Mag. Haupt, und Kollegen
betreffend Behandlungskosten ausländischer Patienten
(Nr. 5985/J)
Zu den einzelnen Punkten der aus der beiliegenden Ablichtung
ersichtlichen parlamentarischen Anfrage teile ich unter Berücksichtigung einer
Stellungnahme des Hauptverbandes der österreichischen
Sozialversicherungsträger folgendes mit:
Zu Frage 1:
Die in dem Artikel der Tiroler Tageszeitung vom 11. 1. 1999 „Spitäler
warten auf 200 Mio. S“ angesprochene Problematik ist nur bei einer
Berücksichtigung der Rechtsentwicklung hinsichtlich der zwischenstaatlichen
Verrechnung bei Behandlung ausländischer Patienten in einer österreichischen
Krankenanstalt verständlich. Zur Beantwortung der ersten Frage ist daher eine
etwas ausführlichere Darstellung dieser Entwicklung erforderlich.
Nach der maßgebenden zwischenstaatlichen Rechtslage auf Grund der
von Österreich geschlossenen bilateralen Abkommen über soziale Sicherheit
sowie der ab 1. 1. 1994 (für die EWR - Staaten) maßgebenden Verordnung (EWG)
Nr. 1408/71 haben die in den betroffenen Staaten in der Krankenversicherung
versicherten Personen - unter den jeweils vorgesehenen Bedingungen -
Anspruch auf Behandlung wie die in Österreich versicherten Personen. Diese
Leistungen hat der jeweilige Träger des Aufenthalts - oder Wohnortes zu
erbringen, wobei sich die Gleichstellung mit den österreichischen Versicherten
auch auf die von diesem Träger an die jeweiligen Leistungserbringer zu
refundierenden Tarife bezieht. Anders ausgedrückt, darf der „aushelfende“
Träger des Wohn - oder Aufenthaltsstaates dem ausländischen zuständigen
Träger keine höheren Tarife in Rechnung stellen, als er bei der entsprechenden
Behandlung seiner
eigenen Versicherten selbst zu zahlen gehabt hätte.
Bis zum Inkrafttreten der österreichischen Krankenanstaltenreform mit
1. 1. 1997 waren ausschließlich die österreichischen Gebietskrankenkassen
„aushelfende“ österreichische Träger, da die Krankenanstalten, so wie auch die
anderen Leistungserbringer (wie zB die Ärzte mit Kassenverträgen) die
Behandlungskosten im Einzelfall mit der jeweiligen Gebietskrankenkasse
abrechneten. Im Hinblick auf diese Rechtslage erhielten die österreichischen
Krankenanstalten auch bei der Behandlung ausländischer Versicherter von der
„aushelfenden“ Gebietskrankenkasse nur die jeweils maßgebenden
Pflegegebührenersätze (erhöht um den dem Aufwand der Sozialversicherung am
KRAZAF entsprechenden Anteil) erstattet. Jenen Anteil der Behandlungskosten,
der dadurch nicht gedeckt war, mußte wie bei den österreichischen Versicherten
insbesondere der jeweilige Spitalserhalter selbst tragen (Betriebsabgang), da auf
Grund der zwischenstaatlichen Grundsätze (Verrechenbarkeit ausschließlich der
dem aushelfenden Träger erwachsenden Kosten) eine Abwälzung der nicht von
den Gebietskrankenkassen (im weitesten Sinn) erstatteten Kosten auf den
zuständigen ausländischen Träger eben nicht möglich war.
Diese Situation wurde von den österreichischen
Krankenanstaltenerhaltern, insbesondere den Bundesländern, in der
Vergangenheit stets vehement kritisiert. Zur Verdeutlichung des Nachteils der
österreichischen Krankenanstaltenerhalter auf Grund dieser Rechtslage kann
eine durchgeführte Modellberechnung betreffend die durchschnittlichen
jährlichen österreichischen Behandlungskosten (hinsichtlich aller
Leistungserbringer) für die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71
herangezogen werden (die Daten betreffen das Jahr 1993, wobei zunächst die
Behandlungskosten unter Außerachtlassung des Betriebsabganges und
anschließen unter Hinzurechnung dieser Kosten angeführt werden):
Familienangehörige eines Arbeitnehmers: ATS 12.836 ATS 17.635
Pensionistenfamilie ATS 25.490 ATS 41.277
Im Lichte dieser Ausgangslage war es auch eines der erklärten Ziele der
Krankenanstaltenreform, eine Lösung dieses Problems zu finden. Durch die
Einrichtung der Landesfonds in den einzelnen Bundesländern konnte nunmehr
für Verrechnungsfälle ab 1. 1. 1997 erreicht werden, daß auch diese Fonds in
zwischenstaatlichen Fällen als „aushelfender“ österreichischer Träger gelten und
daher alle von diesen für die Behandlung österreichischer Versicherter an die
jeweilige Krankenanstalt refundierten Kosten auch den zuständigen
ausländischen Trägern in Rechnung stellen können. Bei dieser Lösung handelte
es sich somit ausschließlich um eine im Interesse der Bundesländer gelegene
Konstruktionsänderung, die die Hereinbringung von wesentlich höheren
Beträgen für die Behandlung ausländischer Patienten als bisher ermöglicht.
Allerdings war mit dieser von den Bundesländern angestrebten Lösung
automatisch auch eine Übernahme des Risikos hinsichtlich der „Zahlungsmoral“
der jeweiligen
ausländischen Versicherungsträger verbunden. Der Hauptverband
weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß durch die Möglichkeit der
Verrechnung der Echtkosten an Stelle der Pflegegebührenersätze in einigen
Fällen ein bis zu zehnmal höherer Betrag den zuständigen ausländischen
Trägern verrechnet werden kann und daß die auf Grund der längeren
Erstattungsfristen entstehenden Zinsverluste bzw. Zinsen für eventuelle
Finanzierungskredite auf Grund dieser Mehreinnahmen jedenfalls kompensiert
werden. Auf diese Besserstellung der Länder wird im übrigen auch von einigen
Landesfonds selbst hingewiesen!
Die konkrete Ausgestaltung der Beziehung zwischen dem jeweiligen
Landesfonds sowie den einzelnen Krankenanstalten liegt aber in der
Zuständigkeit und Verantwortlichkeit der Bundesländer. So haben sich nach
meiner Kenntnis einige Bundesländer entschieden, weiterhin nicht alle den
Echtkosten einer Behandlung entsprechenden Kosten über den jeweiligen
Landesfonds abzurechnen, sodaß auch bei ausländischen Patienten nicht die
Gesamtkosten im Wege der Kostenerstattung hereingebracht werden können.
Andere Bundesländer wiederum haben das Kostenrisiko intern der jeweiligen
Krankenanstalt übertragen, sodaß diese und nicht der jeweilige Landesfonds,
der zweifellos mehr finanziellen Spielraum hätte, die Behandlung der
ausländischen Patienten vorfinanzieren muß.
Nach diesen einleitenden grundsätzlichen Ausführungen müssen noch
einige Details betreffend die zwischenstaatliche Verrechnung der von den
Landesfonds für ausländische Patienten aufgewendeten Kosten angeführt
werden. Die Erstattung der von den Landesfonds aufgewendeten Beträge sind
entsprechend dem im zwischenstaatlichen Recht vorgesehenen Er -
stattungsverfahren gegenüber den zuständigen ausländischen Trägern im Wege
der örtlich in Betracht kommenden Gebietskrankenkasse geltend zu machen, um
eine einheitliche österreichische Abrechnungspraxis sicherzustellen. Als
besonderes Entgegenkommen gegenüber den Bundesländern wurde ergänzend
in Fällen einer pauschalen Kostenerstattung (wegen des sehr langwierigen
Erstattungsverfahrens) vorgesehen, daß die Gebietskrankenkassen den
Landesfonds die diesen erwachsenden Kosten mit Ende des Jahres der
Geltendmachung zu erstatten haben. Dies gilt natürlich auch für Fälle eines
Erstattungsverzichtes.
Mit dem 2. Sozialrechts - Änderungsgesetzes 1996, wurde ergänzend
festgelegt, daß die Gebietskrankenkassen die Forderungen der Landesfonds in
den restlichen Fällen (somit in den Fällen der Kostenerstattung auf der Basis der
Echtkosten) wie entsprechende eigene zwischenstaatliche Forderungen
weiterreichen und den Landesfonds die von den zuständigen ausländischen
Trägern
erstatteten Kosten überweisen, sobald diese bei ihnen eingelangt sind.
Gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 zur Durchführung der
Verordnung (EWG) Nr.1408/71 sind in diesen Fällen die entstandenen Kosten
für jedes Kalenderhalbjahr im folgenden Kalenderhalbjahr zu erstatten. Darüber
hinaus hat in diesem Zusammenhang die Verwaltungskommission (der EG) für
die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer die Empfehlung Nr. 20 vom 31.
Mai 1996 beschlossen, die eine Beschleunigung bei der Einreichung und
Bereinigung gegenseitiger Forderungen zum Ziel hat. Bedauerlicherweise halten
sich aber nicht alle Mitgliedstaaten an diese Empfehlung.
Ferner ist noch darauf hinzuweisen, daß in erster Linie auf Grund der bis
Mitte des Jahres 1998 ungeklärten Situation bei der Geltendmachung der
Mehrwertsteuer (zur Klärung dieser Frage war eine mit den Bundesländern
akkordierte Änderung des Gesundheits - und Sozialbereich - Beihilfengesetzes
erforderlich) eine Verrechnung der Kosten für Krankenhausbehandlungen bis
zum vorerwähnten Zeitpunkt nicht möglich war. Es ist aus meiner Sicht daher
davon auszugehen, daß jetzt die Verrechnung auch der Behandlungskosten in
österreichischen Krankenanstalten nach dem vorgesehenen Verfahren
ungehindert durchgeführt werden kann, sodaß laufend Rückflüsse an
Kostenerstattungen auch an die einzelnen Landesfonds und damit an die
einzelnen Krankenanstalten zu erwarten sind. Die im gegenständlichen
Zeitungsartikel angesprochene Situation dürfte sich daher in nächster Zukunft
wesentlich entspannen.
Zu den Fragen 2 und 3:
Dazu ist einleitend festzuhalten, daß die Kostenforderungen vom jeweils
zuständigen ausländischen Träger zu überprüfen sind, woraus eine gewisse
Verfahrensdauer resultiert. In der Anlage befindet sich die vom Hauptverband
übermittelte Aufstellung, aus der der jeweilige Zeitraum zwischen Forderung und
Erstattung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland ersichtlich ist. Zu diesen
Forderungen im Gesamtbetrag von ca. ATS 229 Mio., von denen in der
Zwischenzeit ca. ATS 54 Mio. erstattet wurden, sind weitere ca. ATS 48 Mio. im
Verhältnis zu anderen EU - Mitgliedstaaten, EWR - Staaten bzw. Vertragsstaaten
hinzuzurechnen. Im Hinblick darauf, daß im Artikel der Tiroler Tageszeitung auch
die Niederlande angeführt sind, soll nicht unerwähnt bleiben, daß die offenen
Forderungen der Landesfonds an die niederländischen Träger derzeit ATS
12,197.385,05 (Tirol: ATS 8,057.766,70) betragen. Eine weitere Aufteilung auf
die einzelnen EWR - Staaten bzw. EU - Mitgliedstaaten oder Vertragsstaaten war
aus zeitlichen Gründen leider nicht möglich. In diesem Zusammenhang soll auch
nicht unerwähnt bleiben, daß im Verhältnis zu anderen EU - Mitgliedstaaten,
EWR - Staaten oder Vertragsstaaten die Erstattungsfristen bedeutend länger als
im Verhältnis
zur Bundesrepublik Deutschland sind.
Die Tiroler Gebietskrankenkasse hat in ihrer Stellungnahme an den
Hauptverband aber auch darauf hingewiesen, daß die Forderungen des Tiroler
Landesfonds, die das zweite Halbjahr 1997 betrafen, erst Mitte 1998 eingelangt
sind. Die für das erste Halbjahr 1997 übermittelten Forderungen konnten auf
Grund von EDV - technischen Problemen beim Tiroler Landesfonds nicht
ausgewertet werden. Auch die für das zweite Halbjahr gelieferten Rechnungen
des Tiroler Landesfonds mußten - ebenso wie die Ende des Jahres 1998
neuerlich vorgelegten Rechnungen für das erste Halbjahr 1997 - von der Tiroler
Gebietskrankenkasse manuell umgesetzt und die entsprechenden Formblätter E
125 händisch erstellt werden. Da beim Tiroler Landesfonds im EDV - Bereich
noch immer Probleme bestehen, hat die Tiroler Gebietskrankenkasse noch keine
Kostenforderungen für das Jahr 1998 erhalten und daher für dieses Jahr auch
noch keine Erstattungsforderungen an die zuständigen ausländischen Träger
weiterleiten können. Daraus wird ersichtlich, daß die für Tirol angesprochenen
Probleme möglicherweise nur für dieses Bundesland in diesem Ausmaß
zutreffen und den Bund dafür jedenfalls kein Verschulden trifft.
Gleichzeitig weist der Hauptverband aber darauf hin, daß jener Zeitraum,
der zwischen dem Ende der Krankenhausbehandlung und dem Einlangen der
jeweiligen Kostenrechnungen in der österreichischen Verbindungsstelle liegt,
nicht bekannt ist, weil darüber keine Aufzeichnungen existieren. Diese Zeiträume
sind aber von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich lang und können auch
nachträglich nicht mehr nachvollzogen werden. Grundsätzlich werden von den
Gebietskrankenkassen - wie auch vor Einführung der neuen
Krankenanstaltenfinanzierung - die Kostenrechnungen einmal im Quartal dem
Hauptverband übermittelt. Ebenso liegen keine Informationen über die
Überweisungsdauer der erstatteten Beträge von den Gebietskrankenkassen an
die Landesfonds und in weiterer Folge von den Landesfonds an die einzelnen
Krankenhäuser vor.
Zu Frage 4:
Da die Forderungen der ausländischen Träger alle Kosten für
aushilfsweise gewährte Sachleistungen enthalten und die Aufwendungen für
Krankenhausbehandlungen nicht gesondert in Rechnung gestellt werden, ist
eine gesonderte Stellungnahme nicht möglich. Es ist jedoch festzuhalten, daß
die Kostenforderungen ausländischer Träger grundsätzlich innerhalb von 6 bis 8
Monaten nach dem Einlangen beim Hauptverband erstattet werden, sofern nicht
als „Retorsionsmaßnahme“ auch von der österreichischen Seite länger
Zahlungsfristen
gewählt werden müssen.
Zu Frage 5:
Österreich hat bereits bisher anläßlich von
Verbindungsstellenbesprechungen und den in Betracht kommenden Sitzungen
in Brüssel auf die aus der Sicht Österreichs zu lange Erstattungsdauer
(insbesondere im Verhältnis zu bestimmten Mitgliedstaaten) hingewiesen und die
Vertreter der Vertragsstaaten bzw. EU - Mitgliedstaaten sowie der EWR - Staaten
aufgefordert, die zuständigen Träger zu einer rascheren Kostenerstattung zu
veranlassen. Wie ich aber bereits in meiner Beantwortung der ersten Frage
klargemacht habe, liegt es auch in der Zuständigkeit der einzelnen
Bundesländer, daß durch die Wahl der internen Kostenerstattungsstruktur zu
große Belastungen für einzelne Krankenanstalten vermieden werden.
Zu Frage 6:
Im Lichte der vorhergehenden Ausführungen, mit denen ich
insbesondere betont habe, daß es sich bei den hinsichtlich der Krankenanstalten
aufgetretenen Problemen zum einen um rein innerösterreichische Fragen
betreffend die Wahl der jeweiligen Organisationsform sowie betreffend die
Verrechnung der Mehrwertsteuer sowie zum anderen weitestgehend um ein
Übergangsproblem handelt, das hoffentlich in nächster Zukunft entschärft
werden wird, sehe ich keine Möglichkeit, diese Fragen auf Europäischer Ebene
anzusprechen. Vielmehr könnte eine entsprechende Initiative aus meiner Sicht
die Gefahr mit sich bringen, daß von einigen Mitgliedstaaten die österreichische
Auffassung, daß nunmehr sämtliche Kosten der Krankenanstaltenpflege
verrechnet werden können, insgesamt in Frage gestellt wird.