5627/AB XX.GP
Beantwortung
der Anfrage der Abgeordneten Dr. Pumberger, Mag. Haupt, Dr. Povysil und Kollegen
an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales
betreffend Chipkarte (Nr. 6030/J)
Zu der gegenständlichen Anfrage verweise ich im Wesentlichen auf die hiezu eingeholte
Stellungnahme des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger,
welche die von den antragenden Abgeordneten gestellten Fragen grundsätzlich hin -
reichend beantwortet. Ganz allgemein möchte ich lediglich ergänzend festhalten, dass
bekanntlich die 56. Novelle zum ASVG, welche die gesetzliche Grundlage für die Ein -
führung eines elektronischen Verwaltungssystems bildet, am 4.5.1999 den Ministerrat
passiert hat. Aus dem Inhalt dieser Regierungsvorlage ergibt sich, dass - wie angekündigt
- die Chipkarte keinerlei Diagnose - oder andere Gesundheitsdaten wie auch Ein -
kommens - und Vermögensdaten enthalten wird. Gespeichert sein werden lediglich
Namen, Geburtsdatum, Geschlecht und Sozialversicherungsnummer der Person, für die
die Chipkarte ausgestellt wurde, die Bezeichnung des Chipkartenausstellers, das Datum
der Ausstellung sowie die Chipkartennummer samt Gültigkeitskennzeichnung.
In einer Protokollanmerkung des Regierungspartners wird unter anderem davon aus -
gegangen, dass zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungs -
träger und der Österreichischen Ärztekammer umgehend ein Vertrag über die näheren
Details zur Einführung der Chipkarte geschlossen wird und dass mit der Einführung der
Chipkarte das Datenschutzrecht gewahrt bleibt.
Damit sollten die besonders in den Fragen 1 und 3 zum Ausdruck kommenden Befürch -
tungen der anfragenden Abgeordneten hinsichtlich Datensicherheit und Datenschutz
zerstreut sein.
Betr.: Parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Dr. Pumberger,
Mag. Haupt, Dr. Povysil und Kollegen an die Bundes -
ministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales
betreffend Chipkarte vom 25.03.1999
Bezug: Ihr Schreiben GZ: 20.001/30 - 5/99 vom 8. April 1999
Sehr geehrte Damen und Herren!
Zu Ihrem Schreiben nehmen wir wie folgt Stellung:
1. Entsprechend den Vorgaben des Entschließungsantrages des Nationalrates
vom 29.11.1996 sollen auf der Chipkarte keine Gesundheitsdaten gespeichert
werden. Die Chipkarte wird nur als Schlüsselkarte konzipiert, welche dem Kar -
teninhaber in Zukunft die Möglichkeit geben soll, andere autorisierte Personen -
z.B. Ärzte - zum Zugriff auf bestimmte Daten zu berechtigen.
2. Die Abrechnung zwischen Ärzten und Krankenkasse erfolgt nicht über die Chip -
karte, sondern unter Verwendung der darauf gespeicherten Personen- und An -
spruchsdaten. Durch die Übernahme dieser Daten wird die elektronische Ab -
rechnung unterstützt.
3. Auf der SV - Chipkarte wird neben Vor- und Familienname, Geburtsdatum und
Versicherungsnummer auch gespeichert, ob (Zeitraum) und bei welchem Kran -
kenversicherungsträger ein Anspruch besteht (mit allfälliger Rezeptgebührenbe -
freiung). Zusätzlich werden bei erstmaliger Verwendung der SV - Chipkarte in ei -
nem Quartal das Datum und die Fachgruppe des Arztes temporär gespeichert.
Dadurch ist es möglich, die heute geltenden Vertragsbestimmungen im Hinblick
auf Arztwechsel innerhalb eines Quartales zu vollziehen und die Karte auch bei
nicht bestehender Online - Verbindung (z. B. bei Hausbesuch, Transporteinrich -
tungen) zu verwenden.
4. Nein, da nur die erstmalige Inanspruchnahme eines Vertragspartners einer
Fachgruppe innerhalb des Abrechnungszeitraumes auf der Chipkarte festge -
halten wird (siehe 3.). Die Annahme, daß alle Arztkontakte auf der Chipkarte ge -
speichert werden, entspricht nicht den Tatsachen. Welche Leistungen (Ordina -
tionen usw.) erbracht wurden, muß dem Versicherungsträger schon jetzt in der
Honorarabrechnung bekanntgegeben werden.
5. Die Bestimmungen über Arztwechsel werden durch die Chipkarte nicht geändert.
Die bestehenden Regeln werden mit Hilfe des ELSY - Systems nachgebildet (sie -
he 3.). Damit bleibt ein Arztwechsel innerhalb eines Quartales dort ausgeschlos -
sen, wo dies heute bereits der Fall ist und er bleibt möglich, wo er jetzt schon
möglich ist.
6. Zu diesem Thema sind u. a. deswegen keine detaillierten Statistiken vorhanden,
weil "Arztwechsel" ja auch die Ordination eines Arztes im Urlaub des Patienten
(Urlaubskrankenschein), nach dessen Übersiedlung oder den Arztkontakt mit ei -
nem Vertreter des behandelnden Arztes (während dessen Weiterbildungsur -
laubs etc.) umfaßt. Die einschlägigen Zahlen wären nicht aussagekräftig. Allge -
mein kann gesagt werden, daß Arztwechsel während des Quartales außerhalb
der soeben genannten Sachverhalte eine seltene Ausnahme bildet und die Ko -
sten gering sind.
7. Da die SV - Chipkarte nach dem Konzept des Hauptverbandes bei jedem Arztbe -
such eingelesen werden wird, wird es zusätzlich zum heutigen System möglich,
Anspruchsänderungen (Anspruchsende etc.) zu aktualisieren (das ist bei den
heutigen Papierkrankenscheinen nicht möglich) oder als verloren gemeldete
Karten sowie ungültige Karten zu erkennen und deren Verwendung abzuweisen.
Es wird somit in diesem Bereich eine Verbesserung geben.
Die Chipkarte kann jedoch (genauso wie heute der Krankenschein) den Arzt etc.
nicht davon befreien, im Zweifel festzustellen, wer sein Patient ist - eine ent -
sprechende Verpflichtung des Patienten ist bereits heute gegeben und wird in
Zukunft nicht verändert werden (siehe § 1 Abs. 2 letzter Satz der Musterkran -
kenordnung, SozSi 1999, 346).
Die heutige grüne SV - Versicherungskarte ist und war zu keinem Zeitpunkt ein
Versicherungsnachweis. Sie ist - wie ähnliche Unterlagen (Versicherungskarten)
der privaten Versicherung - eine Merkhilfe, aber nicht mehr (die Funktion der
„Grünen Karte“ in der Kfz - Versicherung, nämlich des Anspruchnachweises im
Ausland, hat in der Sozialversicherung das Formblatt E 111 oder der „Auslands -
krankenschein“). Mit der grünen SV - Versicherungskarte allein können keine An -
sprüche bescheinigt werden. Der Besitz dieser Versicherungskarte allein be -
rechtigt daher weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft zum Bezug von
Leistungen auf Kosten der Sozialversicherung.
8. Eine Abschaffung des Krankenscheins ohne Ersatz durch die Chipkarte wäre
nur dann möglich, wenn man (zu Lasten der Beitragszahler: Dienstnehmer,
Dienstgeber usw.) auf die heutigen Absicherungen gegen Mißbrauch (siehe
oben) verzichten wollte.
Der Krankenschein (Krankenkassenscheck) erfüllt heute mehrere Funktionen: er
ist einerseits Anspruchsnachweis für den Patienten und andererseits Verrech -
nungspapier für den Arzt. Die erwähnte Vorgangsweise in Oberösterreich be -
handelt nur Abrechnungsvorgänge, nicht aber das Thema, wie der Arzt erfährt,
ob sein Patient überhaupt einen Versicherungsanspruch hat. Auch in Oberöster -
reich hat der Vertragsarzt die Krankenscheine zur Kontrolle aufzubewahren.
Dies könnte durch das Chipkartensystem entfallen und somit auch in diesem Be -
reich eine Entlastung von Papierbearbeitung eintreten.
9. Siehe Punkt 7: Die grüne Versicherungskarte ist kein Versicherungsnachweis.
Die Versicherungskarte beinhaltet keine Aussagen darüber, ob, zu welchem
Zeitpunkt und bei welchem Versicherungsträger ein Anspruch auf Leistungen
besteht. Der Anspruchsnachweis gegenüber dem Arzt ist der Krankenschein.
Aus diesem Grund kann die grüne Versicherungskarte in Verbindung mit einem
Lichtbildausweis den Krankenschein nicht ersetzen. Eine Einführung der in die -
ser Frage erwähnten Vorgangsweise würde den in Frage 7 erwähnten Miß -
brauch durch Nichtversicherte ohne große Einschränkungen zulassen und damit
eine hohe finanzielle Belastung des österreichischen Versicherungssystems
auslösen.
10. Die Mehrkosten können nicht seriös abgeschätzt werden, jeder Prozentpunkt
einer Steigerung würde jedoch 153 Mio ATS (11,12 Mio. €) betragen. Es geht
hier überdies vorrangig nicht darum, die Auswirkungen von Arztwechsel oder
Mehrfachbesuchen abzuschätzen, sondern darum, das Leistungssystem vor der
Inanspruchnahme von Nichtversicherten („Gesundheitstourismus“ usw.) zu
schützen.
11. Die Investitionskosten betragen 800 Mio ATS (58,14 Mio. €), worin allerdings
bereits kalkuliert ist, daß wesentliche Teile den Ärzten etc. kostenlos zur Verfü -
gung gestellt werden müssen. 300 Mio ATS (21,80 Mio. €) werden aus Mitteln
des EFZG geleistet, der Rest wird aus (Beitrags-) Mitteln der Sozialversicherung
aufgebracht. Es leisten somit alle Beitragszahler einen Beitrag zum System.
12. Die voraussichtlichen jährlichen kosten betragen aus volkswirtschaftlicher Sicht
im Schnitt 200 Mio ATS (14,53 Mio €). Dem stehen erwartete volkswirtschaftli -
che Einsparungen im Ausmaß von durchschnittlich 410 Mio ATS (29,80 Mio €)
jährlich gegenüber.
13. Die Einführung einer EU - weiten Gesundheits - Chipkarte ist in absehbarer Zeit
nicht vorgesehen. In einzelnen Mitgliedsstaaten werden Pilotprojekte mit Ge -
sundheitskarten durchgeführt. Daneben existieren Sozialversicherungs - Chipkar -
ten wie z.B. in Deutschland und Frankreich. Das ELSY - Projekt sieht jedenfalls
eine Kompatibilität mit den bestehenden Systemen im EU - Bereich bzw. mit den
Systemen benachbarter Länder vor.
Ob bei der Einführung einer EU - weiten Gesundheits - Chipkarte die österreichi -
sche Chipkarte ihre Gültigkeit behalten wird, kann aus heutiger Sicht noch nicht
beurteilt werden, da weder die Inhalte noch Funktionalität einer solchen Karte
bisher abschließend definiert wurden. Derzeit wird im EU - Bereich evaluiert, wel -
che Standards für Gesundheitskartenprojekte in den einzelnen Ländern gelten.
14. Da weder der Zeitpunkt der Einführung noch die Inhalte und Funktionen einer
EU - weiten Gesundheits - Chipkarte feststehen, kann diese Frage derzeit nicht
beantwortet werden. Das ELSY - Konzept beinhaltet jedenfalls, daß Änderungen
oder Erweiterungen der Funktionalität der Terminals nachgeladen werden kön -
nen.