579/AB

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Brader, Mag.  Mühlbachler, Dr. Maitz, Schuster, Horn­gacher und Kollegen haben am 7. Mai 1996 unter der Nr. 585/J an mich eine schriftliche par­lamentarische Anfrage betreffend demokratiepolitische Entwicklung der Slowakei und nach­barschaftliche Beziehungen Österreichs gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

1.         Wie beurteilen Sie die Garantie der demokratischen Prinzipien und der Menschenrechte in der Slowakei?

 

2.         Sehen Sie eine Einschränkung der demokratischen Freiheit und der Menschenrechte durch die geplante Strafgesetz-Novelle?

 

3.         Betrachten Sie die Nennung von Verletzungen demokratischer Prinzipien und von Men­schenrechten gegenüber anderen Regierungen als unzulässiges Druckmittel?

 

4.         Welche Position vertreten Sie gegenüber den internationalen Protesten gegen die geplante Strafgesetz-Novelle, die sowohl von christdemokratischen, konservativen wie auch sozialistischen Parteien geäußert wurden?

 

5.         Teilen Sie die Auffassung des Generalsekretärs der Europäischen Sozialisten (PSE), Jean­Francois Vallin, wonach "der gegenwärtige slowakische Regierungschef selbst ein Hin­dernis für den EU-Beitritt seines Landes" ist?

 

6.         Teilen Sie die Auffassung des Vorsitzenden der Partei der Demokratischen Linken der Slowakei (SDL), Peter Weiss, wonach die Strafgesetz-Novelle "kein Gesetz zum Schutz der Republik, sondern ein Gesetz zum Schutz derer ist, die sich seit neuem die slowaki­sche Republik angeeignet haben"?

 

7.         Haben Sie bei Ihrem letzten Treffen mit Premierminister Vladimir Meciar am 1 0. April 1996 über die Wahrung der Menschenrechte und der demokratischen Prinzipien in der Slowakei gesprochen?

- Wenn ja, haben Sie bei dieser Gelegenheit Vorbehalte gegenüber der geplanten

Strafgesetz-Novelle geäußert?

- Wenn ja, welche Kritikpunkte haben Sie angeführt?

 

8.         Welche Aussagen bezüglich der Wahrung der Menschenrechte und der demokratischen Prinzipien machten Sie anläßlich Ihrer Rede bei der Verleihung des Ehrendoktorates an der Wirtschaftsuniversität Bratislava?

 

9.         Wie beurteilen Sie die Feststellung von Präsident Michal Kovac, daß die geplante Straf­gesetz-Novelle "undemokratisch" und "verfassungswidrig" ist?

 

1          0. Stehen Sie zu den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates in Kopenhagen vom Juni 1993, wonach Beitrittskandidaten "als Voraussetzung für die Mitgliedschaft eine Institutionelle Stabilität als Garantie für Demokratie und rechtsstaatliche Ordnung, die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten" verwirklicht haben" müssen?

Wenn ja, warum äußerten Sie zur diesbezüglichen Feststellung des österreichischen Außenministers, daß Sie gegen "Druckmittel" in der Nachbarschaftspolitik sind?

 

1 1. Fördert es Ihrer Ansicht nach die österreichischen Interessen, wenn Sie Erklärungen des Außenministers während eines Auslandsbesuches über die Medien und ohne Kontaktname mit dem Regierungsmitglied entgegentreten und mit Ihren Äußerungen darüber hinaus auch die erwähnten Schlußfolgerungen des Europäischen Rates kritisieren?  Wenn nein, was wollten Sie mit Ihrer Äußerung vom 26.  April 1996 zu den Feststellungen des österreichischen Außenministers bezwecken?

 

12.       Teilen Sie die Auffassung von SPÖ-Klubobmann Dr. Kostelka, daß die Beziehungen Österreichs zur Bundesrepublik Deutschland zu eng seien und man sogar von einer "Achse Wien-Bonn" sprechen könne?  Was werden Sie beim Besuch des von Ihnen ein­geladenen deutschen Bundeskanzlers Kohl dagegen unternehmen?

 

13.       Werden Sie beim bevorstehenden offiziellen Besuch von Bundeskanzler Kohl in Öster­reich den Wunsch von SPÖ-Klubobmann Dr. Kostelka vortragen, sich von der Bundes­republik Deutschland zu emanzipieren?"

 

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1 e

 

Im Hinblick auf den Umstand, daß die Slowakei sowohl Mitglied des Europarats ist als auch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ratifiziert sowie das Individualbeschwerderecht nach Art. 25 EMRK und die Zuständigkeit des Euro-

päischen Gerichtshofs für Menschenrechte gemäß Art. 46 EMRK anerkannt hat, gehe ich da­von aus, daß sich die Slowakei zu den demokratischen Grundsätzen und zu den Garantien der Menschenrechte bekennt, die die Mitgliedstaaten des Europarats miteinander verbinden und für deren Einhaltung die hiefür vorgesehenen europäischen Instanzen zu sorgen haben.

 

Zu Frage 2:

 

Die Strafgesetz-Novelle erscheint mir demokratiepolitisch bedenklich.  Für eine abschließende Beurteilung wird es aber wesentlich auf die konkrete Handhabung dieses Gesetzes durch die slowakischen Behörden ankommen.  Auch in diesem Zusammenhang weise ich auf die in meiner Antwort zu Frage 1 angesprochenen Kontrollmechanismen hin.

 

 

Zu Frage 3:

 

Im Hinblick auf die Universalität der Menschenrechte sehe ich eine kritische Auseinander­setzung mit der Menschenrechtssituation in anderen Staaten nicht als Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates.  Ich glaube aber, daß es - bei voller Aufrechterhaltung der eigenen Position - in einer vernünftigen Nachbarschaftspolitik sehr darauf ankommt, wie diese Fragen zur Sprache gebracht werden.

 

 

Zu den Fragen 4 bis 6:

 

Meine Einschätzung zu Äußerungen anderer Personen ist keine Angelegenheit der Vollzie­hung.  Im übrigen verweise ich auf die Beantwortung der Fragen 2 und 7.

 

 

Zu Frage 7:

 

Ich habe gegenüber dem slowakischen Ministerpräsidenten zuletzt am 1 0. April d.J. sehr deutlich auf die Vorbehalte der Europäischen Union und Österreichs hinsichtlich der Straf­gesetz-Novelle hingewiesen.  Ich verweise im übrigen auf die Beantwortung der Frage 2.

 

Zu Frage 8:

 

Ich habe anläßlich der Verleihung des Ehrendoktorats der Ökonomischen Universität Bratis­lava unter anderem betont, daß die Partizipation der Bürger an den politischen Entscheidungs­prozessen und die Kontrollfunktion der Medien gegenüber der Politik unverzichtbare Be­standteile einer parlamentarischen Demokratie sind.

 

 

Zu Frage 9:

 

Ich verweise auf die Beantwortung der Fragen 4 bis 6.

 

 

 

Zu Frage 1 0:

 

Ich teile die in der Anfrage erwähnten Schlußfolgerungen des Europäischen Rats vollinhaltlich und verweise im übrigen auf die Beantwortung der Frage 3.

 

 

Zu Frage 1 1:

 

Österreich hat großes Interesse an einem Beitritt der Slowakei zur EU.  Diesem Interesse war meine Äußerung verpflichtet.  Schlußfolgerungen des Europäischen Rats habe ich nicht kriti­siert.

 

 

Zu den Fragen 12 und 13-

 

Unbeschadet der Tatsache, daß die Kommentierung von Äußerungen anderer Personen nicht Gegenstand der Vollziehung ist, halte ich folgendes fest: Die Aufrechterhaltung der engen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen Österreichs zur Bundesrepublik Deutschland ist mir, wie auch Dr. KOSTELKA, selbstverständlich ein wichtiges Anliegen.  Dr. KOSTELKA hat sich meines Wissens für eine Intensivierung der außenpolitischen Kontakte Österreichs zu den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der guten Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen.