583/AB

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag.  Dr. Josef Trinkl und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend geplante Schließung des Bezirksgerichts Birkfeld (Steiermark), gerichtet und folgende Fragen gestellt:

"l. Weiches statistische Material wurde für die beabsichtigte Schließung des BG Birkfeld als Entscheidungsgrundlage herangezogen?

 

2.         Welche Zahlen beinhaltet dieses statistische Material?

 

3.         Weiche Kriterien wären in Birkfeld für eine Beibehaltung des Bezirksgerichtes notwendig?

 

4.         Ab wann wäre mit einer Schließung zu rechnen?

 

5.         Wie soll der leichte Zugang zum Recht im Falle einer Schließung erhalten bleiben?

 

6.         Wann bzw. in welcher Verhandlungsphase sollen Gespräche mit den verant­wortlichen Kommunalpolitikern stattfinden?"

 

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

 

Zu 1 und 2:

Der Geschäftsanfall der Gerichte wird seit Mitte der Siebzigerjahre im Rahmen des Betrieblichen Informationssystems (BIS) der Justiz ermittelt.  Seit Anfang der Achtzigerjahre verfügt das Justizressort auch über - im Rahmen des Personalinfor­mationssystems (PIS) erhobene - Daten über das Verwendungsausmaß der Richter und der anderen Gerichtsbediensteten in den einzelnen Geschäftssparten, sodaß auch Vergleiche über die Auslastung in den einzelnen Kalenderjahren und zwischen den einzelnen Gerichten angestellt werden können.

Zur Ermittlung der Auslastung der Richter eines Bezirksgerichtes wurde justizintern im Laufe der letzten 15 Jahre folgende Formel entwickelt:

Zunächst werden die Anteile eines jeden Bezirksgerichtes in den jeweils letzten drei Jahren

-          am Gesamtanfall aller Bezirksgerichte (darunter ist der Anfall in allen Ge­schäftsgattungen mit Ausnahme der Justizverwaltungssachen und der Grund­buchsauszüge zu verstehen),

-          am richterlichen Sonderanfall aller Bezirksgerichte (darunter ist der Anfall in

bestimmten Geschäftsgattungen zu verstehen, der in erster Linie vom Richter zu erledigen ist) und

-    an den richterlichen Erledigungen aller Bezirksgerichte (darunter sind die Erle-

digungen in den Geschäftsgattungen des Sonderanfalls zu verstehen)

errechnet.  Aus den für jedes Bezirksgericht ermittelten Prozentwerten wird das arith­metische Mittel gebildet.  Dieser Mittelwert gibt den Idealanteil eines Bezirksgerichtes an der Gesamtzahl der auf der Organisationsebene der Bezirksgerichte bundesweit systemisierten Richterplanstellen wieder.

Nach dieser Berechnung liegt die Idealdotierung des Bezirksgerichtes Birkfeld bei 0,51 Richterplanstellen.  Tatsächlich ist beim Bezirksgericht Birkfeld derzeit eine so­genannte Doppelplanstelle gemeinsam mit dem Bezirksgericht Gleisdorf systematisiert, wobei der Richter zu 80 % beim Bezirksgericht Birkfeld und zu 20 % beim Be­zirksgericht Gleisdorf eingesetzt ist.  Damit errechnet sich für das Bezirksgericht Birkfeld eine Überdotierung um 0,29 Richterplanstellen.

Im Rahmen der Arbeiten in meinem Ressort für ein zeitgemäßes Justizmanagement ist im Jahr 1993 das auf Controlling-Systeme spezialisierte Schweizer Management­beratungsunternehmen ROI Seidel & Partner im Einvernehmen mit den Personal und Standesvertretern beauftragt worden, ein Controlling-Instrument für den ange­messenen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Einsatz der personellen Ressourcen im Bereich der Gerichtsbarkeit zu erstellen.  Nach Abwicklung eines Pilotprojektes auf der Organisationsebene der Bezirksgerichte zeigte sich, daß die von der Firma ROI Seidel & Partner - zunächst für die Wirtschaft entwickelte - "Personalanforderungsrechnung" nach entsprechender Adaptierung auch ein für den Bereich der Ge­richtsbarkeit geeignetes Meßsystem ist.  Die auf Grund der Personalanforderungs­rechnung ermittelte Idealdotierung für das Bezirksgericht Birkfeld beträgt 0,56 Richterplanstellen.  Der Vergleich zwischen den Ergebnissen der herkömmli­chen Berechnungsmethode einerseits und der Personalanforderungsrechnung an­dererseits zeigt somit einen hohen Übereinstimmungsgrad der beiden Meßsysteme.  Beide Meßsysteme bestätigen, daß auch bei den mit sogenannten "Doppelplanstel­len" besetzten Bezirksgerichten Überdotierungen in einem Maß bestehen, die mit den Verfassungsgeboten der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit in Widerspruch stehen.

 

Zu 3:

 

Eine der wichtigsten Aufgaben der Justizverwaltung liegt in der Erhaltung und Ver­besserung der Rahmenbedingungen für eine effiziente Gerichtsbarkeit.  Um die Lei­stungsstärke der Justiz zu erhalten und noch bestmöglich zu steigern, ist es aber auch erforderlich, die vorhandenen ten effizient und optimal einzu­setzen.  Bezirksgerichte, die infolge ihres geringen Anfalls nicht einmal die Arbeits­kraft eines Richters voll auslasten, stehen diesem Ziel entgegen.  Die geringe Ausla­stung des Richters ist daher eines der wesentlichsten Kriterien für die Zusammenle­gung von (Klein-)Bezirksgerichten.

 

Die Beibehaltung des Bezirksgerichtes Birkfeld könnte daher nur dann vorgesehen werden, wenn der richterliche Sonderanfall die Arbeitskraft zumindest eines Richters voll auslastete.  Dies ist derzeit nicht der Fall, und auch in absehbarer Zeit ist nicht mit einem wesentlichen Anstieg des Geschäftsanfalls zu rechnen, zumal die Anfalls­zahlen eher rückläufig sind.

Trotz der weitreichenden Kompetenzverschiebungen der Vergangenheit von den Landesgerichten hin zu den Bezirksgerichten ist beim Bezirksgericht Birkfeld kein wesentlicher Mehranfall eingetreten.  Eine ins Gewicht fallende weitere Kompetenz­verlagerung kommt aber in absehbarer Zukunft nicht mehr in Betracht.

 

Zu 4 und 5:

Die Zusammenlegung von (Klein-)Bezirksgerichten in der Steiermark wäre aus der Sicht des Bundesministeriums für Justiz innerhalb kurzer Zeit durchführbar.

Um den leichten Zugang zum Recht im Fall einer Zusammenlegung des Bezirksge­richtes Birkfeld mit dem Bezirksgericht Weiz zu gewährleisten, würden - dem Vorbild der bisherigen Gerichtszusammenlegungen folgend - in Birkfeld Gerichtstage abge­halten werden, bei denen sämtliche richterlichen Aufgaben erledigt würden, wie et­wa die Durchführung von Strafverhandlungen, Tagsatzungen in Zivilverfahren, Ver­gleichsversuchen, Rechtshilfevernehmungen und Vernehmungen im Exekutions­und Außerstreitverfahren oder die Aufnahme von Protokollarklagen und die Ertei­lung von Rechtsauskünften.  Somit wären für die im Sprengel des Bezirksgerichtes Birkfeld ansässige Bevölkerung Fahrten zum neuen Gerichtsort Weiz entbehrlich.

Im übrigen bleiben bei Gerichtszusammeniegungen als weitere frankierende Maß­nahmen die Notarstellen an den bisherigen Gerichtsorten aufrecht und werden die Sitzgemeinden der bisherigen Bezirksgerichte - wenn sie dies wünschen - unentgelt­lich mit einem ADV-Abfragegerät für das Grundbuch ausgestattet, sodaß sich der

Weg zum neuen (Grundbuchs-)Gericht erübrigte.  In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, daß mittlerweile neben den Grundbuchsabteilungen der Bezirksge­richte schon rund 2.400 externe Abfragestellen zum gesamten österreichischen Grundbuch (bei Notaren, Rechtsanwälten, Gemeinden, Geldinstituten usw.) beste­hen.

 

Zu 6:

 

Die Schaffung einer effizienteren Gerichtsstruktur ist ein bereits seit langem verfolg­tes Anliegen.  Ich habe bereits im Jahr 1992 mit dem damaligen Landeshauptmann Dr. Josef Krainer und Vertretern der Steiermärkischen Landesregierung Gespräche aufgenommen, um die Reform der Gerichtsstruktur mit einem für alle Teile befriedi­genden Ergebnis abzuschließen.  In Abstimmung mit Landeshauptmann Dr. Krainer und der Steiermärkischen Landesregierung fanden im Jahr 1993 lnformationsgespräche mit den jeweiligen Kommunalpolitikern bezüglich aller von der Zusammen­legung betroffenen (Klein-)Bezirksgerichte statt, an denen neben Vertretern des Bundesministeriums für Justiz der Präsident des Oberlandesgerichtes Graz, Abge­ordnete der im Steiermärkischen Landtag vertretenen Parteien, die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden und Repräsentanten von Interessenvertretungen teil­nahmen.

 

Zum Bezirksgericht Birkfeld fand ein solches Informationsgespräch am 12.  Juli 1993 im Marktgemeindeamt Birkfeld statt.  An diesem Gespräch nahmen folgende Lan­des- und Kommunalpolitiker teil:

 

Abgeordneter zum Nationalrat Ing.  Gerald Tychtl, Weiz,

Landtagsabgeordneter Ing.  Hans Kinsky, Mitterdorf/Weiz,

Landtagsabgeordneter Peter Schinnerl, Passail/Weiz,

Bürgermeister Kurt Mayr, Birkfeld,

Bürgermeister Siegfried Sammer, Fischbach, Bürgermeister Johann Reiter, Gasen,

Bürgermeister Karl Hofbauer, Gschaid bei Birkfeld,

Bürgermeister Friedrich Reisenhofer, Hasiau bei Birkfeld,

Bürgermeister Johann Kandlbauer, Koglhof,

 

Bürgermeister Josef Sorger, Miesenbach bei Birkfeld, Bürgermeister Herbert Schoberer, Naintsch,

Bürgermeister Erich Schrank, Ratten,

Bürgermeister Peter Ziegerhofer, Rettenegg,

Bürgermeister Franz Melerhofer, St. Kathrein am Hauenstein, Bürgermeister Alois Gaulhofer, Waisenegg,

 

außerdem Vertreter der Wirtschaftskammer Steiermark, der Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft sowie der Arbeiterkammer Steiermark.

 

Die in diesen lnformationsgesprächen vorgebrachten Argumente wurden vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung gesammelt an das Bundesministerium für Justiz übermittelt.  Dieses hat am 28.  März 1995 zu den vorgebrachten Anregungen und Einwänden schriftlich in Form einer Synopse gegenüber dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung Stellung genommen.  Auch mit Beziehung darauf habe ich schließlich erst jüngst ein Gespräch mit Landeshauptfrau Dr. Klasnic geführt und dabei sowie in der Folge auch schriftlich zum Ausdruck gebracht, daß ich jederzeit zu einer allenfalls gewünschten ergänzenden Besprechung zur Verfügung stehe.

Juli 1996