591/AB
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 587/J-NR/1996, betreffend Verkürzung der realen Studienzeit. die die Abgeordneten Dr. TRINKL und Kollegen am 8. Mai 1996 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
1. Welche Maßnahmen haben Sie bisher zur Senkung der tatsächlichen Studiendauer gesetzt?
Antwort:
Das österreichische Studiensystem ist - aus rechtlicher Sicht - derzeit vierstufig ausgebaut. In besonderen Studiengesetzen sind u.a. die jeweiligen Mindeststudienzeiten für jede einzelne Studienrichtung enthalten.
In den Studienordnungen, die jeweils für eine einzige Studienrichtung Geltung haben, sind unter anderem die Stundenanzahl der Pflicht- und Wahlfächer und gegebenenfalls auch die Arten der Lehrveranstaltungen vorgeschrieben. Detailaspekte jeder Studienrichtung werden in den Studienplänen. die von den an den Universitäten bzw. Hochschulen künstlerischer Richtung eingerichteten Studienkommissionen erlassen werden, für jeweils eine Studienrichtung festgelegt.
Studienzeitverkürzung war bereits ein Ziel der ersten Phase der Studienreform, die 1966 begonnen hat. Dieses Ziel wurde im wesentlichen nicht erreicht. In einigen Bereichen hat die Studienreform de facto zu längeren Studienzeiten geführt. So wurde durch die Teilung der Studien an den ehemaligen philosophischen Fakultäten in ein Diplom- und Doktoratsstudium der Erwerb eines Doktorats jedenfalls zeitaufwendiger als früher. In einer Reihe von Studienrichtungen wurde die Mindeststudiendauer erhöht. Unzutreffend ist aber die Vorstellung die Studienzeiten würden durchgängig ständig steigen. Die Erwartung des Gesetzgebers, die Studienkommissionen könnten in ihrem Wirkungsbereich das Problem lösen (§ 58 UOG 1975) wurde weitgehend nicht erfüllt.
Der wichtigste Grund für die mangelnde Zielerreichung ist in dem Umstand zu suchen, daß die langen Studienzeiten das Ergebnis einer Reihe struktureller Probleme der Universitäten sind, die allein studienrechtlich nicht zu lösen sind. Der Großteil der notwendigen Strukturänderungen liegt außerdem außerhalb des Handlungsbereiches der Studienkommissionen, anderer einzelner Universitätsorgane und auch des Bundesministeriums für Wissenschaft, Verkehr und Kunst als vollziehendem Organ. Sie sind nur durch eine umfassende Hochschulreform zu lösen.
Die derzeitige Steuerung der Leistungserbringung der Universitäten stellt schwergewichtig auf individuelle Forschungsleistung ab. Das Interesse an der Lehre ist daher insgesamt weniger ausgeprägt.
Diese Strukturprobleme werden nur im Rahmen eines umfassenden Reformansatzes zu lösen sein, der die Durchführung des UOG 1993, die geplante Studienreform und ein neues Dienstrecht für Universitätslehrer umfaßt.
Allein auf eine oberflächliche Disziplinierung der Studierenden zielende Maßnahmen werden wenig bewirken. Es ist und war immer unvermeidlich, daß an Universitäten auch Studierende mit zu wenig Studienengagement und Studieneignung ein Studium beginnen Ein Großteil dieser Studierenden dürfte bereits in den ersten Semestern das Studium aufgeben, wie einschlägige Statistiken zeigen. Es gibt jedoch ein diesbezüglich neues Problem. Ein schwer genauer zu quantifizierender- Teil der Studierenden dürfte die Zielsetzung von Universitätsstudien grundsätzlich mißverstehen. Sie verstehen ein Studium nicht als einen berufsvorbildenden Qualifikationsprozeß, sondern überwiegend als eine Gelegenheit zur individuellen Selbstverwirklichung, verbunden mit dem Recht, möglichst lange an der Universität zu bleiben und so den Berufseintritt möglichst lange hinauszuzögern. Dieser Habitus kann durchaus mit einem passablen oder sogar überdurchschnittlichen Studienengagement einhergehen, bewirkt jedoch massive Probleme beim Übergang ins Berufsleben, verstärkt noch bei Studien, für deren Absolventen es ohnehin sehr wenige Arbeitsplätze gibt.
Richtig ist, daß die in den besonderen Studiengesetzen vorgeschriebenen "Mindeststudienzeiten" im Regelfall - zum Teil sogar erheblich - überschritten werden. Dies ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen, unter anderem auf folgende:
* Verzerrung der Statistik durch "Karteileichen" und
* eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Studierenden ist - aus finanziellen aber auch aus
anderen Gründen - berufstätig oder teilweise berufstätig und somit nicht in der Lage, das Studium in der vorgeschriebenen Mindeststudienzeit abzuschließen.
Bislang wurde unter anderem eine Studieneingangsphase eingeführt, die beitragen soll, die tatsächliche Studiendauer zu senken: § 17 Abs. 2 AHStG sieht vor, daß in den Studienplänen die Gestaltung einer Studieneingangsphase im ersten Studienjahr unter Einbeziehung von Lehrveranstaltungen aus einführenden und das Studium besonders kennzeichnenden Fächern vorzusehen ist. Damit soll erreicht werden, daß Studierenden die Möglichkeit geboten wird, bereits sehr früh, nämlich zu Studienbeginn auszulosen, ob sie sich für die gewählte Studienrichtung eignen oder nicht.
Gemäß § 2 Abs. 1 AHStG haben die Angehörigen des Lehrkörpers im Rahmen der
festgesetzten Lehrverpflichtungen oder Lehraufträge auf Grund der Studienpläne ihre Lehrveranstaltungen so einzurichten und den Lehrstoff so zu bemessen, daß die Studierenden innerhalb der vorgesehenen Studiendauer ihre Studien abzuschließen vermögen. (Gleichlautend letztlich § 4 Abs. 3 KHStG). Eine unmittelbare Einflußnahme seitens des Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr und Kunst ist daher nicht möglich.
Die bisher wichtigste Maßnahme wurde vom Gesetzgeber mit dem UOG 1993 gesetzt, das sich derzeit im Stadium der Durchführung befindet. Die wesentlichsten problemlösenden Maßnahmen im Anfragekontext sind:
a. eine Verbesserung der Koordination des Lehr- und Prüfungsbetriebes durch den zukünftigen Studiendekan,
b. die Einführung einer planenden und auch studienbezogenen Ressourcenbewirtschaftung auf allen Ebenen (Personal, Raum, Studentenarbeitsplätze etc.),
c. die Einführung einer innerorganisatorischen Kontrolle der Lehrleistung durch Evaluierungen und
d. die Einführung einer inner- und überuniversitären Evaluierung und Begutachtung der Studien.
2. Was werden Sie unternehmen, um die durchschnittliche Studiendauer zu verkürzen?
Antwort:
Von meinem Ressort wurde der Entwurf eines Bundesgesetzes über Studien an Universitäten (UniStG) erarbeitet und zur Begutachtung ausgesandt. Mit der beabsichtigten Reform des Studienrechtes soll unter anderem auch eine Verkürzung der durchschnittlichen Studiendauer errichtet werden. Es sind unter anderem folgende Maßnahmen vorgesehen:
a. ein Verfahren zu einer stärkeren Ziel- und Qalifikationsorientierung bei der Erstellung der Curricula,
b. zwingende Studienobergrenze für die Curricula,
c. eitle Systematiesierung und Ausweitung der Beratung und Betreuung der Studienanfänger,
d. der Ausschluß wenig studienaktiver Hörer in den ersten Semestern.
Ausserdem wird im Rahmen der Dienstrechtsreform auf die Ziele der Studienreform zu Bedacht zu nehmen sein. Dazu gehört auch die Einführung des Rechts und der Pflicht zur selbständigen Lehre für alle Universitätslehrer- nach Maßgabe der Qualifikation.
3. Bis wann ist dadurch mit einer Verkürzung der Realstudienzeit zu rechnen?
Antwort:
Geplant ist. daß das UniStG im Wintersemester 1997/98 in Kraft treten soll. Ab diesem Zeitpunkt wird mittel-- bis langfristig mit einer Verkürzung der Studienzeiten zu rechnen sein.
4. Haben Sie den Eindruck, daß sich bestimmte Personengruppen im universitären Bereich gegen eine Verkürzung der Studienzeiten stellten oder stellen?
Antwort:
An den Universitäten besteht nicht überall gleichermaßen Interesse an einer Studienzeitverkürzung; Sttidienzeitverkürzung wird in der Regel aber auch nicht explizit abgelehnt. Es gibt eine latente Ablehnung in 'Teilbereichen der Universitäten, in denen ein quantitavier Bildungsbegriff praktiziert wird.