5912/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Povysil und Kollegen haben am 10. Mai 1999
unter der Nr. 6221/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend
Temelin oder 13 Jahre nach Tschernobyl gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, daß ich als Bundesministerin für Frauenange -
legenheiten und Verbraucherschutz für Angelegenheiten des Strahlenschutzes und
der nuklearen Sicherheit verantwortlich bin, die umfassenden Aktivitäten der öster -
reichischen Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Kernkraftwerk Temelin
jedoch die Zuständigkeiten mehrerer Bundesminister betreffen. Insbesondere ver -
weise ich auf die Zuständigkeiten des Bundesministers für auswärtige Angelegen -
heiten, des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten und des Bundes -
ministers für Umwelt, Jugend und Familie. Meine Antworten stützen sich daher auch
auf Informationen, die mir von den im Gegenstand berührten Bundesministerien zur
Verfügung gestellt wurden.
Zu den Fragen im einzelnen:
Zu den Fragen 1 und 2:
Die österreichische Bundesregierung hat ihre ablehnende Haltung zum Kernkraft -
werk Temelin wiederholt und auf verschiedenen Ebenen zum Ausdruck gebracht.
Zuletzt wurde am „Anti - Atom - Gipfel“ am 25. Juni 1999 klargestellt, daß aufgrund der
bislang zugänglichen Unterlagen davon auszugehen ist, daß das aktuelle Projekt
Temelin nicht dem „Stand der Technik“ in der Europäischen Union, wie vom Rat der
Europäischen Union gefordert, entspricht. Sollte dieser „Stand der Technik“ nicht
nachgewiesen werden können, wird Österreich mit Nachdruck darauf hinweisen, daß
dieser „Stand der Technik“ eine Voraussetzung für eine Mitgliedschaft zur Europäi -
schen Union ist. Die Bundesregierung kann und wird jedoch keine Positionen ver -
treten, die den Grundsätzen des Rechts der Europäischen Union oder des internatio -
nalen Völkerrechts, wie dem Diskriminierungsverbot, widersprechen.
Zu Frage 3:
Zunächst erinnere ich daran, daß auf meine Initiative hin eine tschechisch - österrei -
chische Energiepartnerschaft vereinbart und mit einer Auftaktkonferenz auf Exper -
tenebene am 9. und 10. März 1999 auch ganz konkret gestartet wurde. Auch wenn
diese Energiepartnerschaft langfristig in beiderseitigem Interesse und zum beider -
seitigen Nutzen angelegt ist, ergaben bereits die ersten Kontakte eine Fülle vielver -
sprechender energiewirtschaftlicher Optionen. Dabei hat sich erneut gezeigt, daß
konkrete Lösungen nur gemeinsam unter Einbeziehung aller Beteiligten erarbeitet
werden können.
Allerdings haben bereits die Beiträge der von der Bundesregierung in die „Temelin
Kommission“ der tschechischen Regierung entsandten österreichischen Experten
überzeugend dargelegt, daß unter gesamtenergiewirtschaftlichen Gesichtspunkten in
verschiedenen Szenarien jene Strategie überlegen ist, in der eine schrittweise und
an der tatsächlichen Bedarfsentwicklung orientierte Umrüstung bestehender - und in
einem erheblichen Ausmaß ohnedies zu sanierender - Heizwerke in Kraft - Wärme -
Kopplungs-Anlagen (KWK) bzw. der Zubau solcher
Anlagen mit einer Verbesserung
der Effizienz der Energienutzung kombiniert wird. Eine solche Strategie die wohl
den realen Gegebenheiten des europäischen Binnenmarktes, aber auch den Un -
sicherheiten in den Prognosen über die zukünftige Entwicklung des Stromverbrauchs
am besten entspricht, ist am ehesten dazu angetan, langfristig Arbeitsplätze und
wirtschaftliche Entwicklung zu sichern. Auf diesen Ansatz wurde in den vielfältigen
österreichischen Interventionen wiederholt verwiesen.
Angesichts der sehr unterschiedlichen Ansichten über die zukünftige Energiepolitik
innerhalb der Regierung der Tschechischen Republik liegt hiezu bis heute keine offi -
zielle Reaktion der Tschechischen Regierung vor. Das Ergebnis der Abstimmung am
12. Mai zeigt jedoch, daß sich zahlreiche Mitglieder der Regierung der Tschechi -
schen Republik unserem Standpunkt angeschlossen haben.
Hinsichtlich konkreter Finanzierungsmöglichkeiten weise ich darauf hin, daß die
Erarbeitung von Finanzierungskonzepten konkrete Projekte voraussetzt. Ich betone
aber, daß ich - und soweit mir bekannt, auch alle involvierten Mitglieder der öster -
reichischen Bundesregierung - nie einen Zweifel daran gelassen habe, daß Öster -
reich bereit ist, eine zukunftsweisende Energiestrategie der Tschechischen Republik
mit allen Kräften - auch mit finanziellen Mitteln, wo dies erforderlich sein sollte - zu
unterstützen. Ich selbst habe diese Bereitschaft durch die Zusage von Startfinanzie -
rungen für ausgewählte Projekte anläßlich der Auftaktkonferenz zur Energiepartner -
schaft unter Beweis gestellt.
Zu Frage 4:
Angesichts der offenkundigen Absicht von Drittstaaten, Strom aus Kernkraftwerken
in die Europäische Union zu exportieren, werden beim Vollzug der einschlägigen
Bestimmungen des Elektrizitätswirtschaftsorganisationsgesetzes (EIWOG) strenge
Maßstäbe anzulegen sein. Darüber hinaus wird die Bundesregierung die einschlä -
gigen Regelungen der anderen Mitgliedstaaten der EU analysieren und nötigenfalls
für effektive gesamteuropäische Anti
- Dumping - Regelungen eintreten. In diesem
Zusammenhang sei auf den zweiten Bericht der Kommission an den Rat und an das
Europäische Parlament über den Stand der Liberalisierung der Energiemärkte,
KOM(1999) 198 endg., sowie auf den zweiten Bericht an den Rat und an das Euro -
päische Parlament über den Harmonisierungsbedarf, KOM(1999) 164 endg., ver -
wiesen, die die Notwendigkeit einer gemeinsamen Handelspolitik gegenüber Dritt -
staaten in den Raum stellen.
Zu den Fragen 5 und 6:
Bereits die bisherigen österreichischen Angebote waren durchaus substantieller
Natur. Ich verweise auf meine Ausführungen zu Frage 3. Wir werden auch unsere
Bemühungen zur Zusammenarbeit mit Deutschland und innerhalb der Europäischen
Union konsequent fortsetzen, auch wenn diese Bemühungen nicht immer auf jenes
Interesse gestoßen sind, das meiner Ansicht nach angemessen wäre.
Ich muß jedoch klarstellen, daß die seinerzeitige Situation bezüglich des Kernkraft -
werks Mochovce in keiner Weise mit der heutigen bezüglich des Kernkraftwerks
Temelin vergleichbar ist. Das Ziel des damaligen Angebotes war es, jene Mittel zur
Verfügung zu stellen, die zur Entwicklung eines Alternativprojektes zur Fertigstellung
des Kernkraftwerks Mochovce bis zum selben Entwicklungsstand des damals ent -
scheidungsreif vorliegenden Mochovce - Projekts notwendig gewesen wären. Im Falle
Temelins ist ein Verzicht auf die Fertigstellung auch noch zum gegenwärtigen Zeit -
punkt unter einer großen Bandbreite von Szenarien ökonomisch eindeutig über -
legen. Im Falle Temelins geht es daher allenfalls um die gemeinsame Überwindung
anfänglicher Hürden für eine zukunftsverträgliche Reform des Energiesektors. Diese
Situation erfordert andere Maßnahmen und andere Instrumente als im Falle Mocho -
vce in den Jahren 1994 und 1995.
Zu Frage 7:
Ich verweise auf meine Ausführungen zu Frage 3.