606/AB

 

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat DDr.  Erwin Niederwieser, Mag.  Guggenberger, Gisela Wurm, Brigitte Tegischer und GenossInnen haben am 22.  Mai 1996 unter der ZI. 608/J­NR/1996 an mich eine in Kopie beigeschlossene, schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Maßnahmen der Europäischen Union zur Umsetzung der Transitvereinbarungen des Beitrittsvertrages gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

"l. In welchem Stadium der Verwirklichung befinden sich die in der Einleitung genannten Infrastrukturmaßnahmen im einzelnen?

2.         Sollten einzelne der vereinbarten Maßnahmen nicht rechtzeitig fertiggestellt worden sein, in ,welcher Form ist Österreich tätig geworden (wird tätig werden), um die Einlösung dieser Maßnahmen einzumahnen?

3.         Ober welche Sanktionsmaßnahmen verfügt Österreich, wenn die angeführten Infrastrukturinvestitionen nicht oder nicht im vereinbarten Zeitraum getätigt werden? 4. Kann die Europäische Union ihrerseits auf der Zuhaltung der von Österreich eingegangenen Verpflichtungen bestehen, wenn die anderen Vertragspartner ihre Verpflichtungen nicht erfüllen?

5.         Welche Schritte wurden in der EU seit dem Beitrittsvertrags-Abschluß gesetzt, um der Kostenwahrheit näherzukommen und welche Rolle hat Österreich dabei eingenommen?"

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Fragen 1 und 2:

Von den in der Einleitung angeführten deutschen Infrastrukturprojekten sind einige bereits fertiggestellt (z.B. der Umschlagbahnhof München - Riem); die meisten befinden sich zur Zeit noch in der Bauphase und sollen zur Jahrtausendwende finalisiert werden.  Der Ausbau der Brenner-Südrampe als Teilstrecke des Korridors München - Verona verläuft planmäßig.  Problematisch sind nach wie vor die Tunnelprofile.

Der Bau der "Betuwe-Linie" wurde im April 1995 begonnen.

Da sich die meisten der in der Einleitung genannten Projekte noch in Bau befinden, besteht aus österreichischer Sicht dzt. kein Grund, die vereinbarten Maßnahmen einzumahnen.

 

Zu Fragen 3 und 4:

 

Die entsprechenden Verpflichtungen Österreichs, Italiens und Deutschlands sind in Annex II zu Protokoll Nr. 9 des EU-Beitrittsvertrages enthalten.  Der Beitrittsvertrag einschließlich des erwähnten Protokolls sind Primärrecht der Europäischen Union.  Bei Nichteinhaltung bzw.  Verletzung von Verpflichtungen steht das Rechtsschutzinstrumentarium des EG-V zur Verfügung.  Die eingegangenen Verpflichtungen bestehen grundsätzlich unabhängig voneinander, wobei im Einzelfall zu prüfen wäre, inwieweit die Erfüllung einer Verpflichtung ohne die Erfüllung einer anderen möglich oder sinnvoll ist.

 

Zu Frage 5:

 

Im Dezember 1995 legte die Kommission ihr Grünbuch "Faire und effiziente Preise im Verkehr" vor, in welchem sie einem gerechteren Steuer- und Gebührensystem im Verkehrsbereich innerhalb der Union höchste Priorität einräumt. Österreich hat auf nationaler und internationaler Ebene stets betont, daß die schrittweise Herstellung der "Kostenwahrheit" im Straßenverkehr, v.a. im Straßengüterverkehr, durch die Anpassung der Straßenbenützungsgebühren an die tatsächlich verursachten Gesamtkosten (Infrastrukturkosten, externe Unfallfolge-, Lärmschutz- und Umweltkosten) eine Grundvoraussetzung für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit umweltfreundlicher Verkehrsträger (Schiene, Schiffahrt, kombinierter Verkehr) darstellt.

 

Österreich hat in allen zuständigen EU-Gremien, insbesondere in den Ratsarbeitsgruppen und im Verkehrsministerrat, stets mit Nachdruck dafür plädiert, die Richtlinie 93/89/EWG über

 

Mauten und Straßenbenützungsgebühren für schwere LKW zu ändern, da sie in ihrer derzeitigen Form die Anlastung der Infrastrukturkosten an den Straßengüterverkehr fast ausschließlich auf Bau- und Erhaltungskosten begrenzt und keine Anlastung der extemen Kosten vorsieht.  Dieser Standpunkt wurde auch in einem Schreiben der Republik Österreich vom 5. Juni 1996 an den zuständigen EU-Kommissär für Verkehrsfragen Neil Kinnock dargelegt.  Im Hinblick auf die Vorreiterrolle, die Österreich - bedingt durch die Situation in seinen sensiblen Transitkorridoren - spielt und die Österreich z. B. mit seiner Mautpraxis auf der Brennerroute ein Verfahren wegen Verletzung des EG-Vertrages riskieren läßt, sind alle zuständigen österreichischen Stellen bemüht, in Brüssel sicherzustellen, daß Straßenbenützungsgebühren und Mauten so bemessen werden können, daß die Infrastruktur­und externe Kosten in den vom Verkehr extrem belasteten, ökologisch sensiblen Gebieten der Gemeinschaft besonders berücksichtigt werden, damit die gewünschte verkehrsvermeidende bzw. verkehrslenkende Wirkung eintritt.