6145/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Edith Haller, Dr. Harald Ofner und Kollegen ha -

ben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend „offene Fragen zum Schutz des

Lebens“, gerichtet.

 

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

 

Zu 1 bis 3:

Die Forderung nach einer Neuregelung der in § 97 Abs. 1 Z 1 StGB verankerten Be -

ratungspflicht stellt nach meiner Einschätzung in erster Linie eine gesundheitspoliti -

sche Frage dar. Aus straflegislativer Sicht verweise ich auf meinen bereits bekann -

ten Standpunkt:

 

§ 97 Abs. 1 Z 1 StGB (die sog. Fristenregelung) enthält drei kumulative Vorausset -

zungen für die Straflosigkeit: den Abbruch der Schwangerschaft innerhalb der er -

sten drei Schwangerschaftsmonate, die vorhergehende ärztliche Beratung und die

Durchführung des Eingriffs durch einen Arzt. Die Strafbarkeit oder Straflosigkeit der

Handlung hängt schon nach geltendem Recht im konkreten Einzelfall nicht nur von

den sachlichen Gegebenheiten des einzelnen Schwangerschaftsabbruchs, sondern

auch von der Erfüllung bestimmter Formalerfordernisse bzw. der Einhaltung be -

stimmter äußerer Bedingungen ab. Die Hinzufügung weiterer Voraussetzungen für

den Ausschluss der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs könnte mit uner -

wünschten Konsequenzen verbunden sein.

 

Durch die Statuierung zusätzlicher Erfordernisse im Sinne der vorliegenden parla -

mentarischen Anfrage würde nach meiner Einschätzung eine bestimmte Qualität

oder ein bestimmter Inhalt der Beratung der Schwangeren ebensowenig sicherge -

stellt wie ein Einfluss auf die Entscheidung der Schwangeren, die Schwangerschaft

nicht abzubrechen. Schon nach geltendem Recht hat die „vorhergehende ärztliche

Beratung“ über die allgemeine ärztliche Aufklärung über Art und mögliche Folgen

des Eingriffs hinauszugehen und soll der Schwangeren eine vollständige Entschei -

dungsgrundlage liefern.

 

Eine sachliche Notwendigkeit, die Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruches

daran zu binden, dass der beratende Arzt nicht auch den Schwangerschaftsabbruch

vornimmt, erkenne ich nicht. Die Gefahr von Interessenkonflikten ist in der gelten -

den Regelung nicht angelegt, vielmehr soll der Schwangeren die freie Wahl eines

Arztes ihres Vertrauens ermöglicht werden. Im Übrigen erscheinen mir strafrechtli -

che Bestimmungen schon ihrem Wesen nach zur Erzwingung einer umfassenden,

inhaltlich ausgewogenen ärztlichen Beratung wenig geeignet.

 

Aus den genannten Gründen ist von meinem Ressort ein Vorschlag zur Änderung

der §§ 96 bis 98 StGB derzeit nicht in Aussicht genommen.

 

Zu 4:

 

Die rechtskräftigen Verurteilungen (bundesweit) nach den §§ 96 und 98 StGB erge -

ben sich aus der folgenden Statistik.

 

Die meinem Ressort zur Verfügung stehenden Statistiken weisen lediglich die Ge -

samtzahl der Verurteilungen nach den §§ 96 und 98 StGB sowie - als Untergliede -

rung - die Verurteilungen wegen Schwangerschaftsabbruches durch einen Nichtarzt

(§ 96 Abs. 2 StGB) und wegen Schwangerschaftsabbruches durch die Schwangere

selbst (§ 96 Abs. 3 StGB) aus. Wegen welcher „Überschreitung der straflosen Ab -

treibungsmöglichkeiten nach § 97 StGB“ die einzelnen Verurteilungen jeweils erfolg -

ten, lässt sich anhand dieser Daten nicht feststellen und könnte nur mit einem un -

verhältnismäßigen Aufwand eruiert werden: Die Gesamtzahl der Verurteilungen in

der ersten Spalte der folgenden Tabelle gibt nicht die Anzahl der Straffälle, sondern

die Zahl der verurteilten Personen (Ärzte, Nichtärzte und nach § 96 Abs. 3 verurteil -

te Frauen) wieder.

Rechtskräftige Verurteilungen nach

§§ 96, 98 StGB

Jahr

Schwangerschafts -

abbruch insgesamt

(§ 96, 98 StGB)

davon durch

Nichtarzt

(§ 96 Abs. 2 StGB)

1975

21

3

1976

23

8

1977

23

8

1978

24

7

1979

15

2

1980

9

3

1981

7

4

1982

7

2

1983

8

2

1984

0

0

1985

3

2

1986

5

0

1987

0

0

1988

2

1

1989

2

1

1990

0

0

1991

0

0

1992

0

0

1993

5

1

1994

2

0

1995

2

1

1996

0

0

1997

1

0

Summe

159

45