639/AB

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Willi Fuhrmann, Gabriele Binder und Genos­sen haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend skandalöse Aussagen eines Richters im Rahmen eines Verfahrens wegen NS-Wiederbetätigung, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

 

"l.         Entspricht der in der Einleitung dieser Anfrage genannte Bericht im wesentlichen den Tatsachen und sind insbesondere die Zitate des Richters korrekt wiedergegeben ?

 

2.         Wenn ja: wie beurteilen Sie die Aussagen und das Verhalten des Richters bei diesem Geschworenenprozeß ?

 

3.         Sehen Sie in den genannten Aussagen des Richters bzw. in dessen Verhalten im Prozeß eine Beeinträchtigung des Ansehens der Justiz und des Vertrauens der Bevölkerung in die Justiz ?

 

4.         Falls Sie Frage drei dahingehend beantworten, daß Sie eine Beeinträchtigung im genannten Sinn sehen: weiche Maßnahmen in Bezug auf den Richter ge­denken Sie - bei voller Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit - zu setzen ?

 

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5.         Welchen Stellenwert hat im Rahmen der richterlichen Ausbildung die Tatsache, daß die Bekämpfung jeder Betätigung im nationalsozialistischen Sinn eine wichtige Aufgabe der Justiz ist

 

 

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

 

 

Zu 1 bis 4:

 

Unmittelbar nach Erscheinen der ersten Berichte über die Aussagen und das Ver­halten des Richters des Landesgerichts für Strafsachen Wien Dr. Hans-Peter Januschke als Vorsitzenden in einem Schwurgerichtsverfahren wegen NS-Wiederbe­tätigung habe ich die Prüfung der Angelegenheit durch die Organe der Dienstauf­sicht angeordnet.  Auf Grund der Ergebnisse dieser Prüfung habe ich in diesem au­ßergewöhnlichen Fall - trotz aller mir als Bundesminister für Justiz auferlegten Zu­rückhaltung, was Äußerungen über laufende Gerichtsverfahren anlangt - sowohl in einer Plenarsitzung des Bundesrats als auch gegenüber Medien klar und eindeutig erklärt, daß mich das - noch dazu trotz sofortigen Einschreitens der Dienstaufsicht und massiver öffentlicher Kritik - fortgesetzte Verhalten des Vorsitzenden erschüttert und empört und die Reaktion auch der Justizverwaltung entschlossen und konse­quent zu sein hat, damit das Vertrauen der Bevölkerung in die Objektivität der Rechtsprechung keinen Schaden leidet.

 

Mittlerweile wurde Richter Dr. Hans-Peter Januschke auf Antrag der Staatsanwalt­schaft mit Beschluß des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.  Mai 1996, Jv 3775-7c/96, in diesem Verfahren für befangen erklärt; er darf somit das Strafverfahren nicht mehr weiterführen.

 

Darüber hinaus hat der Präsident des Oberlandesgerichts Wien als zuständiges Dienstaufsichtsorgan die Angelegenheit an den Vorsitzenden des Disziplinargerich­tes für Richter beim Oberlandesgericht Wien zur disziplinarrechtlichen Prüfung des Verhaltens des Richters herangetragen.  Das Oberlandesgericht Wien als Diszipli­nargericht hat die Disziplinaruntersuchung eingeleitet.

 

Zu 5:

Die vier Jahre dauernde Ausbildung zum Richter (und Staatsanwalt) umfaßt neben einer praktischen Schulung in allen für den Richter relevanten juristischen Berei­chen der Gerichtsbarkeit auch eine vertiefende theoretische Ausbildung, die von fachlich besonders qualifizierten Richtern vorgenommen wird.  Im Rahmen der straf­rechtlichen Unterweisung nehmen selbstverständlich die Bestimmungen des Straf­gesetzbuches über strafbare Handlungen gegen den öffentlichen Frieden, insbeson­dere die Verhetzung, sowie die Bestimmungen des Verbotsgesetzes eine wichtige Rolle ein.  Ergänzend dazu gibt es in den einzelnen Oberlandesgerichtssprengeln verschiedene Ausbildungsveranstaltungen zu diesem Thema.  So hat beispielsweise der Oberlandesgerichtssprengel Wien in der Vergangenheit Exkursionen nach Mauthausen veranstaltet.  Im Oberlandesgerichtssprengel Graz fand im vergange­nen Ausbildungsjahr ein Seminar über Rechtssoziologie statt, in dessen Rahmen auch die Frage der Wiederbetätigung aus soziologischer Sicht einer breiten Erörte­rung unterzogen wurde.  Schließlich beteiligt sich die Richterschaft auch an den seit Mitte der Siebzigerjahre regelmäßig stattfindenden Symposien "Justiz und Zeitge­schichte", in deren Rahmen es auch immer wieder um die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus geht.