6394/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend „Einsatz von Pfefferspray bei
Amtshandlungen der Sicherheitsexekutive“, gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 und 2:
Eine Strafanzeige gegen Beamte der Bundespolizeidirektion St. Pölten wegen des
Vorwurfs ungerechtfertigter Gewaltanwendung und unzulässiger Verwendung des
Pfeffersprays anlässlich der Verhaftung des Herrn R.A. ist bei der Staatsanwalt -
schaft St. Pölten nicht eingelangt.
Dem Bundesministerium für Justiz sind diese Vorwürfe durch zwei Rechtsschutzge -
suche zur Kenntnis gelangt; diese Rechtsschutzgesuche wurden mit Erlass vom
19. August 1999 gemäß § 84 StPO im Wege der Oberstaatsanwaltschaft Wien der
Staatsanwaltschaft St. Pölten übermittelt. Die Staatsanwaltschaft St. Pölten hat hier -
auf beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes St. Pölten Vorerhebungen ge -
gen die verantwortlichen Beamten der Bundespolizeidirektion St. Pölten wegen des
Verdachtes nach § 83 Abs. 1 (Körperverletzung) in Verbindung mit § 313 StGB
(Strafbare Handlung unter Ausnützung einer Amtsstellung) beantragt.
Im Rahmen dieser Vorerhebungen wird auch ein gerichtsärztliches Sachverständi -
gengutachten über die gesundheitlichen Auswirkungen der den Polizeibeamten an -
gelasteten Tathandlungen eingeholt.
Zu 3:
Nach § 83 Abs. 1 erfüllt derjenige den Tatbestand der Körperverletzung, der einen
anderen - auf welche Weise immer - am Körper verletzt oder an der Gesundheit
schädigt. Dem Begriff der Körperverletzung entsprechen dabei Handlungen, die die
körperliche Unversehrtheit nicht ganz unerheblich beeinträchtigen; somit nicht bloß
geringfügige Eingriffe in die körperliche Integrität. Als Körperverletzung werden bei -
spielsweise Wunden, Schwellungen, Verstauchungen, Verrenkungen, Brüche oder
sonstige Läsionen qualifiziert. Ganz minimale, sogleich wieder abklingende Beein -
trächtigungen der körperlichen Integrität werden von der Rechtsprechung nicht als
Körperverletzung gewertet. An der Gesundheit schädigt, wer eine Krankheit herbei -
führt oder verschlimmert, wobei sowohl körperliche als auch seelische Leiden in Be -
tracht kommen, vorausgesetzt, dass es sich um Zustände handelt, die Krankheits -
wert im medizinischen Sinn haben (vgl. dazu Leukauf/Steininger, StGB3, Rn 4 ff zu
§83).
Auf welche Weise auch immer auf den Körper eines anderen Menschen eingewirkt
wird, liegt eine Körperverletzung im Sinne des § 83 Abs. 1 StGB nur dann vor, wenn
diese Einwirkung Folgen wie die oben beschriebenen zeitigt.
Zu 4:
Der Tatbestand des § 312 StGB (Quälen oder Vernachlässigen eines Gefangenen)
setzt voraus, dass ein Beamter einem Gefangenen oder sonst auf behördliche An -
ordnung Verwahrten, der seiner Gewalt unterworfen ist oder zu dem er dienstlich
Zugang hat, körperliche oder seelische Qualen zufügt (Abs. 1) oder dass er seine
Verpflichtung zur Fürsorge oder Obhut einem solchen Menschen gegenüber
gröblich vernachlässigt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, dessen Gesundheit
oder dessen körperliche oder geistige Entwicklung beträchtlich schädigt (Abs. 2).
Unter körperlichen Qualen im Sinne des Tatbestandes des Abs. 1 sind dabei
Schmerzen, Leiden oder andere Angstzustände zu verstehen. Seelische Qualen
werden durch etwa Bedrohungen, Beschimpfungen oder Erniedrigungen hervorge -
rufen.
Eine gröbliche Vernachlässigung der Verpflichtung zur Fürsorge oder Obhut (§ 312
Abs. 2) sieht die Rechtsprechung dann als verwirklicht an, wenn der Beamte durch
sein Verhalten zu erkennen gibt, dass es ihm an der Bereitschaft, seinen Pflichten
nachzukommen, in erheblichem Maße fehlt.
Ob Tathandlungen wie die beschriebenen (Verweigerung einer Decke oder des
Ganges in die Toilette) den Tatbestand des § 312 StGB erfüllen, hängt sohin von
den Umständen des Einzelfalles ab. Für die Beurteilung des Anlassfalles liegen
noch keine ausreichenden Grundlagen vor.