675/AB

 

 

B e a n t w o r t u n g

 

der Anfrage der Abgeordneten Kier, Peter und Partner/Innen an

den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend

Sozialversicherungspflicht für Werkverträge (Nr.636/J).

 

 

Zu den aus der beiliegenden Ablichtung der gegenständlichen Anfrage er­sichtlichen Fragen führe ich folgendes aus:

 

Zur Frage 1:

 

Die neuen Pflichtversicherungstatbestände sind voneinander so abzugrenzen, daß dienstnehmerähnliche Beschäftigungen als Zielschuldverhältnisse und freie Dienstverträge als Dauerschuldverhältnisse zu qualifizieren sind.  Was die Merkmale der Dienstnehmerähnlichkeit betrifft, so existiert dazu eine umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und, des Obersten Gerichtshofes.

 

Zur Frage 2:

 

Auf die in der Anfrage dargestellte Problematik habe ich bereits reagiert.  In der vom Ministerrat am 25.6.1996 beschlossenen Regierungsvorlage des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1996 (214 der Beilagen) ist eine Vereinheitlichung der beiden Pflichtversicherungstatbestände in bezug auf die Beitragssätze und die Ver-

sicherungsgrenze vorgesehen.  Diese Bestimmungen sollen rückwirkend mit 1.7.1996 in Kraft treten.  Weiters habe ich dafür Sorge getragen, daß Meldungen auch dann als fristgerecht erstattet gelten, wenn sie unverzüglich ab dem 1. 1 0. 1 996 erfolgen.

 

Zur Frage 3:

 

Die Liste des Hauptverbandes, in der einige typische Vertragsbestände fest­gehalten sind, ist mir bekannt.  Diese Liste wurde vom Hauptverband erstellt, daher ersuche ich Sie, sich an diesen zu wenden.  Im übrigen liegen bei den Kassen Dienstgeberinformationen auf.

 

Zu den Fragen 4, 5 und 6:

 

Eine Liste, die bestimmte Berufsgruppen einem der beiden neuen Pflichtver­sicherungstatbeständen zuteilt, kann nur eine grobe Zuordnung sein, aber keine vollständige Entscheidungsgrundlage für eine zweifelsfreie Abgrenzung darstellen.  Im übrigen erfolgt die Vollziehung der Sozialversicherungsgesetze durch den zu­ständigen Sozialversicherungsträger.  Für die Frage, ob eine Pflichtversicherung ge­geben ist, ist jeder Einzelfall aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse zu prüfen.  Es kann nur konkret bezogen auf eine Einzelperson festgestellt werden, ob diese der Pflichtversicherung unterliegt, eine generelle Feststellung, daß eine bestimmte Be­rufsgruppe sozialversicherungspflichtig ist, kann daraus nicht abgeleitet werden.  In der ausführlichen Dienstgeberinformation, die von den Kassen der Bevölkerung zur Verfügung gestellt wird, werden jedoch die Abgrenzungskriterien so dargestellt werden, daß bis auf wenige atypische Einzelfälle eine Beurteilung durch die betroffenen Personen auch selbst getroffen werden kann.  Darüber hinaus werden die bear­beitenden Mitarbeiter der Versicherungsträger entsprechend eingeschult werden.

 

Zur Frage 7:

 

Mit dieser Bestimmung wird bezweckt, daß eine Person, die bereits aufgrund der von ihr ausgeübten Tätigkeit einer Pflichtversicherung unterliegt, nicht ein

zweites Mal für dieselbe Tätigkeit Beiträge zu entrichten hat.  In diesem Zusammen­hang genügt das Vorliegen einer Teilversicherung.

 

Zu den Frauen 8 und 9:

 

Im vom Nationalrat am 11.7.1996 beschlossenen Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996 ist eine Vereinheitlichung der beiden Pflichtversicherungstatbestände auch in diesem Punkt vorgesehen.  Bei Überschreiten der Versicherungsgrenze von S 3.600,-- (Wert für das Jahr 1996) tritt für beide Tatbestände Vollversicherungspflicht (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) ein.

 

Zur Frage 10:

 

Ob die neu eingeführten Pflichtversicherungstatbestände in dem in der An­frage dargestellten Sinn umgangen werden, wird sich erst dann zeigen, wenn diese einige Zeit in Kraft sein werden.  Sollte sich eine Umgehungsmöglichkeit herausstel­len, dann wird eine Nachjustierung dieser Bestimmungen erfolgen.  Dies habe ich auch mit den Sozialpartnern vereinbart.

 

Zu den Fragen 11 bis 15:

 

Grundsätzlich ist zunächst festzuhalten, daß der primäre Grund, Werkverträge in die Sozialversicherungspflicht einzubeziehen, darin besteht, auch jenen Arbeit­nehmer/inne/n, die zunehmend in prekäre Arbeitsverhältnisse abgedrängt werden, den vollen sozialen Schutz angedeihen zu lassen.

 

Wie immer, wenn in einem Umlagesystem eine neue Gruppe in die Sozialver­sicherungspflicht einbezogen wird, entstehen in der Anfangsphase Einnahmen, denen erst längerfristig Ausgaben folgen können, aber nicht zwangsläufig folgen müssen.  Bei der Einbeziehung von Werkverträgen kann es dabei im Konkreten zu folgenden Konstellationen kommen:

 

1.       Einbeziehung von Personen, die über ihre gesamte Erwerbsphase hindurch aus­schließlich solche - nunmehr einbezogene - Arbeitsverhältnisse ausüben: Durch

die Einbeziehung dieses Personenkreises, der bei alter Rechtslage nie die Chance hätte, eine Altersvorsorge zu erhalten, kommt es in 20 bis 30 Jahren zu höheren Pensionsaufwendungen.  Diesen Pensionsaufwendungen stehen aber - wie bei jedem schon jetzt versicherten Arbeitnehmer mit gleichem Einkommen ­gleiche Beitragsleistungen gegenüber.

 

Es ist allerdings kaum zu erwarten, daß es - auf Basis der derzeitigen arbeitsmarktpolitischen Gegebenheiten - viele Personen geben wird, die ein gesamtes Arbeitsleben hindurch auf derartige Vertragsformen angewiesen sind.  Wenn aber umgekehrt die prekären Arbeitsverhäl tnisse noch stärker zunehmen sollten als dies in der Vergangenheit der Fall war, wäre es nicht gerechtfertigt, diesen Personen den sozialen Schutz zu verweigern.  Die Alternative, diesen Personen eine steuerfinanzierte Sozialhilfeleistung zu gewähren, wäre gesamtwirtschaftlich gesehen noch teurer, als die jetzt getroffene Lösung.  Dies gilt es zu bedenken, wenn die Frage nach zusätzlichen Aufwendungen bei den Ausgleichszulagen gestellt wird.  Personen, die über ihre gesamte Erwerbsphase hindurch nur gering entlohnte Werkverträge innehaben und sodann infolge ihrer auch geringen Pensionshöhe Anspruch auf eine Ausgleichszulage erwerben, werden wohl kaum ein Massenphänomen sein, trotzdem entrichten sie in Hinkunft dafür wenigstens Beiträge.

 

Demgegenüber hätten sie bei Beibehaltung der alten Rechtslage weder einen Pensionsanspruch geschweige denn einen Ausgleichszulagenanspruch erworben und wären - da im Alter unversorgt - auf die Sozialhilfe der Länder angewiesen, die nunmehr eingespart werden kann.  Auch diese - nicht quantifizierbaren - Ein­sparungen sind in Rechnung zu stellen.

 

 

2.    Weitaus häufiger ist jedoch jener Fall, wo die Beschäftigung auf Werkvertragsbasis nur eine temporäre Phase des Erwerblebens ist:

 

In diesem Fall kommt es, sofern keine anderweitige Pflichtversicherung vorliegt, zu dem Erwerb zusätzlicher Beitragszeiten, die im Regelfall pensionserhöhend wirken.

 

Während der Konzeption der gesetzlichen Pensionsversicherung gedanklich die (männliche) Normalbiographie zugrunde liegt, hat gerade die Vergangenheit eine gewisse Erosion dieser Erwerbsbiographie gezeigt: entstehende Lücken im Ver­sicherungsverlauf wurden daher zunehmend vom Gesetzgeber geschlossen; diesbezüglich sei etwa auf die Anrechnung von Zeiten der Arbeitslosigkeit und der Krankheit als beitragsfreie Ersatzzeit seit Beginn der 70er Jahre und neuerdings die beitragsfreie Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung im Ausmaß von bis zu vier Jahren hingewiesen.  Die nunmehrige Einbeziehung von Werkverträgen ist ein Schritt in Richtung Verstärkung des Versicherungsprinzips, die Pensionsver­sicherung erhält dafür Beiträge.

 

3.       Wie auch diverse Pressemeldungen der letzten Wochen belegen, dürfte überdies die überwiegende Mehrzahl der nunmehr einbezogenen Personen, diese Tätigkeit neben einer sonstigen, anderweitig pflichtversicherten Tätigkeit ausüben (z.B. Versicherungsvermittler).  In diesen Fällen kommt es zu keinem Erwerb zusätz­licher Versicherungszeiten, durch die Erhöhung der monatlichen Beitragsgrund­lage können diese Zeiten aber eventuell Bestandteil der Bemessungsgrundlage werden und damit pensionserhöhend wirken.  In vielen Fällen, wo derzeit bewußt nach 15 einkommenstarken Jahren ein Dienstverhältnis mit geringer Entlohnung und zusätzlicher freien Dienstvertrag eingegangen wird, um Beiträge zu sparen," kommt es zu keiner Erhöhung der Leistung, aber zu dem Versicherungsprinzip adäquaten Beitragsleistungen.

In einer qualitativen Gesamtbetrachtung der angeführten möglichen Fall­konstellationen wird man - da die überwiegende Mehrheit der Fälle dem Punkt 3 zuzurechnen ist - mindestens von einem ausgewogenen Verhältnis von Beiträgen und Leistungen sprechen können, wahrscheinlich sind jedoch Spareffekte für die Gesamtfinanzierung.  Dadurch entstehen zum einen für die Pensionsversicherung keine nicht durch Beiträge gedeckten Mehraufwendungen, zum anderen kann von einer Enteignung der Betroffenen - wie dies in Frage 16 formuliert wird - nicht die Rede sein.

 

Richtig ist, daß es anfänglich zu einer temporären Verschiebung von Beiträgen und Leistungen kommt.  Allerdings wird von den Anfragestellern übersehen, daß zu dem Zeitpunkt, wo diese nunmehr einbezogene Personengruppe das Pensionsalter erreicht, Beiträge von dann einbezogenen Werkvertragsnehmern in die gesetzliche Pensionsversicherung fließen.  Dies entspricht dem Charakter des Umlagesystems.

 

Darüber hinaus kann noch folgendes angemerkt werden:

 

Die in Frage 14 angesprochene zunehmende Pensionsbelastungsquote wird durch die Einbeziehung der Werkverträge nicht verschlechtert, sondern im Gegenteil auf Dauer verbessert, da einer größeren Zahl von Versicherten eine annähernd gleichbleibende Zahl an Leistungsempfängern gegenüberstehen wird.

 

In den vergangenen Jahren des öfteren durchgeführte Berechnungen haben zudem gezeigt, daß gegenwärtig - auf individueller, versicherungsmathematischer Ebene betrachtet - rund 50 Prozent einer ausbezahlten Pension durch Beiträge des Leistungsempfängers (inklusive Dienstgeberanteil) gedeckt sind: Wenn durch die Einbeziehung von Werkverträgen dieses Verhältnis um einige Prozentpunkte ver­bessert werden kann, so ist dies kein Nachteil für die Pensionsversicherung und auch für den Versicherten verbleibt eine interne Ertragsrate, die gegenüber der priva­ten Versicherung noch immer konkurrenzfähig ist.

 

 

Zur Frage 16:

Einerseits verweise ich auf die Beantwortung der Fragen 1 1 bis 15 und ande­rerseits möchte ich ausfahren, daß bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung ge­nauso wie bei anderen Versicherten Leistungen zu gewähren sind.  Eine Ausnahme bilden lediglich die Geldleistungen in der Krankenversicherung, wobei dies aber durch einen niedrigeren Beitragssatz in der Krankenversicherung gerechtfertigt ist.