706/AB
Die Abgeordneten Anschober und Genossen haben am 1 8.Juni 1996 unter der Nummer 84 1 /J-
NR/ 1 996 an mich eine schriftliche Anfrage betreffend Atomvertrag - EU-
Beitrittsverhandlungen Tschechiens und der Slowakei gerichtet, welche den folgenden
Wortlaut hat:
1. Liegen dem Außenminister aktuelle Berichte über den Sicherheitsstandard der tschechischen sowie slowakischen in Betrieb bzw. in Bau befindlichen Atomkraftwerke vor? Wenn ja, welche konkreten Berichte von welchem konkreten Datum von welchem konkreten Inhalt?
2. Mit welchen Themen beschäftigen sich die letzten bilateralen Gesprächsgruppen in Sachen Atomkraft zu welchem konkreten Datum und mit welcher konkreten Teilnehmerrunde?
3. Wann erfolgten die letzten konkreten Verhandlungen mit Tschechien bzw. der Slowakei in Sachen Atomkraft? Welches waren die konkreten Ergebnisse dieser Gespräche?
4. Wie beurteilt der Außenminister die Forderungen der Grünen des oberösterreichischen Landtags, des oberösterreichischen Umweltlandesrates sowie ÖVP Generalsekretär wie sie oben angeführt wurden?
5. Welche konkreten Schritte wird der Außenminister setzen damit die oben angeführten Forderungen umgesetzt werden?
6. Welche konkreten Initiativen innerhalb der Europäischen Union bzw. auf bilateraler Ebene werden in dieser Angelegenheit noch 1996 gesetzt?
7. In welchem konkreten Stadium befinden sich die Beitrittsverhandlungen und welcher ist nach Meinung des Außenministers der bestmögliche Zeitpunkt zum Einbringen der Forderung nach einem Atomvertrag?
8. Hat Österreich bereits eine' entsprechende Forderung eingebracht? Wenn ja, wann, wo mit welchem konkreten Wortlaut? Wenn nein, warum noch nicht?
9. Bei welcher konkreten Gelegenheit wird der Außenminister Kontakt mit weiteren EU-Mitgliedsländern in Sachen Atomvertrag mit Tschechien und der Slowakei aufnehmen?
Zu 1:
Zu den tschechischen Anlagen liegt der Jahresbericht des tschechischen Amtes für nukleare Sicherheit für 1995 vor, zu den slowakischen Anlagen der Bericht der Atomaufsichtsbehörde über die Sicherheit der Nuklearanlagen in der Slowakischen Republik über das Jahr 1995. Diese Berichte enthalten Aus Ausführungen über die Sicherheitsvorrichtungen an den Kernanlagen in den beiden Ländern und über die an diesen Sicherheitsvorrichtungen im Berichtszeitraum vorgenommenen Verbesserungen.
Zu 2 und 3:
Die österreichische Haltung, die auf ein kernkraftwerkfreies Mitteleuropa abzielt, wird bei allen Verhandlungen und Expertengesprächen und bei anderen Kontakten auf bilateraler Ebene immer wieder mit Nachdruck dargelegt. Hierbei ist Österreich bestrebt, durch konstruktive Angebote die Nachbarn zur Realisierung einer modernen Energiewirtschaft ohne Kernkraftwerke zu bewegen. Bis jetzt zeigten sich allerdings weder die tschechische noch die slowakische Seite bereit, konkrete Verhandlungen über die Möglichkeiten eines Ausstieges aus der Kernkraft aufzunehmen.
Die Expertengespräche gemäß den Informationsabkommen zu nuklearer Sicherheit und Strahlenschutz dienen im Sinne der dort enthaltenen Verpflichtungen vor allem konkrete Informationen auszutauschen. Auf der Tagesordnung stehen demnach die Themenbereiche Rechtsvorschriften und Behördenorganisation, Energieversorgung, Strahlenüberwachung, Notfallschutzplanung, Sicherheit der einzelnen Kernanlagen, Sicherheitsplanung für die Zukunft, Kernergieprogramme sowie organisatorische Fragen der Zusammenarbeit. Im Rahmen dieser Gespräche werden auch die zu Punkt 1 erwähnten Sicherheitsberichte erörtert.
Die Expertengespräche gemäß den Informationsabkommen mit der Tschechischen Republik und mit der Slowakei werden mindestens einmal jährlich abgehalten. Die letzten Expertengespräche mit der Tschechischen Republik fanden vom 18. bis 20. Dezember 1995 in Prag, mit der Slowakei vom 19. bis 20. Juni 1996 in Wien statt.
Die österreichischen Delegationen setzen sich in der Regel aus Vertretern des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten, des Bundeskanzleramtes, des Bundesministeriums für Inneres, des Bundesministerium-, für Gesundheit und Konsumentenschutz, des Bundesministeriums für Landesverteidigung, des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie, des Forums für Atomfragen, des Forschungszentrums Seibersdorf sowie der betroffenen Bundesländer zusammen. Die tschechischen Delegationen bestehen zumeist aus Vertretern des staatlichen Amtes für nukleare Sicherheit, des Außenministeriums, des Ministeriums für Industrie und Handel, des. Umweltministeriums und der Tschechischen Energiewerke. Den slowakischen Delegationen gehören Vertreter der staatlichen Atomaufsichtsbehörde, des Außenministeriums, des Umweltministeriums, des Wirtschaftsministeriums, des Innenministeriums, des Gesundheitsministeriums sowie der slowakischen staatlichen Elektrizitätsgesellschaft an.
Zu 4-9:
Derzeit sind weder mit der Tschechischen Republik noch mit der Slowakei EU-Beitrittsverhandlungen im Gange. Das Beitrittsverfahren der EU sieht die Erstellung eines umfassenden Berichtes durch die Europäische Kommission, des sogenannten Avis, über jeden einzelnen Kandidaten vor. Gemäß den Beschlüssen des im Dezember 1995 in Madrid abgehaltenen Europäischen Rates soll die A e von Beitrittsverhandlungen mit allen Beitrittskandidaten etwa sechs Monate nach Abschluß der Regierungskonferenz erfolgen. Ein genauer Zeitplan für Beitrittsverhandlungen steht damit noch nicht fest. Österreich wird sich als Mitglied der Europäischen Union auch weiterhin konsequent für eine Minimierung nuklearer Risiken und die Stillegung von Kernkraftwerken einsetzen. Im Rahmen der Tagungen des Assoziationsausschusses und des Assoziationsrates mit den mittel - und osteuropäischen Ländern (MOEL) werden von Österreichischer Seite regelmäßig Fragen von Sicherheitsrisken, die von den in den MOEL gelegenen Kernkraftwerken ausgehen, thematisiert.
In der EU besteht keine Mehrheit für einen Ausstieg aus der Kernenergie oder ein kernkraftfreies Mitteleuropa. Dennoch wird Österreich seine Bemühungen sowohl im EURahmen als auch bei bilateralen Kontakten fortsetzen.