711/AB
Die Abgeordneten zum Nationalrat Van der Bellen, Freundinnen und Freunde haben am 23. Mai 1996 unter der Nr. 694/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Datenprobleme und Statistikmängel des Österreichischen Statistischen Zentralamtes gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
1. Welche Maßnahmen haben Sie bisher gesetzt, um die aufgezeigten Statistikmängel zu beheben?
2. An welchem Konzept zur Bewältigung der Datenprobleme wird derzeit gearbeitet?
3 . Bei der Übernahme des Rechtsbestandes der Europäischen Union im Bereich der Statistik wurde in den Erläuterungen zum Handelsstatistischen Gesetz 1995 angemerkt, daß aufgrund der Erfüllung neuer Aufgaben im ÖSTAT eine zusätzliche Verwaltungsstruktur geschaffen werden muß. Die voraussichtlichen Mehrkosten wurden damals mit 14 Millionen Schilling pro Jahr angegeben.
Wie hoch sind die tatsächlichen Mehrkosten und wieviele zusätzliche Personalstellen müssen --geschaffen werden? (Aufschlüsselung pro Budgetjahr)
4. Wie schaut die personelle und finanzielle Ausstattung des Österreichischen Statistischen Zentralamtes im Vergleich zu den anderen EU-Staaten aus?
5. Wie beurteilen Sie den von den Salzburger Nachrichten zitierten IWF-Bericht?
6. Wie lautet der genaue Inhalt des IWF-Berichtes oder Briefes vom April 1996?
7. Welche Konsequenzen haben Sie aus den in dem genannten Bericht erhobenen Vorwürfen gezogen?
8. Welche konkreten Auswirkungen wird die Tatsache des Fehlens einer VGR für 1996 haben?
9. In welchem Ausmaß werden aufgrund der gravierenden Datenmängel Korrekturen bei den prognostizierten Budgetdaten (Nettodefizit/Verschuldungsquote) notwendig werden?
10. Auf welcher Datenbasis wird das Budgetprogramm, zu dessen Vorlage die Bundesregierung im Herbst 1996 verpflichtet ist, erstellt?
11. Welche konkreten Maßnahmen sind geplant, um der österreichischen Außenhandelsstatistik jene Aussagekraft und jenen Informationscharakter zu verleihen, die sie vor der EU-Umstellung aufgewiesen hat?
12. Wann wird das EU-Mitglied Österreich in der Lage sein, "EU-konforme" und vor allem korrekte statistische Daten zeitgerecht zu erheben und zu liefern?
13. Wie werden Sie bei der Entscheidung über die Teilnahme an der Währungsunion Anfang 1998 den EU-Partnern glaubhaft machen, daß die Defizit/BIP-Quote bei 3 % liegt, wenn es über den Nenner dieses Bruchs keine gesicherten Daten gibt?"
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 und 2:
Aufgrund von Informationen über Verzögerungen bei der Fertigstellung wesentlicher Statistiken habe ich mit leitenden Funktionären des Österreichischen Statistischen Zentralamts ein ausführliches Gespräch über die anstehenden Fragen geführt und im Anschluß daran veranlaßt, daß eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Staatssekretär Mag. SCHLÖGL unter Heranziehung externer Berater mit dem Österreichischen Statistischen Zentralamt eine Bestandsaufnahme aller statistischen Arbeiten durchgeführt, diese nach Prioritäten reiht und Vorschläge für mögliche Unterbrechungen bzw Kürzungen von Projekten vorlegt, durch welche Mitarbeiter für prioritäre Arbeiten freigestellt werden könnten. Ein abschließender Bericht dieser Gruppe soll demnächst ergehen. Mir wird berichtet, daß aufgrund der bisher gesetzten Maßnahmen die Verzögerungen bei der Berechnung des Verbrauche rpreisindex aufgeholt worden sind.
Zu Frage 3:
Es ist zutreffend, daß für den Bereich der Außenhandelsstatistik, der den Handel mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union betrifft (INTRASTAT), eine primärstatistische Erhebung neu aufgebaut werden mußte. Die Kosten hiefür beliefen sich, wie mir das Österreichische Statistische Zentralamt mitteilt, im ersten Jahr auf etwa 17 Millionen Schilling. Dabei ist zu berücksichtigen, daß einerseits Einmalkosten für den Aufbau der Erhebung (wie etwa Errichtung eines Firmenregisters) angefallen sind, andererseits noch nicht der volle, vom Österreichischen Statistischen Zentralamt als notwendig kalkulierte Personalaufwand zur Verfügung stand. Der Personalstand betrug, wie mir berichtet wurde, vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union 65 Bedienstete. Für INTRASTAT wurde durch das Österreichische Statistische Zentralamt ein personeller Mehrbedarf von 50 bis 60 Stellen errechnet, von denen im Wege interner Umschichtungen im Jahr 1995 20 und im heurigen Jahr 30 Personen für INTRASTAT bereitgestellt wurden. Der sich daraus ergebende Gesamtbestand wird nach den Berechnungen des Österreichischen Statistischen Zentralamts auch für die kommenden Jahre benötigt werden.
Zu Frage 4:
Vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wurden die statistischen Dienste der 12 damaligen EU-Mitgliedstaaten in einer Studie einem Vergleich unterzogen, wobei in den föderalistisch aufgebauten Staaten auch die Landes- bzw sonstige Regionalstatistik einbezogen wurde. Die personelle Ausstattung des statistischen Diensts in Österreich entspricht mengenmäßig im wesentlichen dem EU-Durchschnitt (wobei fast 90 % des Personalstands auf das Österreichische Statistische Zentralamt und die restlichen 1 0 % auf die Landesstatistik entfallen). Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings das unterschiedliche Auftragsvolumen der statistischen Dienste der Mitgliedsstaaten. In qualitativer Hinsicht ist zu bemerken, daß der Anteil der Akademiker am Personalstand des Österreichischen Statistischen Zentralamts deutlich unter den vergleichbaren Werten der meisten EUStaaten liegt.
Zu den Fragen 5, 6 und 7:
Bei dem sogenannten "IWF-Bericht" handelt es sich um eine informelle Mitteilung des österreichischen Vertreters beim Internationalen Währungsfonds an die Österreichische Nationalbank und keinesfalls um einen offiziellen Bericht an die Österreichische Bundesregierung. Diese Fragen betreffen somit keinen Gegenstand meiner Vollzugskompetenz.
Zu Frage 8:
Vom Fehlen einer Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung für 1996 kann keine Rede sein, die vom Österreichischen Statistischen Zentralamt durchgeführt Jahresrechung wird wie üblich im Herbst 1997 vorliegen. Vom Fehlen rezenter Außenhandelsdaten und Konjunkturindikatoren ist hingegen die vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung durchgeführt Quartalsrechnung betroffen, deren Unterbrechung sich heuer durch weniger gesicherte vierteljährliche Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute auswirken wird.
Zu den Fragen 9 und 1 0:
Die gegenwärtig veranschlagten Werte für Nettodefizit und öffentliche Verschuldung (fiskalische Maastricht-Kriterien) in den Budgetjahren 1996 und 1997 gehen von den zum Zeitpunkt der Beschlußfassung aktuellsten Prognosen der Wirtschaftsforschung aus. Ähnliches wird für die im Herbst 1996 vorzulegende Budgetvorschau gelten. Der Unsicherheitsfaktor derartiger Prognosen hängt von der gesamten, auch internationalen Konjunkturentwicklung ab und wird vom vorübergehenden Ausfall einzelner Indikatoren für 1996 kaum betroffen.
Zu Frage 1 1:
Um die bei der Erstellung der Außenhandelsstatistik entstandene Verzögerung aufholen zu können, wurden, wie bereits in der Antwort zur Frage 3 beschrieben, personelle Ressourcen verlagert, wodurch die Außenhandelsstatistik im Zeitablauf (Vorlage der Monatsergebnisse jeweils 5 Wochen nach Ende des Berichtsmonats), in der Aussagekraft und im Informationsgehalt den vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union erreichten Standard aufweisen wird - mit der für alle EU-Mitgliedstaaten geltenden Einschränkung, daß die INTRASTAT-Erhebung für den Außenhandel zwischen den Unionsmitgliedern , die durch direkte Erhebung bei den exportierenden bzw importierenden Unternehmen durchgeführt wird, nicht mehr die Genauigkeit der früheren Zollstatistik erreichen kann.
Zu Frage 12:
Ich verweise auf die Beantwortung der Frage 1.
Zu Frage 13:
Der vorübergehende Ausfall der Außenhandelsstatistik wirkt sich, wie mir berichtet wurde, auf die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts nur insofern aus, als Kontrollrechnungen von der Verwendungsseite her nicht vollständig möglich sind. Da die entscheidende Vergleichsgröße für das Defizit des öffentlichen Sektors die BIP-Berechnung für 1997 sein wird, für die wieder vollständige Außenhandelsdaten zur Verfügung stehen werden, werden der Entscheidung über die Teilnahme an der Währungsunion gesicherte Daten zugrundegelegt werden können.