713/AB
In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 765/J betreffend Licht ins Dunkel fragwürdiger Stromimportverträge, welche die Abgeordneten Anschober, Freunde und Freundinnen am 13.6.1996 an mich richteten und aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie beigelegt ist, möchte ich grundsätzlich festhalten, daß sich das Fragerecht von Abgeordneten gegenüber einem Bundesminister nur auf Akte der Vollziehung des Bundes bezieht.
Die Österreichische Elektrizitätswirtschafts-AG (Verbundgesellschaft) ist eine Aktiengesellschaft nach den einschlägigen gesetzlichen Regelungen des Privatrechtes, die teilprivatisiert ist und in mehrheitlichem Eigentum der Republik Österreich steht. Als Eigentümervertreter des Bundesanteils habe ich gemäß den gesetzlichen Vorgaben kein Weisungsrecht an den Vorstand dieses Unternehmens. Akte, die vom Verbund-Vorstand gesetzt werden, unterliegen daher nicht der Einflußsphäre des zuständigen Wirtschaftsministers und sind auch keine Akte der Verwaltung.
Ex- und Importverträge für elektrische Energie wurden und werden zwischen Unternehmen nach Rechtsformen des Privatrechts abgeschlossen. Diese Handlungen fallen nicht unter den Begriff der "Vollziehung des Bundes" gemäß Art. 52 Abs. 1 B-VG. Diese Tätigkeiten bzw. Vertragsabschlüsse sind Handlungen von privaten Rechtsträgern die - auch wenn sie im Mehrheitseigentum den Bundes stehen mangels Möglichkeit einer Weisung durch ein staatliches Organ nicht vom parlamentarischen Interpellationsrecht erfaßt sind.
Ungeachtet dessen habe ich aber Ihre Anfrage an die Verbundgesellschaft weitergeleitet; die Anfragebeantwortung der Detailfragen beruht auf den von der Verbund übermittelten Informationen.
Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:
Die Verhandlungen des Verbund mit der Ukraine über den damals angepeilten langfristigen Vertrag wurden im Laufe der Jahre 1991/1992 durchgeführt. Vorvertrag wurde keiner abgeschlossen; es wurden jedoch kurzfristige Stromimporte in den Jahren 1991, 1992 und 1993 getätigt.
Im langfristigen Vertrag war vereinbart, jene Stromlieferungen ab Ende 1992 zu übernehmen, welche einen Lieferumfang von 200 bis max. 780 GWh pro Winterperiode vorsahen. Mit Hilfe des Stromimportvertrages sollte eine umweltgerechte Sanierung eines der größten ukrainischen Kohlekraftwerke (Kraftwerk Burshytn) vorgenommen und darüber hinaus diese Aktivitäten überwiegend durch die österreichische Industrie getätigt werden. Dieser langfristige Vertrag mit der Ukraine ist jedoch nicht wirksam geworden, da zwei wesentliche Bedingungen von der ukrainischen Seite nicht erfüllt wurden. Er wurde definitiv mit Schreiben des Verbund an die ukrainische Elektrizitätswirtschaft mit 30.1.1995 außer Kraft gesetzt.
Antwort zu Punkt 2 der Anfrage.-
Die durchgeführten kurzfristigen Stromimporte in den Jahren 1991 bis 1993 wurden vertragskonform, entsprechend den vereinbarten Strompreisen, seitens Verbund bezahlt. Eine Provisionszahlung wurde lt. Mitteilung des Verbund nicht vereinbart und auch nicht durchgeführt.
Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:
Zur Abdeckung der hydraulischen Schwankungen im hydraulisch-thermischen System Österreichs wurde unter Berücksichtigung der zu erwartenden Bedarfssteigerung für die sichere Energiebereitstellung für Österreich kostengünstige Importenergie geordert. Im Zusammenhang mit diesem Importvertrag sollte die österreichische Industrie für die Rekonstruktion des Kohlekraftwerkes Burshtyn unter Einsatz moderner, umweltfreundlicher und effektiver Technologien miteingebunden werden.
Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:
Verbund ist nicht bekannt, daß es im Umfeld dieses Importvertrages zu politischen Interventionen kam und ob dazu Aktenvermerke existieren.
Politische Interventionen sind mir nicht bekannt, und es liegen mir hiefür auch keine Hinweise vor.
Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:
Der Nagymaros-Vertrag wurde am 28.5.1986 zwischen MVM und Verbundgesellschaft für die Zeitdauer 1.1.1996 bis 31.12.2015 mit einer jährlichen Liefermenge von 1.200 GWh abgeschlossen.
Antwort zu den Punkten 6 und 7 der Anfrage:
Es ist festzustellen, daß es im Zusammenhang mit dem Abschluß des Nagymaros-Vertrages seitens Verbund zu keinerlei Provisionsabschlüssen oder Provisionszahlungen gekommen ist; es liegen auch keinerlei Indizien für Provisionszahlungen vor. Politische Interventionen sind mir nicht bekannt, und es liegen mir hiefür auch keine Hinweise vor.
Antwort zu Punkt 8 der Anfrage:
Der Nagymaros-Vertrag wurde abgeschlossen, um für Österreich langfristig ausreichende und gesicherte Energie zur Verfügung zu stellen. Es war daher nicht daran gedacht, diese Energiemengen auf dem freien Strommarkt zu veräußern.
Die großen politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in Europa ab 1991 konnten lt. Stellungnahme der Verbund zum damaligen Zeitpunkt ebenso nicht abgeschätzt werden, wie die daraus resultierende Überschußsituation auf dem Strommarkt.
Antwort zu Punkt 9 der Anfrage:
Es wurde und wird seitens Verbund mit dem ungarischen Partner verhandelt, den Nagymaros-Vertrag an Energie- und betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten anzupassen. Daneben wurde zwischen den Unternehmen vereinbart, in dieser Frage ein Schiedsgericht einzusetzen.
Antwort zu Punkt 10 der Anfrage:
Im Jahr 1994 wurden Verhandlungen mit Magyar Villamos Müvek Tröszt (MVM) über Anpassungen beim Nagymaros-Vertrag aufgenommen. Nachdem bis Ende 1995 in wichtigen Punkten eine Übereinstimmung erreicht werden konnte, wurde seitens Verbund das im Vertrag vorgesehene Schiedsgerichtsverfahren eingeleitet. Es wurde jedoch mit MVM vereinbart, parallel zum Schiedsgerichtsverfahren an einer außergerichtlichen Verhandlungslösung zu arbeiten.
Im Jahr 1996 ist vertraglich vorgesehen, 1.200 GWh zu importieren. Diese Elektrizitätsmenge geht in die gesamtösterreichische Aufbringung ein. Die inländische Bedarfsdeckung seitens Verbund erfolgt aus dem Mix der Erzeugung aus eigenen Kraftwerken und aus Importverträgen. Eine detaillierte Zuordnung der Bezüge aus dem Nagymaros-Vertrag auf bestimmte Kundengruppen ist somit lt. Stellungnahme des Verbund nicht möglich.
Da es sich laut Verbund um ein schwebendes Verfahren handelt, können keine detaillierteren Angaben gemacht werden. Des weiteren verweise ich auf meine einleitenden Ausführungen.
Antwort zu den Punkten 11 und 13 der Anfrage.-
Über die in der Einleitung getroffenen Feststellungen hinaus ergäbe sich bei Beantwortung dieser Anfragepunkte die Problematik der Erörterung unternehmensspezifischer Geschäftsdaten.
Bei den von Ihnen verlangten Angaben handelt es sich um betriebswirtschaftliche Daten, deren Bekanntgabe wirtschaftliche Interessen der Verbundgesellschaft verletzen würde. Aus Gründen der Amtsverschwiegenheit ist mir daher eine Beantwortung dieser Anfrage nicht möglich.
Provisionszahlungen wurden laut Verbund in keinem Fall vereinbart.
Antwort zu Punkt 12 der Anfrage:
Siehe dazu beiliegende Auf stellung "Gesamte Elektrizitätsversorgung Österreichs - physikalische Importe und Exporte für die Jahre 1980 bis 1995".
Beilagen
Gesamte Eie@
ung Ostoffe7ich.
Gesamte Elektrizitätsversorgung Österreich
physikalische Import und Exporte
Angaben in GWh
physik. Importe physik- Exporte
GWh GVVH
1980 3164 7136
1981 2862 7441
1982 3125 7464
1983 439.6 7893
1984 5401 6725
1985 6051 7770
1986 5962 7426
1987 3997 9606
1988 5572 8283
1989 5913 8245
1990 6839 7298
1991 8503 7738
1992 9175 8621
1993 8072 8805
1994 8219 9042
1995 7287 9757