715/AB
ANFRAGEBEANTWORTUNG
betreffend die schriftliche Anfrage der Abg. Anschober, Freundinnen
und Freunde vom 22. Mai 1996, ZI. 625/J-NR/1996,
"Wasserstraße Donau"
Zu Ihrer Anfrage darf ich vorerst festhalten, daß die Ministerienzuständigkeit für verkehrspolitische und schiffahrts-spezifische Angelegenheiten des Wasserbaus hinsichtlich Wasserstraßen bei meinem Ressort liegt das heißt, daß dem Verkehr bei der Planung und Umsetzung von Regulierung- bzw. Erhaltungsmaßnahmen der Wasserstraße Donau, für die das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten federführend ist, eine "Mitkompetenz" zukommt In den letzten 5 Jahren hat zwischen beiden Ressorts ein ständiger Kontakt bestanden,. sodaß zu dem von Ihnen angesprochenen Fragenkomplex im Rahmen der vom Bund und den Ländern Wien und N Ö gemeinsam in Auftrag gegebenen Vorbereitungsarbeiten für die Schaffung eines Nationalparks Donauauen ein gemeinsamer Standpunkt eingenommen wurde.
Zur Vermeidung allfälliger Mißvrständnisse halte ich es für erforderlich, die Projektsidee, die Ihren Fragen zugrundeliegen dürfte, näher zu präzisieren.Sie beruht auf dem im Zuge der Nationalparkplanung untersuchten „Flußbaulichen Gesamtkonzept“ (Regulierung mit Buhnen, Gewässervernetzung, Sohlstabilisierung mit permanenter Zugabe von Normalgeschiebe mit einer Option auf geringfügige Vergrößerung des durchschnittlichen Korndurchmessers). Die Nationalparkvorbereitungskommission hat einen Konsens darüber erzielt, daß die Funktion der internationalen Wasserstraße Donau zu gewährleisten ist und das gründlic Regulierungsarbeiten und Erhaltungsmaßnahmen zur Verbesserung der Fahrwasserverhältnisse für eine Schiffsabladetiefe (Tiefgang) bis zu 2.70 m - dies entspricht etwa einer garantierten Fahrwassertiefe von 3.00 m bzw. einer hydraulischen Wassertiefe von 3,20 m - den ökologischen Zielsetzungen des Nationalparks nicht entgegenstellen.
Dieser Projektsvorschlag würde auch die Zielvorgaben des Binnenschiffahrtsmemorandums der österreichischen Bundesregierung vom August 1992 erfüllen, da mit einem derartigen Ausbau die Binnenschiffahrt in die Lage versetzt wird, ihre Aufgaben als kostengünstiger und umweltverträglicher Verkehrsträger wahrzunehmen. In diesem Zusammenhang ist besonders darauf hinzuweisen, daß der Nutzen dieser Maßnahme, der nicht nur der Wirtschaft, sondern in einem sehr hohen Ausmaß auch der Umwelt zugute kommen wird, in Anbetracht der zu erwartenden Verkehrszuwächse einen Barwert von rund 35 Milliarden öS repräsentiert (bei zeitlich gleichmäßigen Verteilung des Nutzens würde ein jährlicher Nutzen von rund 1 Milliarde öS diesem Barwert entsprechen).
Zu Ihren Überlegungen hinsichtlich der Wasserstraßenklassifikation darf ich anmerken, daß der beschriebene Wasserstraßenstandard einem "Viererverband" mit 2,70 m Tiefgang eine Gesamttragfähigkeit von 7200 t erlaubt, womit die österreichische Donau als Wasserstraße der Klasse VI b ohnedies sehr nahe der Untergrenze des von der ECE für diese Wasserstraßenklasse vorgesehene Tragfähigkeitsbereich würde.
Zu Ihren einzelnen Fragen darf ich wie folgt Stellung nehmen:
Zu Frage 1:
Existieren internationale Verpflichtungen zur Vertiefung der Wasserstraße Donau?
Österreich ist 1962 der Donaukonvention beigetreten und damit Mitglied der Kommission, die die Schiffahrtsfreiheit auf der mit internationalen W asserstraße Donau sicherzustellen und deren Funktion zu gewährleisten hat Zu diesem Zweck wurden Fahrwasser -Ausbaunormen erarbeitet, die einen zweistufigen Ausbau der W asserstraße vorsehen, und zwar vorerst Regulierungsmaßnahmen zur Erreichung einer Mindestwarntiefe von 2,50 m sowie im Anschluß daran die Eeiner geschlossenen Staukette und damit die Realisierung einer Mindestwassertiefe von 3,50 m bis Wien. Diese Ausbaunormen begründen zwar keine völkerrechtliche Verpflichtung zur Errichtung einer oder mehrerer Staustufen, jedoch sehr wohl die Verpflichtung zur Realisierung der technischen möglichen Maßnahmen zur Verbesserung der Fahrwasserverhältnisse dergestalt, daß eine ganzjährige Verfügbarkeit des Verkehrsweges und damit ein Betrieb der Binnenschiffe mit einem Tiefgang sichergestellt wird, der sowohl wirtschaftlich als auch für die Erzielung der angestrebten Umwelteffekte unabdingbar ist.
Zu Frage 2:
'Exisitieren internationale Zusagen Österreichs zur Vertiefung der Wasserstraße Donau?'
Im Zuge der Erarbeitung der TEN-Leitlinien haben sich die offensichtlichen Schwachstellen der bayerischen, ungarischen und österreichischen Donau deutlich gezeigt, weshalb von den betroffenen Staaten im Hinblick auf die äußerst umfangreichen bisherigen Investitionen und die relativ kurzen, den Wert der gesamten Wasserstraße jedoch erheblich, reduzierenden Seicht- bzw. Engstellen eine ehestmögliche Vorlage abgestimmter Projekte zur Beseitigung dieser "Flaschenhälse’ erwartet wird.
Zu Frage 3:
Welche konkreten Planungs- und Untersuchungstätigkeiten werden derzeit in dieser Angelegenheit durchgeführt?
Die im Rahmen der Nationalparkplanung erzielten Untersuchungsergebnisse werden auf Expertenebene mit den betroffenen Nachbarstaaten erörtert werden, um zu einem gemeinsamen Projektsrahmen für die jeweils erforderlichen nationalen Regulierungs-. Ausbaumaßnahmen zu gelangen. Für Österreich stellen. dabei die anfangs beschriebenen Tiefgangs- bzw. Wassertiefenwerte aus ökologischer Sicht einen Höchstwert dar, deren Realisierbarkeit im Zuge der P Projektausarbeitung sowie der vorgeschriebenen Verwaltungsverfahren, insbesondere der Umweltverträglichkeits prüfung, zu evaluieren sein wird.
Zu Frage 4:
Welche konkreten Absichten auf Eintiefung bestehen seitens des Verkehrsministeriums? Welche konkrete Fahrwassertiefe wird angestrebt? Existieren dazu bereits ökologische Begleituntersuchungen? Wenn ja, mit welchen konkreten Ergebnis für den Schiffahrtsbereich östlich wie westlich von Wien?
Es wird eine entsprechende Anhebung des Wasserspiegels der Donau bei Niederösterreich
wasser angestrebt, die neben dem bereits beschriebenen Nutzen für die Schiffahrt auch eine Verbesserung der Grundwassersituation und damit ökologische Vorteile bringen müßte. Die ökologische Verträglichkeit von Regulierungsbauten und von Geschiebezugaben zur Sohlstabilisierung wurde von der Nationalpark-Vorbereitungskommission grundsätzlich bejaht; die optimale Wasserspiegellage wird im einzelnen in der Projektsphase zu ermitteln sein.
Zu den Fragen 5 und 6:
'Welches Investitionskapital wird für derartige fluußbauliche Maßnahmen kalkuliert.?
Welche Überlegungen bestehen in diesem Zusammenhang in Verbindung mit der Sohlestabilisierung unterhalb von Wien?'
Eine Sohlstabilisierung ohne Regulierungsmaßnahmen zur Verbesserung der
Schiffahrtsverhältnisse würde zu einer Erhöhung der jährlichen Erhaltungskostön um ca. 53 Millionen öS führen; die vorgesehenen Regulierungsmaßnahmen würden Investitionskosten von 438 Millionen öS, verteilt auf rd. 5 Jahre, sowie eine weitere Erhöhung der jährlichen Erhaltungskosten um 52,5 Millionen öS verursachen. Diese Kosten gehen von der Annahme einer Zugabe von Normalgeschiebe (Geschiebe mit derzeit in der Natur vorkommenden Komgrößen) aus und beabsichtigen die sich aus der Flußdynamik ergebende Notwendigkeit der Beseitigung von Seichtstellen bzw. der Umlagerung zugegebenen Materials. Bei geringfügiger Erhöhung des mittleren Korndurchmessers des Zugabematerials ist eine markante Reduzierung der erforderlichen Zugabemenge wie auch des Erhaltungsaufwandes zu erwarten.
Zu Frage 7:
'In welchem Zeithorizont soll es zur Umsetzung der Maßnahmen kommen?'
Wie bereits bei Frage 5 erwähnt, wird für die Regulierungsmaßnahmen eine Bauzeit von rd. 5 Jahren angenommen; aufgrund der vorher aufzuwendenden Zeit für die Projektserstellung, die Planung und die Durchführung der zur Erteilung der erforderlichen Bewilligungen notwendigen Verfahren ist aus verkehrsodipolitischer SSicht die Inangriffnahme des Projekts dringlich.