716/AB
ANFRAGEBEANTWORTUNG
betreffend die schriftliche Anfrage der Abg. Mag. Kukacka und
Kollegen vom 22. Mai 1996, Zi. 606/J-NP/1996,
"Einführung einer zentralen Führerscheinevidenz und
eines Punkteführerscheines"
Ihre Fragen darf ich wie folgt beantworten:
Zu Frage 1
'Welche Führerscheindaten werden derzeit bei den Bezirksverwaltungsbehörde bzw. bei den Bundespolizeidirektionen erfaßt?
Das Antragsformular für die Erteilung einer Lenkerberechtigung (Anlage 6 zur KDV 1967) bildet die Grundlage des Aktes und enthält folgende persönliche Daten: Familienname, Familienname zur Zeit der Geburt, frühere Namen, Vorname, akademischer Grad, Geschlecht,
Geburtsdatum, Geburtsort, politischer Bezirk, Beruf, Vornamen der Eltern, Staatsbürgerschaft, ordentlicher Wohnsitz.
Zu Frage 2:
'Welche Fakten werden in dieser Evidenz gespeichert?“
Zusätzlich zu den Daten in Antwort 1 werden bei den Behörden auch Entziehungen der Lenkerberechtigungen oder Duplikatsausstellungen verzeichnet. Weiters hat die Behörde in diesem Verzeichnis zu vermerken, daß eine Person innerhalb der Probezeit wegen eines schweren Verstoßes gegen die Verkehrsvorschriften oder gegen das Strafgesetzbuch bestraft worden ist.
Zu Frage 3:-
'Wie viele Anfragen, Eintragungen und Löschungen gibt es derzeit pro Jahr?
Diese Verzeichnisse werden dezentral von den einzelnen Behörden geführt. Es gibt in der Regel keine Aufzeichnungen über die Zahl der Anfragen, Eintragungen und Löschungen pro Jahr. Bei der größten Behörde, der Bundespolizeidirektion Wien, beläuft sich die Zahl der Eintragungen pro Jahr auf ca. 250.000.
An den von der BPD Wien geführten "Zentralnachweis für Lenkerberechtigungen“ (er ist entgegen seiner Bezeichnung lediglich ein Nachweis über Entziehungen der Lenkerberechtigung) werden jährlich ca. 600.000 Anfragen in schriftlicher Form gerichtet. 136.000 werden schriftlich beantwortet, der Rest durch Ausnützen der Verschweigungsklausel gemäß § 78 Abs. 2 KFG 1967 (wenn binnen 3 Wochen keine Antwort bei der anfragenden Behörde einlangt, so kann angenommen werden, daß keine Eintragungen vorhanden sind).
Zu Frage 4:
'Wie funktioniert derzeit die Abfrage hinsichtlich des Vorliegens einer bestimmten Lenkerberechtigung?'
Die Frage, ob eine bestimmte Person tatsächlich eine Lenkerberechtigung besitzt, ist derzeit nur durch Anfragen an alle 102 Führerscheinbehörden lösbar, da keine zentrale Positivevidenz existiert. Diese Behörden müssen dann in ihren händischen Karteikarten bzw. alphabetisch geführten Aktenlisten nachschauen, ob der betreffenden Person eine Lenkerberechtigung erteilt worden ist.
Zu Frage 5:
'Wie lange dauert derzeit ein durchschnittlicher Abfragevorgang?'
Dabei handelt es sich um Arbeitsvorgänge bei den erstinstanzlichen Behörden über die keine Informationen vorliegen, wieviel Zeit dafür benötigt wird. Zu berücksichtigen ist aber, daß derzeit Anfragen in der Regel in Schriftform oder telefonisch ergehen.
Zu Frage 6:
'Entsprechen die derzeit vorhandenen Abfragemöglichkeiten den Erfordernissen der EU?
Wenn nein, warum nicht?'
Die derzeit vorhandenen Abfragemöglichkeiten entsprechen nicht den Vorgaben der EU-Richtlinie, da nicht auf rasche und einfache Art und Weise geklärt werden kann,
ob eine bestimmte Person tatsächlich eine Lenkerberechtigung besitzt. Derartige Anfragen werden aber in Zukunft verstärkt auftreten, wenn Österreicher ihren Wohnsitz in ein anderes EU-Mitgliedsland verlegen und der betreffende Staats solche Anfragen (z.B. bei Duplikatausstellung) an Österreich stellt.
Außerdem darf eine Person immer nur einen Führerschein besitzen, d.h. eine Person, die bereits eine Lenkerberechtigung besitzt, darf nicht neuerlich einen Antrag, auf Erteilung stellen. Auch diese Frage kann nur bei Vorhandensein einer zentralen Positivevidenz über die erteilten Lenkerberechtigungen geklärt werden. Aufgrund der Führerscheinrichtlinie ist der EU-Mitgliedstaat verpflichtet, dies gegenüber den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission zu garantieren. Würde Österreich diesen Anforderungen nicht oder nicht ausreichend nachkommen, könnte dies auch zu einem Verfahren vor dem EUGH führen.
Der derzeit bei der Bundespolizeidirektion Wien händisch geführte Zentralnachweis für Lenkerberechtigungen, stellt lediglich einen "Negativnachweis. Es wird nicht das Vorhandensein einer Lenkerberechtigung aufgezeichnet, sondern lediglich Abweisungen von Anträgen und Entziehungen der Lenkerberechtigung bzw. Verlängerung der Probezeit. Er ist daher nicht geeignet, die Vorgaben der Richtlinie zu erfüllen.
Zu Frage 7:
'Hat das Verkehrsministerium bereits mit dem Innenministerium Gespräche über die Einrichtung einer zentralen Führerscheinevidenz bzw. über den Vollzug des Punkteführerscheines geführt.> Wenn ja, mit welchem Inhalt?“
Die Gespräche mit dem lnnenministerium haben ergeben, daß trotz grundsätzlicher Bereitschaft des Innenministeriums, ein Zentrales Führerscheinregister einzurichten, dort derzeit die Kapazitäten auf dem EDV-Sektor knapp sind.
Zu Frage 8:
'Soll überhaupt eine Zentralevidenz, zu der Österreich nach dem klaren Wortlaut der 2. EG-Führerschein-Richtlinie gar nicht verpflichtet ist, eingerichtet werden?
Wenn ja, warum eigentliche
Auf die Beantwortung zur Frage 6 darf verwiesen werden.
Zu Frage 9:
'Entspricht Ihrer Meinung nach die Nutzung bzw. der Ausbau bestehender Daten- und Informationsnetze nicht auch den Anforderungen der 2. Führerschein-Richtlinie?
Wenn nein, weiche Umstände sprechen dagegen und welche Maßnahmen können ergriffen werden, damit deren Nutzung dennoch EU-konform möglich ist?
Derzeit bestehen in Niederösterreich und Oberösterreich EDV-mäßig geführte Führerscheinregister, die jedoch untereinander nicht vernetzt sind. Für eine rasche und einfache Auskunft gegenüber den EU-Mitgliedstaaten ist jedoch eine einzelne Ansprechstelle nötig, da ansonsten bei 102 Führerscheinbehörden angefragt werden müßte. So wie auch bei bereits bestehenden anderen Register, etwa dem Kfz-Zulassungsregister und dem derzeit in Aufbau befindlichem Gewerberegister, ist aus Gründen der Einfachheit und Zweckmäßigkeit jeweils eine zentrale Einheit vorgesehen.
Zu Frage 10:
'Wäre Ihrer Meinung nach eine dezentrale Führung der Führerschein-Evidenz mit gegenseitigem schnellen Datenzugriff nicht Wesentlich flexibler und rationeller als eine neu zu schaffende Zentralstelle pro Bundesland, deren Beamte sich überdies wohl erst einarbeiten mußten?'
Es ist keinesfalls beabsichtigt 1 Zentralstelle pro Bundesland einzurichten, sondern vielmehr wie bei anderen bestehenden Registern, auch etwa dem Kfz-Zulassungsregister oder dem zentralen Gewerberegister, 1 Zentralstelle für das gesamte Bundesgebiet einzurichten, damit eine rasche und einfache Übermittlung von Daten erfolgen kann.
Zudem hat mein Ressort einen Auftrag über die Kosten eines Führerscheinregisters erteilt, der auch diese Fragestellung beinhaltet.
Zu Frage 11:
'Wie viele Planstellen werden in den Bundespolizeidirektionen für die Vollziehung des Punkteführerscheines bzw. der Erfassung der Führerscheindaten notwendig sein?'
Die Erfassung der Führerscheindaten auf EDV soll von vornherein nicht generell erfolgen sondern jeweils anlaßbezogen, das heißt, es werden nur dann Führerscheindaten in die EDV aufgenommen, wenn es für die Behörde einen Anlaß gibt, tätig zu werden; etwa bei der Ausstellung eines Duplikatführerscheines, bei der Verlängerung einer befristeten Lenkerberechtigung, bei der Anordnung von Nachschulungen im Rahmen des Probeführerscheines und ähnliches mehr. Das heißt, es werden nicht alle Führerscheine sofort nacherfaßt, sondern nur jene Fälle, bei denen
Eintragungen aus anderen Gründen nötig werden. Daneben werden neuerteilte Lenkerberechtigungen sofort EDV-mäßig erfaßt. Dadurch soll es möglich sein, ohne zusätzliche Planstellen auszukommen.
Darüberhinaus wird nach einer Übergangsphase der bestehende händisch geführte Zentralnachweis für Lenkerberechtigungen bei der Bundespolizeidirektion Wien nicht mehr nötig sein, da derartige Eintragungen in das Führerscheinregister EDV-mäßig erledigt werden. Die dabei freiwerdenden Kapazitäten können dann auch die EDVmäßige Erfassung im Führerscheinregister vornehmen.
Zu Frage 12:
'Wurden auch hinsichtlich der Übertragungen bestimmter Aufgaben an die Landesbehörden Gespräche mit den Ländern über die Nutzung von deren Organisationsinfrastruktur und die finanzielle Abgeltung geführt-
Im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Richtlinie und der Einführung eines Führerscheinregisters gibt es auch Gespräche mit dem zuständigen Länderarbeitskreis über Organisation und EDV-mäßige Ausstattung.
Zu Frage 13:
'Wie hoch schätzen Sie die laufenden jährlichen Kosten für die Vollziehung des Punkteführerscheines, und sind diese Kosten bereits in den Budgets für die Jahre 1996 und 1997 berücksichtigt?
Erste Berechnungen gehen davon aus, daß die laufenden jährlichen Kosten für das Führerscheinregister inklusive dem Punkteführerschein sich auf S 7 Millionen belaufen werden. Andererseits ist nach der Erfassungsphase durch die Automatisierung, mit erheblichen dauerhaften Einsparungen auf dem Personalsektor zu rechnen. Die Erfahrungen aus zwei Bundesländern, die bereits die Nacherfassung der Führerscheindaten in EDV durchgeführt haben, zeigen, daß die Nacherfassung eines Führerscheines in durchschnittlich zwei Minuten zu bewerkstelligen ist. Diese Kosten bewegen sich im Rahmen des Amtssachaufwandes der einzelnen Behörden. Mit der Auskunftserteilung sind keine zusätzlichen Kosten verbunden, da auch bisher Anfragen im Hinblick auf die Lenkerberechtigungen und Auskünfte erteilt werden. Die Form dieser Mitteilungen wird künftig dann nicht mehr. schriftlich oder telefonisch erfolgen sondern EDV-mäßig und dadurch zu einer Kostenentlastung der Behörden führen. Wie die Erfahrungen auch aus der Privatwirtschaft zeigen, rechnet es sich offensichtlich m(wirtschaftlich, von einer Handkartei auf EDV-mäßige Verwaltung umzusteigen (etwa bei Versicherungen, bei Autofahrerclubs und ähnliches). Auch für
den Führerscheinbereich sollte daher, so wie bereits für den Zulassungsbereich, eine EDV-mäßige Verwaltung möglichst rasch eingeführt werden, um sich der modernen Bürokommunikation bedienen zu können und damit auch eine Kostenreduzierung wie in der Privatwirtschaft zu erreichen.
Zu Frage 14:
'Wurden bereits konkrete Verhandlungen über Alternativen zum Punkteführerschein auf Basis des bisher bestehenden Sanktionensystems zwecks Hebung der Verkehrssicherheit mit dem Bundesministerium für Inneres und den Ländern - nicht zuletzt aus Budgetüberlegungen - geführt.?
Wenn nein, warum bisher nicht?
Wann werden derartige Verhandlungen begonnen?'
Das in Begutachtung gegangene Führerscheingesetz sieht eine bestimmte Regelung, nämlich das Punkteführerscheinsystem vor. Bevor das Punkteführerscheinsystem in Begutachtung ging, gab es bereits entsprechende interne Überlegungen und einen umfassenden Meinungsbildungsprozeß, zu dem auch die internationalen Erfahrungen jener Staaten eingeholt wurden, in denen bereits ein solches System besteht. Da aus diesen Staaten ausschließlich positive Effekte mitgeteilt wurden und auch im Rahmen des ersten Begutachtungsverfahrens keine Alternativen zum beabsichtigten Punkteführerschein vorgelegt wurden, gibt es für mich keinen Anlaß, Verhandlungen über nichtbestehende tatsächliche Alternativen zum Punkteführerschein weiter zu führen.
Das Festhalten am Status quo mit dem Argument, daß das Führerscheinentzugsrecht ohnedies ausreichend sei, scheint mir nicht zielführend, da gerade der Punkteführerschein nicht denselben Regelungszweck hat wie die Entziehung der Lenkerberechtigung. So ist die Entziehung der Lenkerberechtigung eine Sicherungsmaßnahme zum Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer. Der Punkteführerschein hingegen soll dem Fahrzeuglenker, der ein bestimmtes Delikt begangen hat, davon abhalten, zukünftig weitere schwere Delikte zu begehen, damit er auch weiterhin selbst am Straßenverkehr teilnehmen kann. Es soll ihn also keine unmittelbare Sanktion wie beim Führerscheinentzug treffen, sondern er soll die Möglichkeit haben, sein Fehlverhalten nachträglich durch Bewährung und Wohlverhalten zu korrigieren. Dabei steht nicht die Sanktion des Führerscheinentzugs im Vordergrund sondern die Möglichkeit, das Fehlverhalten zu korrigieren.
Eine bloße Erhöhung der Strafen ist für mich insoferne nicht zielführend, da die Strafhöhe auch vom Einkommen und der familiären Situation des Betroffenen abhängt. Eine Geldstrafe trifft jemand mit niedrigem Einkommen viel härter als jemand mit einem höheren Einkommen. Eine Sanktion soll jeden gleich treffen. Der Punkteführerschein scheint mir auch dafür ein geeignetes Mittel zu sein.
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