795/AB

 

 

BEANTWORTUNG

der parlamentarischen Anfrage Nr. 888/J

der Abgeordneten Dr. Puttinger, Karlheinz Kopf und Kollegen

an den Bundesminister für Arbeit und Soziales

betreffend das Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz

 

 

Die Abgeordneten beziehen sich auf das Bundesgesetz über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz - ASchG), BGBl.  Nr. 450/1994, das am 1. Jänner 1995 in Kraft getreten ist.

Die Abgeordneten stellen an mich folgende Fragen:

 

FRAGE 1:

 

Seit wann sind die entsprechenden EU-Richtlinien in Kraft und in weichen Mitgliedstaaten wurden sie ab weichem Termin umgesetzt?

 

 

ANTWORT:

 

Die Umsetzungsfristen der entsprechenden EU-Richtlinien sind jeweils bereits vor dem Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zum EWR abgelaufen und hätten daher in Österreich bereits mit 1. Jänner 1994 innerstaatlich umgesetzt sein müssen.

 

Wurden EU-Richtlinien innerstaatlich umgesetzt, ist dies der EU-Kommission mitzuteilen, die entsprechenden nationalen Rechtsvorschriften sind der EU-Kommission zu übermitteln (Notifizierung).  Derzeit - Stand: Jänner 1996 - haben die Mitgliedstaaten der EU durch­schnittlich 75,9 % der Richtlinien auf dem Gebiet Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit notifiziert (Österreich: 70, 6 %).  Von der EU-Kommission wird überprüft, ob durch die betreffenden nationalen Rechtsvorschriften eine korrekte und vollständige innerstaatliche Umsetzung der jeweiligen Richtlinien erfolgt ist.  Diese Überprüfung ist noch nicht abge­schlossen.

 

 

FRAGE 2:

 

Ist Ihrer Auffassung nach das derzeit in Österreich geltende Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz EU-konform?

 

 

ANTWORT:

 

Die Überprüfung der österreichischen Umsetzung der Rahmenrichtlinie 89/391/EWG durch die EU-Kommission ist noch nicht abgeschlossen.  Ich gehe aber derzeit davon aus, daß das Arbeitnehmerinnenschutzgesetz EU-konform ist.  Einzuräumen ist aber, daß das ASchG für die Umsetzung der EU-Richtlinien nicht ausreicht, sondern ergänzende Regelungen notwendig sind, z.B. über die Koordination auf Baustellen, über die Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung, über die biologischen Arbeitsstoffe.

 

 

FRAGE 3:

 

Warum wurden die Arbeitnehmer, die in Dienststellen des Bundes, der Länder und Gemeinden usw. tätig sind, aus dem Geltungsbereich des Arbeitnehmerlnnenschutzgesetzes ausgenommen?

 

 

ANTWORT:

 

Die Dienststellen der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände wurden ausgenommen, weil die Regelung nicht in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers fällt, sondern in die Kompetenz des Landesgesetzgebers.  Die Dienststellen des Bundes wurden ausgenommen, weil die EU-Umsetzung durch eine Anpassung des Bundesbediensteten-Schutzgesetzes erfolgen soll, das in die Zuständigkeit des Bundeskanzlers fällt.

 

 

FRAGE 4:

 

Welche Bestimmungen des Arbeitnehmerlnnenschutzgesetzes gehen materiell über jene der EU-Richtlinien hinaus?

 

 

ANTWORT:

 

Die EU-Richtlinien enthalten Mindestanforderungen, strengere Vorschriften sind zulässig.  Im EWR-Abkommen und in den EU-Richtlinien wird klargestellt, daß die EU-Anpassung keine Verschlechterung des bereits erzielten Schutzniveaus rechtfertigen kann.

 

Bei der Umsetzung der EU-Richtlinien durch das Arbeitnehmerinnenschutzgesetz wurden die aufgrund der EU-Richtlinien notwendigen zusätzlichen Regelungen geschaffen, die bis­her geltenden Anforderungen wurden beibehalten, soweit sie mit den Richtlinien vereinbar und zum Schutz der Arbeitnehmer notwendig waren.  Bestehende Regelungen, die als technisch überholt oder aus sonstigen Gründen als nicht mehr notwendig erachtet wurden, wurden aufgehoben oder eingeschränkt, z.B.: Einschränkung der bisher bestehenden strengeren Meldepflicht für gefährliche Arbeitsstoffe, Erleichterungen bei der wiederkehrenden Prüfung von Gegenständen der persönlichen Schutzausrüstung, Einschränkung der Verpflichtung zur Schaffung von Umkleideräumen.

 

Das Arbeitnehmerinnenschutzgesetz geht meiner Auffassung nach nicht über die EU-Richt­linien hinaus.  Jene ASchG-Regelungen, die nicht ohnehin aus den EU-Richtlinien über­nommen wurden, entsprechen weitgehend den bisher geltenden Arbeitnehmerschutzvor­schriften und dienen der Konkretisierung der allgemeinen Grundsätze der EU-Richtlinie., insbesondere der Grundsätze der Gefahrenverhütung nach der Rahmenrichtlinie 89/391.

 

FRAGE 5:

Gibt es Schätzungen, welche Kosten der öffentlichen Hand bei Anwendung der Bestim­mungen des Arbeitnehmerinnenschutzgesetzes entstehen werden?

 

 

ANTWORT:

 

Diese Angelegenheit fällt in die Zuständigkeit des Bundeskanzlers bzw. der Länder, soweit sie Dienststellen der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände betrifft.

 

 

FRAGE 6:

 

Sind Sie in der Lage, eine Berechnung vorzulegen, weiche Kosten in Ihrem Ministerium anfallen, falls das Gesetz auch für die Bundesdienststellen gelten sollte?

 

 

ANTWORT:

 

Da das Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz nicht für die Bundesdienststellen gilt, erfolgte auch keine Berechnung der Kosten für die Dienststellen meines Ressorts.  Im Zuge der Um­setzung der EU-Richtlinien für die Bundesdienststellen durch Änderung des BundesbedienstetenSchutzgesetzes wird eine Kostenschätzung durch das dafür zuständige Bundeskanzleramt erfolgen.

 

 

FRAGE 7:

 

Gibt es Schätzungen, welche Kosten das neue Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz für die ge­werbliche Wirtschaft österreichweit auslöst?

 

 

ANTWORT:

 

Mir liegen keine entsprechenden Studien und Berechnungen darüber vor, welche zusätzlichen Kosten durch das ASchG entstehen und welche Einsparungen durch die damit verbundene Verbesserung des Arbeitnehmerschutzes erzielt werden können.

 

Meines Erachtens werden die durch das Arbeitnehmerinnenschutzgesetz entstehenden Kosten weit überschätzt und die dadurch zu erzielenden Einsparungen (durch Vermeidung von Arbeitsunfällen, arbeitsbedingten Erkrankungen und den damit verbundenen Ausfallszeiten) zu wenig berücksichtigt.

 

 

FRAGE 8:

 

Wie viele Verordnungen sind auf Grund des neuen Arbeitnehmerlnnenschutzgesetzes be­reits ergangen und wie viele und welche sind noch zu erlassen?

 

 

ANTWORT:

 

Bisher (Stand Mitte Juli 1996) wurden fünf Verordnungen zum ASchG erlassen.  Nach dem ASchG müssen weiters Verordnungen zu folgenden Bereichen erlassen werden, wobei diese Verordnungen auch zur Rechtsbereinigung genutzt werden sollen:

 

*     Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente;

 

*     Beschäftigungsverbote und -beschränkungen für Frauen (ersetzt die bestehende Ver­ordnung);

 

*     bestimmte Regelungen über die Gestaltung von Arbeitsstätten, z.B. behindertengerechte Gestaltung von Arbeitsstätten, Bereitschaftsräume, Bestellung von für die Brandbekämp­fung zuständigen Personen (diese Arbeitstättenverordnung soll auch wesentliche Teile der geltenden Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung - AAV ersetzen);

 

*     bestimmte Regelungen über Arbeitsmittel (diese Arbeitsmittelverordnung soll auch we­sentliche Teile der geltenden AAV und sonstige bestehenden Regelungen ersetzen, z.B. der Allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung, der Maschinenschutzvorrichtungsver­ordnung, der Azetylenverordnung etc.),-

 

* bestimmte Regelungen über Arbeitsstoffe, z.B. Meldung biologischer Arbeitsstoffe, Grenzwerte, Durchführung von Messungen (auch in diesem Zusammenhang soll eine Ablösung der bisher geltenden übergeleiteten Regelungen erfolgen);

*     Gesundheitsüberwachung (ersetzt die Verordnung BGBl.  Nr. 39/1974);

 

*     Nachweis der Fachkenntnisse für bestimmte Tätigkeiten (soll die Verordnungen BGBl.  Nr. 441/1975 und 10/1 982 ersetzen),

 

*     Handhabung von Lasten;

 

*     bestimmte Regelungen über physikalische Einwirkungen, z.B. Lärm und Erschütterungen (ersetzt die übergeleiteten einschlägigen Bestimmungen der AAV);

 

*     persönliche Schutzausrüstungen und Arbeitskleidung (ersetzt die übergeleiteten ein­schlägigen Bestimmungen der AAV);

 

*     bestimmte Regelungen über die sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung (soll ua. die weiter geltenden Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes über die Mindesteinsatzzeit ersetzen);

 

*     Arbeitsschutzausschuß (soll die übergeleiteten Bestimmungen der Verordnung BGBl.  Nr. 2/1984 ersetzen);

 

*     Arbeitsstättenbewilligungspflicht (soll die Verordnung über die Betriebsbewilligung er­setzen);

 

*     Meldepflichten nach §§ 97 und 98 (ersetzt bisherige Verordnungen);

 

*     Ausnahmen nach § 1 00 ASchG.

 

Zur Umsetzung der konkreten Anforderungen aus den EU-Richtlinien sind zusätzliche Ver­ordnungen notwendig, die eine nähere Durchführung der ASchG-Bestimmungen darstellen.  So ist z.B. eine Verordnung über die Bildschirmarbeit sowie eine Verordnung über die Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung notwendig, um den Mindestanforderungen der Richtlinien zu entsprechen.

 

 

FRAGE 9:

 

Ist die Höhe der Strafbestimmungen nach dem Arbeitnehmerinnenschutzgesetz mit jenen in den anderen Mitgliedstaaten der EU vergleichbar und gilt in diesen Staaten ebenfalls das Kumulationsprinzip?

 

 

ANTWORT:

 

Ein derartiger Vergleich kann aufgrund der unterschiedlichen Rechtssysteme der Mitglied­staaten nicht getroffen werden.

 

So werden in einigen Mitgliedstaaten Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften generell in gerichtlichen Strafverfahren verfolgt.  Nach den mir vorliegenden Informationen (Stand der Daten: 1992) werden z.B. in Frankreich vom Strafgericht Übertretungen von Ar­beitnehmerschutzvorschriften mit Geldbußen bis zu F 6.000,-- und/oder Freiheitsstrafen von zwei Monaten geahndet, Vergehen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften mit Geldbußen von mindestens F 6.000,-- und Freiheitsstrafen von zwei Monaten.  In den Niederlanden sind Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften mit Freiheitsstrafen bis zu 6 Monaten und/oder Geldbußen bis 10.000 Gulden (natürliche Personen) bzw. bis 25.000 Gulden Juristische Personen) bedroht.  In Großbritannien hat der Magistrates' Court als Strafgericht bei Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften Geldbußen bis zu E 5.000,-- und der Crown Court Geldbußen in unbegrenzter Höhe und/oder Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahre zu verhängen.  Neben diesen "Hauptstrafen" können die Strafgerichte meist zusätzlich "Nebenstrafen" verhängen, in den Niederlanden z.B. Geldbußen, deren Höhe dem wirt­schaftlichen Vorteil entspricht, der aus der Übertretung erzielt wurde.  Die Höhe dieser Geldbuße hat das Arbeitsinspektorat festzulegen und der Staatsanwaltschaft mitzuteilen.

In einigen Mitgliedstaaten werden Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften in Verwaltungsstrafverfahren geahndet.  Gerichtliche Strafverfahren sind vorgesehen, sofern durch die Übertretung auch ein gerichtlicher Straftatbestand gesetzt wurde.  In Deutschland ist die Höhe des Bußgeldes je nach Übertretung unterschiedlich festgelegt, die Höchststrafe beträgt 1 Million DM (Stand: 1992).

Nach meinen Informationen gilt in den übrigen Mitgliedstaaten der EU ebenfalls das Kumu­lationsprinzip.

 

 

FRAGE 10:

 

Werden bis zum Jahr 2000 genügend ausgebildete Arbeitsmediziner und Sicherheitsfach-" kräfte vorhanden sein, um die dann vorgesehene Betreuung aller österreichischer Arbeit­nehmer wahrnehmen zu können?

 

ANTWORT:

Ich bin überzeugt, daß ausreichend Sicherheitsfachkräfte zur Verfügung stehen werden.  Mitte 1995 wurde eine neue Fachausbildung für Sicherheitsfachkräfte eingeführt, seither wurden 18 Fachausbildungslehrgänge anerkannt.  Das Interesse an dieser Fachausbildung ist sehr groß, es ist mit einer entsprechend hohen Absolventenzahl zu rechnen.  Zahlreiche Anfragen zeigen, daß viele entsprechend ausgebildete Fachleute. künftig auf dem Gebiet der sicherheitstechnischen Betreuung tätig sein wollen, z.B. erfahrene Sicherheitstechniker, technische Büros und Ziviltechniker.

Bei der arbeitsmedizinischen Betreuung rechne ich ebenfalls mit ausreichenden Kapazitäten.  So hat eine Studie der Österreichischen Akademie für Arbeitsmedizin im Jahr 1993 ergeben, daß die Betreuung aller Arbeitsstätten mit mehr als 100 Beschäftigten durch die damals bereits ausgebildeten und an einer Betreuung von (zusätzlichen) Betrieben interessierten Arbeitsmediziner ohne Ausbildung zusätzlicher Arbeitsmediziner erfolgen kann.  Der zusätzliche Bedarf durch die weitere Herabsetzung der Schlüsselzahlen ab 1998 kann durch die in der Zwischenzeit dazugekommenen zusätzlichen Arbeitsmediziner abgedeckt werden, wobei zu berücksichtigen ist, daß zunehmend Arbeitsmediziner eine hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet der arbeitsmedizinischen Betreuung anstreben.

 

 

FRAGE 1 1:

 

Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, daß das Inkrafttreten der Evaluierungsbestimmungen mit dem Etappenplan für die Einführung der Präventivdienste harmonisiert bzw. nach der soeben angesprochenen Harmonisierung das Inkrafttreten der Evaluierungspflicht um sechs Monate erstreckt wird, da eine sachlich sinnvolle Gefahrenevaluierung ohne Beratung durch die Präventivdienste nicht durchführbar ist?

 

a)    Wenn ja, bis wann?

 

b)    Wenn nein, warum nicht?

 

ANTWORT:

Bereits im Mai 1996 haben Gespräche mit den Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer über Änderungen im ASchG, darunter auch die Änderung des Stufenplans für die Evaluierung, stattgefunden.  Zu dieser Frage konnte aber keine Einigung bzw.  An-

näherung der Standpunkte erzielt werden.  So bestehen unterschiedliche Auffassungen über den mit der Evaluierung verbundenen Aufwand und über die Notwendigkeit, Fachleute beizuziehen.

Ich beabsichtige, im Herbst diese Verhandlungen weiterzuführen.  Ich werde mich für Lö­sungen einsetzen, die Qualitätsverluste beim Arbeitnehmerschutz vermeiden und unnötigen Bürokratieaufwand beseitigen und sowohl den betrieblichen Interessen als auch den Ar­beitnehmerschutzinteressen und den EU-Vorgaben entsprechen.

 

 

FRAGE 12:

 

Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, daß die umfangreichen Administrations- und schrift­lichen Dokumentationspflichten unter Berücksichtigung der EU-Richtlinien auf das wirklich Unvermeidbare reduziert wird?

 

a)    Wenn ja, bis wann?

 

b)    Wenn nein, warum nicht?

 

 

ANTWORT:

 

Dazu verweise ich auf die Antwort zu Frage 11.

 

FRAGE 13:

Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, daß die Verantwortlichkeit für betriebsfremde Ar­beitnehmer auf das Zumutbare und tatsächlich Realisierbare begrenzt wird?

a)    Wenn ja, bis wann?

 

b)    Wenn nein, warum nicht?

 

 

ANTWORT:

Ich halte die im ASchG vorgesehenen Pflichten bei Beschäftigung von betriebsfremden Arbeitnehmern für zumutbar, realisierbar und unverzichtbar für einen wirksamen Arbeit­nehmerschutz.

 

FRAGE 14:

Halten Sie es für gerechtfertigt, daß ein auftraggebender Unternehmer nach dem Arbeit­nehmerlnnenschutzgesetz zur Verantwortung gezogen wird, wenn ein unternehmensfremder Mitarbeiter (z.B. eines Dachdeckerbetriebes) sich im Fall eines Unglücks (etwa Sturz vom Gerüst) Verletzungen zuzieht?

a)       Wenn ja, warum?

 

b)      Wenn nein, warum haben Sie bisher keine Änderungen des Arbeitnehmerlnnenschutzgesetzes beantragt?

 

 

ANTWORT:

Das Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz sieht eine solche Verantwortung nicht vor.  Der Arbeit­geber (z.B. Dachdecker) ist für den Schutz seiner Arbeitnehmer verantwortlich, z.B. für die Einhaltung der Bauarbeiterschutzverordnung.  Der Betriebsinhaber kann nur für die Verlet­zung seiner Informations- und Koordinationspflichten verwaltungsstrafrechtlich verantwort­lich gemacht werden.

 

 

FRAGE 15:

 

Die gewerbliche Wirtschaft muß nach den neuen Bestimmungen hochqualifizierte Experten im Rahmen der Präventivdienste beschäftigen und bezahlen.  Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, daß gesetzlich ausdrücklich der Schutz vor Strafen für jene Arbeitgeber nor­miert wird, die Vorschläge von Experten im Vertrauen auf ihre Richtigkeit umsetzen?

a)    Wenn ja, wann und wie?

 

b)    Wenn nein, warum nicht?

 

 

ANTWORT:

Für den Bereich des Arbeitnehmerschutzes gelten dieselben Regelungen über den Ent­lastungsbeweis wie für andere Bereiche des Verwaltungsrechtes, z.B. das Gewerberecht.  Ich sehe keine Notwendigkeit, für den Bereich des Arbeitnehmerschutzes eine vom allgemeinen Verwaltungsstrafrecht abweichende Regelung zu schaffen.  Eine solche abweichende Regelung wäre im übrigen verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes unbedingt notwendig ist, das ist meiner Auffassung nach nicht der Fall.

Außerdem wäre die von Ihnen geforderte Sonderregelung mit den zwingenden Vorgaben der EU-Rahmenrichtlinie 89/391 nicht vereinbar.  So ordnet Art. 5 Abs. 2 dieser Richtlinie an, daß die Beiziehung von externen Präventivdiensten den Arbeitgeber nicht von seiner Ver­antwortung enthebt.  Art. 5 Abs. 3 ordnet an, daß die Pflichten der Arbeitnehmer in Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz nicht den Grundsatz der Ver­antwortung des Arbeitgebers berühren.

 

 

FRAGE 16:

 

Nach dem neuen Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz haben sich die Arbeitgeber unter Be­rücksichtigung der bestehenden Gefahren jeweils über den neuesten Stand der Technik und der Erkenntnisse auf dem Gebiet der Arbeitsgestaltung zu informieren.  Der Entwurf des deutschen Gesetzes zur "Umsetzung der EU-Richtlinie Arbeitsschutz und weiterer Arbeitsschutz-Richtlinien" fordert nur die "Berücksichtigung des Stands der Technik".  Es fehlt dort das Wort "neueste".  Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, daß die österreichischen Bestimmung an die deutsche Bestimmung angepaßt wird?

a)    Wenn ja, bis wann?

 

b)    Wenn ja, warum nicht?

 

 

ANTWORT:

Das Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz regelt in § 7 die Grundsätze der Gefahrenverhütung. § 7 Z 5 lautet: "Berücksichtigung des Stands der Technik".  Diese Formulierung wurde wörtlich aus der EU-Rahmenrichtlinie 89/391 übernommen.  Vom "neuesten" Stand der Technik ist in diesem Zusammenhang nicht die Rede.

Davon zu unterscheiden ist die Verpflichtung, sich über den "neuesten Stand der Technik" zu informieren (§ 3 Abs. 2 ASchG).  Diese Formulierung wurde ebenfalls wörtlich aus der EU-Rahmenrichtlinie 89/391 übernommen.

 

FRAGE 17:

Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung wird der Bund für Arbeitsstätten, in denen regelmäßig bis 50 Arbeitnehmer beschäftigt werden, in Zusammenarbeit mit den zuständigen Unfallversicherungsträgern Beratungsdienste zur Erfüllung der Präventivdienstverpflichtungen anbieten.  Gibt es Kostenschätzungen, wie hoch die daraus resultierenden Belastungen für den Bund und allenfalls den Unfallversicherungsträgern sein werden?

 

 

ANTWORT:

 

Artikel VI des Bundesgesetzes BGBl.  Nr. 450/1994 sieht zwar die Einrichtung von Bera­tungsdiensten vor, regelt aber nicht die Kostentragung.  In den Verhandlungen hat die Ar­beitgeberseite "kostenlose Beratungsdienste" gefordert, dieser Vorschlag wurde aber nicht realisiert.  Ich gehe daher davon aus, daß für die Inanspruchnahme dieser Beratungsdienste entsprechende Kosten einzuheben sein werden, ähnliche Regelungen stehen in der Bun­desrepublik Deutschland im Zusammenhang mit den berufsgenossenschaftlichen Diensten in Diskussion.

 

 

FRAGE 18:

 

Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, daß eine Verhältnismäßigkeitsklausel, wonach die Arbeitgeberpflichten, insbesondere jene zur Evaluierung und zur Festlegung von Maßnahmen der Gefahrenverhütung unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Risiken bzw.  Gefahrenschutz stehen und nach sachlichen Schutzprioritäten vorzugehen ist, in das Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz aufgenommen wird?

a)    Wenn ja, bis wann?

 

b)    Wenn nein, warum nicht?

 

ANTWORT:

Ich lehne eine solche allgemeine Verhältnismäßigkeitsklausel ab, weil sie mit den EU-Richt­linien nicht vereinbar ist und außerdem die Rechtssicherheit beeinträchtigt.  So stellt die Rahmenrichtlinie 89/391 fest: "Die Verbesserung von Sicherheit, Arbeitshygiene und Ge­sundheitsschutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz stellen Zielsetzungen dar, die keinen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen."

Soweit die EU-Richtlinien dies zulassen, wurde bereits im ASchG ein solcher Verhältnis­mäßigkeitsgrundsatz verankert.  Dies gilt z.B. für die Informationspflicht (§ 3 Abs. 2), die Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente (§ 5), den Ersatz bzw. das Verbot gefähr­licher Arbeitsstoffe (§ 42 Abs. 2) und die Verringerung der Lärmbelästung (§ 65 Abs. 1).  Außerdem war und ist das bestehende Risiko ein zentrales Kriterium bei der Festlegung konkreter Schutzmaßnahmen in den Verordnungen.  Soweit dies im Rahmen der zwingenden Vorgaben der EU zulässig ist, wird auch der mit den Maßnahmen verbundene Aufwand berücksichtigt.

Sachliche Schutzprioritäten spielen aber nicht nur auf Ebene des Gesetzes und der Ver­ordnungen eine wichtige Rolle, sondern auch bei den Verwaltungsverfahren (z.B. bei den Ausnahmegenehmigungen nach § 95 ASchG) und bei der Festlegung von Maßnahmen zur Gefahrenverhütung auf betrieblicher Ebene gemäß § 4 ASchG.  Wenn auf Grundlage der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren die Schutzmaßnahmen festgelegt werden, sollten auch Prioritäten gesetzt werden.

Die Verpflichtung, die Gefahren zu ermitteln und zu beurteilen-, kann allerdings naturgemäß nicht davon abhängig gemacht werden, weiche Gefahren bestehen, weil Feststellungen über Art und Ausmaß der bestehenden Gefahren ja Gegenstand bzw.  Ergebnis dieser Evaluierung sind.

 

FRAGE 19:

 

Sind Sie bereit, eine Novelle des Arbeitnehmerlnnenschutzgesetzes vorzulegen, in der die sonstigen Administrationspflichten auf das wirklich Unvermeidbare beschränkt werden, da mit Administrationsvorgängen als solchen noch kein Sicherheitszuwachs verbunden ist?

a)    Wenn ja, bis wann?

 

b)    Wenn nein, warum nicht?

 

ANTWORT:

 

Dazu verweise ich auf die Antwort zu Frage 11.

 

FRAGE 20:

Sind Sie bereit, eine Novelle zum Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz dem Parlament vorzulegen, in der die Verantwortlichkeit für betriebsfremde Arbeitnehmer auf das Zumutbare begrenzt wird?

a)    Wenn ja, bis wann?

 

b)    Wenn ein, warum nicht?

 

 

ANTWORT:

Die Verantwortlichkeit für betriebsfremde Arbeitnehmer ist meines Erachtens bereits auf das Notwendige und Zumutbare begrenzt, siehe oben die Anwort zu Frage 13 und 14.

 

 

FRAGE 21:

 

Sind sie bereit, eine Novelle zum Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz dem Parlament vorzulegen, die die für die Arbeitnehmer entwürdigende Grundhaltung des Gesetzes ändert, indem der Arbeitgeber bei entsprechenden Anweisungen und Unterweisungen grundsätzlich ohne laufende bzw. dauernde Kontrolle davon ausgehen kann, daß die Arbeitnehmer die Schutzmaßnahmen einhalten?

a)    Wenn ja, bis wann?

 

b)    Wenn nein, warum nicht?

 

 

ANTWORT:

Das Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz sieht ebenso wie die EU-Richtlinien Pflichten für die Arbeitgeber und Pflichten für die Arbeitnehmer vor.  In Übereinstimmung mit den EU-Richt­linien ist vorgesehen, daß bei Mißachtung von Arbeitgeberpflichten der Arbeitgeber verant­wortlich ist.  Er kann seine Verantwortlichkeit im Rahmen der allgemeinen Regelungen des.  Verwaltungsstrafrechtes und unter Berücksichtigung des § 23 des Arbeitsinspektionsgesetzes auf Arbeitnehmer übertragen.  Von dieser Möglichkeit haben zahlreiche Arbeitgeber Gebrauch gemacht.  Entsprechend den Grundsätzen des VSTG ist aber eine Übertragung der Verantwortlichkeit nur für jenen Bereich möglich, für den auch eine entsprechende An­ordnungsbefugnis übertragen wird.  Eine Erweiterung dieser Übertragung der Verantwort-

lichkeit auf Arbeitnehmer wäre sachlich nicht zu rechtfertigen und mit den EU-Richtlinien nicht vereinbar.  In diesem Zusammenhang ist auch Artikel 5 Absatz 3 der EU-Rahmenrichtlinie 89/391 zu beachten: "Die Pflichten der Arbeitnehmer in Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz berühren nicht den Grundsatz der Verantwortung des Arbeitgebers."

Es ist Sache des Arbeitgebers, durch entsprechende technische und organisatorische Maßnahmen für eine Umsetzung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu sorgen.  Bei einem Strafverfahren wegen ASchG-Übertretungen gilt in gleicher Weise wie für andere Materien die generelle Regelung des Verwaltungsstrafrechts, wonach der Arbeitgeber glaubhaft machen kann, daß ihn an der Übertretung kein Verschulden trifft.  Ich kann nicht nachvoll­ziehen, warum dieses System für die Arbeitnehmer entwürdigend sein soll.

Die Pflichten der Arbeitnehmer wurden gegenüber dem bisher geltenden Recht verstärkt.  Bei Verletzung von Arbeitnehmerpflichten ist auch die Verhängung von Verwaltungsstrafen gegen die Arbeitnehmer vorgesehen.  Voraussetzung für eine Strafbarkeit der Arbeitnehmer ist - entsprechend den Ergebnissen der Sozialpartnerverhandlungen zum ASchG - die vorherige Aufklärung und nachweisliche schriftliche Abmahnung durch den Arbeitgeber.