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Gemäß Art. 52 Abs. 1 B-VG und § 90 erster Satz des Geschäftsordnungsgesetzes
1975 ist der NationaIrat befugt, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu über-
prüfen, deren MitgIieder über alIe Gegenstände der VoIIziehung zu befragen und aIle
einschIägigen Auskünfte zu verIangen. § 90 zweiter Satz des Geschäftsordnungs-
gesetzes 1975 präzisiert die ''Gegenstände der VoIIziehung'' - aIso die Gegenstände
des Fragerechtes - unter Verwendung des WortIautes des § 2 Abs. 3 des Bundesmini-
steriengesetzes 1973. Demgemäß sind darunter zu verstehen: ''Regierungsakte,
AngeIegenheiten der behördlichen VerwaItung oder der VerwaItung des Bundes als
Träger von Privatrechten.''
Für den Umfang der Pflicht zur Beantwortung einer parIamentarischen Anfrage ist
daher vor aIlem von Bedeutung, ob die Frage einen "Gegenstand der Vollziehung''
betrifft.
Das in Art. 52 Abs. 1 B-VG niedergeIegte Fragerecht und die ihm korrespondierende
lnformationspflicht soIlen die Volksvertretung in die Lage versetzen, sich ein UrteiI
darüber zu bilden, ob die Regierungsgeschäfte den von der Volksvertretung beschIos-
senen Gesetzen gemäß, desgIeichen aber, ob sie darüber hinaus auch den politischen
lntentionen der Volksvertretung entsprechend geführt werden. Sie finden daher ihre
Grenze in den lngerenzmöglichkeiten, über die die Bundesregierung und ihre einzeInen
Mitglieder in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich verfügen. .
Eine parIamentarische Anfrage im Zusammenhang mit einem im Eigentum des Bun-
des stehenden Unternehmen ist damit so weit vom InterpeIlationsrecht gemäß Art.
52 Abs. 1 B-VG (''VolIziehung des Bundes'') erfaßt, als in den Organen dieser Unter-
nehmen Verwaltungsorgane tätig werden. Konsequenterweise unterliegen daher
auch nur die HandIungen von VerwaItungsorganen in den Organen von Unterneh-
men der parlamentarischen InterpeIIation.
Nicht vom InterpeIIationsrecht umfaßt sind jedoch Handlungen, die von geschäfts-
führenden Unternehmungsorganen seIbst gesetzt werden.
Ihre Fragen beziehen sich aber ausschIießIich auf Handlungen von Unternehmens-
organen und wären daher auch von diesen zu beantworten.
Ich habe aber Ihre Anfrage an die ÖBB weitergeleitet.
Die entsprechende SteIIungnahme darf ich Ihnen in der BeiIage zur Kenntnis bringen
Stellungnahme der ÖBB zur parl. Anfrage Nr. 733/J-NR/1996
Zu Frage l :
"Wem wurde nach Auflösung des Vertrages mit der Firma "Waggon Lits" die Bewirtschaf-
tung der Züge übertragen?"
Die Bewirtschaftung der Züge wurde seitens der ÖBB der Firma Trainristo übertragen.
Zu Frage 2:
"Wieviele Arbeitsplätze wurden dadurch bei der Firma "Waggon Lits freigesetzt und wie-
viele bei der neuen Firma geschaffen?"
Wagons Lits hat den ÖBB sowie Trainristo nie wirklich exakte Informationen über die Frei-
setzung geliefert. .
Den zur Verfügung stehenden Informationen zufolge wurde im März 1996 seitens Wagons
Lits etwa 420-440 Arbeitnehmer gekündigt. Bei Trainristo wurden etwa 110 Arbeitsplätze
neu geschaffen.
Zu Frage 3:
"Wieviele Züge sollten im Sommerfahrplan 1996 in der Zeit vom 02.06. bis 10.06., 11.06.
bis 15.06. und 16.06. bis 20.06. durch diese Firma bewirtschaftet werden und wieviele wur-
den tatsächlich in den angeführten Zeiträumen bewirtschaftet?"
Planmäßig sollen 60 Züge (Zugumläufe) mit geänderter Organisation statt bislang 152 mit
Speisewagen ausgestattet sein.
Zu Frage 4:
"Worauf ist es zurückzuführen, daß diese Firma, die offensichtlich nicht in der Lage ist, die
Ihr gestellte Aufgabe der Bewirtschaftung zu erfüllen, dennoch einen diesbezüglichen Ver-
trag mit den ÖBB bekommen haben?"
Die Schwierigkeiten bei der Umstellung von Wagons Lits auf Trainristo sind aus der Sicht
der ÖBB in erster Linie auf folgende Faktoren zurückzuführen: .
a) Unterbleiben der aufgrund des aufgekündigten Bewirtschaftungsvertrages gebotenen
Kooperation.
b) Die durch das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) geschaffene Rechts
lage führt gerade im Falle mangelnder Kooperation zu nahezu unlösbaren Problemen.
So hätte sich etwa bei einer Übernahme des Personals durch Trainristo das Problem
gestellt, daß dieses Unternehmen den Arbeitnehmern Vordienstzeiten (für die Bemes-
sung der Abfertigung etc.) anrechnen und dafür sofort hohe Rückstellungen bilden müß-
te, wohingegen der frühere Betreiber Wagons Lits, der über Abfertigungsrückstellungen
in Höhe von 50 % des Erfordernisses verfügt, zur Herausgabe der Rückstellungen nicht
bzw. nur im Gegenzug gegen inakzeptable Zugeständni sse seitens der ÖBB bereit war.
c) Grundloses Abstehen der Gewerkschaft und des Wagons Lits-Betriebsrates von einem
bereits mündlich verei nbarten Sozialplan. Dieses Verhalten war auch insofern unvorher-
sehbar, als die im Sozialplan vorgesehenen Bedingungen aus Arbeitnehmersicht als
großzügig bezeichnet werden konnten.
d) Mangelndes Interesse der ehemaligen Wagons Lits-Arbeitnehmer an einer Mitarbeit bei
Trainristo ungeachtet einer von der Gewerkschaft gegebenen Verwendungszusage.
Zu Frage 5:
"Wie lange dauerte es, bis alle Züge in der geplanten Form bewirtschaftet wurden?,"
Die Bewirtschaftung aller Züge in der vertraglich vorgesehenen und geplanten Form wurde
mit 24. Juni 1996 hergestellt.
Zu den Fragen 6 und 12:
"Wie hoch ist der geschätzte Schaden, der dadurch der Firma für die Bewirtschaftung einer-
seits und der ÖBB andererseits entsteht? (Bitte beachten Sie auch allfällige Imageverluste der
ÖBB.)
Wie hoch ist der geschätzte Schaden, den die ÖBB durch dieses Chaos erlitten hat?,"
Über das Vorliegen und die Höhe eines allfälligen Schadens für die ÖBB lassen sich derzeit
keine seriösen Aussagen treffen.
Zu Frage 7:
"Wird sich die ÖBB hinsichtlich dieses Schadens an die mit der Bewirtsc haftung betraute
Firma wenden können und gibt es im Vertrag vorgesehene Mechanismen, den Vertrag emn-
seitig aufzulösen? (Wenn Ja: Wird dies überlegt und wie wäre diesfalls das Procedere?),"
Was den zwischen den ÖBB und Trainristo geschlossenen Vertrag anlangt, ist eine einseitige
Auflösung aus wichtigem Grund selbstverständlich möglich. Nach Auffassung der ÖBB
bestehen dafür derzeit keinerlei Anhaltspunkte und Gründe, weil Trainristo sich keiner Ver-
tragsverletzung schuldig gemacht hat und die entstandenen Schwierigkeiten nicht auf Ver-
säumnisse dieses Unternehmens, sondern auf die oben erwähnten Umstände zurückzuführen
sind.
Regreß gegenüber anderen Beteiligten wird dagegen von den ÖBB durch deren Rechtsberater
geprüft.
Zu Frage 8:
"Wer ist dafür verantwortlich, daß es insbesondere im Bereich Wien und auf der Südbahn zu
derart überfüllten Zügen gekommen ist, daß potentielle Fahrgäste nicht einmal mehr ein-
steigen konnten?"
In den ersten Tagen der Fahrplanumstellung mit 2. Juni 1996 kam es bei einigen Zügen der
Süd- und Westbahn zu Kapazitätsengpässen und Überfrequenzen. Verantwortlich dafuür wa-
ren Unklarheiten beim Nachfrageverhalten der Kunden sowie technische Probleme beim
Fahrpark. Die ÖBB haben auf diese Probleme sofort reagiert und entsprechende Verstär-
kungsmaßnahmen (Erhöhung der Anzahl der Reisezugwaggons) gesetzt.
Überfüllte Züge und verärgerte Kunden gab es auch durch technische FehIer bei den neuen
Wendezügen der ÖBB. Diese Garnituren, die wesentlich zur Verbesserung der Wirtschaft-
lichkeit durch kurze Wendezeiten beitragen, konnten durch verspätete Bauteillieferungen
leider nicht ausreichend erprobt werden Diese Phase wird verlängert; zwischenzeitlich
werden diese Züge durch Lokomotiven und Wagen ersetzt. Der planmäßige Wendezugbe-
trieb wurde bereits wieder aufgenommen.
Darüberhinaus kam es in letzter Zeit zu drei größeren Fahrleitungsstörungen auf der Süd-
bahn, wobei immt er wieder Äste von Brücken aufdie Fahrleitung geworfen wurden. Ob hier
nicht mutwillig der neue Fahrplan durch Sabotageakte gestört wurde, ist noch Gegenstand
von Untersuchungen.
Zu den Fragen 9 und 10:
"Wer ist dafür verantwortlich, daß bei Großveranstaltungen, die ein zusätzliches Aufkommen
an Fahrgästen erwarten lassen, zusätzliche Kapazitäten (Zug bzw. Waggon ) bereitgestellt
wird?
Warum geschieht dies in der Regel nicht?"
Anläßlich von Großveranstaltungen wi rd seitens der ÖBB stets Kontakt mit den Organisato-
ren aufgenommen, um den zu erwartenden Besucherstrom ( Anzahl derTeilnehmer, Einzugs-
gebiete) in Erfahrung zu bringen. Leider ist es den Veranstaltern nicht immer moglich, kon-
krete Angaben bekanntzugeben, wodurch eine genaue Planung erschwert wird.
Die ÖBB treffen sehr wohl diesbezüglich Entlastungsmaßnahmen, welche erfahrungsgemäß
bzw. aufgrund der Platzreservierungsnachfrage getätigt werden.
Zur Problematik von Großveranstaltungen ist jedoch insbesondere darauf zu verweisen, daß
der Zeitpunkt der geplanten Beendigung oft beträchtlich überschritten wird. Dadurch sind die
geplanten Verstärkungsmaßnahmen bei der Rückreise zum Teil unwirksam bzw. können
kurzfristig angeordnete Vorkehrungen nur mehr sehr eingeschränkt angepaßt werden.
Zu Frage 11 :
"Wird es in Zusammenhang mit dem Beginn bzw. Ende der Sommerferien für Schüler und
Studenten zusätzliche Kapazitäten auf den einzelnen Strecken geben?
Wenn Ja: Wie?
Wenn Nein: Warum nicht?"
Bezüglich des Ferienverkehres werden die ÖBB - wie alljährlich - die betreffenden Züge bis
zur Höchstachsenanzahl verstärken, wobei zusätzlich die wichtigsten Züge doppelt geführt
werden.
Zu den Fragen 13 und 14:
"Seit dem Fahrplanwechsel müssen für EC Zuschläge bezahlt werden. Wie erklären Sie sich,
daß dies einerseits kaum ein Fahrgast, andererseits auch kaum ein Schaffner weiß? (So wur-
de mir mitgeteilt, daß von insgesamt 5 Schaffnern, die die Fahrkarten kontrolliert haben, ein
einziger einen Zuschlag verlangte und kassierte!)
Was werden Sie unternehmen, um dieses Informationsdefizit insbesondere bei den Fahr-
gästen zu minimieren?"
Hinsichtlich der mit Fahrplan 1996/97 (ab 2. Juni 1996) wirksamen neuen Tarifmaßnahmen
wurden die betroffenen Mitarbeiter zeitgerecht und ausreichend im Rahmen von Dienstunter-
richten vorbereitet.
Ein Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter kann bedauerlicherweise dennoch nicht gänzlich
ausgeschlossen werden.
Zur lntensivierung der Kundeninformation wurden von den ÖBB als Sofortmaßnahme in
allen größeren Bahnhöfen "INFO-CORNER" errichtet. Sie enthalten insbesondere alle rele-
vanten Auskünfte bezüglich der neuen Tarifangebote sowie des geänderten Fahrplans.
Zu Frage 15:
"Von Wien-West nach Vorarlberg und Retour fahren, mit Ausnahme der EN-Züge und einem
IC ebenfalls über Nacht, nur noch Eurocity-Züge. Eine andere Möglichkeit, nach Vorarlberg
zu kommen, gibt es laut Auskunft des "Bahn-Total-Service" nicht mehr. Dies kommt einer
faktischen Fahrpreiserhöhung bei gleichzeitiger enormer Verschlechterung des Zugangebotes
gleich. Was werden Sie unternehmen, um diese verdeckte Fahrpreiserhöhung rückgängig zu
machen und somit die Attraktivität der Bahn gegenüber dem Auto wenigstens wieder ein
bißchen zu heben?"
Das mit Fahrplan 1991/92 großzügig gestaltete Verkehrsangebot im Rahmen des "Neuen
Austrotaktes-NAT 91'' mußte gegenüber dem jetzigen Angebot ab Fahrplan 1996/97 (mit 2.
Juni 1996) aus wirtschaftlichen Überlegungen reduziert werden. Dies hat insbesondere auch
zur Folge, daß EuroCity- und EuroNight-Züge in den Taktverkehr mntegriert wurden.
Eine EuroCity-Zugqualität mit etlichen zusätzlichen Servicemaßnahmen rechtfertigt sicher-
lich auch einen höheren Fahrpreis. Der Anspruch des B ahnkunden auf Gratisreservierung
bringt de facto meistens einen geringeren Fahrpreisanteil, als dies vor der Umstellung der
Fall war, mit sich.