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Die Abgeordneten zum Nationalrat Kiss, Platter und Kollegen haben an mich eine
schriftliche Anfrage, betreffend Stasi-Aktivitäten in Österreich, gerichtet und folgende
Fragen gestellt:
''1 . Welche konkreten Handlungen, die unter § 256 StGB subsumiert werden, wer-
den Ernst Schwarz zur Last gelegt?
2. Wie haben die österreichischen Behörden hievon Kenntnis erlangt?
3. Gibt es Möglichkeiten, im Zusammenhang mit Strafverfahren an Akten der
deutschen Gauck-Behörde heranzukommen.
- Wenn ja, welche Erkenntnisse haben Sie daraus gewonnen?
- Wenn nein, gibt es Gespräche, um diese NachteiIe für die Justiz zu beseiti-
gen?
4. Gibt es im konkreten Strafverfahren Hinweise auf weitere ehemalige Stasi-
Agenten in Österreich?
- Wenn ja, wurden auch gegen diese Strafverfahren eingeleitet?
5. Welche Zusammenhänge zum Wiener U-Bahn-Bau ergeben sich aus dem
konkreten Strafverfahren?
6. Wurden diesbezüglich weitere Strafverfahren eingeleitet?
- Wenn ja, gegen wen und wegen welcher Tatbestände?
7. Von wem wurde für eine Niederschlagung des Strafverfahrens gegen Ernst
Schwarz interveniert?''
lch beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 :
ln der von der Staatsanwaltschaft Wien am 1 1 .1 .1995 beim Landesgericht für Straf-
sachen Wien ei ngebrachten Anklageschrift vom 2.1 .1995 wird Dr. E. Sch. zur Last
gelegt, er habe von Anfang 1 970 bis zumindest Oktober 1 989 den Nachrichten-
dienst der damaligen Deutschen Demokratischen Republik dadurch unterstützt, daß
er über jeweiligen Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit unter dem Deck-
mantel ''Karl Weber''
1 . in Wien persönIichen Kontakt zu verschiedenen Personen des öffentlichen Le-
bens aufgenommen und die ihm dadurch gewonnenen Kenntnisse, insbesondere
über personelle Veränderungen und andere lnterna im österreichischen Bundesmi-
nisterium für auswärtige Angelegenheiten sowie über die persönliche Einschätzung
der Kontaktpersonen zu politischen Tagesereignissen, dem ''Ministerium für St ts-
sicherheit'' der damaligen DDR weitergegeben habe;
2. in Berlin mit österreichischen Diplomaten Kontakte gepflegt und seine dadurch
gewonnenen Kenntnisse, insbesondere über interne Analysen der diplomatischen
Vertretungen in Berlin an das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten
zur Lage in der damaligen DDR sowie zu anderen politischen Tagesereignissen,
über Kontakte von Botschaftsangehörigen mit Bürgern, Kirchenangehörigen und
Dienststellen der damaligen DDR und der jeweiligen Einschätzung des Ergebnisses
dieser Kontakte, sowie den lnhalt von inoffiziellen Gesprächen mit anderen, in der
damaligen DDR akkreditiert gewesenen Diplomaten dem Ministerium für Staatssi-
cherheit übermittelt habe.
Hiedurch habe er das Vergehen des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil
Österreichs nach dem § 256 StGB begangen.
Zu 2:
Das Bundesministerium für lnneres, Generaldirektion für die öffentIiche Sicherheit,
erstattete gegen Dr. E. Sch. wegen Verdachtes des geheimen Nachrichtendienstes
zum Nachteil Österreichs eine Strafanzeige, die am 5.7.1994 bei der Staatsanwalt-
schaft Wien einlangte. Es ist aus dem Strafakt nicht ersichtlich, auf welche Weise
das Bundesministerium für lnneres vom angezeigten SachverhaIt Kenntnis erlangt
hatte.
Zu 3:
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, im Rahmen eines Strafverfahrens durch ein
an die Staatsanwaltschaft bei dem Kammergericht in BerIin gerichtetes Rechtshil-
feersuchen lnformationen aus Akten des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (''Gauck-Behörde'') zu gewinnen.
ln der erwähnten Strafsache gegen Dr. E. Sch. übersendete das Bundesministerium
für lnneres zum Nachweis der dem AngekIagten in der AnkIageschrift zur l-ast ge-
legten Handlungen der Staatsanwaltschaft Wien mit Note vom 12.1 2.1 995 Kopien
von UnterIagen dieser Behörde.
.
Zu 4:
Aus dem gegenständlichen Strafakt ergaben sich keine konkreten Hinweise auf wei-
tere, für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR zum Nachteil der Republik
Österreich vorsätzlich in nachrichtendienstlicher Hinsicht tätig gewordene Personen.
Zu 5:
Unter den zu Frage 3 erwähnten Kopien von Unterlagen der "Gauck-Behörde" befin-
det sich ein Dr. E. Sch. zuzuschreibender, von diesem als ''lM KarI Weber'' verfaßter
umfangreicher Bericht vom 10.1 1 .1983, in dem unter Bezugnahme auf den Wiener
U-Bahnbau festgehaIten ist, daß der damalige Magistratsdirektor im Gegensatz zum
Bürgermeister den geplanten Erweiterungsbau durch Ausschreibung durchführen
lassen wollte. Von Seite des Bürgermeisters sei befürchtet worden, eine Ausschrei-
bung würde zu einer weiteren Preiserhöhung durch Kartellisierung der nur scheinbar
konkurrierenden Firmen führen und die Finanzen der Gemeinde Wien nur noch
mehr belasten.
Zu 6:
Die Staatsanwaltschaft Wien hat diesbezüglich kein weiteres Strafverfahren einge-
leitet.
Zu 7:
Das von der Verteidigerin von Dr. E. Sch. eingebrachte Gnadengesuch unterstütz-
ten insgesamt 15 Privatpersonen, darunter Journalisten und auch Personen, mit de-
nen Dr. E. Sch. nach dem lnhalt der zu Frage 1 erwähnten Anklageschrift Kontakte
gepflogen haben soll.