865/AB
Die Abgeordneten zum Nationalrat Haidlmayr, Freundinnen und Freunde haben am 5. Juli 1996 unter der Nr. 950/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage "betreffend die Diskriminierung behinderter Menschen durch die Nationalratswahlordnung" gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
1. Sind Sie bereit, dem Parlament den Entwurf einer Novellierung der Nationalratswahlordnung 1971 - NRWO vorzulegen, die auf die Bestimmungen des Punktes 4, § 72 NRWO verzichtet?
Wenn nein: was sind die Gründe dafür?
2. Sind Sie bereit, überprüfen zu lassen, ob sich bei Ihr Ressort betreffenden Gesetzen noch weitere Stellen finden, in denen behinderte Menschen diskriminiert werden?
Wenn nein: was sind die Gründe dafür?"
Diese Anfragen beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Die Regelung, wonach in Anstalten unter ärztlicher Leitung diese in Einzelfällen gehunfähigen oder bettlägerigen Pfleglingen die Ausübung des Wahlrechts aus gewichtigen medizinischen Gründen untersagen darf, besteht bereits seit dem Jahr 1949. Sie erlangte im Zug der damals neu beschlossenen (seinerzeitigen) Nationalrats-Wahlordnung (BGBl. Nr. 129/1949), mit welcher unter anderem die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts von Pfleglingen in Heil- und Pflegeanstalten geschaffen wurde, Geltung. Ich glaube nicht, daß mit der von Ihnen kritisierten Bestimmung Menschen diskriminiert werden, weil ich davon ausgehe, daß es einerseits Fälle gibt, in denen eine solche Einschränkung des Wahlrechtes geboten ist und daß andererseits Ärzte, wenn sie dieser Bestimmung folgen, dies nur zum Wohl ihrer Patienten tun.
Die in Rede stehende Bestimmung ist seit ihrem Bestehen zu keinem Zeitpunkt beanstandet worden. Auch im Zug der - noch nicht so lang zurückliegenden - parlamentarischen Behandlung der Nationalrats-Wahlordnung 1992 und der eben erst erfolgten parlamentarischen Behandlung der Europawahlordnung (in diesem Gesetz befindet sich in § 58 Abs. 4 eine gleichlautende Bestimmung) wurde die in Rede stehende Norm von keiner Seite kritisiert. Ich sehe daher von meiner Seite keine Notwendigkeit, die Initiative zu einer Änderung der genannten Bestimmung zu ergreifen. Ich werde mich jedoch einer Diskussion des von Ihnen aufgeworfenen Problems auf breiterer Basis nicht verschließen.
Zu Frage 2:
Selbstverständlich werde ich, wann immer ich darauf aufmerksam gemacht werde, daß durch eine Gesetzesstelle behinderte Menschen diskriminiert würden, diese Gesetzesstelle einer Überprüfung unterziehen. Ich habe Ihre Anfrage auch zum Anlaß genommen, die mit Legistik befaßten Stellen' meines Hauses zu ersuchen, dieser Frage besonderes Augenmerk zu schenken und mögliche diskriminierende Gesetzesstellen, wo immer diese bekannt werden, aufzuzeigen.