898/AB
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Graf und Kollegen haben am 12. Juli 1996 unter der Nr. 1081/J an mich eine schriftliche Anfrage betreffend Zollgebühren für Hilfsgüterlieferungen nach Bosnien berichtet, welche den folgenden Wortlaut hat:
"Unser Land, insbesondere die österreichische Bevölkerung zeichnet sich bei der humanitären Hilfe und bei der Katastrophenhilfe durch besonderes Engagement, nicht zuletzt ausgedruckt durch die außerordentlich hohe Spendenbereitschaft, aus. Ein sehr beeindruckendes Beispiel stellen die Unterstützungen und Hilfen für die Bevölkerung im ehemaligen Jugoslawien dar. So hat unser Land infolge der serbischen Aggression in Bosnien-Herzegowina seit April 1992 nicht nur insgesamt rd. 85.000 Flüchtlinge und Kriegsvertriebene aus Bosnien-Herzegowina aufgenommen, vielmehr hat die österreichische Bevölkerung bislang an die Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen im früheren Jugoslawien über zahlreiche österreichische Hilfsorganisationen und -projekte Beiträge in Milliardenhöhe an humanitärer Hilfe geleistet.
Umso befremdlicher erscheint die wohl einzigartige Vorgangsweise der bosnischen Behörden bei der Behandlung anerkannter Hilfsgüter, wie es anhand des nachfolgenden Beispiels offensichtlich wird: Der österreichische Hilfsverein für in
ihrer Heimat in Not geratene Menschen, "Heimat für jeden", hat Mitte Juni dieses Jahres einen Hilfstransport nach Sarajewo durchgeführt. Da der Verein von den bosnischen Behörden noch nicht als Hilfsorganisation anerkannt war, erhielt dieser von der Caritas die nötigen Papiere, um als Hilfstransport qualifiziert zu werden, d.h., die genannte Lieferung war formell ein "Caritas-Hilfstransport" und besaß somit den Status eines offiziellen Hilfstransports. Beinhaltet hat die Sendung neben Gütern für den täglichen Gebrauch Tischlereimaschinen und -geräte als Starthilfe zur Gründung bzw. zur Wiedererrichtung von Klein- und Mittelbetrieben. Die Hilfsfahrt in Bezug auf die Zollabfertigung für die Durchfahrt durch Slowenien und Kroatien stellte lt. Auskunft keinerlei Probleme dar. Hingegen fühlte sich die Caritas-Sarajewo, die um Unterstützung bei der Zollanmeldung ersucht wurde, nicht zuständig. Die darauffolgende Kontaktaufnahme mit dem österreichischen Botschafter Dr. Inzko und dem Herrn Konsul Lutz und deren Hilfestellung ist hervorzuheben. Allerdings mußten zur Verwunderung und zum Erstaunen bei der Deklaration der Lieferung bei den bosnischen Zollbehörden rd. 10 % ! Zoll bzw. zollähnliche Abgaben für diese Hilfsgüter entrichtet werden.
Die bosnischen Behörden heben also offensichtlich für Lieferungen von anerkannten Hilfsgütern für die leidgeplagte Bevölkerung ca. 1 0 % Zoll oder zollähnliche Abgaben entweder direkt ein oder es werden von den Empfängern der Hilfe im Nachhinein Abgaben eingefordert. Abgesehen davon, daß ein derartiges Verhalten moralisch bedenklich ist, stellt diese "Geldeintreibungsform" seitens des bosnischen Staates einen Affront gegenüber der Hilfsbereitschaft aller Spendenden sowie eine nicht widmungsgemäße Verwendung der für gute Zwecke gegebenen humanitären Hilfe dar. Vor allem ist es ein trauriger Beleg dafür, und es nährt leider immer öfter kursierende Gerüchte, daß aus Spendengeldern finanzierte Hilfsgüter in vielen Fällen die Betroffenen und Hilfsbedürftigen nicht wirklich und in vollem Ausmaß erreichen und ihnen tatsächlich zugute kommen, daß mit Geldern viel zu oft Mißbrauch u.ä.m. betrieben wird. Deshalb wird in zunehmendem Maß die
grundsätzliche Sinnhaftigkeit, vor allem aber die tatsächliche Effizienz der materiellen und monetären Hilfeleistungen zumindest kritisch hinterfragt, mit der Folge einer schwindenden (privaten) Spendenbereitschaft, was letztendlich zulasten der wirklich Bedürftigen geht. In diese Richtung weist auch die Aussage des österreichischen Botschafters in Bosnien-Herzegowina, der eigentlich resignierend meinte, daß, wenn die österreichische Bevölkerung wüßte, daß für Hilfsgüter in Bosnien Zoll eingehoben wird, sie nicht mehr spenden würde.
Angesichts dieser Tatsache, und vor allem, um weiterem Schaden vorzubeugen, ist ein dringender Handlungsbedarf der österreichischen Bundesregierung gegeben. Sie müßte auf die bosnische Regierung einwirken, daß für Hilfslieferungen seitens der bosnischen Behörden keine Abgaben eingehoben werden. Zumindest sollte man sich, auch in Anbetracht der schwierigen Situation in Bosnien, zumindest. ein gewisses Maß an Kooprationsbereitschaft und guten Willen seitens der staatlichen bosnischen Behörden erwarten können. Jedenfalls darf sie nicht ihrer Pflicht entledigt werden, daß sie ihren Beitrag zu leisten hat und die entsprechenden Rahmenbedingungen herstellt und garantiert, damit ihrer leidgeplagten und von den kriegerischen Auseinandersetzungen betroffenen Zivilbevölkerung die internationale Hilfe auch voll zuteil werden kann.
Es ist selbstverständlich, daß humanitäre Hilfe weiterhin geleistet werden soll. Jedoch müssen die Spielregeln unbedingt eingehalten werden, vor allem aber darf es zu keinem auch nur irgendwie gearteten Mißbrauch kommen.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten nachstehende