921/AB
Auf die - aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie beigeschlossene - schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 910/J der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen vom
28. Juni 1996, betreffend die österreichische Bankenaufsicht, beehre ich mich folgendes
mitzuteilen:
Zu I-01.:
Die Bankenaufsicht des Bundesministeriums für Finanzen ist hinsichtlich der GiroCredit Bank Aktiengesellschaft der Sparkassen (im folgenden: GiroCredit) ihren Aufsichtspflichten jederzeit nachgekommen. Insbesondere hat die GiroCredit nach Bekanntwerden der Malversationen des stellvertretenden Leiters der Filiale Seefeld umfangreich der Bankenaufsicht berichtet. Eine Anzeigepflicht aufgrund der Tatbestände der Gefährdung bzw. Zahlungsunfähigkeit oder Oberschuldung der Bank gemäß § 73 Abs. 1 Z 5 und 6 Bankwesengesetz (BWG) bestand nicht. Auch waren besondere Aufsichtsmaßnahmen gemäß den §§ 70 und 83 BWG nicht zu setzen.
Zu I-02.:
Die qualitativen Verbesserungen in der Bankenaufsicht des Bundesministeriums für Finanzen, welche schrittweise in den letzten Jahren vorgenommen wurden, verbunden mit der Ausweitung der engen Zusammenarbeit mit der Österreichischen Nationalbank, stellen eine fundierte Basis für die Anforderungen der Vollziehung der bankaufsichtlichen Gesetze dar.
Zu I-03.:
Innerhalb der Europäischen Union ist der Bankenaufsichtsbereich in Rechtssetzung und
Vollziehung weitgehend harmonisiert. Damit sind die Aufsichtsstandards aller Mitgliedstaaten
unabhängig von der Frage vergleichbar, in welcher Organisationsform die Vollziehung der bankaufsichtlichen Gesetze ausgeübt wird. Im übrigen ist die Frage der organisatorischen Ausgliederung der Bankenaufsicht derzeit nicht aktuell.
Zu I-04.:
Die zustimmungspflichtigen Rechtsgeschäfte des Aufsichtsrates sind im österreichischen Gesellschaftsrecht in ausreichender Weise determiniert. Ergänzend sieht das Bankwesengesetz als weitere zusätzliche Kontroll- und Aufsichtseinrichtung bei Kreditinstituten, deren Bilanzsumme 5 Mrd. S übersteigt, die Bestellung eines Staatskommissärs und dessen Stellvertreter vor.
Zu II-01.:
§ 39 Abs. 1 BWG verpflichtet die Geschäftsleiter eines Kreditinstitutes, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne des § 84 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG) anzuwenden. Im Rahmen dieser Sorgfaltspflicht - sie gilt unabhängig von der Rechtsform für alle Kreditinstitute - sind insbesondere die bankgeschäftlichen und bankbetrieblichen Risiken angemessen zu begrenzen und auf die Gesamtertragslage des Kreditinstitutes Bedacht zu nehmen. Die Überprüfung der Einhaltung der Sorgfaltspflicht obliegt in erster Linie dem Bankprüfer des jeweiligen Kreditinstitutes, der auch im bankaufsichtlichen Prüfungsbericht dem Bundesminister für Finanzen hierüber zu berichten hat. Der Bankprüfer der GiroCredit hat in den bankaufsichtlichen Prüfungsberichten der vergangenen Jahre jeweils die Einhaltung des § 39 Abs. 1 BWG bestätigt. Seitens der Bankenaufsicht im Bundesministerium für Finanzen lagen darüber hinaus keine Umstände vor, die eine Verletzung des § 39 Abs. 1 BWG für gegeben erschienen ließen oder die geboten hätten, die Feststellungen des Bankprüfers in Zweifel zu ziehen.
Zu II-02.:
Die Prüfung der fachlichen Eignung der Geschäftsleiter und der erforderlichen Eigenschaften und Erfahrungen für den Betrieb eines Kreditinstitutes im Sinne des § 5 BWG ist in jedem Falle von der Bankenaufsicht des Bundesministeriums für Finanzen durchzufahren. Sie" wurde auch bei den Geschäftsleitern der GiroCredit vorgenommen.
Die Möglichkeit und die Umstände der Abberufung von Geschäftsleitern eines Kreditinstitutes sind im § 70 Abs. 4 BWG geregelt. Diese Bestimmung legt fest, daß bei Nichtvorliegen einer Konzessionsvoraussetzung gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 bis 13 BWG nach Erteilung der Konzession oder bei Verletzung von Bestimmungen des BWG der Bundesminister für Finanzen im Wiederholungs- oder Fortsetzungsfall den Geschäftsleitern des Kreditinstitutes die-
Geschäftsführung ganz oder teilweise zu untersagen hat. Auch hier war hinsichtlich der GiroCredit kein Anlaß für eine solche Maßnahme gegeben.
Zu III-01. und 02.:
Die Interne Revision ist gemäß § 42 BWG als eine Stabstelle der Bank einzurichten, die im Auftrag des Vorstandes Prüfungen vornimmt und auch an diesen zu berichten hat. Die Prüfungsorganisation und der Prüfungsbereich der Internen Revision wird gleichfalls im § 42 BWG definiert. Hervorzuheben ist, daß die Interne Revision als Organ des Kreditinstitutes und nicht als eines der Bankenaufsicht eingerichtet ist.
Die Malversationen in der Filiale Seefeld wurden von der GiroCredit zum Anlaß genommen, einen neuen Leiter der Internen Revision zu bestellen sowie deren Organisation und die Prüfungstätigkeit neu zu regeln. Die Bankenaufsicht hat in Anbetracht der aktuellen Lage die Bankprüfer beauftragt, bei der Prüfung des Geschäftsjahres 1995 einen Prüfungsschwerpunkt Interne Revision zu setzen.
Zu III-03.:
Im Hinblick auf die Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit kann zur Frage der Einschau bei anderen Kreditinstituten keine Stellungnahme abgegeben werden. Unabhängig von diesem konkreten Fall wird seitens der Bankenaufsicht grundsätzlich besonderer Wert auf das Funktionieren der Internen Revision gelegt, wobei die Bankprüfer angehalten sind, diese Organisationseinheit eingehend zu prüfen. Malversationen von Mitarbeitern in Kreditinstituten besitzen jedoch eine hohe individuelle Ausprägung, sodaß Präventivprüfungen nur sehr eingeschränkt möglich und erfolgreich sind. Prüfungen durch die Bankprüfer oder solche gemäß § 70 BWG können sich daher nur auf bisher evident gewordene Verhaltensmuster stützen.
Zu IV-01. und 02.:
Die Möglichkeiten zur Aufhebung des Bankgeheimnisses sind im § 38 Abs. 2 BWG geregelt. Im besonderen besteht die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses nicht im Zusammenhang mit eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren gegenüber den Strafgerichten und eingeleiteten Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, gegenüber Finanzstrafbehörden. Weiters besteht gemäß § 38 Abs. 2 Z 7 BWG keine Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses, soweit die Offenbarung von Geheimnissen zur Klärung von Rechtsangelegenheiten aus dem Verhältnis zwischen einem Kreditinstitut und seinen Kunden erforderlich ist. Die Frage, ob das Bankgeheimnis für alle - oder nur für bestimmte - Kunden der Filiale Seefeld der GiroCredit nicht gilt, ist demnach nach den Bestimmungen des § 38 Abs. 2 BWG zu prüfen. Unabhängig
davon steht es der Bankenaufsicht als Verwaltungsbehörde nicht zu, das Vorgehen eines unabhängigen Richters in einem konkreten Verfahren zu beurteilen. Dazu möchte ich noch auf die Antworten zu den Fragen IV-03 und IV-04 verweisen.
Zu IV-03.:
Eine Beurteilung, ob die Regelungen des § 38 BWG verletzt wurden, ist weder aufgrund der Anfrage noch der mir diesbezüglich vorliegenden Unterlagen möglich. Nachdem es sich, wie in der Anfrage dargestellt, um ein exekutionsrechtliches Verfahren handelt, ist davon auszugehen, daß Ansprüche durchgesetzt werden sollen. In Übereinstimmung mit den Grundsätzen zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes muß einer Bank zugestanden werden, Ansprüche durchzusetzen und in diesem Zusammenhang zweckdienliche Angaben zu machen, die zur Durchsetzung dieser Ansprüche notwendig sind. Wie mir berichtet wird, ist im exekutionsrechtlichen Verfahren ein Rechtsanwalt eingeschaltet worden, der eine sorgfältige Beurteilung der Weitergabe von Informationen zur Durchsetzung der Ansprüche vorgenommen hat.
Zu IV-04.:
Das Bankgeheimnis gemäß § 38 BWG stellt auf den Schutz kundenspezifischer Daten ab, die weit in die Privatsphäre der einzelnen Kontrahenten reichen. Deswegen hat der Gesetzgeber bei der Regelung des Bankgeheimnisses im Jahre 1979 die Entscheidung darüber, ob bei Verletzung des Bankgeheimnisses Verfolgungshandlungen gesetzt werden sollen, dem betroffenen Kunden überlassen. Ich bin nicht bereit, eine Streichung des aus der Sicht des Bundesministeriums für Finanzen sinnvollen § 101 Abs. 2 BWG vorzuschlagen.
Zu IV-05.:
Da meines Erachtens der Schutz im § 38 BWG ausreicht, ist keine Änderung dieser Regelung geplant.
Zu V-01. und 03.:
Gemäß § 75 BWG haben Kreditinstitute, Finanzinstitute und Unternehmen der Vertragsversicherung der Österreichischen Nationalbank bestimmte Informationen über Kreditnehmer zu meiden, falls Kredite, Kreditrahmen oder Promessen von zumindest 5 Mio. S eingeräumt werden. Im Rahmen dieses Meldesystems der Großkreditevidenz und in Abstimmung mit Daten des Firmenbuches sind bei der Österreichischen Nationalbank rd. 60.000 Unternehmen und Kreditnehmer in Evidenz gehalten. Aufgrund der Vielzahl der von den Banken monatlich durchzuführenden Obligomeldungen ist es jedoch nicht auszuschließen, daß es gelegentlich zu Falschmeldungen der Kreditinstitute an die Österreichische Nationalbank kommt.
Selbstverständlich steht es jedem Betroffenen frei, bei der Österreichischen Nationalbank Einsicht über die über ihn gespeicherten Daten zu nehmen und gegebenenfalls eine Richtigstellung zu erwirken. In diesem Sinne ist dem Bundesministerium für Finanzen auch kein Fall bekannt, bei dem die Österreichische Nationalbank ihre Mitwirkung zur Aufklärung sowie in der Folge die Richtigstellung einer Großkreditmeidung abgelehnt hätte.
Zu V-02.:
Die Interne Revision der GiroCredit unterzieht laut einer von der Bank eingeholten Stellungnahme im Rahmen der Einzelkreditprüfung die Großkreditmeldungen gemäß § 75 BWG einer Einschau nach dem Grundsatz der Stichprobenauswahl. Dieser Prüfungsansatz wurde gewählt, um eine intensive Begutachtung der rechtlichen Grundlagen der einzelnen Kreditverhältnisse sicherzustellen. Dabei ergaben sich nach den Angaben der GiroCredit keine hervorzuhebenden Schwachstellen in bezug auf die Erfüllung der Meldeerfordemisse und deren Richtigkeit. Die Interne Revision konnte daher in ihren Berichten die Wirksamkeit des internen Kontrollsystems im Hinblick auf das zeitnahe Feststellen von Darstellungsfehlern und die Veranlassung der erforderlichen Korrekturen bestätigen. Darüber hinaus unterzieht die Interne Revision im Rahmen der Organisationsrevision das Meldesystem der Bank einer periodischen Prüfung.
Im Hinblick auf die Vielzahl der Meldungen kann, wie die Bank mitteilt, auch bei noch so intensiver Prüfungsdichte im Einzelfall eine unrichtige Großkreditmeldung nicht immer verhindert werden.
Zu V-04.:
Gemäß § 98 Abs. 2 Z 9 bzw. § 99 Z 12 BWG ist die Verletzung der Großkreditmeldepflicht gemäß § 75 BWG eine Verwaltungsübertretung, die, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 300.000 S zu bestrafen ist.
Zu V-05.:
Ein Schaden, der wegen einer Falschmeldung in die Großkreditevidenz entstanden ist, ist nach den allgemeinen zivilrechtlichen Schadenersatzbestimmungen zu beurteilen. Da das geltende Schadenersatzrecht dafür ausreichend erscheint, dürfte eine Initiative zur Realisierung einer verschuldensunabhängigen Erfolgshaftung nicht zielführend sein.
Zu VI-01.:
Ein Staatskommissär und dessen Stellvertreter wird bei Kreditinstituten, deren Bilanzsumme 5 Mrd. S übersteigt, aufgrund der Bestimmungen des § 76 Bankwesengesetz und den darin angeführten Kriterien bestellt. Es ist unbestritten, daß die in der Bankenaufsicht tätigen Bediensteten aus ihrer täglichen Berufserfahrung heraus über die nötigen Fachkenntnisse verfügen. Bei der Bestellung dieser Bediensteten wird einer Empfehlung des Rechnungshofes gefolgt, wonach sich die Funktion als Staatskommissär und die unmittelbare Ausübung der aufsichtsbehördlichen Kontrolle bei der gleichen Bank zur Vermeidung möglicher Interessenskonflikte nicht überschneiden sollen. Auf den Vorzug der Fachkenntnisse, Erfahrungen und Urteilsfähigkeit von Bediensteten kann bei der Bestellung von Staatskommissären für Kreditinstitute selbstverständlich nicht verzichtet werden.
Zu VI-02.:
Mit dem Staatskommissär besitzt die Bankenaufsicht des Bundesministeriums für Finanzen ein Instrument zur unmittelbaren und rechtzeitigen Kenntnisnahme von allen wichtigen und strategischen Organbeschlüssen. Ich halte daher die Funktion des Staatskommissärs bei Kreditinstituten gemäß § 76 BWG für eine zusätzliche wertvolle Aufsichtseinrichtung, auf die nicht verzichtet werden soll.
Bezüglich der Frage einer allfälligen organisatorischen Ausgliederung der Bankenaufsicht darf ich auf meine Antwort zu I-03 verweisen.
Zu VI-03.:
Eine Unentgeltlichkeit der Tätigkeit eines Staatskommissärs kann aufgrund des hohen Aus--maßes der nötigen Fachkenntnisse dieser Personen und der Verantwortung, die mit einer solchen Funktion verbunden ist, nicht in Erwägung gezogen werden. Gemäß § 76 Abs. 9 BWG ist dem Staatskommissär und dessen Stellvertreter von der Aufsichtsbehörde für die mit der Aufsicht verbundene Arbeit eine Vergütung zu leisten. Diese Funktionsgebühr entrichtet somit der Bund an den Staatskommissär und dessen Stellvertreter. Die Banken ihrerseits erhalten Vorschreibungen der Bankenaufsichtsbehörde zur Begleichung dieser Ausgaben an den Bund.
Zu VII-01.:
In Österreich werden alle Großbanken durch die jeweils zuständige Großbetriebsprüfung geprüft. Das Prüffeld "Rückstellungen" stellt dabei selbstverständlich seit jeher einen Schwerpunkt der Prüfungshandlungen dar. Somit wurde und wird auch die GiroCredit laufend überprüft. Ausländische Beispielsfälle von überhöhten Rückstellungen bei Banken
haben in keiner Weise das Erfordernis ausgelöst, im Inland verstärkt Betriebsprüfungen bei Banken durchzufahren. Es ist daher auch nicht möglich, die Frage nach dem steuerlichen Mehrergebnis aufgrund der unterschiedlichen Beurteilung von Rücklagen oder Rückstellungen in Bankbilanzen als Folge eines Falles in Deutschland zu beantworten.
Zu VII-02.:
Es liegt im Wesen von Rückstellungen, daß deren Höhe vom Steuerpflichtigen geschätzt werden muß. Bis zur Konkretisierung der tatsächlichen Höhe der Verbindlichkeit - in der angesprochenen Causa also bis zur Ermittlung der genauen Höhe des Schadensbetrages - ist somit keine konkrete Aussage darüber möglich. In der Bilanz ist der Rückstellungsbetrag zum jeweiligen Bilanzstichtag zu ermitteln bzw. bei Bedarf neu zu bewerten. Im Rahmen der abgabenbehördlichen Betriebsprüfung wird im nachhinein überprüft, ob die Schätzung des rückgestellten Betrages nachvollziehbar und daher handelsrechtlich und in der Folge gemäß dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz auch steuerrechtlich anzuerkennen ist. Eine sofortige Betriebsprüfung bei der GiroCredit wäre aus diesen Erwägungen heraus in keiner Weise zielführend gewesen und ist daher auch nicht beabsichtigt.