938/AB
Die Abgeordneten zum Nationalrat Langthaler, Wabl, Freundinnen und Freunde haben am 1. Juli 1996 unter der Nr. 940/J an mich beiliegende schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Politische Verantwortung der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz hinsichtlich etwaiger Nahverhältnisse von Beamten des Gesundheitsministeriums zu Gentech-Firmen bzw. -Experten, speziell im Zusammenhang mit den drei Freisetzungsanträgen von gentechnisch veränderten Kartoffeln (Seibersdorf und Tulln), sowie gentechnisch verändertem Mais (Fa. T.B. Agrartechnik) gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 und la:
Ich habe im Mai dieses Jahres eine intensive Diskussionsphase angeregt, in der über die bei den bisherigen Freisetzungsanträgen - aufgetretenen Fragen, wie über den Einsatz der Gentechnik insbesondere in der Landwirtschaft, ein gesellschaftlicher Konsens gefunden werden sollte. Der Begriff "Moratorium" sowie die dabei ins Spiel gebrachte Frist von 2 Jahren stammen nicht von mir. Eine zeitliche Begrenzung der Diskussionsphase entspricht auch keinesfalls meiner Absicht, denn diese Frist könnte dahingehend mißverstanden werden, daß ich mit dem Ablauf von zwei Jahren dem Diskutieren ein Ende setzen möchte.
Zu Frage 2:
Ich bin der Meinung, daß der Einsatz der Gentechnologie in der Lebensmittelproduktion besonders kritisch überprüft und unter bestmöglicher Wahrung der Interessen des Konsumenten auf gesundheitliche Unbedenklichkeit und eine weitestgehende Kennzeichnung überprüft werden muß.
Zu den Fragen 3 und 3a:
Ein zeitlich begrenztes Verbot des Inverkehrbringens aller gentechnisch veränderten Lebensmittel wäre nur dann begründet, wenn Gesundheitsinteressen gefährdet wären. Eine solche generelle Aussage ist aber nach dem Stand der Wissenschaft nicht zu treffen. Die Wahrung der Gesundheitsinteressen ist vielmehr in jedem Einzelfall des Inverkehrbringens eines gentechnisch veränderten Lebensmittels genau zu prüfen. Ich trete aber für eine umfassende und unmißverständliche Kennzeichnung von gentechnisch hergestellten Lebensmitteln ein und habe durch die Aussendung eines entsprechenden Entwurfes einer "Gentechnik-Erzeugnis-Kennzeichnungsverordnung" auch bewiesen, daß ich diesbezügliche Initiativen setze. Damit soll dem mündigen Konsumenten die Wahlmöglichkeit zwischen gentechnisch veränderten und nicht veränderten Lebensmitteln gegeben werden.
Zu Frage 3b:
Jedes Volksbegehren ist bei einer entsprechenden Unterstützung ernst zu nehmen. Seine rechtliche Umsetzung müßte allerdings auch im EU-Recht erfolgen.
Zu Frage 4:
Derzeit ist nicht absehbar, wann und mit welchem Inhalt die Novel-Food Verordnung der EU in Kraft treten wird.
Ich werde jedenfalls im Rahmen der mir zustehenden Möglichkeiten alles tun, damit gentechnisch veränderte Lebensmittel, die in Österreich in Verkehr gebracht werden, ausreichend gekennzeichnet sind. Im übrigen verweise ich auf meine Antwort zu den Fragen
3 und 3a.
Zu Frage 5:
Wissenschaftliche Ergebnisse der letzten Jahre zeigen generell einen deutlichen Anstieg allergischer Reaktionen zumindest von Menschen im europäischen und nordamerikanischen Raum auf Reize aus der Umwelt (zB. auch aus Nahrungsmitteln). Die Gründe dafür sind zum Teil noch wenig bekannt, scheinen aber komplexen Natur zu sein. Aus diesem Grund habe ich meine Experten beauftragt, Im Rahmen der Mitarbeit bei der Erstellung internationaler Regelungen der sorgfältigen und umfassenden Prüfung möglicher allergiesierender Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organisemen besonderes Augenmerk zu schenken. Wie in meiner Antwort zu Frage 3 ausgeführt, bemühe ich mich auf nationaler und internationaler Ebene um möglichst umfassende Kennzeichnungsregelungen für gentechnisch veränderte Organismen. Eine derartige ausführliche Kennzeichnung ist Grundlage für einen sicheren Umgang von Personen mit bekannten Allergien mit genetisch veränderten Organismen.
Zu den Fragen 6 und 7:
Ich habe durch entsprechende Interventionen bei verschiedenen EU-Funktionsträgern dazu-beigetragen, daß die Kommission ihre diesbezügliche Entscheidung zurückgestellt hat. Sollte die Kommission das Inverkehrbringen des genannten Produktes genehmigen ohne weitere eingehende Prüfung und Berücksichtigung wissenschaftlicher Bedenken, wäre die Erlassung eines nationalen Verbotes gemäß Art. 16 der Richtlinie 90/220/EWG in Erwägung zu ziehen.
Zu Frage 8:
Zu der in Frage 8 enthaltenen Feststellung ist zu bemerken, daß ich auch bei genauer Überprüfung des Verfahrens bei den beiden Anhörungsverfahren, insbesondere auch beim Verfahren zur Behandlung des Antrages des österreichischen Forschungszentrums Seibersdorf nicht feststellen konnte, daß dabei Bestimmungen des hiefür maßgeblichen Gentechnikgesetzes oder sonstige Rechtsvorschriften verletzt worden sind.
Zu Frage 8a:
Da gemäß dem Gentechnikgesetz zuständige Behörde das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz mit Sitz in Wien ist, wurde in rechtskonformer Weise der Antrag bei dieser Behörde aufgelegt. Ich habe aber, Ober den Auftrag des Gentechnikgesetzes hinausgehend, meine Bereitschaft gezeigt, die Unterlagen zur besseren Information der Bevölkerung auch in jedem Bundesland aufzulegen, und an alle Landeshauptleute ein entsprechendes Angebot gerichtet.
Zu Frage 8b:
In das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz kamen insgesamt 39 Personen, um Einsicht in die Unterlagen zu nehmen. Die Anfertigung von Kopien oder die Überlassung entsprechender Kopien ist im Gentechnikgesetz nicht vorgesehen. Meine Beamten haben aber dennoch über den Auftrag des Gentechnikgesetzes hinausgehend jenen 15 Personen, die sich als Vertreter von besonders interessierten Umweltschutzorganisationen oder Bürgerverbänden präsentierten, eine Kopie des Antrages samt Unterlagen zur Verfügung gestellt, um den Mitgliedern dieser Organisationen den Weg in das Ministerium zu ersparen.
Zu den Fragen 8c und 8d:
§ 43 des Gentechnikgesetzes sieht vor, daß die Behörde u.a. kundzumachen hat, daß ein Antrag auf Freisetzung eines GVO gestellt wurde und daß diesbezügliche Unterlagen bei der Behörde zur Einsichtnahme aufliegen. Diese Unterlagen waren jedenfalls formal weder unvollständig noch fehlerhaft da sie sowohl dem formalen Aufbau und den sonstigen Voraussetzungen der "Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG als auch dem damals bereits vorliegenden Entwurf; einer Freisetzungsverordnung entsprachen. Sie waren somit auch nicht gemäß § 13 AVG zurückzuweisen. Diese Unterlagen waren daher auch durchaus geeignet, als "diesbezügliche Unterlagen" im Anhörungsverfahren aufgelegt zu werden. Im Hinblick auf die der Behörde nach dem Gentechnikgesetz eingeräumte Entscheidungsfrist von nur 90 Tagen war es auch aus Sicht der Behörde angezeigt, den formal ordnungsgemäß eingebrachten Antrag so rasch wie möglich der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Es ist verfahrensrechtlich nicht erforderlich, jeden der (im Fall des genannten Antrages 7500) Einwender von allen Nachforderungen, die z.B. von den Sachverständigen der Behörde oder des Wissenschaftlichen Ausschusses zur Beurteilung einer wissenschaftlichen Detailfrage gestellt werden, in Kenntnis zu setzen. Eine derartige Vorgangsweise werde nämlich bedeuten, daß ein Anhörungsverfahren samt Auflegung wohl erst am letzten Tag vor der entsprechenden Bescheidverfassung stattfinden könnte, da die Behörde bis zu diesem Tag ja noch ergänzende Informationen zu einer bei der wissenschaftlichen Prüfung des Antrages sich ergebenden Detailfrage einholen kann. Eine derartige Vorgangsweise ist aber weder im Gentechnikgesetz noch gemäß den Bestimmungen des AVG vorgesehen.
Die Bereitschaft meiner Mitarbeiter, mit den Einwendern, die sich besonders interessiert am gegenständlichen Antrag zeigten, auch die mittlerweile eingelangten weiteren Unterlagen zum Antrag zu erörtern, zeigt aber, daß mein Ressort - über die Anforderungen des Gentechnikgesetzes weit hinausgehend - um größte Transparenz bei der Behandlung des Seibersdorfer Antrages bemüht war.
Weiters habe ich - ebenfalls über die Anforderungen den Gentechnikgesetzes hinausgehend - am 28. März 1996, d.h. vier Wochen nach der Anhörung vom 1. März 1996, öffentlich zu einer weiteren Informationsveranstaltung betreffend den Seibersdorfer Antrag eingeladen, bei der alle bei der Anhörung am 1. März 1996 noch zur Diskussion gestellten Fragen behandelt und den Einwendern somit nochmals Gelegenheit gegeben wurde, entsprechende Fragen an den Antragsteller und die zuständigen Mitglieder des Wissenschaftlichen Ausschusses zu richten. Es ist interessant, daß zu dieser Veranstaltung nur mehr eine kleine Anzahl an Einwendern erschienen war und keine einzige Frage mehr an die anwesenden Vertreter des Österreichischen Forschungszentrums Seibersdorf gestellt wurde.
Ich kann bei den in Rede stehenden Verfahren eine Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften durch meine Mitarbeiter nicht erkennen.
Zu Frage 8e:
Wie mir Sektionschef Dr. Bobek berichtet, wurde anläßlich der Anhörung versucht, ihn in eine Diskussion Ober die Rechtmäßigkeit der Durchführung des Verwaltungsverfahrens durch die Behörde zu verwickeln. Er verweigerte die Antwort auf diese Fragen und wies darauf hin, daß dieser Termin der im GTG vorgesehenen Anhörung, d.h. der Erörterung von Einwendungen gegen den vorliegenden Antrag dient.
Gegen eine gesetzeskonforme Durchführung der Anhörung habe ich keine Bedenken. Selbstverständlich ist die Anhörung die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit für Diskussionen über Einwendungen gegen den Antrag.
Zu Frage 8f:
Im Hinblick auf die Anzahl von 7500 Einwendungen, die zum Großteil auf vorgeschriebenen Postkarten mit dem gleichen Text und oft mit einer unleserlichen Adressenangabe erfolgten, «wie mit Rücksicht auf den diesbezüglichen Postlauf konnte es möglicherweise vorkommen, daß einige der Einwender eine Ladung nicht oder nicht mehr rechtzeitig erhalten haben, was auch ich als Bedauerlich empfinde. Eine Verfahrensverletzung kann ich darin allerdings nicht erkennen. Ich bin darüberhinaus der Meinung, daß ich durch die weitere öffentliche Informationsveranstaltung zu diesem Antrag in nach den Umständen bestmöglicher Weise versucht habe, alle Einwender entsprechend zu informieren und kann nur nochmals festhalten, daß letztlich kein Einwender diese Gelegenheit zur Klärung weiterer Fragen wahrgenommen hat.
Zu Frage 9:
Die Erlassung einer Anhörungsverordnung, die die Erfahrungen der beiden durchgeführten Anhörungsverfahren berücksichtigt, ist vorgesehen.
Zu Frage 10:
Die in der Frage erwähnte Aussage eines Mitgliedes des Wissenschaftlichen Ausschusses ist meinem Ressort bekannt. Diese Aussage ist aus meiner Sicht möglicherweise aus der Emotionalität der geführten Diskussion verständlich, aber sicherlich nicht zu entschuldigen. Herr Professor Heberle-Bors erhielt dafür einen Ordnungsruf des Vorsitzenden und hat sich überdies auch sofort für seine Äußerung entschuldigt.
Zu Frage 11
Im Rahmen einer Anhörung - die keine mündliche Verhandlung im Sinne des AVG darstellt - ist vor allem den Einwendern Gelegenheit zu geben, ihre Einwendungen näher zu erläutern und entsprechende Fragen an den Betreiber und die Mitglieder des Wissenschaftlichen Ausschusses zu richten.
Die Mitglieder des Wissenschaftlichen Ausschuß haben dort, wo sie gefragt wurden, versucht, nach bestem Wissen eine entsprechende Antwort zu geben.
Zu Frage 12:
Die Zusammensetzung der Mitglieder der Wissenschaftlichen Ausschüsse erfolgte gemäß dem gesetzlichen Auftrag des Gentechnikgesetzes. Es wurde dabei bewußt dafür Sorge getragen, daß durch einen vom BMUJF zu nominierenden Experten für Ökologie, weiters durch einen Experten für mikrobielle Ökologie, durch einen Experten für Umwelthygiene und durch einen Experten für Toxikologie eine der Problemstellung entsprechende Zusammensetzung des Wissenschaftlichen Ausschusses für Freisetzungen und Inverkehrbringen sichergestellt ist. Ich kann somit in Anbetracht des Umstandes, daß Gentechnik an sich wohl unvoreingenommen zu beurteilen ist und im Hinblick auf die differenzierte, allen Aspekten einer kritischen Betrachtung von Freisetzungsanträgen Rechnung tragende Zusammensetzung dieses Ausschusses keine einseitige oder ungleichgewichtige Zusammensetzung erkennen.
Zu Frage 13:
Ich habe die Absicht, in der von mir in Aussicht genommenen Diskussionsphase zu offenen Fragen der Gentechnik auch die Gentechnikkommission stärker einzubeziehen; eine erste entsprechende Sitzung fand am 7. Juni 1996 statt.
zu Frage 14:
Ja.
Zu Frage 15:
Die Sitzung des Wissenschaftlichen Ausschusses zur Beratung der beide Anträge fand am 11. April 1996 in der Zeit von 15.25 Uhr bis 19.20 Uhr statt.
Zu den Fragen 16 und 17:
Die Vertreter der Zuckerforschung Tulln GesmbH waren in der Zeit von 15.25 Uhr bis 16.45 Uhr, die Vertreter der österreichischen Forschungsgesellschaft Seibersdorf GesmbH in der Zeit von 16.45 Uhr bis 19.20 Uhr, anwesend, da sich bis zum Schluß der jeweiligen Beratungen die Notwendigkeit ergab, entsprechende Fragen an die Antragsteller richten zu können.
Zu den Fragen 18 bis 20:
Die Firma Zuckerforschung Tulln GesmbH hatte vermutlich Grund zur Annahme, daß mit einem positiven Bescheid gerechnet werden konnte, da das Gutachten der beiden Berichterstatter positiv war, und auch zu den Fragen der Mitglieder das Ausschusses zufriedenstellende Antworten betreffend die Sicherheit des geplanten Freisetzungsversuches gegeben werden konnten.
Die Firma wußte aber nicht konkret über die einzelnen Auflagen Bescheid, die die Behörde bzw. das Fachreferat noch auf Grund des grundsätzlich positiven Gutachtens des Ausschusses zu erstellen hatte. Über diese Auflagen wurde die Firma erst auf dem Wege der formellen Mitteilung über das Ergebnis des Beweisverfahrens am 8. Mai 1996 unterrichtet.
Die rechtswidrige Freisetzung erfolgte ohne Zustimmung meines Ressorts; sie war - um den Wortlaut der Anfrage zu zitieren "nicht von mir gedeckt".