939/AB
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Dr. Petrovic, Freunde und Freundinnen haben am 1. Juli 1996 unter der Nr. 941/3 an mich beiliegende schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Arzneimittelsicherheit, FSME-Impfung, FSME-Fälle,
Impfnebenwirkungen 1990-1995, Kostendämpfung gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Vorerst möchte ich festhalten, daß die Vorbeugung gegen FSME in Form einer Impfung deswegen wichtig ist, weil es im Erkrankungsfall - im Gegensatz zu anderen Krankheiten - keine spezifische Behandlung gibt. Wie der beiliegenden Auflistung (x) des Hygiene-Institutes der Universität Wien betreffend 'Publikationen Arboviren seit 1957' zu entnehmen ist, reichen wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema FSME jedenfalls bis in das Jahr 1956 zurück. Aus der wissenschaftlichen Bearbeitung dieses Themas ist ersichtlich, daß die gesundheits-politische Notwendigkeit von Maßnahmen zur Verhütung von FSME bereits seit langem erkannt wurde.
Zu Frage 1:
Die Auffrischung nach Grundimmunisierung wird auch im Ausland in den jeweiligen Fachinformationen zum Impfstoff mit 3 Jahren empfohlen (Deutschland, Schweiz, Schweden), wobei bei 99% der Geimpften mit einem mindestens 3-Jährigen Schutz zu rechnen ist. Auch die ständige Impfkommission Deutschlands (STIKO) empfiehlt "Auffrischimpfungen nach 3, spätestens nach 5 Jahren. Ich kann daher angesichts dieser einheitlichen Impfpraxis kein Versagen der Arzneimittelüberwachung oder eine Verletzung der Aufsichtspflicht erkennen.
Zu Frage 2:
Wie zu Frage 5 ausgeführt, spricht auch in Kenntnis möglicher Nebenwirkungen die Nutzen-Risiko-Abwägung eindeutig zugunsten der Schutzimpfung. Eine Überprüfung des FSME-Impfstoffes wurde im Rahmen des Zulassungsverfahrens durchgeführt, nicht jedoch durch die Arzneimittelüberwachung. Die meinem Ressort gemeldeten unerwünschten Arzneimittel-wirkungen im Zusammenhang mit FSME-Immun waren zum Großteil leicht und vorübergehend (Temperaturerhöhungen, Kopfschmerzen, Lokalreaktionen an der Impfstelle) und haben zu einem hohen Prozentsatz jenen in der Fach- und Gebrauchsinformation ausgewiesenen möglichen Nebenwirkungen entsprochen. Solche nicht schwerwiegende bekannte Nebenwirkungen wären an sich nach § 75 des Arzneimittelgesetzes nicht verpflichtend zu melden.
Zu Frage 3:
Wesentlichen Einfluß auf die Erhöhung der Meldefrequenz hatte die im Jahre 1991 in Kraft getretene Meldepflichtverordnung und die diesbezügliche Information der Ärzteschaft durch mein Ressort. Wie meinem Ressort bekannt ist, wird seit 1985 am Institut für Virologie jede FSME-Charge bei ungefähr 100 zufällig ausgewählten Impflingen auf Nebenwirkungen überprüft. Jedem Probanden wird ein Fragebogen übergeben, in welchen er für die nächsten 4 Tage nach der Impfung etwaige aufgetretene Nebenreaktionen einträgt.
Zu Frage 4:
Die dem Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz gemeldeten unerwünschten Arzneimittelwirkungen im Zusammenhang mit der Anwendung von FSME-Immun Inject sind der Beilage * zu entnehmen. Dazu ist anzumerken, daß diese Auflistung auch solche gemeldeten Ereignisse beinhaltet, bei denen kein Zusammenhang mit der Impfung erwiesen ist und daß die Dokumentation der österreichischen Arzneimittelüberwachung in ihrer Systematik von jener der Schweiz und Deutschlands abweicht.
Zu Frage 5
Der Großteil der dem Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz nach Anwendung von FSME Immun gemeldeten unerwünschten Arzneimittelwirkungen ist leicht und vorübergehend und nicht mit den Auswirkungen einer FSME-Erkrankung zu vergleichen.
Die Nutzen-Risiko-Abwägung spricht daher eindeutig für die Schutzimpfung.
Zu Frage 6:
Wie zu den Fragen 10 und 11 ausgeführt, ist der Impfstoff in Österreich seit langem verkehrsfähig. Eine in letzter Zeit abgeschlossene Begutachtung durch das Bundesstaatliche Serumprüfungsinstitut (BSPI) führte zuletzt am 19. Juli 1996 (Z.Nr.: 2-00174) zur bescheidmäßigen Zulassung durch mein Ressort.
Zu Frage 7:
Die dem Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz ermittelten Meldungen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen werden dem Ausschuß für Arzneimittelsicherheit regelmäßig vorgelegt. Auch der Impfausschuß des Obersten Sanitätsrates (OSR) hat sich mit der FSME-Thematik befaßt. Eine Begutachtung des Impfstoffes erfolgte durch das BSPI (siehe Frage 6) und nicht durch die genannten Gremien. Bemerkt wird, daß in Österreich kein offizielles Gremium mit dem Namen "Arzneimittelkommission" besteht.
Zu Frage 8:
Eine Liste der Mitglieder des Ausschusses für Arzneimittelsicherheit sowie ein Verzeichnis der Mitglieder des Impfausschusses des OSR (Beilagen **) liegen bei.
Zu Frage 9:
Der Rückgang der Erkrankungshäufigkeit in Österreich auf weniger als 10 Fälle jährlich setzt voraus, daß sich die gesamte potentiell gefährdete Population impfen läßt, was jedoch nicht der Fall war.
Zu den Fragen 10 und 11:
Entgegen den Ausführungen in der Anfrage wurde die Impfung (aktive Immunisierung) gegen die Frühsommermeningoencephalitis bereits mit Verordnung BGBl.Nr. 274/1981 als Maßnahme zur Erhaltung der Volksgesundheit im Sozialversicherungsrecht verankert. Da die ASVG-Novelle BGBl.Nr. 647/1982 die auf Verordnungsebene bestehende Rechtslage lediglich übernahm, waren die in der Anfrage erwähnten Unterlagen nicht erforderlich. Im Zusammenhang mit der Verordnung BGBl.Nr. 274/1981 sei folgender Auszug aus den Erläuterungen des Begutachtungsentwurfes wiedergegeben:
"Die Frühsommermeningoencephalitis (FSME) ist zwar nicht die gefährlichste, aber mit Abstand häufigste bei uns vorkommende Form der Gehirn- bzw. Gehirnhautentzündung. Jährlich erkranken derzeit daran in Österreich etwa 500 Menschen, und Todesfälle kommen immer wieder vor. Die Impfung (aktive Immunisierung) bietet sicheren Schutz vor Erkrankungen. Nicht Geimpften kann, wenn sie in einem FSME-Gebiet von Zecken gebissen werden, FSMEHyperimmunglobulin (passive Immunisierung) infiziert werden. Die Schutzwirkung dieses Präparates ist aber, selbst wem es in den allerersten Tagen nach dem Zeckenbiß verabreicht wird, nicht ebenso sicher, und später Oberhaupt fraglich. Das aus menschlichem Blutplasma gewonnene Präparat ist außerdem sehr teuer und, da geeignete und willige Spender selten sind, nur in recht beschränkten Mengen verfügbar.
Es ist nicht nur im Interesse der Gesunderhaltung der Bevölkerung, sondern auch im volkswirtschaftlichen Interesse angezeigt, die Bevölkerung gegen FSME zu impfen. Die Erkrankung erfordert nämlich in der Regel eine längere und kostspielige stationäre Behandlung, fährt zu langen Krankenständen und nicht selten auch zu Dauerschäden, die die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen. Da Geimpften, wenn sie gebissen werden, das viel teurere Hyperimmunglobulin nicht verabreicht werden muß, ist zu erwarten, daß die aus Mitteln der Gesundheitsvorsorge für die Impfung aufgewendeten Beträge auf längere Sicht zu Einsparungen führen werden."
Gesonderte wissenschaftliche Stellungnahmen oder Gutachten aus Anlaß des Legislativvorhabens der Verordnung BGBl.Nr. 274/1981 wurden nach meinem Kenntnisstand nicht erstattet und waren auch nicht notwendig, zumal die FSME-Impfung insgesamt dem damaligen -Stand der medizinischen Wissenschaft entsprach.
Zu Frage 12:
Die in der Anfrage wiedergegebenen Statistiken über FSME-Fälle in Österreich, in der Steiermark, in Kärnten und Niederösterreich (jeweils für den Zeitraum 1970-1982) sind für die Behauptung in der Anfrage, es hätte sich nach Einführung der Impfung kein epidemiologischer Erfolg abgezeichnet, nicht repräsentativ: einerseits deshalb, weil in den frühen 70er Jahren die epidemiologische Überwachung, Erfassung und auch serologische Diagnostik von FSME-Erkrankungen noch in der Anfangsphase war, andererseits deshalb, weil mit der Impfaktion erst im Winter 1981 begonnen wurde. Im Vergleich dazu seien die FSME-Erkrankungen für Österreich, Kärnten, Steiermark und Niederösterreich für den Zeitraum 1976-1995 dargestellt., jeweils berechnet auf 5-Jahresintervalle mit durchschnittlichen Erkrankungsfällen pro Jahr. Anhand dieser Zahlen ist der signifikante Rückgang von FSME ersichtlich. Eine Graphik über FSME-Erkrankungen in Österreich von 1979-1991 ist ebenfalls beigeschlossen (Beilagen xx).
Nach den mir zur Verfügung stehenden Unterlagen hat die Morbidität in keinem Land Europas im Vergleich zu Österreich in gleichem Maß abgenommen, sondern vielfach sogar zugenommen (Tschechien, Slovenien, Deutschland).
Zu Frage 13:
Die Wirksamkeit des Impfstoffes wird seit Jahren im Rahmen der Chargenfreigabe geprüft und in den Zulassungsunterlagen belegt. Eine entsprechende Monographie des Europ. Arzneibuches, die auch Kriterien für die Wirksamkeitsprüfung enthält, ist unter Koordination des Leiters des BSPI derzeit in Ausarbeitung.
Zu Frage 14:
Wie zu Frage 2 ausgeführt, fließen in die Meldestatistik auch -nicht meldepflichtige Reaktionen ein. Über die in der Anfrage erwähnte Inanspruchnahme von Ärzten, Krankenanstalten etc. liegen mir keine Daten vor. Es liegt auf der Hand, daß eine Schätzung in der in der Anfrage geforderten Art kein seriös nachvollziehbares Ergebnis erwarten lassen kann.
Zu Frage 15:
Dazu ist zu bemerken, daß bis zum Jahr 1990 der Krankenkassenzuschuß pro Impfung S 50,- betrug. Demnach wurden bis zum Jahr 1990 660 Mio. S an Zuschüssen seitens der Krankenkassen getätigt und nicht 1,32 Milliarden. Dem gegenüber steht, daß die Kosten für ärztliche Betreuung, Rehabilitation und Nebenleistungen für einen einzigen Erkrankungsfall an FSME auf 2,5 - 3,5 Mio. S veranschlagt werden. Daraus folgt, daß durch Verhinderung von 200-250 Erkrankungsfällen diese Kosten eingespart sind.
In Bayern werden die Kosten der FSME-Impfung von gesetzlichen Krankenversicherungen voll getragen.
Zu Frage 16:
Wie bereits mehrmals anläßlich der Beantwortung diverser parlamentarischer Anfragen zum Thema FSME mitgeteilt wurde, ist die FSME keine meldepflichtige Krankheit. Nachdem die Diagnose einer FSME-Erkrankung serologisch abgesichert werden muß, ist es allgemein üblich, daß Ärzte bzw. Krankenanstalten mit dieser Diagnostik einschlägig erfahrene Institute befassen (z.B. Institut für Virologie der Univ. Wien, Hygieninstitut der Univ. Graz). Es besteht kein Grund zur Annahme, Institute medizinischer Fakultäten in Österreich waren nicht 'neutral'. Prof. Kunz faßt in seiner Eigenschaft als Vorstand des -Institutes für Virologie der Univ. Wien die in seinem eigenen und dem Hygieneinstitut der Univ. Graz diagnostizierten Fälle zu einer österreichweiten Statistik zusammen. Für eine Änderung dieser Vorgangsweise besteht aus meiner Sicht kein Anlaß. Ich habe daher auch nicht die Absicht, Überprüfungen welcher Art" auch immer hinsichtlich der FSME-Statistik durchzufahren, zumal die in der Anfrage behauptete Fehlerhaftigkeit dieser Statistik weder relevant, noch verifiziert ist. Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß mein Ressort keinerlei Aufsichtspflicht über Institute der Universität, in welchen bekanntlich die Freiheit der Lehre herrscht, hat.
Zu Frage 17:
Wie ebenfalls bereits mehrmals anläßlich diverser Anfragen betreffend FSME mitgeteilt, verfügt mein Ministerium Ober keine Unterlagen hinsichtlich der FSME-Erkrankungsfälle. Nähere Daten über die Jahre 1994 und 1995 sind Tabelle 3 der Virusepidemiologischen Informationen 2/96 (liegt in Kopie bei) zu entnehmen.
Zu Frage 18:
Diese Frage kann nur mittels einer Analyse der Daten der FSMEPatienten in der Steiermark geklärt werden. Laut Mitteilung von Prof. Dr. Kunz waren und sind fast ausschließlich ältere Personen an FSME erkrankt, welche nicht geimpft waren. Teilweise sind auch Personen betroffen, die aus südosteuropäischen Ländern zugewandert sind.
Zu Frage 19:
Ein Exemplar der den Ärzten zur Verfügung gestellten UAWMeldekarten liegt bei. Diese Meldekarten haben sich bei der Meldung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen bereits Jahrelang bewährt; ein gesondertes Meldeformular für Impfnebenwirkungen ist weder erforderlich noch praktikabel.
Zu den Fragen 20 und 21:
Generell gilt, daß Durchimpfungsraten wichtiger Impfungen zu den 'Kenndaten' eines Gesundheitssystems gehören. Gesetzliche Grundlagen für die zuverlässige Erfassung dieser Daten wären deshalb wünschenswert. Inwiefern dabei auch von der WHO bzw. von der EU nicht routinemäßig erfaßte Impfungen berücksichtigt werden sollten, wäre noch abzuklären.
Zu Frage 22:
Die Höhe allfälliger in der Frage angesprochenen Honorare ist mir nicht bekannt.
Zu Frage 23:
Diesbezüglich verweise ich auf die Beantwortung zu Frage 1 sowie auf meine Ausführungen zur parlamentarischen Anfrage Nr. 347/J vom 21. Mai 1996. Dar hinaus halte ich fest, daß der OSR sowie seine Ausschüsse nach wie vor bestehen und betone an dieser Stelle, daß ich die Aussagen im Hinblick auf Glaubwürdigkeit und Befangenheit der von mir zur Beratung zugezogenen Gremien oder Personen - wie in dieser Anfrage getätigt - für äußerst unseriös und der Diskussion nicht zweckdienlich erachte.
Zu Frage 24:
In meinem Ressort werden keine öffentlichen Gelder für FSMEImpfstoff aufgewendet.