968/AB
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Helene Patrik-Pable, Lafer, Böhacker,Haller und Kollegen haben am 10.7.1996 unter der Nr. 1023/J an den Bundesminister für Inneres eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Kindesmißhandlung in Salzburg“ gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
"l. Ist Ihnen der oben genannte Vorfall bekannt?
2. Gab es vor diesem Vorfall noch andere polizeiliche Ermittlungen gegen die Eltern?
3. Was haben die zuständigen Beamten aufgrund der Meldungen durch den Hauseigentümer unternommen?
4. Finden Sie das Vorgehen der Beamten ausreichend?
5. Hätte man auch noch andere Möglichkeiten in Betracht ziehen können?
6. Was werden Sie unternehmen, daß es nicht erst nach schweren Tätlichkeiten zur Verfolgung und zu genaueren Überprüfungen im Bereich der Kindesmißhandlung kommt?
7. Wie verhält sich die Polizei im allgemeinen bei solchen Fällen der Kindesmißhandlung in türkischen Familien?
8. Wie verhält sich die Polizei im allgemeinen, wenn sie einen Hinweis auf eine Kindesmißhandlung bekommt?
9. Besteht ein besonderes Polizeibewußtsein in solchen Fällen der Kindesmißhandlung?
10. Wie geht die Polizei bei der Befragung der mißhandelten Kinder bzw. der "mißhandelnden" Eltern vor bzw. sind die zuständigen Beamten in diese Richtung auch psychologisch ausgebildet?
11. Gibt es für solche Fälle der Kindesmißhandlung eine "Supervision" für die Eltern? Wenn ja, wie oft wird diese in Anspruch genommen?
12. Wurde von der Polizei beobachtet, daß besonders Mädchen von diesen Vorfällen der Kindesmißhandlung in der Familie betroffen sind? Wenn ja, gibt es eine Statistik darüber und wie sieht diese aus, aufgeschlüsselt nach Alter und Geschlecht?"
Im einzelnen führe ich zur vorliegenden Anfrage aus:
Zu Frage 1:
Am 9.5.1996 wurde der BPD Salzburg durch eine Verletzungsanzeige des Landeskrankenhauses Salzburg, Abteilung Kinderchirurgie, bekannt, daß die genannte 15-jährige Tochter türkischer Staatsangehöriger am 8.5.1996 abends in der Wohnung von ihren Eltern mißhandelt worden sei. Die Patientin sei um 10 Minuten zu spät nach Hause gekommen und dann durch beide Elternteile mittels Holzstock und Schere schwer mißhandelt worden.
An Verletzungen wurden multiple frische und alte Hämatome bzw. frische Stichverletzungen am rechten und linken Oberarm sowie am rechten Oberschenkel festgestellt.
Die Jugendliche gab den Ärzten und den Beamten gegenüber an, bereits seit 4 Jahren geschlagen und mißhandelt worden zu sein.
Das Jugendamt des Magistrats Salzburg wurde sofort eingeschaltet. Von diesem wurde wegen Gefahr im Verzug noch am 9.5.1996 verfügt, daß die Minderjährige nicht ohne Zustimmung des Jugendamtes aus der Station für Jugendpsychiatrie entlassen werden dürfe.
Die Eltern gaben die Verletzungen bzw. Mißhandlungen zu, der Vater begründete sie mit Erziehungsmaßnahmen. Beide Elternteile wurden zur Anzeige gebracht.
Zu_Frage 2:
Gegen den Vater führte die Polizei im Jahre 1993 Erhebungen wegen falscher Beweisaussage vor Gericht, weiters wurde er 1995 wegen Körperverletzung in einer Gaststätte angezeigt.
Gegen die Mutter gab es keine polizeilichen Ermittlungen.
Zu Frage 3:
Der BPD Salzburg kam keine Meldung durch den Hauseigentümer wegen Verdachtes der Kindesmißhandlung zu.
Zu Frage 4:
Ja.
Zu Frage 5:
Da die Polizei erst nach den Tathandlungen von diesen Kenntnis erlangte, war lediglich ein repressives Vorgehen, d.h. Meldung an das Jugendamt und weitere Erhebungen im Dienste der Strafjustiz, möglich.
Zu Frage 6:
Gemäß dem Sicherheitspolizeigesetz kann die Polizei schon vor Beginn eines gefährlichen Angriffs zur Vorbeugung tätig werden, sofern eine Straftat wahrscheinlich ist. Allerdings müssen in diesem Fall bereits hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, daß eine Straftat vorbereitet wird.
Noch zeitlich davor einsetzende Präventionsmaßnahmen lägen nicht innerhalb der gesetzlichen Befugnisse der Polizei.
Zu Frage 7:
In jedem Fall einer Kindesmißhandlung wird das Jugendamt eingeschaltet. Danach kann die Polizei nur noch im Auftrag der Strafjustiz tätig werden.
Zu Frage 8:
Einem derartigen Hinweis wird insofern nachgegangen, als ermittelt wird, ob bzw. inwieweit dieser Hinweis den Tatsachen entspricht. Ist dies der Fall, entspricht das weitere Verhalten der in Frage 7 geschilderten Vorgangsweise.
Zu Frage 9:
Ein besonderes Polizeibewußtsein in Fällen von Kindesmißhandlung wird, zusätzlich zum Lehrfach "Angewandte Psychologie", in den Seminaren "Gewalt in der Familie" geschult und gefördert.
Zu Frage 10:
Psychologische Schulung zu derartigen Befragungen ist nicht im Lehrplan des Gegenstandes "Angewandte Psychologie" enthalten. Im Rahmen anderer Lehrveranstaltungen wird jedoch speziell die soziale Kompetenz derjenigen Beamten, die vorwiegend mit Fällen von Kindesmißhandlungen betraut werden, für die Befragung mißhandelter Kinder bzw. deren Eltern erweitert und geschult.
Zu Frage 11:
Eine "Supervision" für Eltern wird ho. nicht angeboten.
Zu Frage 12:
Es existiert eine allgemeine Opferstatistik, aufgeschlüsselt nach Alter und Geschlecht, wobei u.a. folgende Delikte erfaßt sind: Körperverletzung, Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, junger oder wehrloser Personen und geschlechtliche Nötigung. Allerdings gibt diese Statistik keinen Aufschluß über Kindesmißhandlungen im Familienbereich. Eine Aussage über eine besondere Betroffenheit von Mädchen bei Kindesmißhandlung in der Familie kann daher nicht getroffen werden.
Dr. EINEM eh.