12/ABPR XX.GP
Die Abg. Edeltraud Gatterer richtete am 14. Mai 1997 gemäß § 89 GOG an
den Präsidenten des Nationalrates eine schriftliche Anfrage, die fol-
genden Wortlaut hatte:
1. Welche spezifischen Maßnahmen für Gehörlose wurden bisher seitens
der Parlamentsdirektion gesetzt ?
2. Wie viele Parlamentsübertragungen/Berichterstattungen aus dem Par-
lament wurden/werden bisher in die Gebärdensprache übersetzt oder
mit Untertiteln versehen ?
3. Wie hoch ist dieser Anteil im internationalen Vergleich ?
4. Würden Sie sich bereit erklären, an den Österreichischen Rundfunk in
geeigneter Form heranzutreten, daß bei der Übertragung von Par-
lamentssitzungen bzw. bei der Berichterstattung über einzelne Par-
lamentssitzungen auch eine gehörlosengerechte Übertragung in Form
der Gebärdensprache erfolgt ?
5. Gibt es bis dato der Gebärdensprache kundige Mitarbeiter in der Par-
lamentsdirektion ?
6. Können Sie sich vorstellen, für Mandatare bzw. Mitarbeiter des
Hauses einen Gebärdensprachkurs im Parlament anzubieten, um die
direkte Kommunikation zu den Gehörlosen
entscheidend zu verbessern ?
Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten, wobei ich
zunächst einige Vorbemerkungen machen möchte:
1.
Seit Mitte der achtziger Jahre wird laufend an der behindertengerechten
Gestaltung sowohl des Zentralgebäudes als auch der Nebengebäude des
Parlaments - nach Maßgabe der budgetären Möglichkeiten - gearbeitet.
* Um das Parlamentsgebäude wurden bei den Gehsteigen behinderten-
gerechte Abrampungen zur Straße hin vorgenommen (1987).
* Im Vestibül Schmerlingplatz Mitte wurde eine behindertengerechte
Rampenkonstruktion montiert (1987).
* Errichtung von zwei Behindertenparkplätzen (1987 und 1990) im
Bereich der Parlamentsparkplätze.
* Errichtung von behindertengerechten Aufzugsanlagen, und zwar beim
Tor Schmerlingplatz Mitte (1988) und im Besucherfoyer (1994). Im
Gebäude Reichsratsstraße 1 (1994) sind zwei, im Gebäude Reichsrats-
straße 9 (1985) drei behindertengerechte Aufzugsanlagen eingebaut
worden.
* Im Zentralgebäude wurden bisher insgesamt sieben behinderten-
gerechte WC-Anlagen eingebaut. Je eine Anlage befindet sich im
Gebäude Reichsratsstraße 1 und im Gebäude Reichsratsstraße 9.
(Umbauarbeiten 1985, 1987, 1988, 1994).
* Im Sitzungssaal des Nationalrates wurden ein behindertengerechtes
höhenverstellbares Rednerpult sowie ein Wendeltreppenlift und eine
wegklappbare Rampenanlage installiert (1987).
* Installierung einer Schwerhörigeneinrichtung auf der Galerie des
Nationalrats-Sitzungssaales (1990).
* Schaffung von vier Besucherplätzen für Rollstuhlfahrer am Balkon des
Nationalrats-Sitzungssaales (1990).
* Im Sitzungssaal des Bundesrates wurde ebenfalls ein behinderten-
gerechtes höhenverstellbares Rednerpult eingebaut (1991).
* Anschaffung von zwei Krankenfahrstühlen (zusammenklappbare Roll-
stühle) (1995)
* Installierung einer halbautomatischen Türöffnungsanlage im Bereich
des Grünen Klubs (1996).
In der 102. Sitzung des Nationalrates vom 28. Jänner 1993 wurde der
Einzelbericht des Petitionsausschusses über die Petition Nr. 36,
überreicht von den Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Mag. Walter
Guggenberger, Dr. Helene Partik-Pablé und Manfred Srb, betreffend die
Anerkennung der Gebärdensprache Gehörloser in Österreich behandelt und
die Debatte hierüber in Gebärdensprache übersetzt (Stenographische
Protokolle vom 28. und 29. Jänner 1993, XVIII. GP, Seiten 11789 bis
11807). Im Zuge der Verhandlungen wurde eine Entschließung verabschiedet,
auf deren Basis von der Bundesregierung ein umfangreicher Bericht (III-
188 der Beilagen, XVIII. GP) erstellt wurde.
III.
Im Rahmen einiger Veranstaltungen wurde darüber hinaus auf die Integra-
tion von Behinderten eingegangen, so erfolgte
* am 29. Oktober 1996 eine Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Georg
Feuser zum Thema „Zum Verhältnis von Menschenbild und Integration -
geistig Behinderte gibt es nicht!“,
* am 15. April 1997 ein Workshop „Politiker malen mit behinderten
Kindern“,
* darüber hinaus am 20. März 1997 die Überreichung einer Petition des
österreichischen Gehörlosenverbandes an den Präsidenten des Natio-
nalrates.
Zu den Fragen im einzelnen:
Zur Frage 1:
Auf der Galerie des Nationalratssitzungssaales wurde - wie bereits ausge-
führt - eine Schwerhörigeneinrichtung installiert.
Zur Frage 2:
In der 102. Sitzung des Nationalrates vom 28. und 29. Jänner 1993, XVIII.
GP, wurde ein Teil der ‚1erhandlungen in die Gebärdensprache übersetzt
(siehe Punkt II).
Abgesehen davon fand die Gebärdensprache noch keine Verwendung bei
Palamentsübertragungen/Berichterstattungen; auch Untertitel kamen bis-
lang nicht zum Einsatz.
Zur Frage 3:
Eine Umfrage unter 11 EU-Parlamenten sowie dem Schweizer Parlament ergab,
daß in keinem dieser Parlamente Bestimmungen über die Übersetzung von
Parlamentsübertragungen bzw. Berichterstattungen in Gebärdensprache
existieren.
Im finnischen Parlament können gehörlose Sachkundige oder Gutachter in
den Ausschüssen einen Dolmetscher der Gebärdensprache benützen.
Im Deutschen Bundestag übernimmt die Bundestagsverwaltung die Kosten
eines Dolmetschers für gehörlose Besucher.
Im englischen Parlament werden Dolmetscher auf Kosten der Besucher zur
Verfügung gestellt.
Zur Frage 4:
Ja. Ich muß allerdings hinzufügen, daß aufgrund der verfassungsgesetzlich
verankerten Unabhängigkeit des ORF die Art der Berichterstattung über
Sitzungen des Nationalrates in die Eigenverantwortung des ORF fällt,
wobei der Präsident des Nationalrates zwar über die Erlaubnis zur
Berichterstattung entscheidet, aber nicht bestimmte Formen der Berichter-
stattung vorschreiben kann.
Zur Frage 5:
Die Parlamentsdirektion verfügt - nach den mir vorliegenden Informationen
- über keinen der Gebärdensprache
kundigen Mitarbeiter.
Zur Frage 6:
Für den Fall, daß eine Mindestanzahl von Mandataren bzw. Mitarbeitern
Interesse für die Teilnahme an einem Gebärdensprachkurs bekundet, wäre
ich gerne bereit, einen solchen im Wege der Parlamentsdirektion organi-
sieren zu lassen.