26/ABPR XX.GP
ANFRAGEBEANTWORTUNG
Die Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen haben am 26. Februar 1998 an den
Präsidenten des Nationatrates eine schriftliche Anfrage betreffend Durchführung der Ent -
schließung „Stellungnahmen zu Gesetzesvorschlägen“ aus der IX. GP (463 d.B.) gerichtet,
die folgende Fragen enthält:
„1. Welche weiterführenden Maßnahmen wurden seitens der Parlamentsdirektion und der
Ministerien im Zusammenhang mit der Verteilung der Stellungnahmen zu Gesetzes -
entwürfen im Hause seit der Entschließung von der IX. GP 463 d.B. getroffen?
2. Welcher Verteilerschlüssel wird für die Vergabe der 25 Kopien im Nationalrat an -
gewendet. Wie sieht der genaue Bezieherkreis im Hause aus?
3. Wird der ‚Stand‘ der Stellungnahmen mittels Direktkontakt zu dem betroffenen
Ministerium kontrolliert?
4. Wird eine Versandliste des betreffenden Ministeriums der zu Abgabe einer Stellung -
nahme eingeladenen Institutionen an das Parlament übermittelt?
5. Sollte auf dem Verteiler der Stellungnahme nicht "25 Kopien für das Parlament" an -
geführt sein, übermittelt dann das jeweilige Ministerium automatisch die Stellung -
nahmen?
6. Wie erklären Sie sich, daß gewisse Stellungnahmen dem Parlament vorliegen und
dem Ministerium nicht?
7. Wie erklären Sie sich, daß gewisse Stellungnahmen den Abgeordneten vorliegen und
nicht der Parlamentsdirektion?
8. Wie erklären Sie sich, daß gewisse Stellungnahmen der Parlamentsdirektion vorliegen
und dem Klub nicht?
9. Besteht eine effektive Zeitgleichheit beim Entwurfversand durch die Ministerien an die
begutachtenden Stellen und an den Nationalrat? Wenn nein, warum?
10. Wie erklären Sie sich die lückenhafte Übermittlung der Stellungnahmen an das Par -
lament?
11. Wie beurteilen Sie die Haltung des Landes Oberösterreich bei der Verteilung der
Stellungnahmen? Wie sieht die verfassungsrechtliche Basis für die gesamte Ent -
schließung tatsächlich aus?
12. Wie ist der chronologische Ablauf der Verteilung ab Einlangen per Post im Hause?
Welche Abteilungen durchlaufen diese Stellungnahmen? Welche Rolle haben die je -
weiligen Ausschußeingeteilten der Parlamentsdirektion?
13. Welche Schritte gedenken Sie zu setzen, um künftig eine lückenlose und zeitgerechte
Zustellung der Gesetzesentwürfe und Stellungnahmen gewährleisten zu können?“
Ich darf zum Gegenstand der Anfrage zunächst wie folgt Stellung nehmen:
Die vom Nationalrat am 6. Juli 1961 gefaßte Entschließung fordert die Bundesregierung auf,
„darauf hinzuwirken, daß
a) die zur Begutachtung an die vorberatenden Körperschaften und Zentralstellen ver-
sendeten Gesetzentwürfe von den mit der Ausarbeitung befaßten Bundesministerien
dem Präsidium des Nationalrates künftig in solcher Anzahl übermittelt werden, daß
sowohl die Mitglieder und Ersatzmitglieder des zuständigen Ausschusses des Na -
tionalrates als auch die parlamentarischen Klubs damit beteilt werden können, und
daß
b) auch die Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen, die insbesondere von den Landes -
regierungen und Interessenvertretungen bei den zuständigen Bundesministerien ein -
langen, in der gleichen Anzahl dem Präsidium des Nationalrates zugeleitet werden.“
Der Adressat dieser Entschließung ist - wie aus dem Text eindeutig hervorgeht - die
Bundesregierung, der daher auch die Beobachtung dieser Entschließung obliegt. Ich sehe
aber in der Übermittlung der zur Begutachtung versandten Ministerialentwürfe und der im
Begutachtungsverfahren ergehenden Stellungnahmen an den Nationalrat bzw. an die par -
lamentarischen Klubs eine wichtige Quelle der Information im Interesse einer
sachorientierten Vorbereitung des parlamentarischen Gesetzgebungsprozesses. Ich bin
daher auch schon bisher bestrebt gewesen, die Vollständigkeit dieser Information nach Mög -
lichkeit zu gewährleisten. So ist im Jahre 1991 auf meine Initiative hin das in der gegen -
ständlichen Anfrage erwähnte Rundschreiben des Bundeskanzleramtes - Verfassungsdienst
an die Bundesministerien ergangen, mit welchem diese neuerlich zur Beachtung der Ent -
schließung vom 6. Juli 1961 eingeladen worden sind.
Die Vielzahl der begutachtenden Stellen, die nicht zum Adressatenkreis dieser Ent -
schließung zählen, ist damit aber naturgemäß nicht direkt angesprochen. Diese Stellen
werden jeweils im Einzelfall von dem einen Ministerialentwurf aussendenden Bundes -
ministerium in der Begleitnote zu diesem Entwurf dazu aufgefordert, 25 Exemplare ihrer
Stellungnahme dem Präsidium des Nationalrates
zuzuleiten.
Eine unmittelbare Einflußmöglichkeit auf diese Stellen besteht nicht; ich gehe aber grund -
sätzlich davon aus, daß es die begutachtenden Stellen als in ihrem Interesse gelegen be -
trachten, daß ihre Stellungnahmen zu Ministerialentwürfen möglichst frühzeitig auch den
Organen der Bundesgesetzgebung vorliegen.
Die beim Präsidium des Nationalrates einlangenden Stellungnahmen werden durch die
Parlamentsdirektion an die parlamentarischen Klubs weitergeleitet. Diese Weiterleitung ist,
wie ich der von mir eingeholten Stellungnahme der Parlamentsdirektion zur gegen -
ständlichen Anfrage entnehme, auch in dem in der Anfrage herangezogenen Beispielsfall
vollständig erfolgt: Die Stellungnahme der Wirtschaftskammer Österreich ist am 13. Jänner
1998 an die Klubs verteilt worden. Überdies ist von den weiteren erwähnten Stellungnahmen
jene des Allgemeinen Krankenhauses Wien durch die Parlamentsdirektion am 7. Jänner
1998 an die Klubs verteilt worden. Die Erfahrung zeigt allerdings, daß - offenkundig durch
unklare klubinterne Verteilungsstrukturen bedingt - bei den zuständigen Bediensteten der
Parlamentsdirektion immer wieder Anfragen nach dem Einlangen bereits verteilter
Ministerialentwürfe und Stellungnahmen eingehen.
Um die Vollständigkeit der Übermittlung der in einem Begutachtungsverfahren abgegebenen
Stellungnahmen an das Präsidium des Nationalrates bzw. an die Parlamentsdirektion in
noch höherem Maße als bisher sicherstellen zu können, werden derzeit Überlegungen an -
gestellt, um ein System der Gegenkontrolle zwischen dem jeweils zuständigen Bundes -
ministerium und der Parlamentsdirektion einzurichten. Diese Beratungen sind noch nicht
abgeschlossen.
Die einzelnen Fragen beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1
Die im Gegenstand ergangenen Rundschreiben des Bundeskanzleramtes - Verfassungs -
dienst halten die Bundesministerien dazu an, in der jeweiligen Begleitnote zu einem zur Be -
gutachtung ausgesandten Ministerialentwurf auf die Entschließung des Nationalrates vom 6.
Juli 1961 hinzuweisen und die begutachtenden Stellen dazu aufzufordern, jeweils 25
Exemplare ihrer Stellungnahme direkt an das
Präsidium des Nationalrates zu übermitteln.
Zu Frage 2:
In der 4. Sitzung der Präsidialkonferenz am 5. März 1996 ist Einvernehmen darüber her -
gestellt worden, daß die im Rahmen des Begutachtungsverfahrens einlangenden Materialien
nach folgendem Schlüssel zwischen den parlamentarischen Klubs verteilt werden:
SPÖ 7
ÖVP 6
FPÖ 4
Liberales Forum 2
Grüne 2
Zu Frage 3:
Bislang nicht; es wird jedoch, wie einleitend ausgeführt, überlegt, ein solches Kontrollsystem
einzurichten.
Zu Frage 4
Dies geschieht in der Regel nicht, wobei darauf hinzuweisen ist, daß dies in der Ent -
schließung aus 1961, welche die Grundlage der Versendungspraxis darstellt, auch nicht ge -
fordert wurde. Vielleicht sollte daher überlegt werden, die Entschließung aus dem Jahre
1961, die nunmehr fast 37 Jahre alt ist, durch eine zeitgemäße, den heutigen Anforderungen
in bezug auf das Begutachtungsverfahren Rechnung tragende Entschließung zu ersetzen.
Zu Frage 5:
Nein.
Zu den Fragen 6 und 7:
Solche Fälle können nur darauf zurückzuführen sein, daß eine begutachtende Stelle ihre
Stellungnahme im Einzelfall nicht, wie dies der Aufforderung in der Begleitnote zum
Ministerialentwurf entspräche, dem Bundesministerium und parallel dazu dem Präsidium des
Nationalrates zugemittelt hat, sondern in Einzelfällen eine „individuelle“ Vorgangsweise bei
der Versendung von Stellungnahmen praktiziert.
Zu Frage 8:
Wie einleitend ausgeführt werden konnte, werden alle an das Präsidium des Nationalrates
ergehenden Stellungnahmen durch die Parlamentsdirektion an die Klubs verteilt; mir per -
sönlich ist kein Beispiel bekannt, wo eine Stellungnahme, die in der Parlamentsdirektion
einlangte, nicht auch an die Klubs weitergegeben wurde. Sollten diesbezügliche Beispiele
genannt werden, müßte geprüft
werden, ob tatsächlich im Einzelfall eine Weitergabe durch
die Parlamentsdirektion unterblieben ist oder ob die Weitergabe durch die Parlaments -
direktion nachgewiesen werden kann und die Kommunikation in dem betreffenden Klub nicht
funktioniert hat.
Zu Frage 9
Grundsätzlich versenden die Bundesministerien die Ministerialentwürfe gleichzeitig an die
begutachtenden Stellen und an das Präsidium des Nationalrates.
Zu Frage 10:
Dies kann nur damit erklärt werden, daß die in den Begleitnoten zu Ministerialentwürfen
regelmäßig enthaltene Aufforderung zur Übermittlung von 25 Exemplaren der jeweiligen
Stellungnahme an das Präsidium des Nationalrates seitens der begutachtenden Stellen in
einzelnen Fällen nicht erfolgt.
Zu Frage 11:
Mir ist der Wortlaut der „mündlichen Auskunft“ des Landes Oberösterreich (an die Anfrage -
steller?) nicht bekannt und ich kann daher dazu nicht Stellung nehmen.
Sollte diese mündliche Aussage lauten, daß der Nationalrat nicht die Kompetenz hat, den
Ländern „Weisungen zu erteilen“, dann ist dazu festzuhalten, daß es nicht darum geht, den
begutachtenden Stellen „Weisungen zu erteilen“ (der Nationalrat könnte z.B. auch den
Interessensvertretungen und vielen anderen Institutionen keine Weisungen erteilen),
sondern daß man davon ausgehen kann, daß eine im Gesetzgebungsverfahren von einer
zur Begutachtung eingeladenen Institution abgegebene Stellungnahme auch dem Gesetz -
geber bekannt sein sollte. Sollte es die betreffende Institution unter ihrer Würde befinden,
eine Stellungnahme dem Nationalrat zu übermitteln, dann wird damit die Wahrscheinlichkeit,
daß der Inhalt dieser Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren Berücksichtigung findet,
nicht vergrößert werden.
Zu Frage 12:
Die im Rahmen des Begutachtungsverfahren einlangenden Materialien werden in der Ab -
teilung L3.4 der Parlamentsdirektion erfaßt und durch das Expedit der Parlamentsdirektion
verteilt; im Rahmen der Verteilung wird ein Exemplar an den jeweils sachlich zuständigen
Ausschußreferenten der
Parlamentsdirektion zur Information übermittelt.
Zu Frage 13:
Ich darf zur Beantwortung dieser Frage zunächst auf meine einleitenden Ausführungen so -
wie auf die Beantwortung der Frage 3 verweisen. Weiters werde ich einer der nächsten
Präsidialkonferenzen die Frage aufwerfen, ob die Entschließung betreffend das Begut -
achtungsverfahren aus 1961 neu gefaßt und im Zusammenhang mit einem geeigneten Ver -
handlungsgegenstand in zeitgemäßer und aktueller Weise neu beschlossen werden soll.
Schließlich werde ich das Bundeskanzleramt ersuchen, in einem neuerlichen Rundschreiben
alle begutachtenden Stellen darauf hinzuweisen, daß es in ihrem ureigensten Interesse
gelegen ist, Stellungnahmen im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens auch an das Präsidium
des Nationalrates und damit an die mit der Endformulierung eines Gesetzestextes in ent -
scheidender Weise befaßten parlamentarischen Klubs zu übermitteln.