52/ABPR XX.GP

 

ANFRAGEBEANTWORTUNG

 

Die Abgeordneten Apfelbeck und Genossen haben am 27. Mai 1999 an den Präsidenten des

Nationalrates eine parlamentarische Anfrage betreffend Infragestellung des Interpellations -

rechtes gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

 

1. Ist Ihnen der Inhalt der an die Vorsitzende des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshof-

ausscnusses gerichteten Note des Bundesministers für Inneres vom 26. April 1999, Zl. 24.017/10 -

BM/99 bekannt?

Wenn ja. seit wann?

 

2. Wie beurteilen Sie die darin wiedergegebenen Ausführungen des Bundeskanzleramtes (Ver  -

fassungsdienst) zum Amtsgeheimnis und zum Grundrecht auf Datenschutz?

 

3. Werden Sie das Bundeskanzleramt darauf hinweisen, daß § 33 Abs. 4 und 5 GOG - NR nicht mehr

dem Rechtsbestand angehören?

 

4. Teilen Sie insbesondere die Aussage, daß Art. 52 Abs. 1 B - VG keine Ermächtigung oder Ver -

pflichtung zur Durchbrechung der Amtsverschwiegenheit durch die Mitglieder der Bundesregierung im

Falle der Interpellation bewirke?

Wenn ja, auf Grund welcher Erwägungen?

Wenn nein, welche Veranlassungen werden Sie treffen?

 

5. Welche grundsätzlichen Konsequenzen leiten Sie aus den Ausführungen des Bundeskanzleramtes

im Hinblick auf das Interpellationsrecht ab?

 

6. Teilen Sie die Auffassung. daß das Interpellationsrecht ein unverzichtbares parlamentarisches

Kontrollinstrument darstellt?

Wenn ja, welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die Einschränkungen dieses Rechts zu ver-

hindern?

Wenn nein, warum nicht?

 

7. Teilen Sie die Auflassung. daß das Interpellationsrecht im Verhältnis zur Amtsverschwiegenheit

eine lex specialis darstellt?

Wenn ja, welche Schlußfolgerungen ziehen Sie daraus?

Wenn nein, warum nicht und welche Auffassung vertreten Sie im Zusammenhang mit dem Verhältnis

vom Interpellationsrecht zur Amtsverschwiegenheit?

 

8. Teilen Sie die Auffassung. daß die derzeitige Geschäftsordnungsbestimmungen für das Verfahren

des Ständigen Unterausschuß des Rechnungshofausschusses nicht ausreichen?

Wenn ja, inwieweit?

Wenn nein, warum nicht?

 

9. Werden Sie dafür eintreten, die Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend zu ändern?

Wenn ja, welche konkreten Änderungen halten Sie für wünschenswert?

Wenn nein, warum nicht?

10. Teilen Sie die Auffassung, daß dieser Ständige Unterausschuß seine Aufgaben wirklich erfüllen

kann, obwohl er nach der von Ihnen bisher vertretenen Auffassung die Mitglieder der Bundes-

regierung nur um die Einleitung von Erhebungen ersuchen oder Sachverständige oder andere Aus-

kunftspersonen zur mündlichen oder schriftlichen Äußerung einladen darf?

Wenn ja. auf Grund welcher Erwägungen kommen Sie nach den bisherigen Erfahrungen zu dieser

Auffassung?

Wenn nein, welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

 

Zu Frage 1:

 

Die in Frage 1 zitierte Note des Bundesministers für Inneres erging im Zusammenhang mit

meinem Schreiben vom 16.2. 1999, mit dem ich ein Schreiben der Vorsitzenden des

Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses im Sinne der Bestimmungen

des § 40 Abs. 1 GOG - NR dem Bundesminister für Inneres übermittelt habe. Da das Antwort-

schreiben des Innenministers nach meinem Informationsstand direkt an die Vorsitzende des

Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses gerichtet war, habe ich vom

Antwortschreiben erst im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Beantwortung der ge -

genständlichen Anfrage Kenntnis erhalten.

 

Zu Frage 2:

 

Zunächst einmal ist festzuhalten, daß die gegenständliche Stellungnahme des Bundes -

ministers für Inneres auf Grund eines Beschlusses des Ständigen Unterausschusses des

Rechnungshofausschusses (StUARH) gemäß § 40 Abs. 1 iVm § 35 Abs. 7 GOG-NR erfolgt

ist. Demgemäß haben die Ausschüsse (und auf Grund § 35 Abs. 7 leg. cit. die Unter-

ausschüsse) das Recht, durch den Präsidenten des Nationalrates die Mitglieder der Bundes-

regierung um die Einleitung von Erhebungen zu ersuchen. Die Stellungnahme ist daher nicht

im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage auf Grund des Art. 52 B-VG erfolgt.

 

Es ist daher zu prüfen, ob der Bundesminister für Inneres auf Grund der Einladung zur

Äußerung gemäß § 40 Abs. 1 GOG-NR gehalten war, die verlangten Auskünfte zu erteilen

oder ob der Auskunft die Pflicht zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit und des Daten-

schutzes entgegenstand.

 

Konkret hat der Bundesminister gemäß Art. 20 Abs. 3 B - VG eine Interessensabwägung vor-

zunehmen, ob die Amtsverschwiegenheit über die gegenständliche Frage geboten war, weil

deren Geheimhaltung im Interesse der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der um-

fassenden Landesverteidigung. der auswärtigen Beziehungen etc. gelegen war.

Weiters war zu prüfen, ob der Erteilung der Auskunft das Grundrecht auf Datenschutz ent -

gegenstand. Gemäß § 1 Datenschutzgesetz (DSG) BGBl. 565/1978 idgF hat jedermann An -

spruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten1 soweit er daran

ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf Achtung seines Privat - und

Familienlebens hat. Beschränkungen dieses Rechtes sind nur auf Grund von Gesetzen

zulässig. Auch im Falle solcher Beschränkungen muß der vertraulichen Behandlung per -

sonenbezogener Daten der Vorrang gegeben werden. Eine darüber hinausgehende

.Beurteilung“ eines Gutachtens des Verfassungsdienstes zählt nicht zu den Aufgaben des

Präsidenten des Nationalrates.

 

Zu Frage 3:

 

Ja.

 

Zu den Fragen 4 .5 und 7:

 

Gemäß der in Czerny - Fischer, Kommentar zur Geschäftsordnung des Nationalrates, ge -

äußerten Rechtsmeinung darf die Pflicht zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit gegenüber

den Kontrollrechten des Nationalrates und seiner Abgeordneten nicht generell ins Treffen

geführt werden, da die Kontrollrechte gemäß Art. 52 B - VG gegenüber Art. 20 B - VG eine lex

specialis darstellen und überdies die Möglichkeit besteht - wenn besonders schwerwiegende

Interessen dies gebieten -, im Einzelfall unter Angabe von Gründen die inhaltliche Beant -

wortung einer Anfrage zu verweigern. Diese Auffassung wurde von einzelnen Vertretern der

Lehre allerdings bestritten (vgl. z.B. Mayer, B - VG, 2. Auflage, S. 207).

Nach meiner persönlichen Auffassung ist es die Verpflichtung eines befragten Regierungs -

mitgliedes, Gründe für die Nichtbeantwortung einer Anfrage anzugeben, wenn ihm die Er -

teilung der gewünschten Auskunft aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht möglich

erscheint. Es ist sodann Angelegenheit des Nationalrates, gegebenenfalls über die Triftigkeit

dieser Gründe zu befinden. Dem Präsidenten des Nationalrates kommt aufgrund der gege -

benen Rechtslage keine Befugnis zu, in einem solchen Fall "Konsequenzen" zu ziehen.

Zu Frage 6:

 

Da das Interpellationsrecht in der Bundesverfassung verankert ist, ist es ein verfassungs -

konformes und daher unverzichtbares Kontrollinstrument, das auch von Abgeordneten aller

Parlamentsfraktionen in intensiver Weise genutzt wird. Ich darf in diesem Zusammenhang

darauf hinweisen1 daß im Jahr 1995 1826 (davon 30 dringliche) schriftliche Interpellationen

eingebracht und beantwortet wurden, im Jahr 1996 wurden 1726 (davon 25 dringliche) Inter -

pellationen eingebracht und beantwortet. Im Jahr 1997 wurden 1759 (davon 17 dringliche)

Interpellationen eingebracht und beantwortet und im Jahr 1998 2036 (davon 17 dringliche)

Interpellationen eingebracht und beantwortet.

 

In den ersten 5 ½ Monaten des heurigen Jahres (bis zum 15. Juni 1999) wurden 898

Anfragen eingebracht. Ich glaube feststellen zu dürfen, daß in den allermeisten Fällen das

Kontrollinstrument „Parlamentarische Anfrage" in wirksamer Weise funktioniert hat.

In der laufenden Gesetzgebungsperiode wurde darüber hinaus bisher in 9 Fällen von der

Möglichkeit Gebrauch gemacht, über eine parlamentarische Anfragebeantwortung im

Nationalrat eine Besprechung zu erzwingen, wenn der Inhalt einer Anfragebeantwortung

unbefriedigend erscheint.

 

Ein noch schärferes Instrument des Nationalrates (das allerdings an einen Mehrheits -

beschluß gebunden ist) bestünde darin, die Feststellung zu treffen, daß eine Anfrage -

beantwortung nicht zur Kenntnis genommen wird.

 

Schließlich ist es in Einzelfällen auch zu Besprechungen in der Präsidialkonferenz

gekommen, wenn ein Mitglied der Präsidialkonferenz der Meinung war, daß eine Anfrage -

beantwortung unzureichend war bzw. die Anwendung eines Kontrollinstrumentes behindert

wurde. Dabei muß allerdings korrekterweise hinzugefügt werden, daß solche Diskussionen

in der Präsidialkonferenz nur unter extensiver Interpretation der Bestimmungen über den

Aufgabenbereich der Präsidialkonferenz möglich sind.

 

Zusammenfassend möchte ich zu diesem Punkt sagen, daß ich das Recht der Ab -

geordneten, an die Mitglieder der Bundesregierung Fragen zu stellen und entsprechende

Antworten zu erhalten, für ein fundamentales Recht der parlamentarischen Kontrolle halte.

Zu den Fragen 8 bis 10:

 

Der Ständige Unterausschuß des Rechnungshofausschusses wurde mit der Geschäfts -

ordnungsreform 1993 eingeführt. Der Beschlußfassung sind wie üblich Beratungen in einem

Geschäftsordnungskomitee, bestehend aus den Mitgliedern der Präsidialkonferenz sowie

weiteren Vertretern der parlamentarischen Fraktionen und Experten der Parlamentsdirektion

vorangegangen. Schon bei diesen Beratungen hat sich gezeigt, daß die Interessen der ein -

zelnen Fraktionen hinsichtlich der Ausgestaltung dieses neuen und zusätzlichen Kon -

trollinstrumentes unterschiedlich waren. Schließlich ist es aber gelungen, eine Formulierung

zu erarbeiten, die vom Nationalrat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit zum Beschluß

erhoben wurden. In diesem Zusammenhang kann auch festgestellt werden, daß Nationalrat

diesem neuen Ständigen Unterausschuß in der XX. Gesetzgebungsperiode bisher vier

Prüfungsaufträge erteilt hat. Wenn die Abgeordneten der Freiheitlichen Partei1 die die vor -

liegende Anfrage unterzeichnet haben, der Meinung sind, daß die Bestimmungen der

Geschäftsordnung betreffend das Verfahren des Ständigen Unterausschusses des

Rechnungshofausschusses verändert werden sollen, dann ist dies natürlich legitim.

Der Präsident des Nationalrates wird aber gut beraten sein, in einer solchen Diskussion nicht

Partei zu ergreifen - auch nicht in der Weise, daß er eine suggestiv gestellte Frage bejaht -

sondern er wird die bestehende Gesetzeslage akzeptieren und in seinem Wirkungsbereich

anwenden.

 

Dazu kommt, daß der Ständige Unterausschuß des Rechnungshofausschusses nicht unter

meinem Vorsitz steht, daß ich diesem Gremium nicht angehöre und daher auch keine per -

sönlichen Wahrnehmungen über die Arbeitsweise dieses parlamentarischen Unter -

ausschusses habe. Nach meinem Informationsstand liegt auch kein Initiativantrag vor, in

dem Abgeordnete, die dem Ständigen Unterausschuß des Rechnungshofausschusses

angehören, konkrete Vorschläge für eine Abänderung der Geschäftsordnung in diesem

Punkt unterbreitet hätten.