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Die Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen haben am 31.
Oktober 1996 an den Präsidenten des Nationalrates eine parlamentarische
Anfrage betreffend "Mißachtung der gesetzgebenden Körperschaften durch
die Bundesregierung " gerichtet, in der die nach stehenden Fragen gestellt
wurden :
1. Ist Ihnen bekannt, daß die Bundesregierung die Auszahlung der Ein -
malzahlung für 1996 bewußt vor der parlamentarischen Beschlußfassung
veranlaßt hat ?
Wenn ja, seit wann ?
2. Teilen Sie die Auffassung, daß diese Vorgangsweise ohne gesetzliche
Deckung erfolgte?
Wenn ja, welche Schlüsse ziehen Sie daraus ?
Wenn nein, warum nicht ?
3. Haben Sie die Bundesregierung oder einzelne Regierungsmitglieder auf
die Rechtswidrigkeit dieser Vorgangsweise hingewiesen?
Wenn ja, in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht ?
4. Teilen Sie die Auffassung, daß die in Rede stehende Vorgangsweise
Ausdruck einer Mißachtung der gesetzgebenden Körperschaft ist ?
Wenn ja, inwieweit ?
Wenn nein, warum nicht ?
5 . Welche Stellung beziehen Sie allgemein zur vermehrt feststellbaren
Praxis der Bundesregierung, Beschlüss der gesetzgebenden Körper -
schaften vorwegzunehmen?
6. Welche Schritte haben Sie gesetzt bzw. werden Sie Schritte setzen ,
um die dargestellte Praxis der Bundesregierung in der Zukunft zu
unterbinden?
Wenn ja, welche Veranlassungen haben Sie getroffen bzw. werden Sie
noch treffen ?
Wenn nein, warum nicht ?
Ich beantworte diese Anfragen wie folgt :
Zu Punkt 1 :
Dieser Sachverhalt ist mir durch eine parlamentarische Anfrage bzw. durch
die Anfragebeantwortung 842/AB bekannt .
Zu den Punkten 2 und 4 :
In einer schriftlichen Anfragebeantwortung durch den Herrn Bundeskanzler
vom August 1996 ( 842/AB ) hat dieser wörtlich dem Nationalrat folgendes
mitgeteilt :
" Mit dem ersten Strukturanpassungsgesetz , BGBl . Nr. 297/1995, wurde der
für 1995 ursprünglich mit einer Laufzeit bis 31. Dezember 1995 verein -
barte Lohnabschluß für den öffentlichen Dienst um drei Monate bis ein -
schließlich 31. März 1996 erstreckt. Bereits damit ist ein nicht
unbeträchtlicher Beitrag des öffentlichen Dienstes zu den notwendigen
Einsparungen geleistet worden .
Dem Lohnabschluß für 1996 und 1997 sind im Zusammenhang mit dem Struktur -
anpassungsgesetz 1996 schwierige, sowohl von den Vertretern der Bundesre -
gierung als auch von den Sozialpartnern mit größtem Verantwortungsbe -
wußt sein geführte Verhandlungen vorangegangen. Der Auszahlungstermin 1.
April 1996 für die Einmalzahlung 1996 war als Anerkennung für den bereits
geleisteten Beitrag des öffentlichen Dienstes zu den notwendigen Ein -
sparmaßnahmen gedacht und sollte eine unmittelbare Anbindung an den
erstreckten Lohnabschluß für 1995 ermöglichen.
Angesichts der Zustimmung der Dienstnehmervertretung zu einem Einspa -
rungsvolumen von 16 Milliarden Schilling wurde dabei deren Wunsch, die
Einmalzahlung im April zur Auszahlung zu bringen, berücksichtigt. Um den
Auszahlungstermin 1. April 1996 wahren zu können, mußte der Auszahlungs -
datenträger für die Einmalzahlung 1996 ( gemeinsam mit dem Monatsbezug der
Beamten für April 1996 ) am 15. März 1996 der Österreichischen Postspar -
kasse übergeben werden .
Die Überweisung der Einmalzahlung vor der parlamentarischen Beschlußfas -
sung ergibt sich aus dieser Sondersituation und ist nicht Ausdruck einer
Mißachtung der gesetzgebenden Körperschaften. Auch von einer ' Anmaßung '
gegenüber dem Parlament kann keine Rede sein. Im übrigen ist dies - so -
weit mir bekannt ist - von der überwältigenden Mehrheit der Abgeordneten
auch nicht so bewertet worden. "
Diese Anfragebeantwortung des Bundeskanzlers ist am 13. August im Natio -
nalrat eingelangt. Es hat nach Verteilung dieser Anfragebeantwortung an
alle Mitglieder des Nationalrates keine für mich wahrnehmbaren Reaktionen
gegeben ; insbesondere wurde die Anfragebeantwortung auch nicht zum Gegen -
stand einer Besprechung in einer Sitzung des Nationalrates gemäß § 92 GOG
gemacht. Dieser Sachverhalt kann jedenfalls so interpretiert werden, daß
die in der Anfragebeantwortung enthaltenen Ausführungen des Bundeskanz -
lers von den Mitgliedern des Nationalrates zur Kenntnis genommen wurden
oder zumindest nicht Anlaß für parlamentarische Reaktionen waren, aus
denen eine Notwendigkeit für Veranlassungen durch den Präsidenten des
Nationalrates abzuleiten gewesen wäre.
Dies ist auch der Grund, warum es - um auf Punkt 3 der Anfrage noch
besonders einzugehen - von meiner Seite keine Kontaktaufnahme mit Regie -
rungsmitgliedern gegeben hat.
Zu Punkt 3 :
Nein, im Hinblick auf die vorstehenden Beantwortungen zu Punkt 1 und zu
den Punkten 2 und 4.
Zu den Punkten 5 und 6 :
Ich nehme diese bei den Fragen zum Anlaß, um folgende grundsätzliche Fest -
stellungen zu treffen :
Es kommt immer wieder vor, daß zwischen Mitgliedern der Bundesregierung
und Vertretern der Opposition im Nationalrat in Fragen der Politik grund -
legende Meinungsverschiedenheiten bestehen, wie z.B. in Fragen der EU -
Politik, in Fragen des Sparpakets, in Fragen der Rolle der Sozialpartner,
in Fragen der Außen - und Sicherheitspolitik, in Fragen verschiedener
Reformbereiche etc.
Der Präsidenten des Nationalrates hat keine Handhabe, in diesen Angele-
genheiten gewissermaßen "Schiedsrichter" zwischen Regierung und Oppo-
sition zu sein.
Eine unerwünschte "Praxis" der Bundesregierung kann mit Hilfe des Art. 52
B-VG vom Nationalrat, nicht aber vom Präsidenten des National rates ,
"unterbunden" werden. Ein gangbarer Weg könnte in vergleichbaren Fällen
auch darin bestehen, ein Problem in der Präsidialkonferenz des
Nationalrates zu thematisieren und als Resümee einer solchen Diskussion
die Überlegungen der Mitglieder der Präsidialkonferenz an die Bundesre-
gierung oder das zuständige Mitglied der Bundesregierung heranzutragen.
Daß ich in solchen Fäl len zu einer vertrauensvol len Zusammenarbeit mit
den Mitgliedern der Präsidialkonferenz ebenso bereit bin wie ich bereit
bin, meinen Beitrag zu einer guten und konstruktiven Zusammenarbeit
zwischen Bundesregierung und Nationalrat zu leisten, bedarf keiner beson-
deren Betonung.