1051 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP
Ausgedruckt am 20. 1. 1998
Regierungsvorlage
Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an den Neuen Kreditvereinbarungen (New Arrangements to Borrow, NAB) mit dem Internationalen Währungsfonds
Der Nationalrat hat beschlossen:
§ 1. Die Oesterreichische Nationalbank wird ermächtigt, im Namen der Republik dem Internationalen Währungsfonds im Rahmen der Neuen Kreditvereinbarungen (New Arrangements to Borrow, NAB) einen Kredit von höchstens 412 Millionen SZR zu gewähren.
§ 2. Die Gewährung dieses Kredites wird vom Bundesminister für Finanzen nach Anhörung der Oesterreichischen Nationalbank beschlossen.
§ 3. Die Oesterreichische Nationalbank ist berechtigt, ihre aus diesem Kredit entstehende Forderung als Deckung des Gesamtumlaufes gemäß § 62 Abs. 1 Z 3 des Nationalbankgesetzes 1984, BGBl. Nr. 50, in der geltenden Fassung in ihre Aktiven einzustellen.
§ 4. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Finanzen betraut.
Vorblatt
Problem:
Durch die wachsende Liberalisierung der Kapitalmärkte und die steigende Verflechtung der weltweiten Finanzströme kann zunehmend eine kurzfristige wirtschaftliche Instabilität beziehungsweise Wechselkursschwäche in einem Land zu Auswirkungen auf die Stabilität des weltweiten Finanzsystems führen. Oft kann durch eine rasche Überbrückungshilfe das Vertrauen der Kapitalmärkte wiederhergestellt und so Finanzkrisen vermieden werden. Der IWF will daher seine Möglichkeiten, rasch zusätzliche Mittel von Mitgliedstaaten mobilisieren zu können, ausbauen, um rasch intervenieren zu können. Österreich als kleines, stark exportorientiertes Land ist daran interessiert, daß der IMF zur Stabilität der weltweiten Finanzmärkte beiträgt und soll daher zu diesem raschen Interventionsmechanismus durch einen Kredit an den IWF im Krisenfall beitragen.
Ziel:
Durch die Beteiligung an einer Vereinbarung über die eventuelle Bereitstellung eines Kredites an den IWF soll ein Beitrag zur Stabilität des weltweiten Finanz- und Währungssystems geleistet werden.
Inhalt:
Mit der gegenständlichen Gesetzesinitiative soll die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) zur Vergabe eines Kredites von höchstens 412 Millionen SZR (zirka 7,1 Milliarden Schilling) an den IWF ermächtigt werden. Die Verzinsung erfolgt marktmäßig. Der Beschluß über die Kreditvergabe erfolgt im Einzelfall durch den Bundesminister für Finanzen nach Anhörung der Oesterreichischen Nationalbank auf Aufforderung des IWF.
Alternativen:
Die Teilnahme an den New Arrangements to Borrow (NAB) ist freiwillig, somit kann auch von einer Teilnahme abgesehen werden. Für Österreich als kleine, offene Marktwirtschaft mit einer starken Verflechtung im internationalen Handel und Dienstleistungsverkehr ist die Stabilität des weltweiten Finanz- und Währungssystems jedoch von großer Bedeutung. Hiezu wird hier ohne Kosten ein Beitrag geleistet.
Kosten:
Keine. Es handelt sich um einen Kredit der Oesterreichischen Nationalbank mit marktmäßigen Zinsen, sodaß keine Budgetwirksamkeit entsteht. Die Verwaltung der Beteiligung an den NAB erfordert weder im Bundesministerium für Finanzen noch in der OeNB zusätzliche Kräfte.
Konformität mit dem EU-Recht:
Der gegenständliche Gesetzentwurf weist einen
Zusammenhang mit Art. 104 und 104b EG-V auf, in dem die Finanzierung des
Staates durch die Notenbanken verboten wird. Von dieser Bestimmung ausgenommen
sind Kredite an den IWF laut VO (EG) 3603/93, Art. 7, die ausführt,
in welchen Fällen kein Verstoß gegen Art. 104 und 104b
Abs. 1 EG-V vorliegt. Somit ist der vorliegende Gesetzentwurf
EU-rechtskonform. Dies bestätigt auch das Europäische
Währungsinstitut (EWI), das im Konsultationsverfahren
gemäß Art. 109f Abs. 6 EG-V und Art. 5.3 der
EWI-Satzung um Stellungnahme ersucht wurde.
Erläuterungen
Allgemeiner Teil
Einleitung:
Die Mexiko-Krise im Winter 1994 hat der internationalen Gemeinschaft vor Augen geführt, daß die wachsende globale Verflechtung der Handels- und Finanzströme dazu führen kann, daß kurzfristige Liquiditätsschwierigkeiten eines Landes einen so großen Umfang erreichen können, daß sie eine Bedrohung für die internationalen Finanzmärkte und somit für jedes Land, das – so wie Österreich – starke internationale Handels- und somit Finanzbeziehungen hat, darstellen.
Der IWF unterstützt Länder mit Zahlungsbilanzschwierigkeiten im Rahmen seiner Tätigkeit und hat dafür üblicherweise ausreichend Mittel. Die vorgeschlagene Fazilität sollte nur in außerordentlichen Krisensituationen zum Zuge kommen. Dies ist insbesondere dann vorstellbar, wenn die Krisensituation einen oder gar mehrere große Mitgliedstaaten des IWF betrifft. Da es sich in erster Linie um kurzfristige Überbrückungshilfen handeln soll, die jedoch – um die rasche vertrauensbildende Wirkung tatsächlich zu erzielen – auch punktuell sehr hoch sein können, ersucht der IWF seine relativ finanzstarken Mitgliedsländer um die Zusage einer Kreditlinie für solche außergewöhnliche Fälle.
New Arrangements to Borrow (NAB – Neue Kreditvereinbarung):
Seit den 60er Jahren haben sich die in der G-10 zusammenarbeitenden elf Industrieländer (sowie später auch Saudi-Arabien) gegenüber dem IWF zu einer außerordentlichen Kreditgewährung bereit erklärt, die zuletzt mit 17 Milliarden SZR [1]) begrenzt ist. Diese bestehende Kreditrahmenvereinbarung mit dem IMF (General Arrangements to Borrow – GAB) wurde seit Ende der 70er Jahre nicht mehr in Anspruch genommen. Die neue Kreditrahmenvereinbarung (NAB – New Arrangements to Borrow) soll zu einer Verdoppelung auf 34 Milliarden SZR führen, um eine Anpassung an die wachsenden Finanzströme zu gewährleisten. Deshalb hat am 27. Jänner 1997 das Exekutivdirektorium des Internationalen Währungsfonds die Schaffung einer neuen Kreditrahmenfazilität der Neuen Kreditvereinbarung beschlossen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß durch regelmäßige Überprüfung und Anpassung der IWF-Quoten – derzeit ist die elfte im Gange – dafür gesorgt wird, daß der IWF für seine „normalen“ Finanzierungen an Länder mit Zahlungsbilanzproblemen Mittel in realistischerweise als ausreichend zu beurteilendem Ausmaß zur Verfügung stehen. Diese Mittel – die Summe aller Quoten – betragen derzeit 145,3 Milliarden SZR. Der zusätzliche „Sicherheitspolster“ der GAB bzw. der NAB ist nur für außerordentliche, systembedrohende Krisen gedacht.
Österreichbezug:
Österreich beabsichtigt an dieser Kreditrahmenvereinbarung teilzunehmen, also bei einer Bedrohung der Stabilität des weltweiten Finanzsystems dem IWF kurzfristig Mittel als Kredit zur Verfügung zu stellen, sofern es dann nicht selbst unter Zahlungsbilanzschwierigkeiten leidet.
Es handelt sich, dies ist zu unterstreichen, nicht um eine Kapitalaufstockung des Währungsfonds, sondern um eine Zusage, in Fällen der Bedrohung für die Stabilität des internationalen Finanzsystems einen Kredit an den IWF zur Verfügung zu stellen. Dieser Kredit würde zu den üblichen IWF-Zinssätzen verzinst und hätte mit dem IWF einen erstklassigen Schuldner.
Weitere geplante Partner sind USA, Deutschland, Japan, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Italien, Kanada, Niederlande, Belgien, Schweden und Schweiz (= G-10) sowie assoziiert Saudi-Arabien, die bereits jetzt an den GAB teilnehmen, sowie Australien, Dänemark, Finnland, Hongkong, Korea, Kuwait, Luxemburg, Malaysien, Norwegen, Singapur, Spanien, Thailand. Eine Erweiterung ist möglich.
Das angestrebte Maximalvolumen beträgt 34 Milliarden SZR (= zirka 588 Milliarden Schilling), das durch einzelne Kreditrahmenverträge mit insgesamt 25 Staaten aufgebracht werden soll.
Die Verteilung auf die einzelnen Länder ist wie folgt:
Land Beitrag
in Millionen SZR in Prozent
Australien 810 2,4
Belgien 967 2,8
Dänemark 371 1,1
Deutschland 3 557 10,5
Finnland 340 1
Frankreich 2 577 7,6
Land Beitrag
in Millionen SZR in Prozent
Hong Kong Monetary Authority [2]) 340 1
Italien 1 772 5,2
Japan 3 557 10,5
Kanada 1 396 4,1
Kuwait 345 1
Luxemburg 340 1
Malaysien 340 1
Niederlande 1 316 3,9
Norwegen 383 1,1
Österreich 412 1,2
Saudi-Arabien 1 780 5,2
Schweden 859 2,5
Schweiz 1 557 4,6
Singapur 340 1
Spanien 672 2
Südkorea 340 1
Thailand 340 1
Vereinigte Staaten von Amerika 6 712 19,7
Vereinigtes Königreich 2 577 7,6
Summe 34 000 100
Die Höhe – bzw. das Verhältnis der bereitzustellenden Kredite – ergibt sich aus einer Gewichtung des Anteils am IWF (der aktuellen Quote) und des BIP-Schlüssels: Österreich soll einen maximalen Kredit von 412 Millionen SZR (zirka 7,128 Milliarden Schilling) gewähren.
Die Aktivierung der Vereinbarungen im Krisenfall erfolgt durch Beratungen der Teilnehmer an den NAB auf Anfrage des Internationalen Währungsfonds. Hier wird auch festgelegt, welche Höhe der Gesamtkredit an den Internationalen Währungsfonds haben soll und somit welche Beiträge die einzelnen Mitgliedstaaten leisten.
Um die Beobachtung des weltweiten Finanzsystems zu sichern, finden jährliche Treffen der NAB-Mitgliedstaaten statt, die die laufenden Entwicklungen auf den Märkten besprechen und allfällige Probleme in einem frühen Stadium erkennen sollen.
Besonderer Teil
Zu § 1:
Die Form eines Kredites der Oesterreichischen Nationalbank an den IWF wird gewählt, da ein Kredit dieser Art am besten im Rahmen des Instrumentariums der Notenbank beheimatet ist. Da der Schuldner der IWF ist, handelt es sich um ein erstklassiges Risiko, das der Politik der Nationalbank, Fremdwährungsbestände nur bei ersten Adressen zu veranlagen, entspricht. Die Verzinsung des IWF aus SZR entspricht Marktzinssätzen, sodaß es weder zu Ertragsschmälerungen für die OeNB noch zu einer anteiligen Verkürzung der Gewinnabfuhr an den Bund kommt.
Die mit dem Kredit verbundenen Bedingungen, soweit sie nicht im Gesetz bereits festgelegt sind, gründen auf dem Beschluß des Exekutivdirektoriums vom 27. Jänner 1997, der im internationalen Zahlungsverkehr übliche Modalitäten der Auszahlung, Rückzahlung, Fristenberechnung, Verzinsung und ähnliches mehr regelt.
Zu § 2:
In den Gremien der NAB wird über entstehende Krisensituationen und deren Bekämpfung, also auch über die Notwendigkeit einer Aktivierung beraten. Diese Beratungen werden vom Bundesminister für Finanzen und von der OeNB wahrgenommen, eine Entscheidung über die Vergabe des Kredites wird nach Anhörung der OeNB vom Bundesminister für Finanzen getroffen.
Zu § 3:
Da der Kredit seitens der OeNB auf Grund des gegenständlichen Gesetzes vergeben wird, soll in diesem Gesetz die Deckungswertigkeit der Forderung aus dieser potentiellen Kreditvergabe klargestellt werden.
[1]) (Sonderziehungsrecht, die Rechnungseinheit des IMF, 1 SZR = zirka 17,3 Schilling, Mittelkurs März 1997)
[2]) Die Hong Kong Monetary Authority nimmt – unabhängig von China – an dieser Vereinbarung teil, obwohl Hongkong kein Land ist. Dies spiegelt die Stärke der Stadt auf den Finanzmärkten wider.