1119 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP
Bericht
des Gleichbehandlungsausschusses
über den Antrag 370/A der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird
Die Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen haben diesen Initiativantrag am 13. Dezember 1996 eingebracht und wie folgt begründet:
“Mit dieser Gesetzesinitiative soll die sprachliche Gleichbehandlung von Mann und Frau in Gesetzgebung, Vollziehung und Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes sichergestellt werden. Die Sprache ist Spiegel des Bewußtseins. Eine bewußte sprachliche Gleichbehandlung kann daher zur Gleichberechtigung der Frau in allen jenen Bereichen, wo sie derzeit unterrepräsentiert ist, beitragen.
Diese Gesetzesinitiative ergeht im speziellen in Umsetzung der Empfehlung des Europarates No. R(90)4 vom 21. Februar 1990 zur Beseitigung von Sexismus in der Sprache, im allgemeinen in Umsetzung der UN-Konvention gegen jede Form der Diskriminierung der Frau, BGBl. Nr. 443/1982, und der Deklaration der Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking vom September 1995, worin sich die Mitgliedstaaten erneut verpflichtet haben, ,alles Erforderliche zu tun, um alle Formen der Diskriminierung von Frauen und Mädchen zu beseitigen, und alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die sich der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Förderung und Machtgleichstellung der Frau entgegenstellen‘. Mit der Vorherrschaft der männlichen Form in Gesetzestexten und der Verwaltungssprache wird die Vorherrschaft der Männer in den Bereichen der Politik, des öffentlichen Dienstes und der Wirtschaft bekräftigt.
Die neue Regelung ist an die Bundesgesetzgebung und die Bundesvollziehung als zwingende Norm gerichtet und geht dergestalt über den geltenden Art. 7 Abs. 3 B-VG hinaus, welcher nur in Zusammenhang mit konkreten Amtsinhaber/inne/n zur geschlechtsspezifischen Verwendung ihrer Amtsbezeichnung oder ihres Titels berechtigt.
Der geltende Art. 7 Abs. 3 B-VG, welcher 1988 eingeführt wurde, ,erlaubt‘ die Verwendung von Amtsbezeichnungen und Titeln in der geschlechtsspezifischen Form: ,Amtsbezeichnungen können in der Form verwendet werden, die das Geschlecht des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringen. Gleiches gilt für Titel.‘ Aus Anlaß einer Beschwerde von zwei Absolventinnen der Universität Wien, die die Verleihung des akademischen Titels der ,Magistra‘ ,einklagten‘, meinte der Verfassungsgerichtshof, daß in der Verwendung männlicher Formen für Frauen keine Gleichheitsverletzung (Art. 7 Abs. 1 und 2) liege. Jedoch berechtige Art. 7 Abs. 3 Personen, ,Amtsbezeichnungen bzw. Titel in der Form zu verwenden, die das Geschlecht des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringen.‘ (VfGH vom 19. März 1993, B 541/92-18 und B 1321/92-12). Dies zeigt eindeutig, daß der jüngste populäre Fall, die Landeshauptfrau von Steiermark, sich zu Recht so nennen und angesprochen werden darf. Gleichwohl meinen es einige besser zu wissen, was zu einer Verunsicherung der Amtsinhaberin und folgender Aussage geführt hat: ,Nennen Sie mich einfach Frau Klasnic!‘
Der Gesetzentwurf sieht aus zwei Gründen eine Ausformulierung der weiblichen Form zum Landeshauptmann vor: einerseits aus Anlaß der falschen Behauptungen, daß eine weibliche Form nicht verwendet werden dürfe, andererseits um von Verfassungs wegen aus den möglichen Feminisierungsformen (zB zur Alternative Landeshauptmännin wie Landsmännin) eine bundeseinheitliche Form vorzugeben. Letzteres gilt auch für die Nennung der Bezirkshauptfrau. (Auf Grund § 8 Abs. 5 lit. b Überleitungsgesetz 1920 gehören die Bezirksverwaltungsbehörden zu den bundesverfassungsgesetzlich vorgegebenen nachgeordneten Landesbehörden. Landeshauptleute und Bezirkshauptleute vollziehen ua. mittelbar Bundesgesetze.) Typischerweise bildet die Bildung der femininen Form keine Probleme (Bundespräsidentin, Bundeskanzlerin, Ministerin usw.), daher konnte ansonsten eine verfassungsgesetzliche Vorgabe unterbleiben.
Schon bisher hat es zahlreiche Bemühungen gegeben, die sprachliche Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Gesetzgebung und im Vollzug zu fördern. Im Jahre 1981 beschloß der Ministerrat eine Reihe von Maßnahmen zur sprachlichen Gleichbehandlung in diesen Bereichen (siehe Vortrag an den Ministerrat GZ 602 549/1-V/2/81). Die legistischen Richtlinien 1990 des Bundeskanzleramtes tragen die sprachliche Gleichbehandlung in Punkt 10 auf. Aus den einschlägigen Studien seien die ,Linguistischen Empfehlunge(n) zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frau und Mann im öffentlichen Bereich (Berufsbezeichnungen, Titel, Anredeformen, Funktionsbezeichnungen, Stellenausschreibungen)‘ von Ruth Wodak, Gert Feistritzer, Sylvia Moosmüller und Ursula Doleschal, hrg. in der Schriftenreihe zur sozialen und beruflichen Stellung der Frau, 16/1987, erwähnt. Der Gesetzgeber reagierte zB auch auf das Magistra-Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes. Seit der Novellierung des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes, BGBl. Nr. 523/1993, sind Absolventinnen die akademischen Grade in weiblicher Form zu verleihen (§ 34 Abs. 6). In einer Reihe von Gesetzen wird die sprachliche Gleichbehandlung beachtet. Allerdings erfolgt oft ein Rückgriff auf eine Generalklausel der Art, daß mit den männlichen Formen auch die Frauen gemeint seien. Nur wenige Gesetze verwenden eine lückenlose Ausformulierung der personenbezogenen Bezeichnungen für alle Normadressat/inn/en wie das Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz. Es erscheint daher notwendig, daß auch dem Gesetzgeber ein zwingender Gleichbehandlungsauftrag erteilt wird.
Dieser Gesetzentwurf sieht allerdings selbst zwei Arten von Relativierungen vor, und zwar die gesetzes- und verwaltungstechnische sowie die sprachliche Relativierung. Unter einer gesetzestechnischen Einschränkung ist ua. zu verstehen, daß natürlich bei einer bloßen Teilnovelle eine (echte) sprachliche Gleichbehandlung keinen Sinn macht. Verwaltungstechnisch ist etwa zu berücksichtigen, in welchen Zeitabständen neue Formulare gedruckt werden. Auf Grund dieser Art der Einschränkung mußte daher für diese B-VG-Novelle keine Legisvakanz vorgesehen werden. In sprachlicher Hinsicht stößt die sprachliche Gleichbehandlung mitunter bei zusammengesetzten Hauptwörtern auf ihre Grenzen (zB Bürger/innen/beteiligung).
Es wäre wünschenswert, daß die Länder eine analoge Regelung zu Art. 7 Abs. 3 B-VG in den Landesverfassungen vorsehen.”
Der Gleichbehandlungsausschuß hat den vorliegenden Antrag (370/A) in seiner Sitzung am 30. September 1997 erstmals in Verhandlung genommen.
Gemäß § 41 Abs. 2 GOG wurden die Verhandlungen über den gegenständlichen Initiativantrag, über das Frauen-Volksbegehren (716 der Beilagen) sowie über alle Anträge, die auf der Tagesordnung standen [545/A, 330/A(E), 462/A(E), 463/A(E), 480/A(E), 503/A, 509/A(E), 510/A(E), 511/A(E), 512/A(E), 518/A(E), 531/A(E) und 532/A(E)], zusammengefaßt.
Berichterstatterin im Ausschuß war Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander.
Nach den Berichterstattungen zu den einzelnen Verhandlungsgegenständen wurde die Einsetzung eines Unterausschusses zur Vorbehandlung aller Verhandlungsgegenstände einstimmig beschlossen.
Hinsichtlich der Mitglieder dieses Unterausschusses sowie hinsichtlich des Verlaufes der Unterausschußberatungen wird auf den Ausschußbericht über das Frauen-Volksbegehren in 1113 der Beilagen verwiesen.
In der Sitzung des Gleichbehandlungsausschusses am 1. April 1998 berichtete die Obfrau des Unterausschusses, Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac, über das Ergebnis der Unterausschußberatungen.
An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Rosemarie Bauer, Edith Haller, Mag. Doris Kammerlander, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Maria Schaffenrath, Dr. Gertrude Brinek, Heidrun Silhavy, Edeltraud Gatterer, die Bevollmächtigte des Frauenvolksbegehrens Dr. Gabriele Christa Pölzlbauer, die Obfrau Dr. Elisabeth Hlavac sowie die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer.
Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Initiativantrag keine Mehrheit.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gleichbehandlungsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.
Wien, 1998 04 01
Heidrun Silhavy Dr. Elisabeth Hlavac
Berichterstatterin Obfrau