1170 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP
Bericht
des Außenpolitischen Ausschusses
über die Regierungsvorlage (943 und Zu 943 der Beilagen): Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrags und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen samt Erklärungen Österreichs
Österreich hat am 10. Februar 1995 die Einladung zur “Partnership for Peace” (Partnerschaft für den Frieden, PfP), die von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) beim Nordatlantischen Rat am 10./11. Jänner 1994 in Brüssel ausgesprochen wurde, angenommen und das PfP-Rahmendokument unterzeichnet. Seit 30. Mai 1997 wirkt Österreich überdies am Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat – dem neuen, umfassenden gesamteuropäischen Dialog- und Konsultationsforum, das nunmehr auch den übergeordneten politischen Rahmen für die Partnerschaft für den Frieden bildet – mit. Die österreichische Mitwirkung an der Partnerschaft, die auf dem Prinzip der Selbstdifferenzierung beruht, hat den Charakter einer politischen Absichtserklärung ohne unmittelbare rechtliche Folgewirkungen.
Am 31. Mai 1995 hat Österreich der NATO das – im PfP-Rahmendokument als Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Partnerländern und der NATO vorgesehene – Einführungsdokument übergeben (siehe Ministerratsbeschluß 22/39 vom 30. Mai 1995). Auf dieser Basis hat Österreich mit der NATO ein dreijähriges “Individuelles Partnerschaftsprogramm” (IPP) ausgearbeitet, das jährlich fortgeschrieben wird (zur Zeit vereinbart für 1997 bis 1999). Österreich hat sich darin auch grundsätzlich zur Abhaltung militärischer PfP-Übungen im Inland bereit erklärt und darauf verwiesen, daß die hiezu erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen österreichischerseits noch zu schaffen sind. Die Schaffung dieser rechtlichen Voraussetzungen ist überdies auch eines der politischen Ziele, die sich Österreich im Sinne der Interoperabilität mit Partnerländern für PfP-Zwecke im Zuge seiner Teilnahme am sogenannten “Planungs- und Überprüfungsprozeß” der Partnerschaft für den Frieden gesetzt hat.
Gemäß Art. 9 Abs. 2 B-VG kann die Tätigkeit ausländischer Organe in Österreich und die Tätigkeit österreichischer Organe im Ausland durch Gesetz oder einen gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG zu genehmigenden Staatsvertrag geregelt werden.
Die Grundlage für den rechtlichen Status von Truppen aus Partnerländern, die für Zwecke von PfP-Aktivitäten in ein anderes Partnerland entsandt werden, bildet ein “Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen” (Truppenstatut-Abkommen, Status of Forces Agreement, PfP-SOFA), welches seitens der NATO im Sommer 1995 allen PfP-Partnern zur Unterzeichnung vorgelegt wurde. Das PfP-SOFA sieht vor, daß das “Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen” (NATO-SOFA) aus dem Jahre 1951 so zur Anwendung kommt, als ob die Vertragsparteien zum PfP-SOFA Vertragsparteien zum NATO-SOFA wären. Das NATO-SOFA bildet daher einen integrierenden Bestandteil des PfP-SOFA.
Anläßlich des Besuches des Generalsekretärs der NATO, Solana, in Wien wurde das Abkommen am 16. Jänner 1997 unterzeichnet. Unter den neunzehn Staaten, die das PfP-SOFA bereits ratifiziert haben, (Stand 1. Oktober 1997) befinden sich auch die Niederlande, Schweden und Finnland.
Aus der Durchführung des Übereinkommens selbst entstehen voraussichtlich dem Bund keine qualifizierbaren Kosten. Die Auswirkungen der separat zu vereinbarenden Schadensgrenzen hängen von den Sachverhalten nicht vorhersehbarer Schadensfälle ab. Die Höhe der in Art. VIII Abs. 2 lit. f genannten Schadensgrenzen ausgedrückt in österreichischen Schillingen wäre nach Inkrafttreten des Vertrages durch Einigung zwischen den Vertragsparteien festzustellen, wobei der Betrag in DM als Anhaltspunkt zu wählen wäre.
Die im Abkommen vorgesehenen Vorrechte und Befreiungen für Angehörige von Streitkräften entsprechen den EG-rechtlichen Vorschriften. Die aus Art. I ableitbaren Zollbefreiungen (Art. XI NATO-SOFA) sind durch Art. 136 Abs. 1 der EWG-Zollbefreiungsverordnung gedeckt.
Um die Übereinstimmung des PfP-SOFA mit dem österreichischen Verfassungsrecht zu gewährleisten, wird in Aussicht genommen, anläßlich der Ratifikation zwei Erklärungen abzugeben, die teils als völkerrechtlicher Vorbehalt im Sinne des Art. 2 Abs. 1 lit. d der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK, BGBl. Nr. 40/1980), teils als interpretative Erklärung anzusehen sind, wobei nicht die Bezeichnung, sondern der Inhalt für die rechtliche Einordnung maßgeblich ist.
Das Abkommen hat nicht politischen, sondern technischen Charakter. Es enthält gesetzändernde und gesetzesergänzende Bestimmungen und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Das Abkommen wäre in seinem Art. I an sich als verfassungsändernd zu behandeln. Da allerdings in Aussicht genommen ist, anläßlich der Ratifikation des PfP-SOFA zu Art. I einen völkerrechtlichen Vorbehalt anzubringen, ist eine verfassungsändernde Behandlung nach Art. 50 Abs. 3 B‑VG nicht erforderlich. Da das Abkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf es der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG. Die Höhe der in Art. VIII Abs. 2 lit. f genannten Schadensgrenzen ausgedrückt in österreichischen Schillingen wäre nach Inkrafttreten des Vertrages durch Einigung zwischen den Vertragsparteien festzustellen, wobei der Betrag in DM als Anhaltspunkt zu wählen wäre.
Die authentischen englischen und französischen Sprachfassungen werden gemäß § 23 Abs. 2 GOG 1975 in je einem Exemplar bei der Parlamentsdirektion zur Einsichtnahme aufgelegt. Aus Gründen der Publizität wird auf Grund § 2 Abs. 5 Z 5 BGBlG 1996 das NATO-SOFA im Teil III des Bundesgesetzblattes verlautbart werden.
Der Außenpolitische Ausschuß hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 8. Mai 1998 in Verhandlung genommen.
An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Wolfgang Jung, Mag. Doris Kammerlander, Hans Helmut Moser, Dr. Michael Spindelegger sowie der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Wolfgang Schüssel.
Im Zuge der Behandlung im Ausschuß wurde die Frage erörtert, inwieweit die auf S 7 und 8 der Regierungsvorlage 943 BlgNR XX. GP enthaltene “Erklärung Österreichs betreffend die Interpretation des ,Übereinkommens zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrags und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen‘ (,PfP-SOFA‘)” (siehe geänderter deutscher Text in der Änderung der Regierungsvorlage, 943 der Beilagen) sicherzustellen vermag, daß die Bestimmungen des Übereinkommens mit der österreichischen Neutralität im Einklang stehen. Im besonderen wurde die Frage aufgeworfen, ob mit der Abgabe dieser “Erklärung” anläßlich der Ratifikation des Übereinkommens völkerrechtlich sichergestellt ist, daß die Anwendung von Art. I PfP-SOFA in Verbindung mit Art. XV Abs. 1 des “NATO-Truppenstatuts” mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs und den einschlägigen völkerrechtlichen Verpflichtungen vereinbar sei. Art. XV des NATO-Truppenstatuts legt fest, daß das Truppenstatut im Falle von Feindseligkeiten, auf die der Nordatlantikvertrag Anwendung findet, in Kraft bleibt und dessen Anwendung erst nach Ablauf einer 50tägigen Frist ausgesetzt werden kann. Unter anderem wurde auch die Frage aufgeworfen, ob durch Abgabe der österreichischen “Erklärung” sichergestellt ist, daß Österreich seinen neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen (ua. gemäß dem V. Haager Abkommen von 1907) auch im sogenannten Bündnisfall nachkommen kann. Es wurde daher auch die Frage der Notwendigkeit einer Änderung der “Erklärung” in Form einer ausdrücklichen Bezugnahme auf Art. XV Abs. 1 des NATO-Truppenstatuts aufgeworfen.
Dazu wurde mit Zustimmung von Bundesminister Dr. Wolfgang Schüssel von Gesandten Dr. Ferdinand Trauttmansdorff für das Völkerrechtsbüro und den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes folgendes festgestellt:
“Die in Z 3 der ,Erklärung Österreichs betreffend die Interpretation des ,Übereinkommens zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrags und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen‘ (,PfP-SOFA‘)‘ gewählte Formulierung, wonach ,die geltende österreichische Verfassungsgesetzgebung in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung nicht von der Anwendung des Übereinkommens berührt ist‘, bezieht sich jedenfalls auch auf die Truppenstatuts, der auf Feindseligkeiten verweist, auf die der Nordatlantikvertrag Anwendung findet. Sie deckt im übrigen auch alle anderen rechtlichen Erfordernisse im Zusammenhang mit der Neutralität Österreichs ab. Insbesondere gibt das PfP-SOFA nach Abgabe der österreichischen ,Erklärung‘ den anderen Staaten und den von ihnen nach Österreich entsendeten Truppen und Zivilpersonen keinerlei rechtliche Handhabe, sich in einem Neutralitätsfall unter Berufung auf das Abkommen in irgendeiner Weise neutralitätswidrig zu verhalten.
Dieses Verständnis der bestehenden österreichischen ,Erklärung‘ wurde in Konsultationen mit den anderen PfP-Vertragspartnern erörtert und von diesen zur Kenntnis genommen. Besonders ausführliche Konsultationen fanden mit den zuständigen Stellen der Vereinigten Staaten statt, mit denen die österreichische Rechtsansicht über die beabsichtigte neutralitätsrechtliche Wirkung der österreichischen Erklärung im Detail erörtert wurde. Die Vereinigten Staaten teilten daraufhin offiziell in mündlicher Form mit, gegen die ,Erklärung‘ in der gegebenen Form keinen Widerspruch erheben zu wollen.
Da Art. XV des NATO-Truppenstatuts den Fall eines bewaffneten Angriffs gegen eine oder mehrere Parteien des Nordatlantikvertrags im Sinne der Art. 5 und 6 des Nordatlantikvertrags zum Gegenstand hat, könnte durch eine ausdrückliche Bezugnahme auf Art. XV des NATO-SOFA der Eindruck vermittelt werden, daß sich die Anwendung der Z 3 der erwähnten ,Erklärung‘ auf den Bündnisfall beschränken und einen sonstigen Neutralitätsfall, der nicht einen Bündnisfall darstellt (so im Fall eines Krieges zwischen dritten Staaten, in dem der Nordatlantikvertrag nicht Anwendung findet, nicht einschließen würde.
Die umfassende Formulierung der Z 3 der österreichischen Erklärung soll vielmehr sicherstellen, daß die Anwendung des Abkommens in allen ihren Phasen das österreichische Neutralitätsrecht unberührt läßt und es Österreich so im Neutralitätsfall unbenommen bleibt, die neutralitätsrechtlich erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.”
Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.
Auf Grund einer mündlichen Empfehlung von seiten des Völkerrechtsbüros des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten hält der Außenpolitische Ausschuß im vorliegenden Fall die Erlassung eines besonderen Bundesgesetzes gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages für entbehrlich.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:
Der Abschluß des Staatsvertrages: Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrags und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen samt Erklärungen Österreichs (943 und Zu 943 der Beilagen) wird genehmigt.
Wien, 1998 05 08
Dr. Irmtraut Karlsson Peter Schieder
Berichterstatterin Obmann