1175 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses


über die Regierungsvorlage (1087 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den frühzeitigen Austausch von Informa­tionen bei radiologischen Gefahren und über Fragen gemeinsamen Interesses aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes


Das gegenständliche Abkommen ist gesetzändernd und gesetzesergänzend und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrates nach Art. 50 Abs. 1 B-VG. Es ist im innerstaatlichen Bereich unmittelbar anwendbar, weswegen ein Beschluß nach Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Es enthält weder politische noch verfassungsändernde oder verfassungsergänzende Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Als oberster Grundsatz der Außenpolitik Österreichs im Bereiche der Kernenergie gilt, daß die österreichische Bevölkerung vorsorglich vor allen schädlichen Einwirkungen aus dem Ausland zu schützen ist.

Im Rahmen der österreichischen Kernenergiepolitik stellt die Weiterentwicklung und Verbesserung des Völkerrechts zur Wahrung der Interessen der österreichischen Bevölkerung und zum Schutz der Umwelt ein wesentliches strategisches Element dar. Konkret wird insbesondere im Verhältnis zu den Nachbarstaaten zunächst die rechtlich verbindliche Vereinbarung von Informations- und Konsultations­mechanismen angestrebt, nicht zuletzt, da frühzeitige und umfassende Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Optimierung österreichischer Vorsorge- und Schutzmaßnahmen darstellen. Auf internationaler Ebene ermöglicht das Übereinkommen vom 26. September 1986 (BGBl. Nr. 86/1988) über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen, dem Österreich angehört, den Mitgliedstaaten bei einem nuklearen Unfall in einem anderen Staat möglichst frühzeitig Schutzmaßnahmen einzuleiten. Die Benachrichtigungspflicht im Rahmen dieses Übereinkommens ist allerdings – wie der Titel besagt – auf Unfälle beschränkt; zudem ist der Benachrichtigungsweg über die IAEO relativ umständlich und unter Umständen zu langwierig. Österreich ist daher bemüht, in Ergänzung und Erweiterung dieses internatio­nalen Übereinkommens, Informationsabkommen im Bereich der Nuklearen Sicherheit und des Strahlen­schutzes vorrangig mit den Nachbarstaaten abzuschließen. Durch diese bilateralen Abkommen soll der durch das erwähnte Übereinkommen vorgesehene Informationsweg vor allem im Verhältnis zu Öster­reichs Nachbarstaaten abgekürzt und die Vorbereitung bzw. Durchführung von Schutzmaßnahmen durch ergänzende Informationen über Kernanlagen in diesen Staaten erleichtert und verbessert werden. Derartige bilaterale Übereinkommen bestehen bereits mit Deutschland, mit der Tschechischen Republik, mit der Slowakischen Republik, mit Ungarn und mit Polen.

Da die Regierung der früheren Föderativen Sozialistischen Republik Jugoslawien zum Abschluß eines solchen Abkommens nicht bereit war, wurde eine Regelung mit der Teilrepublik Slowenien, in der sich das einzige Kernkraftwerk Jugoslawiens, nämlich das von Krsko, befand, angestrebt. Eine solche – wenn auch unvollkommene – wurde Anfang 1988 gefunden. Sie bestand darin, daß das damalige Generalkonsulat Laibach vom Betreiber des KKW Krsko per Telex von allen Betriebsabschaltungen verständigt wurde. Das Generalkonsulat verständigte sodann die Bundeswarnzentrale im BMI und die Ämter der Landesregierungen von Kärnten und der Steiermark.

Nach Erlangen der Unabhängigkeit durch Slowenien wurde zwischen den zuständigen österreichischen und slowenischen Stellen vereinbart, diese Übung durch ein völkerrechtlich verbindliches und umfassenderes Abkommen zu ersetzen. Dieses Abkommen wurde am 19. April 1996 unterzeichnet. Es wurde mit Schreiben vom 27. November 1997 als Regierungsvorlage 988 BlgNR XX. GP zur geschäfts­ordnungsgemäßen Bearbeitung an den Nationalrat übermittelt.

Bei der Überprüfung der Bürstenabzüge stellte sich heraus, daß der ursprünglich von der Bundesregierung genehmigte slowenische Abkommenstext vom unerzeichneten slowenischen Text ebenso wie vom deutschen Abkommenstext an mehreren Stellen abweicht. Die Verhandlungen über das Abkommen waren in der Endphase unter großem Zeitdruck geführt worden, dadurch waren offenbar versehentlich zwei von einander textlich abweichende Alternate in slowenischer Sprache paraphiert worden. Der Vertrags­urschrift wurde jedoch der richtige, dh. der deutschen Fassung entsprechende Text zugrunde gelegt. Auf Grund der erwähnten Abweichungen im slowenischen Wortlaut wird die Regierungsvorlage 988 BlgNR XX. GP zurückgezogen.

Es gilt

–   für alle Kernanlagen (auch Forschungsreaktoren, Lagerungseinrichtungen ua.) und mit ihnen zu­sammenhängende Tätigkeiten sowie

–   für jeweils das gesamte Hoheitsgebiet der Vertragsparteien.

Es regelt den Informationsaustausch zwischen den beiden Staaten auf drei Ebenen:

–   über den Eintritt radiologischer Gefahren, die in Art. 1 Abs. 1 aufgezählt sind,

–   über die bestehenden, in Bau befindlichen und geplanten Kernanlagen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. a bis e des Abkommens (siehe Art. 6 Abs. 2) und

–   über die Nuklearprogramme der Vertragsstaaten, die aus dem Betrieb von Kernanlagen gewonnenen Erfahrungen und die Rechtsvorschriften der Vertragsparteien aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes (Art. 6 Abs. 1).

Informationen über radiologische Gefahren werden unverzüglich übermittelt, spätestens jedoch, wenn die Vertragspartei, auf deren Gebiet die Gefahr sich ereignet hat, entscheidet, Maßnahmen zum Schutz oder zur Information der eigenen Bevölkerung einzuleiten. Informationen über in Bau befindliche oder geplante Kernanlagen werden spätestens nach Erteilung der Baugenehmigung übermittelt. Alle übrigen Informationen werden einmal jährlich ausgetauscht. Zu diesem Zweck werden einmal jährlich gemeinsame Expertentagungen abgehalten (Art. 9).

Die Vertragsparteien verpflichten sich ferner zur Durchführung eines Strahlenmeßprogramms auf dem jeweiligen Hoheitsgebiet und zum jährlichen Austausch der Meßergebnisse (Art. 7). Ferner vereinbaren sie, binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten des Abkommens ein System zum Austausch der Daten ihrer Strahlenfrühwarnsysteme zu errichten (Art. 8).

Nach Art. 11 kann der Inhalt der erhaltenen Informationen zur Informierung an die Öffentlichkeit weitergegeben werden, soweit die andere Vertragspartei sie nicht als vertraulich erklärt. Diese Bestimmung dient dem Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Sie entspricht dem Art. 5 Abs. 3 des Übereinkommens über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen.

Die EU-Kommission wurde gemäß Art. 103 des EURATOM-Vertrages vom Vertragstext verständigt und hat keinen Einwand erhoben.

Der Außenpolitische Ausschuß hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 8. Mai 1998 in Verhandlung genommen.

An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Martina Gredler, Wolfgang Jung, Mag. Doris Kammerlander, Mag. Dr. Josef Höchtl sowie der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Wolfgang Schüssel.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Im vorliegenden Fall hält der Außenpolitische Ausschuß die Erlassung eines besonderen Bundesgesetzes gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages für entbehrlich.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluß des Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den frühzeitigen Austausch von Informationen bei radiologischen Gefahren und über Fragen gemeinsamen Interesses aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes (1087 der Beilagen) wird genehmigt.

Wien, 1998 05 08

                                  Dr.Kurt Heindl                                                                   Peter Schieder

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann