1195 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten


über die Regierungsvorlage (951 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien über die Übernahme von Personen an der Grenze


Zwischen Österreich und seinen westlichen Nachbarstaaten sowie einigen weiteren westeuropäischen Staaten bestehen bereits seit vielen Jahren vertragliche Regelungen über die Übernahme von Personen an der Grenze. Auch war Österreich in den vergangenen Jahren bemüht, mit seinen übrigen Nachbarn und anderen Staaten Mittel- und Osteuropas Abkommen über die Übernahme von Personen abzuschließen.

Österreich hat mit Belgien, Luxemburg, Niederlande, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Rumänien (Protokoll), Schweiz/Liechtenstein, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Tunesien Rückübernahme­abkommen geschlossen. Das Abkommen über die Übernahme von Personen an der Grenze mit Kroatien wurde am 18. Juni 1997 unterzeichnet.

Im einzelnen sieht das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien, welches das erste Schubabkommen darstellt, das die Rückübernahme von Drittausländern mit einem Staat vorsieht, mit dem keine gemeinsame Grenze besteht, folgende Verpflichtungen der Vertragsparteien vor:

           1. die jederzeitige formlose Übernahme eigener Staatsangehöriger;

           2. die Übernahme von Drittausländern, die sich auf ihrem Gebiet aufgehalten haben und rechtswidrig in das Gebiet der anderen Vertragspartei eingereist sind, sofern innerhalb einer bestimmten Frist um die Übernahme ersucht wird;

           3. die Durchbeförderung von Drittausländern.

Durch dieses Abkommen ist eine Kostenersparnis für den Bund zu erwarten.

Das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien über die Übernahme von Personen an der Grenze hat gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es regelt keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder, sodaß sein Abschluß nicht der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG bedarf. Das Abkommen ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodaß eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist.

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 3. Juni 1998 in Verhandlung genommen.

In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Volker Kier und der Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl das Wort.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des gegenständlichen Abkommens zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluß der Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien über die Übernahme von Personen an der Grenze (951 der Beilagen) wird genehmigt.

Wien, 1998 06 03

                                       Paul Kiss                                                                        Anton Leikam

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann

Anlage

Abweichende persönliche Stellungnahme

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits

gemäß § 42 Abs. 5 GOG zum Bericht des Ausschusses für innere Ange­legenheiten über die Regierungsvorlage betreffend das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien über die Übernahme von Personen an der Grenze (951 der Beilagen, XX. GP)

Grundsätzlich ist gegen ein Abkommen, das die Übernahme von Personen, die die Staatsbürgerschaft des jeweiligen Unterzeichnerstaates besitzen, nichts einzuwenden, zumal es durchaus notwendig ist, in diesem Zusammenhang gewisse Formalitäten zu regeln.

Mir fehlt jedoch jedes Verständnis dafür, daß Kroatien verpflichtet werden soll, “einen Drittausländer, der sich auf ihrem Gebiet aufgehalten hat und rechtswidrig in das Gebiet der anderen Vertragspartei eingereist ist”, (zurück) zu übernehmen. Schubabkommen werden in der Regel mit den direkt angrenzenden Nachbarstaaten abgeschlossen, da andere Staaten kaum dafür verantwortlich gemacht werden können, daß Personen, die sich einmal in ihrem Land aufgehalten habe, in der Folge illegal nach Österreich eingereist sind. Warum also soll die Republik Kroatien verpflichtet werden, Personen, die sich einmal in ihrem Land aufgehalten haben und dann irgendwann einmal illegal in Österreich einreisten, wieder zurückzunehmen?

Offensichtlich soll damit die von Österreichs Asylbehörden praktizierte “Sicheres-Drittland-Politik” wasserdicht gemacht werden. Dieses Abkommen bedeutet nämlich, daß alle politischen Flüchtlinge, deren Fluchtweg durch Kroatien nach Österreich geführt hat, wieder nach Kroatien zurückgeschickt werden können. Es ist zu befürchten, daß der Antrag von politischen Flüchtlingen, die im Zuge ihrer Befragung angeben, auf ihrer Flucht auch Kroatien passiert zu haben, unter Anwendung der “Sicheres-Drittland-Klausel” abgelehnt und in der Folge in Schubhaft genommen werden. Ohne auf den inhaltlichen Gehalt des Asylantrages einzugehen, kann dann der betroffene Flüchtling innerhalb der 90 Tagesfrist nach Kroatien zurückgeschickt werden. Dieses Abkommen ist ein weiterer Schritt der Abschottung Österreichs vor politischen Flüchtlingen. Der Fluchtweg auf dem Landweg wird mehr und mehr verunmöglicht, da er praktisch immer über ein sogenanntes sicheres Drittland führen muß. Entscheidend für die Gewährung von Asyl wird somit – wie bereits derzeit häufig praktiziert – die Art des Fluchtweges und nicht die Verfolgungshandlungen.

Die Zurückbeförderung kann abgelehnt werden, wenn die betroffenen Personen in Kroatien einer ernsthaften Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt wären. Die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder Todesstrafe besteht für den politischen Flüchtling nicht in Kroatien, sondern in seinem Heimatland, aus dem er vor politischer Verfolgung geflüchtet ist. Die politische Verfolgung in dem Heimatland der betroffenen Drittausländer/innen stellt jedoch keinen Grund dar, die Zurückbeförderung nach Kroatien nicht zu beantragen oder abzulehnen. Diese Politik ist verantwortunglos, da den österreichischen Behörden klar ist, daß von Kroatien die Drittausländer/innen weitergeschickt werden – meistens direkt zurück in ihr Heimatland.

Dieses Abkommen ist aber auch deshalb abzulehnen, da damit Österreich nur versucht, die Verantwor­tung und Lasten auf die wirtschaftlich schwächeren südöstlichen Nachbarländer abzuwälzen. Da sich Slowenien offensichtlich weigert, willfährig bei dieser Rückschiebepolitik Österreichs mitzumachen und die Rückübernahme von Personen nicht bedingungslos akzeptiert, soll mit diesem Übereinkommen die Möglichkeit geschaffen werden, für den Fall der Ablehnung der Rückübernahme durch Slowenien die betroffenen Drittausländer/innen dann eben nach Kroatien zu schicken. Vermutlich wird angenommen, daß auf Grund der wirtschaftlichen und politischen Lage von der Republik Kroatien Rückübernahme­anträge eher angenommen werden als von Slowenien. Aus all diesen Gründen kann dieses Abkommen von mir nur abgelehnt werden.

Mag. Terezija Stoisits