1256 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Verfassungsausschusses


über die Regierungsvorlage (1064 der Beilagen): Europäisches Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen samt Anhang


Das gegenständliche Übereinkommen ist weitgehend mit der Richtlinie (89/552/EWG) des Rates der Europäischen Gemeinschaft zur Koordinierung bestimmter Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (im folgenden: Richtlinie “Fernsehen ohne Grenzen”) harmonisiert. In der österreichischen Rechtsordnung war bereits ein erheblicher Teil der in dieser Richtlinie vorgesehenen Bestimmungen durch das Rundfunkgesetz und andere Bundesgesetze (zB Mediengesetz, Pornographiegesetz) zu jenem Zeitpunkt umgesetzt, als im Zusammenhang mit dem Beitritt Österreichs zum Europäischen Wirtschaftsraum die noch anzupassenden Bestimmungen durch eine Novelle zum Rundfunkgesetz, BGBl. Nr. 505/1993, vorgenommen wurden. Diese Novelle enthält auch Anpassungen, die im Hinblick auf das vorliegende Übereinkommen erforderlich sind.

Trotz weitgehender Übereinstimmung in den materiellen Regelungen sind einige Unterschiede, insbeson­dere in den Geltungsbereichen zwischen dem Übereinkommen und der Fernsehrichtlinie zu beachten:

–   In territorialer Hinsicht bindet das Übereinkommen potentiell alle Mitgliedstaaten des Europarates und die Vertragsparteien des Europäischen Kulturabkommens. Darüber hinaus kann jeder Staat eingeladen werden, dem Übereinkommen beizutreten. Die Anwendung der Fernsehrichtlinie beschränkt sich auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraumes.

–   Während das Übereinkommen gemäß Art. 3 ausschließlich Regelungen für grenzüberschreitendes Fernsehen trifft, gilt die Fernsehrichtlinie auch für nur im Sendestaat empfangbare Fernsehsendungen.

–   Gewichtige Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der Streitschlichtung. Während nach der Fernsehrichtlinie das allgemeine Instrumentarium des EG‑Vertrages zur Verfügung steht, ist zur Über­wachung der Anwendung und Einhaltung des Übereinkommens ein “Ständiger Ausschuß” eingerichtet. Falls eine Streitbeilegung vor diesem nicht erfolgreich ist, kann der Streitfall auf Antrag einer der Vertragsparteien einem Schiedsverfahren unterworfen werden.

–   Bedeutung kommt den Sanktionsmechanismen insbesondere im Hinblick auf die sogenannten “Quoten­regelungen” zu, wonach die Rundfunkveranstalter im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln dafür zu sorgen haben, daß der Hauptanteil ihrer Sendezeit europäischen Werken vorbehalten wird. Während das Übereinkommen das einleitende Schiedsverfahren wegen der Verletzung dieser Vorschrift ausschließt, sieht die Fernsehrichtlinie genaue Berichtspflichten an die Kommission vor.

–   Das dem Empfangstaat eingeräumte Recht einer vorläufigen Aussetzung der Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen ist in der Fernsehrichtlinie detaillierter geregelt als im Übereinkommen. Zugleich sind aber die Gründe, die zu einer Aussetzung berechtigen, in der Fernsehrichtlinie enger gezogen, da diese ein solches Vorgehen nur bei Verletzungen des Jugendschutzes ermöglicht. Das Übereinkommen sieht hingegen – unter bestimmten Voraussetzungen – ein Aussetzungsrecht auch bei Verletzungen der Vorschriften über Werbedauer, Trennung von Programmen und Werbung, programmunterbrechende Werbung oder Werbung für Tabakerzeugnisse und verschreibungspflichtige Medikamente vor.

Gemäß Art. 27 Abs. 1 des Übereinkommens in Verbindung mit Art. 24 der Richtlinie ist der Richtlinie für die harmonisierten Bereiche unter den dem Übereinkommen beigetretenen Mitgliedstaaten der Europäi­schen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums der Vorrang vor dem Übereinkommen eingeräumt. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die Vertragsparteien des Übereinkommens sind, wenden daher die sich aus dem Übereinkommen ergebenden Bestimmungen untereinander nur insoweit an, als es zu einem bestimmten Regelungsgegenstand keine Gemeinschaftsvorschrift gibt. Anzumerken ist, daß nach Art. 29 Abs. 1 auch ein Beitritt der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorgesehen ist.

Bei der Umsetzung in die österreichische Rechtsordnung ist es daher fallweise notwendig zu unter­scheiden, ob Fernsehprogramme (nur) im Geltungsbereich des Übereinkommens verbreitet bzw. weiter­verbreitet werden, oder aber ob die beteiligten Vertragsparteien zugleich Mitglied der EU oder des EWR sind. Ist im letzteren Fall ein bestimmter Regelungsgegenstand von der Fernsehrichtlinie erfaßt, kommt das Übereinkommen nicht zur Anwendung.


Das Übereinkommen sieht für sein Inkrafttreten die bindende Zustimmung von sieben Staaten, davon mindestens fünf Mitgliedstaaten des Europarats vor. Dieser Regelung entsprechend trat das Überein­kommen am 1. Mai 1993 zwischen einzelnen Mitgliedstaaten in Kraft. Bisher haben das Übereinkommen, das nahezu von allen Europarats‑Mitgliedstaaten und einer Reihe weiterer (auch ost‑) europäischer Staaten unterzeichnet worden ist, ratifiziert: San Marino, das Vereinigte Königreich, Polen, Italien, Zypern, Malta, Vatikan, Türkei, Ungarn und Slowenien; mit Vorbehalt Norwegen und die Schweiz; mit Erklärung Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland und Finnland. Österreich hat das Übereinkommen am 5. Mai 1989 unterzeichnet.

Ziel des Übereinkommens ist die Stärkung des freien Flusses von Informationen und Ideen durch die Förderung der grenzüberschreitenden Verbreitung von Fernsehprogrammen auf Grundlage einer Reihe von gemeinsam vereinbarten Grundstandards. Der Empfang und die Weiterverbreitung von Sendungen, die den Bestimmungen des Übereinkommens entsprechen, dürfen im Geltungsbereich dieses völker­rechtlichen Vertrages nicht behindert werden. Von zentraler Bedeutung ist das sogenannte Sendestaats­prinzip, wonach nur der Sendestaat berechtigt, aber auch verpflichtet ist, die Konformität der Programme der seiner Rechtshoheit unterliegenden Veranstalter mit den europäischen Normen sicherzustellen. Der Zweck des Übereinkommens besteht nicht darin, Rundfunktätigkeit per se zu regeln oder in die internen Rundfunkpolitiken und Vereinbarungen der Vertragsparteien einzugreifen. Den Vertragsparteien steht es insbesondere frei, strengere oder genauere Vorschriften als die in dem Übereinkommen festgelegten auf Programme anzuwenden, die durch Rechtsträger oder mittels technischer Einrichtungen in ihrem Hoheitsbereich verbreitet werden.

Das Übereinkommen stellt gemeinsame Grundnormen für folgende Bereiche auf:

–   Schutz bestimmter individueller Rechte;

–   Verantwortlichkeit des Rundfunkveranstalters für die Einhaltung von Programmnormen;

–   Werbung;

–   Patronanz (Sponsoring).

Das Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen hat gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B‑VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Eine Beschlußfassung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 2 B‑VG ist erforderlich, da sich die Bestimmungen des Übereinkommens vorwiegend nicht an die Rechtsunterworfenen oder an die Vollzugsorgane, sondern an die Vertragsparteien (Mitgliedstaaten) richten und deshalb nicht unmittel­bar anwendbar sind.

Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder werden durch das Übereinkommen nicht berührt, eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 letzter Satz B‑VG ist daher nicht erforderlich.

Im Zeitpunkt der geplanten Ratifikation des Übereinkommens durch Österreich werden in Österreich für die Veranstaltung von Fernsehen das Rundfunkgesetz (welches ausschließlich auf die Tätigkeit des ORF Anwendung findet) und das Kabel‑ und Satellitenrundfunkgesetz, das mit 1. Juli 1997 in Kraft treten wird, gelten. Das Übereinkommen ist in weiten Teilen in diesen Gesetzen umgesetzt.

Der Verfassungsausschuß hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 10. Juni 1998 in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages, der nicht verfassungsändernd ist, zu empfehlen.

Der Verfassungsausschuß ist der Meinung, daß das Übereinkommen durch Erlassung von Gesetzen im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG zu erfüllen ist.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

           1. Der Abschluß des Staatsvertrages: Europäisches Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen samt Anhang (1064 der Beilagen) wird genehmigt;

           2. dieser Staatsvertrag ist durch Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zu erfüllen.

Wien, 1998 06 10

                                   Dr. Josef Cap                                                                 Dr. Peter Kostelka

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann