1313 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Landesverteidigungsausschusses


über den Entschließungsantrag 160/A(E) der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend die Erhöhung des Landesverteidigungsbudgets in der XX. GP auf vergleichbares europäisches Niveau


Die Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen haben diesen Entschließungsantrag am 17. April 1996 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

“Der Landesverteidigungsbudgetansatz beträgt 1996 ohne den Ansatz für Oberflächenbauten – der im Kapitel 64 ,Bauten und Technik‘ (BMwA) veranschlagt ist – 20,74 und 1997 rund 20,87 Milliarden Schilling. Dies bedeutet einen Anteil von 2,2 Prozent des Gesamtbudgets oder 0,85 Prozent bzw. 0,83 des BIP (Prognose: 2 449 bzw. 2 517 Milliarden Schilling) für 1996 und 1997. Die Schlußlichtposition in der Reihe vergleichbarer europäischer Staaten wird damit auch in den nächsten Jahren zäh verteidigt.

Besonders markant ist die Verringerung des Investitionsbudgets, die 1996 nominell mit ungefähr minus 700 und 1997 mit weiteren minus 260 Millionen Schilling veranschlagt werden muß, wobei der Ausfall bei Waffen und Rüstungsgütern überproportional zu Buche schlagen. Dies bedeutete, daß für 1996 und 1997 keine wesentlichen Neubeschaffungen vorgenommen werden können, weil die überwiegende Summe für bereits vor 1996 bestellte Güter sowie weitere Tranchen gebunden ist.

Eine Reihe von Auslieferungen werden so verzögert, daß die in der Einsatzorganisation der HG-Neu vorgesehenen Einheiten zwar am Papier bestehen und teilweise über Gerät verfügen, die Hauptwaffensysteme dazu aber noch immer fehlen. So etwa im Bereich der Artillerie, der Panzeraufklärer und der gehärteten Infanteriebataillone. Die Ausbildung an den neuen Waffen mußte daher zum Teil unterbleiben (keine Ausbildung von GWD dieser Verbände an den IFLAL oder M 109 Panzerhaubitzen) und die bereits gegliederten Verbände übten daher gar nicht oder mit den falschen Waffen. So etwa die Bataillone der Artillerieregimenter.

Die Ablieferung von Handfunksprechgeräten aus vielen Jägerzügen der Jägerbrigaden für PAL- und lFAL-Trupps hat dazu geführt, daß die Zugskommandanten wie im I WK durch Zeichen und Zuruf führen. Hinzu kommt, daß in den Einheiten, die über ein KW-Funkgerät als Verbindung zur Kompanie verfügen, ein zweites UKW-Gerät vorhanden sein muß, um mit den Gruppen funken zu können (AufklKp und JAKKp), im Org-Plan aber die zusätzlichen Funker fehlen. Abgesehen davon, können die KW-Geräte von einem Infanteristen mit vollständiger Ausrüstung nicht transportiert werden, außerdem gibt es vorerst keine Blatt- oder Fahrzeugantenne sowie Einbausätze für die KFZ.

Zur Umsetzung des Einsatzkonzeptes, das neben der Umfeldanalyse auch Ausfluß der HG-Neu ist, sind jedenfalls eine Reihe zusätzlicher Beschaffungen notwendig. Sollten diese nicht erfolgen, so ist nach Einschätzung von Experten die HG-Neu gescheitert und das Einsatzkonzept nicht durchführbar, weil zwar die Mannschaftsstärke verringert wurde und Ausbildung und Aufbietungsverfahren (Präsenzkräfte) darauf ausgerichtet wurden, die als Voraussetzung angenommene Ausstattung mit Waffensystemen aber unterblieben ist. Eine bewegliche Kampfführung oder der Einsatz im Rahmen von ,peace-enforcement‘ Einsätzen der UNO ist so nicht möglich oder höchst kostspielig, wie der IFOR-Einsatz beweist, der mittlerweile mit knapp 700 Millionen Schilling veranschlagt werden muß. Deshalb ist eine Reihe von Investitionen am Rüstungssektor dringend notwendig, so etwa folgende auszugsweise Darstellung:

Panzerabwehr:

–   Ersatz der veralteten Kampfpanzer M60 A3

–   Ersatz der JaPz Kürassier in den AufklBaon durch Kampfpanzer und Radpanzer bzw. Kampfwert­steigerung (Nachtkampffähigkeit) beim Einsatz im Rahmen der Infanterieverbände

–   Beschaffung von weiteren PAL 2000 sowie PAL 4000 und Trägerfahrzeugen

–   Ersatz der lPAR 70 und der PAR 66

Fliegerabwehr und Luftraumschutz:

–   Beschaffung mittlerer Fliegerabwehrlenkwaffen

–   Nachfolge für Luftraumüberwachungsflugzeuge DRAKEN

Splitterschutz und Beweglichkeit:

–   Mannesausrüstung (Splitterschutzhelm und Weste)

–   500 Radpanzer als erste Tranche für die Aufklärungsverbände und vier Jägerbataillone

–   Ersatz der 30 Jahre alten Schützenpanzer SAURER für die Gruppenfahrzeuge der Panzergrenadier­bataillone durch 200 neue Schützenpanzer sowie eine Stärkung der Panzergrenadierbrigaden durch mindestens ein weiteres Bataillon

–   Ersatz für das “ALU-Brückengerät” und Einführung von Brückenleg- und Minenräumpanzern

Lufttransportkapazität und Kampfhubschrauber:

–   Ersatz der veralteten SKYVAN und der Transporthubschrauber Augusta Bell 204

–   Entscheidung über einen bewaffneten Hubschrauber mit Panzer- und Luftabwehrfähigkeit sowie den Ersatz der auslaufenden Alouette III und eine Steigerung der Transportfähigkeit

Elektronische Verbindungs-, Aufklärungs- und Beobachtungsmittel:

–   Ausstattung mit neuen Funkgeräten bis auf die Zugsebene

–   Beschaffung von zusätzlichen Aufklärungs- und Beobachtungsgeräten, die auch im Grenzeinsatz verwendbar sind, etwa Gefechtsfeldradars, Artillerie- und Luftaufklärungssysteme.

Hinzu kommen zahlreiche Verbesserungen im Bereich der Kasernenrenovierungen und für Ersatzneu­bauten, die auf Grund der Dislozierungen der HG-Neu notwendig geworden sind. Dies alleine würde einen Aufwand von über 10 Milliarden Schilling bedeuten.

Der gesamte Finanzbedarf für das Investitionsprogramm des Bundesheeres liegt daher nach Schätzungen von Dienststellen des BMLV bei 100 bis 140 Milliarden Schilling, verteilt auf die nächsten zehn Jahre. Langfristig muß das Landesverteidigungsbudget auf internationalen Standard gebracht werden, wenn Österreich seinen Verpflichtungen im Rahmen der internationalen und europäischen Sicherheits­kooperationen nachkommen bzw. zu keinem sicherheitspolitischen Trittbrettfahrer werden will. Letztendlich ist der Schutz der Bevölkerung, der Grenzen und der verfassungsmäßigen Organe auch ein primär durch Österreich selbst zu leistendes Gebot, das derzeit nur völlig unzureichend erfüllt werden kann.

Vergleicht man die Aufwendungen für die Infrastruktur der ÖBB (1996: 32,05 Milliarden Schilling, 1997: 33,02 Milliarden Schilling), an denen der Bund nur mehr Mehrheitseigentümer ist, so erkennt man, daß es nicht am Finanzmangel liegen kann, sondern daß es sich um ein Verteilungsproblem handelt, bei dem der Bundesregierung der Wille zur Aufrechterhaltung einer glaubwürdigen Landesverteidigung verloren­gegangen ist. Selbst wenn man einen allgemeinen Sparzwang der öffentlichen Haushalte in ganz Europa feststellen kann, wird auch bei unseren westlichen Nachbarn nicht bei der Verteidigung des Staates gespart. So haben sowohl Italien als auch die Schweiz bei sinkenden Staatsausgaben ihre Ausgaben für militärische Angelegenheiten nominell wie real erhöht.

Italien (LV-Budget): 1995 27 974 Milliarden Lire (1,5% BIP); 1996: 31 235 Milliarden Lire (1,8% BIP)

Schweiz (Rüstungsbudget): 1995: 1,5 Milliarden Franken; 1996: 1,75 Milliarden Franken.

Erläuterungen

Die zusätzlichen Mittel für das Landesverteidigungsbudget könnten, neben Umschichtungen von Zuschüssen an defizitäre Betriebe, die sich unerklärlicherweise im Bundesbesitz befinden, etwa durch Erlöse von Verkäufen von Liegenschaften und Kasernenarealen sowie Privatisierungen von Unternehmen oder deren Anteilen erzielt werden. So gibt es nach Aussage von Bundeskanzler Klima bis heute noch immer keine verbindliche Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Landesverteidigung und dem Bundesministerium für Finanzen über die Zuwendung von Erlösen aus Kasernenverkäufen. Auch die Abgeltung für Einsätze gemäß § 2 Abs. 1 lit. b bis d WG, die grundsätzlich durch die anfordernden Gebietskörperschaften oder Organisationen getragen werden könnten, finden bis heute noch nicht statt und belasten das Landesverteidigungsbudget schwer.”

Der Landesverteidigungsausschuß hat den gegenständlichen Entschließungsantrag 160/A(E) in seinen Sitzungen am 10. und 29. Juni 1998 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuß war Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Hans Helmut Moser, Dr. Kurt Maitz, Wolfgang Jung, Anton Gaál sowie der Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend.


Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag ebenso wie ein von den Abgeord­neten Herbert Scheibner und Genossen eingebrachter Abänderungsantrag keine Mehrheit.

Zum Berichterstatter für das Haus wurde Abgeordneter Ing. Gerald Tychtl gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Landesverteidigungsausschuß somit den Antrag, der National­rat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien 1998 06 29

                               Ing. Gerald Tychtl                                                             Herbert Scheibner

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann