1316 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten


über den Antrag 310/A der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz geändert wird


Die Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen haben den gegenständlichen Antrag am 30. Oktober 1996 im Nationalrat eingebracht und wie folgt allgemein erläutert:

“Wir leben in einer Zeit, in der die Mobilität der Menschen aus den verschiedensten Gründen – politische oder soziale Notsituationen auf der einen Seite, Ausbau der Kommunikationsgesetze, Globalisierung der Wirtschaft, Arbeitsplatzwechsel, individuelle Lebenslaufgestaltung auf der anderen Seite – ständig und immer rascher zunimmt. Immer weniger Menschen haben daher ihren Wohnsitz von der Geburt bis zum Tod in ein und demselben Ort und wechseln mindestens einmal in ihrem Leben auch den Staat, in dem sie leben. Viele Bürgerrechte sind jedoch an die Staatsbürgerschaft gebunden, wie etwa das Wahlrecht, der Eintritt in den öffentlichen Dienst und manche Sozialleistungen. Diese den Eingewanderten auf Dauer vorzuenthalten, verhindert nicht nur ihre rechtliche, ökonomische und soziale Integration, sondern ist einer demokratischen Gesellschaft unwürdig. Die Bindung von Bürgerrechten an den Paß statt an den Wohnsitz ist ein historisches Relikt aus Zeiten, in denen Demokratie nur in geschlossenen Nationen vorstellbar schien. Dadurch schuf und schafft man Bürger erster und zweiter Klasse.

Versuche, eine ,transnationale Staatsbürgerschaft‘ zu entwerfen (vgl. Rainer Bauböck, ,Transnational Citizenship‘, Aldershot 1995), sind interessant, jedoch als Langzeitprojekt zu betrachten. In diese Richtung geht auch die Entwicklung der ,Unionsbürgerschaft‘ nach Art. 8 EG-Vertrag, die bereits heute Freizügigkeit und Kommunalwahlrecht der EU-Bürger festschreibt und hoffentlich bald durch einen weiteren Ausbau der Bürgerrechte für alle in ihrer Wirksamkeit die Staatsbürgerschaft ergänzen, wenn nicht ersetzen wird.

Neben diesem Projekt muß jedoch eine moderne, den internationalen Gegebenheiten angepaßte Reform gerade des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechts treten. Es ist eine Eigenart des österreichischen Rechts, welche es innerhalb Westeuropas im wesentlichen nur mit Deutschland und der Schweiz teilt, sowohl auf dem ,Abstammungsprinzip‘ (ius sanguinis) zu beharren, als auch die Tatsache, daß viele Menschen Anknüpfungspunkte in verschiedenen Ländern haben, zu ignorieren (Verbot der Doppelstaats­bürgerschaft). Die meisten Staaten Westeuropas (vor allem Niederlande, Belgien, die skandinavischen Länder, aber auch Großbritannien) und die USA kennen die Verleihung der Staatsbürgerschaft auf Grund des Orts der Geburt (ius solis) und tragen außerdem der Tatsache Rechnung, daß sich immer mehr Menschen dort zuhause fühlen, wo sie wohnen, und nicht dort, wo sie herstammen – indem viel kürzere Einbürgerungsfristen vorgeschrieben werden als zB in Österreich.

Das Staatsbürgerschaftsrecht in Österreich muß außerdem so gestaltet werden, daß es gewissermaßen auch als Höhepunkt und Abschluß einer erfolgreichen Integrationspolitik aufgefaßt werden kann. An sinnvollen aufenthalts-, beschäftigungs- und sozialrechtlichen Integrationsmaßnahmen für Ausländerinnen und Ausländer mangelt es allerdings ganz allgemein in Österreich, vor allem auch, was die ,zweite Gene­ration‘ von Eingewanderten angeht. Doch während bezüglich der Aufenthaltsverfestigung wenigstens Entwürfe kursieren, die in die richtige Richtung weisen, sind beim Staatsbürgerschaftsgesetz (vor allem von ÖVP-Seite) nur Verschärfungen geplant.

Deshalb legen die unterzeichneten Abgeordneten einen Entwurf vor, der den beschriebenen Heraus­forderungen gerecht zu werden versucht. Insbesondere sieht er folgende Änderungen vor:

–   Halbierung der Fristen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft auf fünf Jahre (statt bisher zehn) bei der Ermessensentscheidung und auf 15 Jahre (statt 30) beim Rechtsanspruch;

–   Schaffung eines Rechtsanspruchs auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft für in Österreich Geborene und Aufgewachsene bzw. für junge Menschen, die zum Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres mindestens acht Jahre in Österreich gelebt haben;


–   Verleihung der Staatsbürgerschaft mit Geburt für Kinder von Ausländern, die in Österreich geboren sind und seither hier leben;

–   Ermöglichung der Doppelstaatsbürgerschaft, wenn der Betreffende aus einem Land kommt, in dem diese ebenfalls möglich ist;

–   Gleichstellung unehelicher Kinder mit ehelichen Kindern;

–   Abschaffung von aus heutiger Sicht diskriminierenden Begriffen im Gesetzestext, wie etwa das Wort ,Fremde‘ für Personen nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft;

–   weiters sieht der Entwurf entsprechende Kürzungen der Verleihungsfristen für Staatenlose und Ehe­partner von Österreicherinnen und Österreichern sowie die Überprüfung von grundlegenden Sprach­kenntnissen bei Antragstellern, die noch keinen Rechtsanspruch besitzen, vor.

Die Sorge vor einem ,Ansturm‘ von Ausländern auf die österreichische Staatsbürgerschaft ist dann unbe­gründet, wenn für Ausländer mit Wohnsitz in Österreich gleichzeitig integrationsfördernde Maßnahmen ergriffen werden, die den Anreiz, die österreichische Staatsbürgerschaft zu benötigen, um als gleich­berechtigter Bürger behandelt zu werden, verringern.”

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Antrag in seinen Sitzungen am 3. und 30. Juni 1998 in Verhandlung genommen.

Als Berichterstatter für den Ausschuß fungierte der Abgeordnete Dr. Volker Kier.

In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Paul Kiss, Wolfgang Jung, Dr. Volker Kier, Günther Platter, Dr. Helene Partik-Pablé, Franz Lafer, Mag. Terezija Stoisits, Anton Gaál, Dr. Karl Maitz, Emmerich Schwemlein, Helmut Dietachmayr und der Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl das Wort.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Initiativantrag nicht die Zustimmung der Ausschuß­mehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 1998 06 30

                             Helmut Dietachmayr                                                              Anton Leikam

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann