1336 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP
Bericht
des Verkehrsausschusses
über die Regierungsvorlage (1275 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Gefahrgutbeförderungsgesetz erlassen wird sowie das Kraftfahrgesetz 1967 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden
Die Erlassung dieses Gesetzes durch den Bund ist auf folgende Kompetenztatbestände gestützt:
1. “Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen und der Luftfahrt sowie der Schiffahrt, sofern diese nicht unter Art. 11 fällt” (Art. 10 Abs. 1 Z 9 B-VG),
2. “Kraftfahrwesen” (Art. 10 Abs. 1 Z 9 B-VG) und
3. “Straßenpolizei” (Art. 11 Abs. 1 Z 4 B-VG).
Mit dem vorliegenden Bundesgesetz werden folgende Rechtsakte der Europäischen Union umgesetzt:
1. Richtlinie 94/55/EG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für den Gefahrguttransport auf der Straße,
ABl. Nr. L 319 vom 12. 12. 1994, S 7; CELEX-Nr. 394L0055;
2. Richtlinie 95/50/EG des Rates über einheitliche Verfahren für die Kontrolle von Gefahrguttransporten auf der Straße,
ABl. Nr. L 249 vom 17. 10. 1995, S 35; CELEX-Nr. 395L0050;
3. Richtlinie 96/35/EG des Rates über die Bestellung und die berufliche Befähigung von Sicherheitsberatern für die Beförderung gefährlicher Güter auf Straße, Schiene oder Binnenwasserstraßen,
ABl. Nr. L 145 vom 19. 6. 1996, S 10; CELEX-Nr. 396L0035;
4. Richtlinie 96/49/EG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter,
ABl. Nr. L 235 vom 17. 9. 1996, S 25; CELEX-Nr. 396L0049;
5. Richtlinie 96/86/EG der Kommission zur Anpassung der Richtlinie 94/55/EG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für den Gefahrguttransport auf der Straße an den technischen Fortschritt,
ABl. Nr. L 335 vom 24. 12. 1996, S 43; CELEX-Nr. 396L0086 und
6. Richtlinie 96/87/EG der Kommission zur Anpassung der Richtlinie 96/49/EG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter an den technischen Fortschritt,
ABl. Nr. L 335 vom 24. 12. 1996, S 45; CELEX-Nr. 396L0087.
Neben dem Hauptziel der Umsetzung der Gefahrgutrichtlinien der Europäischen Union zielt das vorliegende Bundesgesetz auch auf eine Verbesserung der Rechtsgrundlagen für die Regelung der Beförderung gefährlicher Güter im Eisenbahn-, Binnenschiffs-, See- und Luftverkehr ab und sieht weiters Änderungen im Bereich der Regelung der Beförderung gefährlicher Güter im Straßenverkehr auf Grund der mit der Vollziehung des GGSt [1]) gewonnenen Erfahrungen vor.
Der Inhalt der erwähnten EU-Richtlinien läßt sich wie folgt zusammenfassen:
1. Mit der Richtlinie 94/55/EG (“ADR-Rahmenrichtlinie”) in der Fassung der Richtlinie 96/86/EG werden die Anlagen A und B des ADR als Anhänge der Richtlinie in Kraft gesetzt:
a) für die Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße innerhalb eines jeden EU-Mitgliedstaates und
b) von jedem EU-Mitgliedstaat in einen anderen mit einem in der EU zugelassenen Fahrzeug.
2. Mit der Richtlinie 95/50/EG (“Gefahrgutkontrollrichtlinie”) werden die EU-Staaten verpflichtet, einen repräsentativen Anteil der Gefahrguttransporte auf der Straße mittels einer vorgegebenen Checkliste zu kontrollieren. Daneben sind Kontrollen in Unternehmen zulässig. In Ergänzung hiezu werden im GGBG den Zollorganen Befugnisse für Gefahrgutkontrollen im selben Ausmaß eingeräumt, wie sie den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zustehen.
3. Mit der Richtlinie 96/49/EG (“RID-Rahmenrichtlinie”) in der Fassung der Richtlinie 96/87/EG werden die Bestimmungen des RID als Anhang der Richtlinie in Kraft gesetzt:
a) für die Beförderung gefährlicher Güter mit der Eisenbahn innerhalb eines jeden EU-Mitgliedstaates und
b) von jedem EU-Mitgliedstaat in einen anderen, sofern kein Drittstaat berührt wird.
4. Die Richtlinie 96/35/EG (“Gefahrgut-Beauftragtenrichtlinie”) sieht vor, daß jedes Unternehmen, dessen Tätigkeit die Gefahrgutbeförderung auf Straße, Schiene oder Binnenwasserstraßen oder das mit dieser Beförderung zusammenhängende Verladen oder Entladen umfaßt, einen Sicherheitsberater bestellen muß. Dieser muß für seine im Anhang beschriebenen Aufgaben (Überwachung, Beratung, Schulung der Verantwortungsträger) geschult sein.
Die Verbesserung der Rechtsgrundlagen für die Regelung der Beförderung gefährlicher Güter im Eisenbahn-, Binnenschiffs-, See- und Luftverkehr erfolgt durch Verweisung auf die geltenden internationalen Regelungen, denen zufolge für die Beförderung gefährlicher Güter anzuwenden sind:
1. auf der Eisenbahn das – als Anhang zur Richtlinie 96/49/EG übernommene – RID (auch für Beförderungen ohne Beförderungsvertrag),
2. im
Binnenschiffsverkehr [vorerst [2])] die Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr
über die Beförderung gefährlicher Güter auf
Wasserstraßen – ADN, BGBl. I Nr. 295/
1997,
3. im Seeverkehr nach Beförderungsart unterschiedene Codes der Internationalen Seeschiffahrtsorganisation (IMO), insbesondere der International Maritime Dangerous Goods Code (IMDG Code) und
4. im Luftverkehr der Anhang 18 des AIZ mit den technischen Anweisungen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO -TI).
Die Bestimmungen des GGBG dienen der Durchführung bzw. Ergänzung der internationalen Vorschriften und gelten somit subsidiär zu diesen.
Die bereits im GGSt als sehr nützlich und notwendig erkannte Benennung von Verantwortungsträgern im Gefahrguttransport (zB Absender, Beförderer) und Zuweisung von Pflichten an diese, wird auf weitere Verantwortliche (Verpacker, Befüller, Verlader ua.) ausgeweitet.
Die Begriffe des Absenders und des Beförderers werden nicht mehr wie bisher an ein Rechtsverhältnis geknüpft. Folgerichtig werden die Pflichten des (als Begriff problematischen und daher nicht mehr aufgenommenen) Versenders (hauptsächlich die Informationsweitergabe über das Gefahrgut an den Absender) jedem Dritten überantwortet, über dessen Auftrag der Absender gefährlicher Güter tätig wird.
Die auf die einzelnen Verantwortlichen entfallenden Pflichten werden grundsätzlich multimodal formuliert, jedoch ergeben sich im Straßen- und Eisenbahnverkehr zusätzlich Pflichten des Absenders im Hinblick auf die Fahrzeugkennzeichnung bzw. im Straßenverkehr noch Pflichten des Lenkers und des Zulassungsbesitzers. Der letztgenannte Begriff des Kraftfahrrechts ersetzt gegenüber dem GGSt den aus dem Haftungsrecht stammenden Begriff des “Halters”.
Beförderungsbewilligungen sind nur in den in den Gefahrgut-Beförderungsvorschriften angeführten Fällen vorgesehen (hauptsächlich bei Explosivstoffen bzw. spaltbaren Stoffen der Gefahrgutklassen 1 und 7). Sie können künftig auch für mehrere Verkehrsträger (insbesondere für Schiene und Straße im kombinierten Verkehr) gemeinsam erteilt werden, wobei für alle Genehmigungsfälle nunmehr der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr zuständig ist. Auch Ausnahmebewilligungen für Einzelfälle können für mehrere Verkehrsträger gemeinsam erteilt werden.
Für Abweichungen ist in den von den Rahmenrichtlinien zugelassenen Fällen die Erlassung durch Verordnung vorgesehen. In allen übrigen Fällen sind multilaterale Vereinbarungen zu schließen. Die Abweichungen sind auf höchstens fünf Jahre befristet. Sind sie länger erforderlich, so muß innerhalb der Frist eine Änderung der internationalen Vorschriften herbeigeführt werden.
Für aus Drittländern in den EWR auf der Straße einreisende unzulässige Gefahrguttransporte wird ein ausdrückliches Zurückweisungsrecht an der EWR-Außengrenze festgelegt.
Ein – für mehrere Verkehrsträger zutreffendes – weiteres wichtiges Element der Intensivierung der Umsetzung der Gefahrgut-Beförderungsvorschriften stellt der Gefahrgutbeauftragte dar. Diesen wird ab 31. Dezember 1999 jedes Unternehmen, dessen Tätigkeit die Beförderung gefährlicher Güter auf Straße, Schiene oder Wasserstraße oder das mit dieser Beförderung zusammenhängende Verladen oder Entladen umfaßt, zu benennen haben. Einzelheiten zur Schulung und Prüfung der Gefahrgutlenker und der Gefahrgutbeauftragten und der Anerkennung der Schulungsveranstalter werden in einer Verordnung (unter Berücksichtigung einer noch in Ausarbeitung befindlichen Richtlinie der EU über die Prüfung der Gefahrgutbeauftragten) festgelegt werden.
Als weitere Neuerung enthält das GGBG eine Bestimmung über “Sofortmaßnahmen”, der zufolge der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr – nach Befassung der Europäischen Kommission – solche Maßnahmen setzen kann, wenn sich nach seiner Auffassung die geltenden Sicherheitsvorschriften bei einem Unfall oder Zwischenfall als für die Einschränkung der von der Beförderung ausgehenden Gefahren unzureichend herausgestellt haben und das übliche zeitaufwendige internationale Beschlußverfahren nicht abgewartet werden kann.
Während die ersten drei Abschnitte des GGBG für mehrere Verkehrsträger gemeinsam gelten, enthalten die Abschnitte 4 und 5 besondere Bestimmungen für den Straßen- bzw. Eisenbahnverkehr. In einer späteren Phase könnte – je nach der Entwicklung auf internationaler Ebene – die Einführung besonderer Abschnitte für weitere Verkehrsträger geboten sein.
Bei den straßenspezifischen Vorschriften werden diejenigen bisher im GGSt enthaltenen Regelungen übernommen, die sich bewährt haben und richtlinienkonform sind. Adaptierungen wurden vorgenommen, wenn daraus, zB beim verschärften Alkohollimit für Gefahrgutlenker, eine bessere Vollziehung zu erwarten ist.
In den schienenspezifischen Vorschriften scheinen ua. besondere Absenderpflichten und eine besondere orangefarbene Kennzeichnung im Stückgutverkehr auf.
Die Kontrollrechte und -pflichten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes werden entsprechend der EU-Richtlinie erweitert. Zugleich werden auch Zollorgane mit solchen Rechten und Pflichten ausgestattet.
Zur Sicherstellung der ADR-Konformität neu für den Gefahrguttransport zuzulassender Fahrzeuge und der Erhaltung dieser Konformität bei weiterhin für den Gefahrguttransport bestimmten Fahrzeugen wird in einer KFG-Novelle geregelt, daß
1. Kraftfahrzeuge und Anhänger, die zur Beförderung gefährlicher Güter im Sinne des ADR bestimmt sind oder verwendet werden, abgesehen von den sonst für diese Fahrzeuge in Betracht kommenden Bestimmungen auch jenen des ADR entsprechen müssen,
2. bei der kraftfahrrechtlichen Genehmigung von Fahrzeugen, die auf Grund des ADR vor ihrer Zulassung technischen Untersuchungen zu unterziehen und für die sogenannte “B.3-Bescheinigungen” auszustellen sind (zB Tankfahrzeuge und Spezialfahrzeuge für Explosivstoffe), die Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen gemäß GGBG obligat ist,
3. im Ermittlungsverfahren für die kraftfahrrechtliche Genehmigung bei solchen Fahrzeugen sämtliche Angaben zu erheben sind, die auch in den betreffenden B.3-Bescheinigungen enthalten sein müssen, insbesondere die Bezeichnung der gefährlichen Güter, die mit dem Fahrzeug befördert werden dürfen,
4. bei solchen Fahrzeugen vom Landeshauptmann auf dieser Grundlage auch eine B.3-Bescheinigung auszustellen ist und
5. bei solchen Fahrzeugen zur Überprüfung gemäß § 57a KFG die obligate Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen gemäß GGBG hinzutritt, auf Grund dessen vom Landeshauptmann die Verlängerung der B.3-Bescheinigung vorzunehmen ist.
Weiters erfolgt im Rahmen einer Novelle der StVO 1960 eine Klarstellung hinsichtlich der gefahrgutspezifischen Verkehrszeichen, indem
1. das veraltete Zeichen “Fahrverbot für Tankkraftfahrzeuge” gestrichen wird, da sein Zweck auf Grund der Entwicklung im Gefahrgutbereich nunmehr klarer und präziser durch das Zeichen “Fahrverbot für Kraftfahrzeuge mit gefährlichen Gütern”, gegebenenfalls mit Zusatztafel, ausgedrückt wird und
2. das Zeichen “Fahrverbot für Kraftfahrzeuge mit gefährlichen Gütern” gemäß geänderter Legende anzeigt, daß das Fahren mit Beförderungseinheiten gemäß ADR, in denen Güter des ADR befördert werden und die gemäß ADR zu kennzeichnen sind, verboten ist.
Entsprechend seiner Wichtigkeit und Dringlichkeit soll das neue Gesetz am 1. September 1998 in Kraft treten, lediglich für die Anpassung bei den Verkehrszeichen wird eine längere Frist eingeräumt.
Schließlich wurde der von der EU vorgeschriebene Hinweis aufgenommen, daß das Gesetzesvorhaben ordnungsgemäß im Sinne der Richtlinie 83/189/EWG notifiziert ist.
Der Verkehrsausschuß hat die vorliegende Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 30. Juni 1998 in Verhandlung genommen.
An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Franz Lafer, Dr. Gabriela Moser, Mag. Thomas Barmüller, Josef Edler, Mag. Helmut Kukacka, Günther Platter, Mag. Reinhard Firlinger sowie der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem.
Die Abgeordneten Rudolf Parnigoni und Mag. Helmut Kukacka brachten einen Abänderungsantrag betreffend den Gesetzestitel und Artikel I (Entfall des § 27 Abs. 7) ein.
Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage unter Berücksichtigung des oberwähnten Abänderungsantrages einstimmig angenommen.
Weiters beschloß der Ausschuß mit Stimmenmehrheit folgende Ausschußfeststellung:
“Der Verkehrsausschuß geht davon aus, daß vor Erlassung einer Verordnung gemäß § 11 Abs. 2 und § 14 Abs. 1 Gefahrgutbeförderungsgesetz eine Einigung auf Sozialpartnerebene erzielt wird.”
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verkehrsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1275 der Beilagen) mit den angeschlossenen Abänderungen die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 1998 06 30
Kurt Wallner Rudolf Parnigoni
Berichterstatter Obmann
Anlage
Abänderungen
zum Gesetzentwurf in 1275 der Beilagen
1. Die Zitierung der CELEX-Nummern im Gesetzestitel entfällt.
2. § 27 Abs. 7 des Artikels I entfällt.
[1]) Bundesgesetz vom 23. Februar 1979 über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße und über eine Änderung des Kraftfahrgesetzes 1967 und der Straßenverkehrsordnung 1960 (Gefahrgutbeförderungsgesetz-Straße – GGSt), BGBl. Nr. 209/1979, in der Fassung BGBl. Nr. 296/1987, 181/1988, 452/1992, 505/1994 und 430/1995.
[2]) In einer späteren Phase werden die derzeit noch im Entwurfsstadium befindlichen internationalen Instrumente ADN (Übereinkommen im Rahmen der UN/ECE) und “ADN-Rahmenrichtlinie” der Europäischen Union anzuwenden sein.