1381 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Gesundheitsausschusses


über den Antrag 802/A der Abgeordneten Dr. Günther Leiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird


Die Abgeordneten Dr. Günther Leiner und Genossen haben den gegenständlichen Antrag am 16. Juni 1998 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

“Primäres Ziel der Gesundheitspolitik ist eine hochwertige und flächendeckende medizinische Versor­gung der Bevölkerung. Dies muß auch für die medikamentöse Versorgung der Bevölkerung – unabhängig vom Wohnort des Patienten – gelten. Durch das System der ärztlichen Hausapotheken und der öffent­lichen Apotheken ist dieses grundsätzliche Ziel der Gesundheitspolitik erreicht; insbesondere durch die Entwicklung der letzten 15 Jahre, in welchen sich die Zahl der öffentlichen Apotheken und der ärztlichen Hausapotheken auf 1050 bzw. 970 verdoppelt hat.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis G 37/97 vom 2. März 1998 hinsichtlich der Apo­theken-Bedarfsprüfung die Bedarfsprüfung zur Niederlassung einer öffentlichen Apotheke mit sofortiger Wirksamkeit (nach Veröffentlichung im BGBl. I Nr. 53/1998 vom 1. April 1998) aufgehoben und die Rechtslage für hausapothekenführende Ärzte grundlegend verändert. Das Erkenntnis bedeutet inhaltlich eine Beibehaltung des Existenzschutzes für bereits bestehende Apotheken, die anderen beschränkenden Voraussetzungen für niederlassungswillige Apotheker wurden jedoch aus dem Gesichtspunkt des Grund­rechtes der Erwerbsfreiheit aufgehoben. Der § 29 Abs. 4 betreffend Pflicht zur Rücknahme der Bewilli­gung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke wurde nicht geändert.

Daher sollte diese Bestimmung an die neue Rechtslage im Apothekenrecht angepaßt und das mühsam ausgehandelte Gleichgewicht zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken innerhalb einer Übergangsfrist, die im Sinne des Vertrauensschutzes an die Berufsausübung des hausapotheken­führenden Arztes gebunden wäre, erhalten werden. So soll die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke mit dem Zeitpunkt zurückgenommen werden, mit dem der Arzt die Bewilligung zurücklegt oder seine ärztliche Berufsausübung einstellt, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neuen öffentlichen Apotheke vier Kilometer nicht überschreitet.

Denn es ist damit zur rechnen, daß bei kurz/mittelfristig anzunehmenden 200 Apothekenneugründungen es ohne gesetzliche Initiative zur Schließung von 200 bis 400 Hausapotheken kommen kann. Das hat unabsehbare Folgen für die Bevölkerung im ländlichen Bereich: Mehrwege vor allem von Bewohnern in entlegenen Gebieten, alte Menschen, für die jeder zusätzliche Weg ein Erschwernis ist, Familien ohne Auto, noch dazu schlechte oder gar keine öffentliche Verkehrsmittel, Probleme am Abend und am Wochenende in Bezug auf den Bereitschaftsdienst. Je dünner ein Gebiet besiedelt ist, um so vorteilhafter ist die Führung einer ärztlichen Hausapotheke. Neben der Verstärkung des negativen Effekts “Land­arztsterben” ist auch zu berücksichtigen, daß Hausärzte ihre Präparate bislang um durchschnittlich 5,5% billiger verkaufen als die Apotheken. Auch für die soziale Krankenversicherung ist mit Mehrkosten zu rechnen.

Diese Anpassung der Rechtsstellung der hausapothekenführenden Ärzte scheint auch verfassungsrechtlich geboten. Zum einen entspricht es allgemeiner Rechtsprechung zum Grundrecht der Erwerbsfreiheit, daß rechtmäßige Erwerbsbetätigungen nicht ansatzlos untersagt werden dürfen, zum anderen ergeben sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes Erfordernisse einer “Übergangsgerechtigkeit”.

Es besteht die berechtigte Sorge, daß in den nächsten Jahren von diesem Erkenntnis hunderte ärztliche Hausapotheken betroffen sein werden. Denn das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hätte ohne die in diesem Antrag vorgesehene Anpassung des § 29, welche die Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke im Falle einer Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke vorsieht, wenn letztere innerhalb einer Wegstrecke von vier Straßenkilometern zur ärztlichen Hausapo­theke liegt, eine Reduzierung der Hausapotheken zur Folge. Eine solche Reduktion dieser für die ländliche Bevölkerung so wichtigen Einrichtung entspricht nicht den gesundheitspolitischen Ziel­setzungen der unterfertigten Abgeordneten, weshalb mit dem gegenständlichen Antrag für den Schutz bestehender ärztlicher Hausapotheken eingetreten wird.”


Der Gesundheitsausschuß hat diesen Initiativantrag (802/A) in seiner Sitzung am 17. Juli 1998 in Verhandlung genommen. Berichterstatter im Ausschuß war Abgeordneter Johann Schuster.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Erwin Rasinger, Klara Motter, Dr. Günther Leiner, Dr. Elisabeth Pittermann, Theresia Haidlmayr, Karl Donabauer, Mag. Herbert Haupt, Dr. Brigitte Povysil sowie die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch  und der Ausschußvorsitzende Abgeordneter Dr. Alois Pumberger.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann, Karl Donabauer und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

“Eine unter Hinweis auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes in Aussicht genommene Regelung betreffend das Weiterbestehen von ärztlichen Hausapotheken kann wohl nur für Ärzte mit bestehender Hausapotheke zum Tragen kommen, da diese bei der Errichtung der Hausapotheke von einer gewissen rechtlichen Situation im Hinblick auf die Bedarfsprüfung ausgehen konnten, nunmehr aber mit einer durch das Erkenntnis des VfGH G 37/97 vom 2. März 1998, kundgemacht unter BGBl. I Nr. 53/1998, geänderten Rechtslage konfrontiert sind.

Ziel kann es demgegenüber aber nicht sein, das rechtliche Verhältnis zwischen der öffentlichen Apotheke und der grundsätzlich subsidiären ärztlichen Hausapotheke zu verändern, wie es in dem Initiativantrag der Abgeordneten Dr. Leiner, Dr. Rasinger, Schuster, Donabauer und Kollegen vom 16. Juni 1998, 802/A, betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird, in Aussicht genommen ist.

Durch die Schaffung einer allgemeinen Übergangsfrist bis zum Jahr 2008, während der eine am 1. Juni 1998 bestehende ärztliche Hausapotheke neben einer neuerrichteten öffentlichen Apotheke weiterbestehen kann und eine entsprechende Anpassung im Hinblick auf die Regelung der Befugnis beim Betrieb ärztlicher Hausapotheken (§ 30) soll dem Vertrauensschutz Rechnung getragen und Übergangsgerechtig­keit geschaffen werden.”

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf in der Fassung des oben erwähnten Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitssausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1998 07 17

                                Johann Schuster                                                            Dr. Alois Pumberger

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann

Anlage

Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Apothekengesetz, RGBl. Nr. 5/1907, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 53/1998, wird geändert wie folgt:

Es wird ein neuer § 62 samt Überschrift eingefügt:

“Übergangsvorschrift für den Betrieb von Hausapotheken

§ 62. (1) § 29 Abs. 4 und 5 gelten unter den Voraussetzungen, daß

           1. die Hausapotheke vor dem 1. Juni 1998 in Betrieb genommen worden ist,

           2. die Hausapotheke vom selben Arzt ununterbrochen betrieben wird, und

           3. die öffentliche Apotheke, die auf Grund eines Bescheides in Betrieb genommen wird, der nach dem 31. Mai 1998 in Rechtskraft erwachsen ist,

mit der Wirkung, daß die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung nicht vor dem 31. Mai 2008 erfolgt.

(2) § 30 Abs. 1 gilt für ärztliche Hausapotheken, die gemäß Abs. 1 in Betrieb bleiben dürfen, mit der Maßgabe, daß der zu ihrem Betrieb berechtigte Arzt auch zur Verabreichung von Arzneimitteln an die in seiner Behandlung stehenden Personen berechtigt ist, wenn sich der Sitz der Hausapotheke an einem Ort befindet, an dem eine öffentliche Apotheke vorhanden ist.”