1390 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Ausgedruckt am 25. 9. 1998

Regierungsvorlage


Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bun­desmuseen und Sammlungen

Der Nationalrat hat beschlossen:

§ 1. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, jene Kunstgegenstände aus den österreichi­schen Bundesmuseen und Sammlungen, wozu auch die Sammlungen der Bundesmobilienverwaltung zählen, unentgeltlich an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen zu übereignen, welche

           1. Gegenstand von Rückstellungen an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen waren und nach dem 8. Mai 1945 im Zuge eines daraus folgenden Verfahrens nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verbot der Ausfuhr von Gegenständen von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung, StGBl. Nr. 90/1918, unentgeltlich in das Eigentum des Bundes übergegangen sind und sich noch im Eigentum des Bundes befinden;

           2. zwar rechtmäßig in das Eigentum des Bundes übergegangen sind, jedoch zuvor Gegenstand eines Rechtsgeschäftes gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 15. Mai 1946 über die Nichtigerklärung von Rechtsgeschäften und sonstigen Rechtshandlungen, die während der deutschen Besetzung Österreichs erfolgt sind, in das Eigentum der Republik Österreich gelangt sind, BGBl. Nr. 106/
1946, waren und sich noch im Eigentum des Bundes befinden;

           3. nach Abschluß von Rückstellungsverfahren nicht an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen zurückgegeben werden konnten, als herrenloses Gut unentgeltlich in das Eigentum des Bundes übergegangen sind und sich noch im Eigentum des Bundes befinden.

§2. (1) Der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten und der Bundesminister für Landesverteidigung werden ermächtigt,

           1. die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen festzustellen und die Kunstwerke an diese zu übereignen;

           2. jene Kunstgegenstände gemäß § 1, welche nicht an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen rückübereignet werden können, weil diese nicht festgestellt werden können, an den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus zur Verwertung zu übereignen, der den Verwertungserlös für die in § 2 des Bundesgesetzes über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, BGBl. Nr. 432/
1995, genannten Zwecke zu verwenden hat.

(2) Die genannten Bundesminister haben vor der Übereignung den nach § 3 eingerichteten Beirat anzuhören. Durch die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes wird keinerlei Anspruch auf Übereignung begründet.

§ 3. (1) Beim Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wird ein Beirat eingerichtet, der die in § 2 genannten Bundesminister bei der Feststellung jener Personen, denen Kunstgegenstände zu übereignen sind, zu beraten hat.

(2) Mitglieder des Beirates sind:

           1. je ein Vertreter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten, des Bundesmini­steriums für Justiz, des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten sowie des Bundesministeriums für Landesverteidigung;

           2. ein Vertreter der Finanzprokuratur;

           3. je ein Experte auf dem Gebiet der Geschichte sowie der Kunstgeschichte.

(3) Für jedes Mitglied ist ein Ersatzmitglied zu bestellen.

(4) Der Beirat kann weiters Sachverständige und geeignete Auskunftspersonen beiziehen.

(5) Die Bestellung und Abberufung des Vorsitzenden, dessen Stellvertreters sowie die Bestellung und Abberufung der in Abs. 2 genannten Mitglieder des Beirates obliegt dem Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten. Die Bestellung erfolgt jeweils auf ein Jahr. Neuerliche Bestellungen sind zulässig.

(6) Der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten oder der Vorsitzende berufen den Beirat zu Sitzungen ein.

(7) Zu einem Beschluß des Beirates ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich.

(8) Der Beirat beschließt seine Geschäftsordnung, die vom Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten zu genehmigen ist, mit einfacher Mehrheit. Die Geschäftsordnung hat unter Bedachtnahme auf Abs. 1 die Tätigkeit des Beirates möglichst zweckmäßig zu regeln. Die Geschäfts­ordnung ist zu genehmigen, wenn sie dieser Voraussetzung entspricht.

§ 4. Die Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes, BGBl. Nr. 533/1923, in der Fassung des Bun­desgesetzes BGBl. Nr. 473/1990 über die freiwillige Veräußerung von Denkmalen, die sich im alleinigen Eigentum des Bundes befinden, sowie die Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verbot der Ausfuhr von Gegenständen von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung, StGBl. Nr. 90/
1918, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 605/1987 finden auf die Übereignung sowie die Ausfuhr von Gegenständen, die nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes ausgefolgt werden, auf die Dauer von 25 Jahren nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes keine Anwendung.

§ 5. Die durch dieses Bundesgesetz unmittelbar veranlaßten Zuwendungen sind von allen Abgaben befreit.

§ 6. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind betraut:

           1. hinsichtlich der §§ 1 und 5 der Bundesminister für Finanzen;

           2. hinsichtlich der §§ 2 und 3 der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten und der Bundesminister für Landesverteidi­gung, soweit ihr Wirkungsbereich betroffen ist;

           3. hinsichtlich des § 4 der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Vorblatt

Problem:

In den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen, wozu auch die Sammlungen der Bundes­mobilienverwaltung zählen, befinden sich Kunstgegenstände, welche im Zuge oder als Folge der NS-Gewaltherrschaft in das Eigentum des Bundes gelangt sind.

Problemlösung:

Regelung der Ermächtigung des Bundesministers für Finanzen, Kunstgegenstände aus den Österreichi­schen Bundesmuseen und Sammlungen, die im Zuge oder als Folge der NS-Gewaltherrschaft in das Eigentum des Bundes gelangt sind, an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen herauszugeben und Festlegung der Zuständigkeiten für die Abwicklung der Rückgaben.

Ziele:

Rückgabe der nach Abschluß der Provenienzforschung in den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen im Sinne der Problemstellung identifizierten Kunstgegenstände an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen.

Alternativen:

Beibehalten der bestehenden Rechtslage.

Kosten:

Die Vollziehung kann mit den bestehenden Personalressourcen bewältigt werden und zieht unbedeutende budgetäre Auswirkungen nach sich.

Konformität mit EU-Recht:

Ist gegeben.

Erläuterungen


Allgemeiner Teil

Im Rahmen der Rückstellungsgesetzgebung nach Ende des Zweiten Weltkrieges hat die Republik Österreich unter anderem auch Kunstgegenstände, welche ihren damaligen Eigentümern unrechtmäßig entzogen worden sind, an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen zurückgestellt, wobei sich in eindeutigen Fällen oftmals ein formelles Rückstellungsverfahren erübrigt hat. Mit den beiden Kunst- und Kulturgutbereinigungsgesetzen 1969 und 1986 sowie der Novelle im Jahr 1995, auf Grund welcher jene Kunst- und Kulturgüter, die nicht an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen zurückgegeben werden konnten und an den Bundesverband der Israelitischen Kultusgemeinden Österreichs übergeben worden sind, hat die bisherige Rückstellungs­gesetzgebung in diesem Bereich ihren Abschluß gefunden.

Auf Grund von Ergebnissen der in den 90er Jahren begonnenen Aufarbeitung des archivalischen Materials zum Thema Raub und Restitution von Kunst- und Kulturgutgegenständen und konkreter Anlaßfälle, wurde im Jänner 1998 verfügt, daß die Archive der Bundesmuseen und Sammlungen sowie des Bundesdenkmalamtes für eine systematische Aufarbeitung ausgewertet werden, um Einsicht in die Geschehnisse in der Zeit zwischen 1938 und 1945 sowie in die Ergebnisse der Restitutionen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu erlangen. Unabhängig davon wurden auch Erhebungen in den Sammlungen der Bundesmobilienverwaltung durchgeführt.

In weiterer Folge wurde im Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten eine “Kommission für Provenienzforschung” eingesetzt, die mit der Aufgabe betraut wurde, die in der fraglichen Zeit erworbenen Kunstgegenstände systematisch zu katalogisieren, um alle Fragen über die Besitzverhältnisse während der Zeit der NS-Herrschaft und der unmittelbaren Nachkriegszeit aufzuklären.

Nunmehr liegen erste Ergebnisse der Tätigkeit dieser Kommission vor und betreffen folgende Kategorien von Kunstgegenständen:

1. Kunst- und Kulturgegenstände, die im Zuge von Verfahren nach dem Ausfuhrverbotsgesetz zurückbehalten wurden und als “Schenkungen” oder “Widmungen” in den Besitz der Österreichischen Museen und Sammlungen eingegangen sind. Sämtliche, der in diese Kategorie einzureihenden Kunstgegenstände waren bereits Gegenstand von Rückstellungen, wurden auch tatsächlich an die Eigentümer zurückgestellt und sind daher auch entsprechend gut dokumentiert. Im Gegenzug für die Erteilung einer Ausfuhrbewilligung nach dem Ausfuhrverbotsgesetz wurde mit den Ausfuhrwerbern vereinbart, daß einzelne dieser Werke an österreichische Museen gehen sollten. Aus heutiger Sicht und auf Grund der Tatsache, daß bei den beiden Kunst- und Kulturgutbereinigungsgesetzen die Anwendung der Bestimmungen des Ausfuhrverbotsgesetzes ausdrücklich ausgenommen wurde, ist die damals gewählte Vorgangsweise nicht zu rechtfertigen.

2. Kunst- und Kulturgegenstände, welche zwar rechtmäßig in das Eigentum des Bundes gelangt sind, jedoch zuvor Gegenstand eines Rechtsgeschäftes gewesen sind, das nach den Bestimmungen des sogenannten Nichtigkeitsgesetzes nichtig ist. Einige Museumsdirektoren haben in der Nachkriegszeit im guten Glauben Kunstgegenstände am Kunstmarkt bei befugten Händlern erworben, wobei sich erst zu einem späteren Zeitpunkt Zweifel an der Unbedenklichkeit der Herkunft ergeben haben. Im Zuge der Provenienzforschung sind Fälle dieser Art bekannt geworden.

3. Kunst- und Kulturgegenstände, die trotz Durchführung von Rückstellungen nicht an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen zurückgegeben werden konnten und als herrenloses Gut in das Eigentum des Bundes übergegangen sind.

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll die rechtliche Grundlage geschaffen werden, diese Kunst­gegenstände an ihre ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen zurück­zugeben.

Die Zuständigkeit zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Artikel 17 B-VG in Verbindung mit Artikel 10 Abs. 1 Z 6 – (“Zivilrechtswesen”) – sowie Artikel 10 Abs. 1 Z 2 – (“Warenverkehr mit dem Ausland”) – Z 4 – (“Bundesfinanzen”) und Z 13 B-VG – (“Denkmalschutz”).

Es wird darauf hingewiesen, daß gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG gegen Beschlüsse des Nationalrates, die Verfügungen über Bundesvermögen betreffen (§ 1), der Bundesrat keinen Einspruch erheben kann.

Für die Durchführung dieses Bundesgesetzes entsteht kein zusätzlicher Personal- und nur ein gering­fügiger Sachaufwand.

Besonderer Teil


Zu § 1:

Im Zuge der Provenienzforschung konnten drei Kategorien von Kunstwerken identifiziert werden, bei denen aus heutiger Sicht eine Rückgabe in Betracht zu ziehen ist. Da die Erhebungen noch nicht abgeschlossen sind und die einzelnen Kunstgegenstände, die von der haushaltsrechtlichen Ermächtigung erfaßt werden sollen, noch nicht vollständig feststehen, wurde aus rechtspolitschen Erwägungen einer generellen Gesetzesbestimmung der Vorzug gegeben. Damit soll auch die rechtliche Möglichkeit geschaffen werden, bereits identifizierte Kunstgegenstände einer raschen Rückgabe zuzuführen, anderer­seits für zukünftige, derzeit noch nicht bekannte, Fälle auf eine bereits bestehende gesetzliche Grundlage zurückgreifen zu können ohne erneut den Nationalrat befassen zu müssen. Damit soll der Vollziehung ein rasches Reagieren ermöglicht werden.

Als “Kunstgegenstände” im Sinne dieses Bundesgesetzes ist Kunst- und Kulturgut jeder Art, wie es von den Bundesmuseen und der Nationalbibliothek sowie den Sammlungen der Bundesmobilienverwaltung, für die dieses Bundesgesetz gilt, gesammelt wird, zu verstehen, als Sammlungen die Unterteilungen der Bundesmuseen.

Zu § 2 und 3:

Der vorliegende Gesetzesentwurf bezweckt primär, daß die Kunstgegenstände an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen zurückgegeben werden sollen. Da jedoch auf Grund der Erfahrungen mit der Abwicklung von ähnlichen gesetzlichen Regelungen und der Tatsache, daß seit den unrechtmäßigen Vermögensverschiebungen in der Regel nahezu 60 Jahre vergangen sind, davon auszugehen ist, daß nicht in allen Fällen eine derartige Übereignung erfolgen kann, soll Sorge dafür getroffen werden, daß jedenfalls auch in diesen Fällen letztlich Opfer des NS-Regimes unterstützt werden können.

Die Abwicklung der Rückübereignungen selbst bzw. die Übereignung an den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus obliegt den zuständigen Bundesministern, wobei der Bundesminister für Landesverteidigung insoweit betroffen ist, als sich herauszugebende Kunstgegen­stände im Heeresgeschichtlichen Museum befinden, der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegen­heiten hinsichtlich der Sammlungen der Bundesmobilienverwaltung. Vor der Entscheidung über die Übereignungen in beiden Kategorien haben die zuständigen Bundesminister den gemäß § 3 eingerichteten Beirat anzuhören, der die dazu notwendige Sachkunde zur Verfügung stellen wird. Die Mitglieder üben ihre Funktion ehrenamtlich aus. Durch das in Aussicht genommene Gesetz werden keine subjektiven Rechte begründet. Allfällige Eigentumsansprüche wären nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts geltend zu machen.

Zu § 4:

Diese Regelung folgt den Bestimmungen bei den Kunst- und Kulturgutbereinigungsgesetzen, die sicher­stellen sollen, daß zurückgegebene Kunstgegenstände, ungeachtet der Herkunft der neuen Eigentümer jedenfalls ausgeführt werden können. Damit sollen auch der ins Auge gefaßten Rückübereignung nicht neuerlich Schranken gesetzt werden.

Zu § 5:

Durch diese Bestimmung soll sichergestellt werden, daß alle Rückgaben bzw. sonstige mögliche Zuwen­dungen, etwa an eine Einrichtung, von allen Bundesabgaben befreit sind.