158 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales


über den Antrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit und Vereinheitlichung aller Pensionsrechte [8/A(E)]

Die Abgeordneten Dr. Volker Kier, Maria Schaffenrath, Mag. Reinhard Firlinger, Dr. Martina Gredler und Genossen haben diesen Entschließungsantrag am 15. Jänner 1996 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

,,Die im geltenden Arbeitsrecht festgeschriebene Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten sowie öffentlich Bediensteten ist historisch gewachsen und entspricht in keinster Weise den Anforderungen des 20. Jahrhunderts. Die geltende Rechtslage spiegelt in vielen Bereichen das Obrigkeitsdenken früherer Zeiten wider und ist von einem ständisch gegliederten Bild der Gesellschaft geprägt. Dies erzeugt nicht nur eine Vielzahl von Ungerechtigkeiten, sondern ist überdies auch mobilitätshemmend, fort- und weiterbildungsfeindlich und strukturkonservativ. Da jede Analyse des Arbeitslosigkeitsbefundes auf seine strukturellen Ursachen hin zeigt, daß die mobilitätsfeindlichen Unterschiede in den einzelnen Teil-arbeitsrechten, die Fesselung durch zeitabhängig erworbene Ansprüche – die zudem im Selbstkündigungsfall verlorengehen – und die sozialrechtlichen Verschlechterungen beim Wechsel zwischen den verschiedenen Bereichen der unselbständigen Erwerbsarbeit wesentliche Mitursachen darstellen, ist eine umfassende Reform des Arbeitsrechtes eine der Grundvoraussetzungen für eine positive Trendwende am Arbeitsmarkt. Es erscheint daher unerläßlich, ein für alle unselbständig Erwerbstätigen geeignetes einheitliches Rahmenarbeitsrecht zu schaffen. Dieses muß genügend Spielraum offenlassen, sodaß auf berufsbildbedingte Sonderheiten eingegangen werden kann.

Die Anachronismen in den individuellen arbeitsrechtlichen Positionen sowie in den Entlohnungsschemata, in der Gestaltung der Sozialversicherungsbeiträge der Höhe und dem Grunde nach und letztlich in den davon ableitenden Ansprüchen bis hin insbesondere zu den Pensionen haben zu einer Spaltung innerhalb der Gesellschaft geführt. Im Sozialbericht 1994 ist zB nachzulesen, daß die durchschnittliche Pension, die über eine der gesetzlichen Sozialversicherungsanstalten zur Auszahlung gelangt, bei zirka 10 500 S, der durchschnittliche monatliche Ruhebezug der BundesbeamtInnen (ohne Post und ÖBB) jedoch bei 30 600 S liegt; auch ein Vergleich der Aktivbezüge zeigt ein ähnliches Mißverständnis.

In der Altersvorsorge wird im ASVG-Bereich zwar das Lebensstandardsicherungsprinzip angewendet – dennoch sind die Beiträge, wie auch die Ansprüche über Höchstbeitrags- und Höchstbemessungsgrundlagen gedeckelt und somit Höchstgrenzen fixiert (Höchstbeitragsgrundlage ASVG: 39 000 S; Höchstpensionen: 27 573 S). Im System der Ruhegenüsse in der Beamtenversorgung gibt es solche Höchstgrenzen nicht, was dazu führt, daß der Zuschußbedarf zu Pensionen des öffentlichen Dienstes – selbst unter Einberechnung eines fiktiven Dienstgeberbeitrages – zirka 72 Milliarden Schilling ausmacht, wohingegen der Zuschußbedarf zu allen anderen gesetzlichen Pensionen mit ,,nur“ rund 56 Milliarden Schilling beziffert wird – allerdings verhält sich die Zahl der Bezieher umgekehrt proportional wie 1 : 5 (21% aller Erwerbstätigen sind Beamte). Besonders augenfällig sind auch die Windschatteneffekte, die im quasi-öffentlichen Bereich, wie zB bei den Mitarbeitern von Sozialversicherungsträgern oder Unternehmen, die sich mehrheitlich im Eigentum öffentlicher Hände befinden, umgesetzt werden, in dem dort spezielle Zusatzpensionssysteme existieren, die sich zu Lasten der Allgemeinheit finanzieren und nicht etwa aus kalkulierten kostendeckenden Beiträgen der Versicherten. Der Rechnungshof hat erst in seinem letzten Bericht auf diese Mißstände hingewiesen.


Eine Vereinheitlichung aller Pensionsrechte ist aber nicht nur angesichts der evidenten Gefährdung der nachhaltigen Finanzierung dringend notwendig, sondern auch zur Herstellung einer angemessenen Symmetrie zwischen der Aufbringung der Finanzierung und dem Kreis der Pensionsempfänger unabdingbar. Es müssen daher einheitliche, sozialpolitisch auskömmliche Höchstpensionen sowie einheitliche Beitragssätze zur Anwendung kommen – eine darüber hinausgehende Lebensstandardsicherung ist der privaten Initiative und Vorsorge zu überantworten.

Auch sind wir als EU-Mitglied verpflichtet, ein einheitliches Arbeitnehmerschutzrecht einzuführen. Die laufende Diskussion um ein einheitliches Ärztearbeitszeitgesetz – derzeit gibt es im Bereich der Spitalsärzte im öffentlichen Dienst zB keinerlei Schutz durch ein Arbeitszeitgesetz – ist nur die Spitze eines Eisberges, und es stellt sich die Frage, ob auch in dieser Hinsicht eine generelle Vereinheitlichung der Arbeitsrechte für Arbeiter, Angestellte und öffentlich Bedienstete durch schrittweise Angleichung aller gesetzlichen Grundlagen nicht der effektivere Weg wäre. Schließlich gibt es neben dem Arbeitszeitgesetz noch etliche andere Bereiche, in denen es derzeit keinen ausreichenden Schutz für öffentlich Bedienstete gibt – als Beispiel sei nur die Arbeitsinspektion angeführt.

Da Österreich als EU-Mitglied ohnedies ein einheitliches Arbeitnehmerschutzrecht für alle privaten und öffentlichen Bereiche, für die die Gesetzgebungskompetenz beim Bund liegt sowie analog dazu in den Ländern entsprechende Bestimmungen einführen muß, ist eine Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit angesichts der Situation am Arbeitsmarkt unabdingbar; andererseits herrscht über die Notwendigkeit einer Harmonisierung der Pensionssysteme ohnehin breiter Konsens.“

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales  hat den gegenständlichen Antrag [8/A(E)] in seiner Sitzung am 29. Mai 1996 in Verhandlung genommen. Berichterstatter im Ausschuß war der Abgeordnete Dr. Volker Kier. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Sigisbert Dolinschek, Ridi Steibl, Dr. Volker Kier, Karl Öllinger, Mag. Walter Guggenberger, Mag. Herbert Haupt, Josef Meisinger, Eleonore Hostasch, Theresia Haidlmayr, Elfriede Madl, Dr. Elisabeth Pittermann und Mag. Dr. Josef Trinkl sowie der Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums. Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 1996 05 29

                        Dr. Elisabeth Pittermann                                                   Annemarie Reitsamer

                                 Berichterstatterin                                                                          Obfrau