1581 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Nachdruck vom 11. 2. 1999

Regierungsvorlage


Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über den Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages, nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen, nach einer Probezeit und nach außergerichtlichem Tatausgleich (Diversion) in die Strafprozeß­ordnung eingefügt sowie das Jugendgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Strafvoll­zugsgesetz und das Bewährungshilfegesetz geändert werden (Strafprozeßnovelle 1999)


Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Änderung der Strafprozeßordnung

Die Strafprozeßordnung 1975, BGBI. Nr. 631, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBI. I Nr. 20/1999, wird wie folgt geändert:

1. Der bisherige Inhalt des § 48 erhält die Absatzbezeichnung “(1)”; folgender Abs. 2 wird angefügt:

“(2) Wenn der Staatsanwalt nach dem IXa. Hauptstück von der Verfolgung zurücktritt, ist der Privatbeteiligte hingegen nicht berechtigt, die öffentliche Anklage zu erheben oder zu übernehmen.”

2. Dem § 68 wird folgender Abs. 5 angefügt:

“(5) Ist infolge eines Einspruchs gegen die Versetzung in den Anklagestand, einer Berufung oder einer Nichtigkeitsbeschwerde nach dem IXa. Hauptstück vorzugehen, so ist von der Mitwirkung am weiteren Strafverfahren ausgeschlossen, wer in derselben Sache als Untersuchungsrichter tätig gewesen ist oder als Richter an der früheren Hauptverhandlung teilgenommen hat.”

3. Nach dem § 90 wird das folgende neue Hauptstück eingefügt:

“IXa. Hauptstück

Vom Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages, nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen, nach einer Probezeit und nach außergerichtlichem Tatausgleich (Diversion)

1. Allgemeines

§ 90a. (1) Der Staatsanwalt hat nach diesem Hauptstück vorzugehen und von der Verfolgung einer strafbaren Handlung zurückzutreten, wenn auf Grund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, daß ein Zurücklegen der Anzeige nach § 90 nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf

           1. die Zahlung eines Geldbetrages (§ 90c) oder

           2. die Erbringung gemeinnütziger Leistungen (§ 90d) oder

           3. die Bestimmung einer Probezeit, allenfalls in Verbindung mit Bewährungshilfe und der Erfüllung von Pflichten (§ 90f), oder

           4. einen außergerichtlichen Tatausgleich (§ 90g)

nicht geboten erscheint, um den Verdächtigen von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

(2) Ein Vorgehen nach diesem Hauptstück ist jedoch nur zulässig, wenn

           1. die strafbare Handlung nicht in die Zuständigkeit des Schöffen- oder Geschworenengerichts fällt,

           2. die Schuld des Verdächtigen nicht als schwer anzusehen wäre und

           3. die Tat nicht den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat.

§ 90b. Das Gericht hat die für den Staatsanwalt geltenden Bestimmungen dieses Hauptstückes sinngemäß anzuwenden und nach Einleitung der Voruntersuchung oder Erhebung der Anklage das Verfahren wegen einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung unter den für den Staatsanwalt geltenden Voraussetzungen bis zum Schluß der Hauptverhandlung mit Beschluß einzustellen.

II. Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages

§ 90c. (1) Unter den Voraussetzungen des § 90a kann der Staatsanwalt von der Verfolgung einer strafbaren Handlung zurücktreten, wenn der Verdächtige einen Geldbetrag zugunsten des Bundes entrichtet.

(2) Der Geldbetrag darf den Betrag nicht übersteigen, der einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zuzüglich der im Fall einer Verurteilung zu ersetzenden Kosten des Strafverfahrens (§§ 389 Abs. 2 und 3, 391 Abs. 1) entspricht. Er ist innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der Mitteilung nach Abs. 4 zu bezahlen. Sofern dies den Verdächtigen unbillig hart träfe, kann ihm jedoch ein Zahlungsaufschub für längstens sechs Monate gewährt oder die Zahlung von Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraums gestattet werden.

(3) Soweit dies möglich und zweckmäßig ist, ist der Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages überdies davon abhängig zu machen, daß der Verdächtige binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht und dies unverzüglich nachweist.

(4) Der Staatsanwalt hat dem Verdächtigen mitzuteilen, daß die Durchführung eines Strafverfahrens gegen ihn wegen einer bestimmten strafbaren Handlung beabsichtigt sei, aber unterbleiben werde, wenn er einen festgesetzten Geldbetrag und gegebenenfalls Schadensgutmachung in bestimmter Höhe leiste. Des weiteren hat der Staatsanwalt den Verdächtigen im Sinne des § 90j sowie über die Möglichkeit eines Zahlungsaufschubs (Abs. 2) zu belehren, soweit er ihm einen solchen nicht von Amts wegen in Aussicht stellt.

(5) Nach Leistung des Geldbetrages und allfälliger Schadensgutmachung hat der Staatsanwalt von der Verfolgung zurückzutreten, sofern das Verfahren nicht gemäß § 90h nachträglich einzuleiten oder fortzusetzen ist.

III. Rücktritt von der Verfolgung nach gemeinnützigen Leistungen

§ 90d. (1) Unter den Voraussetzungen des § 90a kann der Staatsanwalt von der Verfolgung einer strafbaren Handlung vorläufig zurücktreten, wenn sich der Verdächtige ausdrücklich bereit erklärt hat, innerhalb einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten unentgeltlich gemeinnützige Leistungen zu erbringen.

(2) Gemeinnützige Leistungen sollen die Bereitschaft des Verdächtigen zum Ausdruck bringen, für die Tat einzustehen. Sie sind in der Freizeit bei einer geeigneten Einrichtung zu erbringen, mit der das Einvernehmen herzustellen ist.

(3) Soweit dies möglich und zweckmäßig ist, ist der Rücktritt von der Verfolgung nach gemeinnützigen Leistungen überdies davon abhängig zu machen, daß der Verdächtige binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt und dies unverzüglich nachweist.

(4) Der Staatsanwalt hat dem Verdächtigen mitzuteilen, daß die Durchführung eines Strafverfahrens gegen ihn wegen einer bestimmten strafbaren Handlung beabsichtigt sei, aber vorläufig unterbleiben werde, wenn er sich bereit erklärt, binnen bestimmter Frist gemeinnützige Leistungen in nach Art und Ausmaß bestimmter Weise zu erbringen und gegebenenfalls Tatfolgenausgleich zu leisten. Der Staatsanwalt hat den Verdächtigen dabei im Sinne des § 90j zu belehren; er kann auch eine in der Sozialarbeit erfahrene Person um diese Mitteilung und Belehrung sowie darum ersuchen, die gemeinnützigen Leistungen zu vermitteln (§ 29b des Bewährungshilfegesetzes). Die Einrichtung (Abs. 2) hat dem Verdächtigen oder dem Sozialarbeiter eine Bestätigung über die erbrachten Leistungen auszustellen, die unverzüglich vorzulegen ist.

(5) Nach Erbringung der gemeinnützigen Leistungen und allfälligem Tatfolgenausgleich hat der Staatsanwalt von der Verfolgung endgültig zurückzutreten, sofern das Verfahren nicht gemäß § 90h nachträglich einzuleiten oder fortzusetzen ist.

§ 90e. (1) Gemeinnützige Leistungen dürfen täglich nicht mehr als acht Stunden, wöchentlich nicht mehr als 40 Stunden und insgesamt nicht mehr als 240 Stunden in Anspruch nehmen; auf eine gleichzeitige Aus- und Fortbildung oder eine Berufstätigkeit des Verdächtigen ist Bedacht zu nehmen. Gemeinnützige Leistungen, die einen unzumutbaren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte oder in die Lebensführung des Verdächtigen darstellen würden, sind unzulässig.

(2) Die Leiter der Staatsanwaltschaften haben jeweils eine Liste von Einrichtungen, die für die Erbringung gemeinnütziger Leistungen geeignet sind, zu führen und erforderlichenfalls zu ergänzen. In diese Liste ist auf Verlangen jedermann Einsicht zu gewähren.

2

(3) Fügt der Verdächtige bei der Erbringung gemeinnütziger Leistungen der Einrichtung oder deren Träger einen Schaden zu, so ist auf seine Ersatzpflicht das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, BGBI. Nr. 80/1965, sinngemäß anzuwenden. Fügt der Verdächtige einem Dritten einen Schaden zu, so haftet dafür neben ihm auch der Bund nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Die Einrichtung oder deren Träger haftet in diesem Fall dem Geschädigten nicht.

(4) Der Bund hat den Schaden nur in Geld zu ersetzen. Von der Einrichtung, bei der die gemeinnützigen Leistungen erbracht wurden, oder deren Träger kann er Rückersatz begehren, insoweit diesen oder ihren Organen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, insbesondere durch Vernachlässigung der Aufsicht oder Anleitung, zur Last fällt. Auf das Verhältnis zwischen dem Bund und dem Verdächtigen ist das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, BGBI. Nr. 80/1965, sinngemäß anzuwenden.

(5) Erleidet der Verdächtige bei Erbringung gemeinnütziger Leistungen einen Unfall oder eine Krankheit, so gelten die Bestimmungen der §§ 76 bis 84 des Strafvollzugsgesetzes dem Sinne nach.

IV. Rücktritt von der Verfolgung nach einer Probezeit

§ 90f. (1) Unter den Voraussetzungen des § 90a kann der Staatsanwalt von der Verfolgung einer strafbaren Handlung unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bis zu zwei Jahren vorläufig zurücktreten. Der Lauf der Probezeit beginnt mit der Zustellung der Verständigung über den vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung.

(2) Soweit dies möglich und zweckmäßig ist, ist der vorläufige Rücktritt von der Verfolgung überdies davon abhängig zu machen, daß sich der Verdächtige ausdrücklich bereit erklärt, während der Probezeit bestimmte Pflichten zu erfüllen, die als Weisungen (§ 51 StGB) erteilt werden könnten, und sich durch einen Bewährungshelfer (§ 52 StGB) betreuen zu lassen. Dabei kommt insbesondere die Pflicht in Betracht, den entstandenen Schaden nach Kräften gutzumachen oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beizutragen.

(3) Der Staatsanwalt hat dem Verdächtigen mitzuteilen, daß die Durchführung eines Strafverfahrens gegen ihn wegen einer bestimmten strafbaren Handlung für eine bestimmte Probezeit vorläufig unterbleibe, und ihn im Sinne des § 90j zu belehren. Gegebenenfalls hat der Staatsanwalt dem Verdächtigen mitzuteilen, daß dieser vorläufige Rücktritt von der Verfolgung voraussetze, daß er sich ausdrücklich bereit erklärt, bestimmte Pflichten auf sich zu nehmen und sich von einem Bewährungshelfer betreuen zu lassen (Abs. 2). In diesem Fall kann der Staatsanwalt auch eine in der Sozialarbeit erfahrene Person um die Mitteilung und Belehrung sowie darum ersuchen, den Verdächtigen bei der Erfüllung solcher Pflichten zu betreuen (§ 29b des Bewährungshilfegesetzes).

(4) Nach Ablauf der Probezeit und Erfüllung allfälliger Pflichten hat der Staatsanwalt von der Verfolgung endgültig zurückzutreten, sofern das Verfahren nicht gemäß § 90h nachträglich einzuleiten oder fortzusetzen ist.

V. Rücktritt von der Verfolgung nach außergerichtlichem Tatausgleich

§ 90g. (1) Unter den Voraussetzungen des § 90a kann der Staatsanwalt von der Verfolgung einer strafbaren Handlung zurücktreten, wenn der Verdächtige bereit ist, für die Tat einzustehen und sich mit deren Ursachen auseinanderzusetzen, wenn er allfällige Folgen der Tat auf eine den Umständen nach geeignete Weise ausgleicht, insbesondere dadurch, daß er aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt, und wenn er erforderlichenfalls Verpflichtungen eingeht, die seine Bereitschaft bekunden, Verhaltensweisen, die zur Tat geführt haben, künftig zu unterlassen.

(2) Der Verletzte ist in Bemühungen um einen außergerichtlichen Tatausgleich einzubeziehen, soweit er dazu bereit ist. Das Zustandekommen eines Ausgleichs ist von seiner Zustimmung abhängig, es sei denn, daß er diese aus Gründen nicht erteilt, die im Strafverfahren nicht berücksichtigungswürdig sind. Seine berechtigten Interessen sind jedenfalls zu berücksichtigen (§ 90i).

(3) Der Staatsanwalt kann einen Konfliktregler ersuchen, den Verletzten und den Verdächtigen über die Möglichkeit eines außergerichtlichen Tatausgleichs sowie im Sinne der §§ 90i und 90j zu belehren und bei ihren Bemühungen um einen solchen Ausgleich anzuleiten und zu unterstützen (§ 29a des Bewährungshilfegesetzes).

(4) Der Konfliktregler hat dem Staatsanwalt über Ausgleichsvereinbarungen zu berichten und deren Erfüllung zu überprüfen. Einen abschließenden Bericht hat er zu erstatten, wenn der Verdächtige seinen Verpflichtungen zumindest soweit nachgekommen ist, daß unter Berücksichtigung seines übrigen Verhaltens angenommen werden kann, er werde die Vereinbarungen weiter einhalten, oder wenn nicht mehr zu erwarten ist, daß ein Ausgleich zustande kommt.

VI. Nachträgliche Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens

§ 90h. (1) Nach einem nicht bloß vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung des Verdächtigen nach diesem Hauptstück (§§ 90c Abs. 5, 90d Abs. 5, 90f Abs. 4 und 90g Abs. 1) ist eine Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens nur unter den Voraussetzungen der ordentlichen Wiederaufnahme zulässig. Vor einem solchen Rücktritt ist das Strafverfahren jedenfalls dann einzuleiten oder fortzusetzen, wenn der Verdächtige dies verlangt.

(2) Hat der Staatsanwalt dem Verdächtigen vorgeschlagen, einen Geldbetrag zu bezahlen (§ 90c Abs. 4), gemeinnützige Leistungen zu erbringen (§ 90d Abs. 4) oder eine Probezeit und allfällige Pflichten auf sich zu nehmen (§ 90f Abs. 3), oder ist der Staatsanwalt von der Verfolgung der strafbaren Handlung vorläufig zurückgetreten (§§ 90d Abs. 1, 90f Abs. 1), so hat er das Strafverfahren einzuleiten oder fortzusetzen, wenn

           1. der Verdächtige den Geldbetrag samt allfälliger Schadensgutmachung oder die gemeinnützigen Leistungen samt allfälligem Tatfolgenausgleich nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zahlt oder erbringt,

           2. der Verdächtige übernommene Pflichten nicht hinreichend erfüllt oder sich beharrlich dem Einfluß des Bewährungshelfers entzieht oder

           3. gegen den Verdächtigen vor Zahlung des Geldbetrages samt allfälliger Schadensgutmachung oder vor Erbringung der gemeinnützigen Leistungen samt allfälligem Tatfolgenausgleich oder vor Ablauf der Probezeit wegen einer anderen strafbaren Handlung ein Strafverfahren eingeleitet wird. In diesem Fall ist die nachträgliche Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens zulässig, sobald gegen den Verdächtigen wegen der neuen oder neu hervorgekommenen strafbaren Handlung Anklage erhoben wird, und zwar auch noch während eines Monats nach Erhebung dieser Anklage, selbst wenn inzwischen der Geldbetrag gezahlt, die gemeinnützigen Leistungen erbracht oder der Tatfolgenausgleich bewirkt wurde oder die Probezeit abgelaufen ist. Das nachträglich eingeleitete oder fortgesetzte Strafverfahren ist jedoch nach Maßgabe der übrigen Voraussetzungen einzustellen, wenn das neue Strafverfahren auf andere Weise als durch einen Schuldspruch beendet wird.

(3) Von der Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens kann jedoch abgesehen werden, wenn dies in den Fällen des Abs. 2 Z 1 aus besonderen Gründen vertretbar erscheint, in den Fällen des Abs. 2 Z 2 und 3 nach den Umständen nicht geboten ist, um den Verdächtigen von strafbaren Handlungen abzuhalten. Im übrigen ist die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens in den im Abs. 2 angeführten Fällen außer unter den in Z 1 bis 3 angeführten Voraussetzungen nur zulässig, wenn der Verdächtige den dort erwähnten Vorschlag des Staatsanwalts nicht annimmt.

(4) Wenn der Verdächtige den Geldbetrag nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zahlen oder den übernommenen Verpflichtungen nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommen kann, weil ihn dies wegen einer erheblichen Änderung der für die Höhe des Geldbetrages oder die Art oder den Umfang der Verpflichtungen maßgeblichen Umstände unbillig hart träfe, so kann der Staatsanwalt die Höhe des Geldbetrages oder die Verpflichtung angemessen ändern.

(5) Verpflichtungen, die der Verdächtige übernommen, und Zahlungen, zu denen er sich bereit erklärt hat, werden mit der nachträglichen Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens gegenstandslos. Die Bewährungshilfe endet; § 197 bleibt jedoch unberührt. Vom Verdächtigen in diesem Zusammenhang erbrachte Leistungen sind bei einer allfälligen Strafbemessung zu berücksichtigen. Wird der Verdächtige freigesprochen oder sonst außer Verfolgung gesetzt, so sind nur nach § 90c geleistete Geldbeträge zurückzuzahlen, andere Leistungen jedoch nicht zu erstatten.

VII. Rechte und Interessen des Verletzten

§ 90i. (1) Bei einem Vorgehen nach diesem Hauptstück sind stets die Interessen des Verletzten zu prüfen und, soweit sie berechtigt sind, im größtmöglichen Ausmaß zu fördern. Um beurteilen zu können, ob eine Schadensgutmachung oder ein sonstiger Tatfolgenausgleich möglich und zweckmäßig ist, hat der Staatsanwalt erforderlichenfalls entsprechende Erhebungen zu veranlassen. Der Verletzte hat das Recht, eine Vertrauensperson beizuziehen. Er ist jedenfalls sobald wie möglich umfassend über seine Rechte zu belehren und vor einem Rücktritt von der Verfolgung zu hören, soweit dies nach Maßgabe seiner Interessen geboten erscheint.

(2) Der Verletzte ist jedenfalls zu verständigen, wenn sich der Verdächtige bereit erklärt, aus der Tat entstandenen Schaden gutzumachen oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beizutragen. Gleiches gilt für den Fall, daß der Verdächtige eine Pflicht übernimmt, welche die Interessen des Verletzten unmittelbar berührt.

VIII. Belehrung des Verdächtigen

§ 90j. (1) Bei einem Vorgehen nach diesem Hauptstück ist der Verdächtige eingehend über seine Rechtsstellung zu belehren, insbesondere über die Voraussetzungen für einen Rücktritt von der Verfolgung nach diesem Hauptstück, über das Erfordernis seiner Zustimmung, über seine Möglichkeit, eine Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen, und über die sonstigen Umstände, die eine Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens bewirken können (§ 90h Abs. 2), über die Notwendigkeit eines Pauschalkostenbeitrags (§ 388) sowie über die Registrierung nach § 90m.

(2) Verständigungen über den Rücktritt von der Verfolgung nach den §§ 90c Abs. 1, 90d Abs. 1, 90f Abs. 1 und 90g Abs. 1 sind dem Verdächtigen selbst zuzustellen, Mitteilungen nach den §§ 90c Abs. 4, 90d Abs. 4 und 90f Abs. 3 zu seinen eigenen Handen. Im übrigen ist auch bei Zustellungen durch den Staatsanwalt § 80 anzuwenden.

IX. Gemeinsame Bestimmungen

§ 90k. (1) Um die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach diesem Hauptstück abzuklären, kann der Staatsanwalt oder das Gericht den Leiter der zuständigen Dienst- oder Geschäftsstelle für den außergerichtlichen Tatausgleich ersuchen, mit dem Verletzten, mit dem Verdächtigen und gegebenenfalls auch mit jener Einrichtung, bei der gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder eine Schulung oder ein Kurs zu besuchen wären, Verbindung aufzunehmen und sich dazu zu äußern, ob die Zahlung eines Geldbetrages, die Erbringung gemeinnütziger Leistungen, die Bestimmung einer Probezeit, die Übernahme bestimmter Pflichten, die Betreuung durch einen Bewährungshelfer oder ein außergerichtlicher Tatausgleich zweckmäßig wäre. Zu diesem Zweck kann der Staatsanwalt auch selbst Erhebungen führen sowie den Verletzten, den Verdächtigen und andere Personen hören.

(2) Die Probezeit nach § 90f Abs. 1 sowie die Fristen zur Zahlung eines Geldbetrages samt allfälliger Schadensgutmachung und zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen samt allfälligem Tatfolgenausgleich (§§ 90c Abs. 2 und 3, 90d Abs. 1 und 3) werden in die Verjährungszeit nicht eingerechnet (§ 58 Abs. 3 StGB).

§ 901. (1) Der Staatsanwalt kann nach diesem Hauptstück von der Verfolgung zurücktreten, solange er noch nicht Anklage erhoben hat. Danach hat er bei Gericht zu beantragen, das Verfahren einzustellen (§ 90b).

(2) Gerichtliche Beschlüsse nach diesem Hauptstück sind während der Voruntersuchung vom Unter­suchungsrichter, in der Hauptverhandlung vom erkennenden Gericht, sonst vom Vorsitzenden, in der Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht jedoch vom Schwurgerichtshof zu fassen. Bevor das Gericht dem Verdächtigen eine Mitteilung nach den §§ 90c Abs. 4, 90d Abs. 4, 90f Abs. 3 oder einen Beschluß, mit dem das Verfahren eingestellt oder seine Einleitung abgelehnt wird, zustellt, hat es den Staatsanwalt zu hören. Ein solcher Beschluß ist dem Verdächtigen überdies erst dann zuzustellen, wenn er dem Staatsanwalt gegenüber in Rechtskraft erwachsen ist.

(3) Gegen einen Beschluß, mit dem ein Strafverfahren nach diesem Hauptstück eingestellt oder dessen Einleitung abgelehnt wird (§§ 90c Abs. 5, 90d Abs. 1 und 5, 90f Abs. 1 und 4, 90g Abs. 1 in Verbindung mit § 90b) steht dem Staatsanwalt, gegen eine Abweisung des Antrags auf Einstellung des Strafverfahrens dem Verdächtigen und dem Staatsanwalt die binnen 14 Tagen nach Zustellung einzubringende Beschwerde an den übergeordneten Gerichtshof zu. Solange über eine solche Beschwerde noch nicht entschieden wurde, ist die Durchführung einer Hauptverhandlung nicht zulässig.

(4) Gegen einen Beschluß, mit dem über die nachträgliche Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens entschieden wird (§ 90h), steht dem Verdächtigen und dem Staatsanwalt die binnen 14 Tagen nach Zustellung einzubringende Beschwerde an den übergeordneten Gerichtshof zu. Die Beschwerde gegen die nachträgliche Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens hat aufschiebende Wirkung.

X. Registrierung

§ 90m. Einen nicht bloß vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung und eine Einstellung des Verfahrens nach diesem Hauptstück (§§ 90c Abs. 1, 90d Abs. 5, 90f Abs. 4 und 90g Abs. 1) hat die Staatsanwaltschaft im Geschäftsregister derart zu kennzeichnen, daß dieser Umstand im Fall einer automationsunterstützten Namensabfrage für einen Zeitraum von fünf Jahren ab Rechtswirksamkeit des Rücktritts oder der Einstellung angezeigt wird. Wenn das Strafverfahren nach § 90h nachträglich eingeleitet oder fortgesetzt wird, ist diese Kennzeichnung zu löschen.”

4. Im § 114 Abs. 1 hat der Klammerausdruck zu lauten:

“(§§ 90l Abs. 3 und 4, 109 Abs. 2, 193 Abs. 6)”.

4a. Nach dem § 126 wird folgender § 126a eingefügt:

§ 126a. Der Bundesminister für Justiz ist ermächtigt, durch Verordnung für forensisch-psychia­trische Gutachten, die Gefährlichkeitsprognosen im Zusammenhang mit Sexual- und Gewaltstraftaten beinhalten, allgemeine Anforderungskriterien sowie eine Gebühr für Mühewaltung unter weitgehender Annäherung an außergerichtliche Einkünfte des Sachverständigen (§ 34 Abs. 1 des Gebührenanspruchs­gesetzes 1975) festzusetzen.”

5. Nach dem § 211 wird folgender § 211a eingefügt:

§ 211a. (1) Erachtet der Gerichtshof zweiter Instanz, daß die Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens nach dem IXa. Hauptstück vorliegen, so weist er die Anklageschrift an den Untersuchungsrichter mit dem Auftrag zurück, nach den Bestimmungen dieses Hauptstückes vorzugehen.

(2) Kommt eine Einstellung des Verfahrens nach den §§ 90c Abs. 1, 90d Abs. 5, 90f Abs. 4 oder 90g Abs. 1 in Verbindung mit § 90b nicht zustande oder ist das Verfahren nachträglich einzuleiten oder fortzusetzen (§ 90h), so hat der Ankläger neuerlich die Anklageschrift einzubringen oder sonst die zur Fortführung oder Beendigung des Strafverfahrens notwendigen Anträge zu stellen.”

6. Im § 281 Abs. 1 wird nach der Z 10 folgende Z 10a eingefügt:

     “10a. wenn nach dem IXa. Hauptstück vorzugehen gewesen wäre;”

7. Dem § 285e wird folgender Satz angefügt:

“Gleiches gilt, wenn nach dem IXa. Hauptstück vorzugehen sein wird.”

8. Im § 288 Abs. 2 wird nach der Z 2 folgende Z 2a eingefügt:

       “2a. Hat der Gerichtshof erster Instanz das Vorliegen der Voraussetzungen einer Einstellung des Verfahrens nach dem IXa. Hauptstück zu Unrecht nicht angenommen, so verweist der Oberste Gerichtshof die Sache an denselben oder an einen anderen Gerichtshof, erforderlichenfalls auch an das zuständige Bezirksgericht, mit dem Auftrag, nach den Bestimmungen dieses Hauptstückes vorzugehen.”

9. Im § 345 Abs. 1 wird nach der Z 12 folgende Z 12a eingefügt:

     “12a. wenn nach dem IXa. Hauptstück vorzugehen gewesen wäre;”

10. Im § 364 Abs. 2 Z 2 entfallen die Worte “oder gegen die Strafverfügung”.

11. Vor dem § 389 wird folgender neuer § 388 eingefügt:

§ 388. Im Fall eines außergerichtlichen Tatausgleichs kann der Staatsanwalt von der Verfolgung erst zurücktreten oder das Gericht das Strafverfahren erst einstellen, nachdem der Verdächtige einen Pauschalkostenbeitrag bis zu 2 000 S bezahlt hat. Die Zahlung eines Pauschalkostenbeitrags ist insoweit nachzusehen, als dadurch der zu einer einfachen Lebensführung notwendige Unterhalt des Verdächtigen und seiner Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, oder die Erfüllung des Tatausgleichs gefährdet würde.”

12. Dem § 390 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

“Den Privatbeteiligten trifft jedoch kein Kostenersatz, wenn das Strafverfahren nach dem IXa. Hauptstück beendet wird.”

13. Im § 393a Abs. 5 werden die Worte “Gerichtshof zweiter Instanz” durch die Worte “übergeordneten Gerichtshof” ersetzt.

14. Im § 449 tritt an Stelle des Punktes am Ende des zweiten Satzes ein Beistrich; diesem Satz wird folgender Halbsatz angefügt:

“es sei denn, daß die Verfolgung nach dem IXa. Hauptstück beendet wurde.”

15. Die §§ 460 bis 462 und die Überschrift des III. Unterabschnitts des XXVI. Hauptstückes werden aufgehoben; die Unterabschnitte IV. und V. erhalten die Bezeichnungen “III.” und “IV.”.

16. Im § 470 Z 3 wird nach dem Wort “wiederholen” folgende Wendung eingefügt:

“oder nach dem IXa. Hauptstück vorzugehen”.

17. Dem § 475 wird folgender Abs. 4 angefügt:

“(4) Hat das Bezirksgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Einstellung des Strafverfahrens nach dem IXa. Hauptstück (§ 90b) zu Unrecht nicht angenommen, so verweist der Gerichtshof die Sache an dasselbe oder an ein anderes Bezirksgericht mit dem Auftrag, nach diesem Hauptstück vorzugehen.”

18. Im § 478 Abs. 3 entfällt der letzte Satz.

19. Der bisherige Inhalt des § 494 erhält die Absatzbezeichnung “(1)”;  folgender Abs. 2 wird angefügt:

“(2) Wird dem Rechtsbrecher eine Weisung erteilt, welche die Interessen des Verletzten unmittelbar berührt, so ist dieser hievon zu verständigen.”

20. § 494a Abs. 5 entfällt.

21. Im § 506 Abs. 1 wird das Wort “Präsenzdienst” durch den Ausdruck “Präsenz- oder Ausbildungs­dienst” ersetzt.

Artikel II

Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes

Das Jugendgerichtsgesetz 1988, BGBI. Nr. 599/1988, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBI. Nr. 522/1994, wird wie folgt geändert:

1. An die Stelle der §§ 6 bis 11 samt Überschriften treten folgende Bestimmungen:

“Absehen von der Verfolgung

§ 6. (1) Die Staatsanwaltschaft hat von der Verfolgung einer Jugendstraftat abzusehen, die nur mit Geldstrafe oder mit nicht mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, wenn weitere Maßnahmen, insbesondere solche nach dem IXa. Hauptstück der Strafprozeßordnung 1975 in Verbindung mit § 7, nicht geboten erscheinen, um den Verdächtigen von strafbaren Handlungen abzuhalten. Ein solches Vorgehen ist jedenfalls ausgeschlossen, wenn die Tat den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat.

(2) Erscheint es geboten, den Verdächtigen über das Unrecht von Taten wie der angezeigten und deren mögliche Folgen förmlich zu belehren, so hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Vormund­schafts- oder Pflegschaftsgericht diese Belehrung vorzunehmen. Unterbleibt eine Belehrung, so ist der Verdächtige zu verständigen, daß von der Verfolgung abgesehen worden ist.

(3) Unter denselben Voraussetzungen hat das Gericht nach Einleitung der Voruntersuchung oder Erhebung der Anklage bis zum Schluß der Hauptverhandlung ein Verfahren wegen einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung mit Beschluß einzustellen.

Rücktritt von der Verfolgung nach dem IXa. Hauptstück der Strafprozeßordnung (Diversion)

§ 7. (1) Nach dem IXa. Hauptstück der Strafprozeßordnung 1975 hat die Staatsanwaltschaft bei Jugendstraftaten vorzugehen, die nur mit Geldstrafe oder mit nicht mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, wenn nicht aus besonderen Gründen die Durchführung des Strafverfahrens oder der Ausspruch einer Strafe unerläßlich erscheint, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, und die übrigen in der Strafprozeßordnung erwähnten Voraussetzungen vorliegen. Eine Einstellung des Verfahrens durch das Gericht (§ 90b StPO) ist auch bei anderen Jugendstraftaten zulässig.

(2) Die Zahlung eines Geldbetrages (§ 90c StPO) soll nur vorgeschlagen werden, wenn anzunehmen ist, daß der Geldbetrag aus Mitteln gezahlt wird, über die der Verdächtige selbständig verfügen darf und ohne Beeinträchtigung seines Fortkommens verfügen kann.

(3) Gemeinnützige Leistungen (§ 90e Abs. 1 StPO) dürfen täglich nicht mehr als sechs Stunden, wöchentlich nicht mehr als 20 Stunden und insgesamt nicht mehr als 120 Stunden in Anspruch nehmen.

(4) Das Zustandekommen eines außergerichtlichen Tatausgleichs setzt die Zustimmung des Verletzten nicht voraus.

(5) Bei der Schadensgutmachung und einem sonstigen Tatfolgenausgleich (§§ 90c Abs. 3, 90d Abs. 3, 90f Abs. 2 und 90g Abs. 1 StPO) ist in angemessener Weise auf die Leistungsfähigkeit des Jugendlichen und darauf zu achten, daß sein Fortkommen nicht unbillig erschwert wird.”

2. Im § 14 tritt an die Stelle des Zitats “§§ 6, 8, 9, 12 und 13” das Zitat “§§ 6, 12 und 13”.

3. Die §§ 19 bis 21 samt Überschriften sowie die Überschriften “Vierter Abschnitt” und “Auflagen, Weisungen und Bewährungshilfe” werden aufgehoben; der fünfte, sechste, siebente und achte Abschnitt erhalten die Bezeichnungen “Vierter Abschnitt”, “Fünfter Abschnitt”, “Sechster Abschnitt” und “Siebenter Abschnitt”.

4. § 22 samt Überschrift hat zu lauten:

“Erweiterung des Anwendungsbereiches von Weisungen und Bewährungshilfe

§ 22. Soweit dies notwendig oder zweckmäßig ist, um den Beschuldigten oder Verurteilten von strafbaren Handlungen abzuhalten, hat das Gericht ihm Weisungen (§ 51 StGB) auch zu erteilen und Bewährungshilfe auch anzuordnen (§ 52 StGB), wenn

           1. der Ausspruch der Strafe vorbehalten wird oder

           2. die Einleitung des Vollzuges einer wegen einer Jugendstraftat verhängten Freiheitsstrafe nach § 6 Abs. 1 Z 2 lit. a des Strafvollzugsgesetzes oder nach § 52 für die Dauer von mehr als drei Monaten aufgeschoben wird.”

5. In den §§ 27, 28 und 39 sowie in der Überschrift zu § 28 werden die Worte “Geschworne”, “Geschwornenbank”, “Geschwornengericht” in allen Formen und Verbindungen durch die Worte “Geschworene”, “Geschworenenbank”, “Geschworenengericht” ersetzt.

6. § 32 wird wie folgt geändert:

a) Die Abs. 1 und 4 entfallen; die Absätze 2, 3 und 5 erhalten die Absatzbezeichnungen “(1)”, “(2)” und “(3)”.

b) Im neuen Abs. 1 wird das Zitat “§ 455 Abs. 3” durch das Zitat “§ 455 Abs. 2” ersetzt.

7. Im § 33 Abs. 2 wird nach dem Wort “deshalb” die Wendung “oder nach den §§ 90c, 90d, 90f oder 90g StPO” eingefügt.

8. § 38 wird wie folgt geändert:

a) Dem Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

“Im Fall eines Rücktritts von der Verfolgung oder einer Einstellung des Strafverfahrens nach dem IXa. Hauptstück der Strafprozeßordnung 1975 soll dem gesetzlichen Vertreter des Verdächtigen Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben werden, bevor der Verdächtige bestimmte Verpflichtungen übernimmt.”

b) Abs. 2 hat zu lauten:

“(2) Mitteilungen nach den §§ 90c Abs. 4, 90d Abs. 4 und 90f Abs. 3 StPO sowie der vorläufige Rücktritt von der Verfolgung und die vorläufige Einstellung des Strafverfahrens nach den §§ 90d Abs. 1 und 90f Abs. 1 StPO, die Anklageschrift, der Strafantrag und gerichtliche Entscheidungen, mit denen der Jugendliche einer strafbaren Handlung schuldig gesprochen, die Strafe bestimmt, die Haft verhängt, fortgesetzt oder aufgehoben oder eine bedingte Strafnachsicht oder bedingte Entlassung widerrufen wird, sind auch dem gesetzlichen Vertreter bekanntzumachen, wenn dessen Aufenthalt bekannt und im Inland gelegen ist. Unter diesen Voraussetzungen ist der gesetzliche Vertreter gegebenenfalls auch nach § 90j StPO zu belehren oder von der Anordnung einer mündlichen Verhandlung mit dem Beifügen zu benachrichtigen, daß seine Teilnahme empfohlen werde.”

9. § 45 hat zu lauten:

§ 45. (1) Das Gericht hat die vom Verurteilten zu ersetzenden Kosten des Strafverfahrens ganz oder teilweise auch dann für uneinbringlich zu erklären, wenn die Verpflichtung zum Kostenersatz das Fortkommen des Verurteilten erschweren würde.

(2) Im Fall eines außergerichtlichen Tatausgleichs ist von einem Pauschalkostenbeitrag nach § 388 StPO abzusehen, wenn die Zahlung dieses Beitrags das Fortkommen des Jugendlichen erschweren würde.”

10. Im § 46 werden die Worte “einer notwendigen ärztlichen Behandlung” durch die Worte “einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder einer medizinischen Behandlung” ersetzt.

11. § 48 Z 2 hat zu lauten:

         “2. an einem außergerichtlichen Tatausgleich oder an der Vermittlung und Durchführung von gemeinnützigen Leistungen, Schulungen und Kursen mitzuwirken;”

Artikel III

Änderungen des Finanzstrafgesetzes

Das Finanzstrafgesetz, BGBI Nr. 129/1958, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBI. I Nr. XXX/XXXX [30/1998], wird wie folgt geändert:

1. Im § 24 Abs. 1 tritt an die Stelle des Zitats “§§ 2, 3, 5 Z 6, 9 bis 16 und 19 bis 22 des Jugendgerichts­gesetzes 1988” der Ausdruck “§§ 2, 3, 5 Z 6, 7, 12 bis 16 und 22 des Jugendgerichtsgesetzes 1988 mit der Maßgabe, daß § 9Og StPO nicht anzuwenden ist”.

2. Im § 31 Abs. 4 wird am Ende der lit. c der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt und folgende lit. d angefügt:

        “d) die Probezeit nach § 90f Abs. 1 StPO sowie die Fristen zur Zahlung eines Geldbetrages samt allfälliger Schadensgutmachung und zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen samt allfälligem Tatfolgenausgleich (§§ 90c Abs. 2 und 3, 90d Abs. 1 und 3 StPO).”

3. Nach dem § 202 wird folgende Bestimmung samt Überschrift eingefügt:

“Zu den §§ 90c, 90d und 90f

§ 202a. Vor einer Mitteilung nach den §§ 90c Abs. 4, 90d Abs. 4 oder 90f Abs. 3 StPO hat der Staatsanwalt oder das Gericht die Finanzstrafbehörde zu hören.”

Artikel IV

Änderung des Strafvollzugsgesetzes

1. § 15 hat zu lauten:

§ 15. Sachverständige haben für ihre Tätigkeit im Verfahren der Vollzugsbehörden Anspruch auf Gebühren nach dem Gebührenanspruchsgesetz 1975 und nach der gemäß § 126a der Strafprozeßordnung erlassenen Verordnung.”

2. § 22 Abs. 3 hat zu lauten:

“(3) Alle im Strafvollzug außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens ergehenden Anordnungen und Entscheidungen sind, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, ohne förmliches Verfahren und ohne Erlassung eines Bescheides zu treffen; soweit es nötig scheint, ist jedoch der wesentliche Inhalt der Anordnung oder Entscheidung im Personalakt des Strafgefangenen festzuhalten. In den Fällen der §§ 116 und 121 ist hingegen vom Anstaltsleiter oder dem damit besonders beauftragten Strafvollzugsbediensteten ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und ein Bescheid zu erlassen. Alle im Strafvollzug ergehenden Anordnungen und Entscheidungen einschließlich der Bescheide sind den Strafgefangenen mündlich bekanntzugeben. Das Recht, eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung zu verlangen, steht den Strafgefangenen nur in den Fällen der §§ 17, 116 und 121 zu.”

Artikel V

Änderungen des Bewährungshilfegesetzes

Das Bewährungshilfegesetz, BGBl. Nr. 146/1969, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 762/1996, wird wie folgt geändert:

1. Nach dem § 24 wird folgende Bestimmung samt Überschrift eingefügt:

“Verwendung sensibler Daten

§ 25. Private Vereinigungen, denen die Besorgung von Aufgaben nach diesem Bundesgesetz übertragen wurde oder die Einrichtungen für Entlassenenhilfe nach Artikel II des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 1980, BGBI. Nr. 578, betreiben, sind zum Zweck der Erfüllung dieser Aufgaben ermächtigt, Daten über Straftaten, strafgerichtliche Verurteilungen und vorbeugende Maßnahmen zu verwenden.”

2. § 26 Abs. 2 hat zu lauten:

“(2) Ab 1. März 1999 dürfen einer mit der Führung der Bewährungshilfe betrauten privaten Vereinigung keine Beamten neu zur Verfügung gestellt werden.”

3. Im § 26b wird das Datum “31. Dezember 1997” durch das Datum “31. Dezember 1999” ersetzt.

4. Im § 26c wird das Datum “31. Dezember 1998” durch das Datum “31 . Dezember 1999” ersetzt.

5. Im § 26f werden das Datum “31. Dezember 1997” jeweils durch das Datum “31. Dezember 1999” und das Datum “1. Jänner 1998” durch das Datum “1. Jänner 2000” ersetzt.

6. Der sechste Abschnitt samt Überschrift hat zu lauten:

“Mitwirkung am außergerichtlichen Tatausgleich sowie Vermittlung bei gemeinnützigen Leistungen sowie Schulungen und Kursen

Allgemeine Bestimmungen

§ 29. (1) Am außergerichtlichen Tatausgleich (§ 90g der Strafprozeßordnung 1975) sowie an der Vermittlung und Durchführung von gemeinnützigen Leistungen, Schulungen und Kursen (§ 51 des Strafgesetzbuches) wirken auch Beamte und Vertragsbedienstete des Planstellenbereichs Bewährungshilfe des Bundesministeriums für Justiz mit.

(2) Soweit die Besorgung der im Abs. 1 erwähnten Aufgaben nicht einer privaten Vereinigung übertragen wird, ist am Sitz eines in Strafsachen tätigen Gerichtshofes erster Instanz für den Sprengel des Gerichtshofes eine Dienststelle für den außergerichtlichen Tatausgleich zu errichten und zu erhalten. Soweit dies wirtschaftlich geboten und mit der Wahrnehmung der Aufgaben nach Abs. 1 vereinbar erscheint, können Dienststellen geschaffen werden, die mehrere Sprengel von Gerichtshöfen erster Instanz umfassen.

(3) Soweit sich aus den Bestimmungen dieses Abschnitts nichts anderes ergibt, gelten die Vorschriften des ersten und dritten Abschnitts dieses Bundesgesetzes sowie § 21 sinngemäß.

(4) Auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts hat sich der Leiter der zuständigen Dienst- oder Geschäftsstelle für den außergerichtlichen Tatausgleich dazu zu äußern, welche Vorgangsweise nach dem IXa. Hauptstück der Strafprozeßordnung 1975 zweckmäßig wäre (§ 90k Abs. 1 der Strafprozeßordnung 1975).

(5) Ersucht die Staatsanwaltschaft oder das Gericht um die Mitwirkung eines Konfliktreglers (§ 90g Abs. 3 der Strafprozeßordnung 1975), so hat der Leiter der zuständigen Dienst- oder Geschäftsstelle für den außergerichtlichen Tatausgleich, ersucht die Staatsanwaltschaft oder das Gericht um die Mitwirkung eines Vermittlers (§§ 90d Abs. 4 und 90f Abs. 3 der Strafprozeßordnung 1975), so hat der Leiter der zuständigen Dienst- oder Geschäftsstelle für Bewährungshilfe einen solchen zu bestellen.

Konfliktregler

§ 29a. (1) Am außergerichtlichen Tatausgleich wirken auf Ersuchen der Staatsanwaltschaften und Gerichte in der Sozialarbeit erfahrene Personen, die für diese Tätigkeit besonders geeignet sind, als Konfliktregler mit.

(2) Der Konfliktregler hat alle Beteiligten dabei zu unterstützen, einen Interessenausgleich herbeizuführen. Er nimmt mit dem Verdächtigen und dem Verletzten Verbindung auf und unterrichtet sie über das Wesen des außergerichtlichen Tatausgleichs, dessen wesentlichen Inhalt und Ablauf und die mit ihm verbundenen Auswirkungen. Der Konfliktregler erkundet die Bereitschaft des Verdächtigen, für die Tat einzustehen, sich mit deren Ursachen auseinanderzusetzen sowie allfällige Folgen der Tat auszugleichen, und belehrt ihn im Sinne des § 90j der Strafprozeßordnung 1975. Er wahrt die berechtigten Interessen des Verletzten (§ 90g Abs. 2 der Strafprozeßordnung 1975), klärt mit ihm mögliche Forderungen und Erwartungen ab und unterrichtet ihn im Sinne des § 90i der Strafprozeßordnung 1975.

(3) Der Konfliktregler hat der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht zu berichten (§ 90g Abs. 4 der Strafprozeßordnung 1975). Im Fall eines fehlgeschlagenen Ausgleichsversuchs kann sich der Bericht, soweit weitergehende Informationen eine positive Entwicklung eines Beteiligten gefährden würden, auf die Mitteilung beschränken, in welchem Umfang Gespräche stattgefunden haben.

(4) Der Konfliktregler ist in Ausübung seiner Tätigkeit befugt, mit Zustimmung des Verdächtigen oder des Verletzten in gerichtliche und verwaltungsbehördliche Akten sowie in solche von Körper­schaften des öffentlichen Rechts über Verfahren, welche diese Personen betreffen, Einsicht zu nehmen; auf sein Ersuchen sind ihm auch Ablichtungen daraus unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

(5) Der Konfliktregler ist im Umfang seiner Tätigkeit jedermann gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit die Geheimhaltung im Interesse eines Beteiligten erforderlich ist. Dies gilt insoweit nicht, als er als Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren über den Inhalt einer getroffenen Ausgleichsvereinbarung vernommen wird.

3

Vermittlung von gemeinnützigen Leistungen sowie Schulungen und Kursen

§ 29b. (1) An der Vermittlung von gemeinnützigen Leistungen (§§ 90d und 90e der Strafprozeßordnung 1975) sowie Schulungen und Kursen (§ 51 des Strafgesetzbuches) sowie zur Beratung des Verdächtigen während deren Durchführung wirken auf Ersuchen der Staatsanwaltschaften und Gerichte in der Sozialarbeit erfahrene Personen als Vermittler mit.

(2) Der Vermittler unterrichtet den Verdächtigen über das Wesen des Rücktritts von der Verfolgung nach den §§ 90d und 90f der Strafprozeßordnung 1975 sowie über den Inhalt der vorgeschlagenen gemeinnützigen Leistungen, der Schulung oder des Kurses und berät ihn erforderlichenfalls während der Durchführung. Er nimmt Kontakt mit der Einrichtung (§ 90e Abs. 2 der Strafprozeßordnung 1975) auf, holt ihre Zustimmung zur Erbringung der gemeinnützigen Leistungen ein und verständigt sie von deren Art und vom Ausmaß der zu erbringenden Leistungen. Er leitet den Verdächtigen bei seinen Bemühungen, zum Ausgleich der Folgen der Tat beizutragen, an und unterstützt ihn dabei.

(3) Nach Beendigung seiner Tätigkeit hat der Vermittler der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht zu berichten.

(4) Für die Tätigkeit des Vermittlers gilt § 29a Abs. 4 und 5 sinngemäß.”

Artikel VI

Förderung von Einrichtungen der Opferhilfe

(1) Einrichtungen, die Personen unterstützen und betreuen, deren Rechte durch eine strafbare Handlung verletzt wurden, sind vom Bund zu fördern. Über die Förderung entscheidet der Bundesminister für Justiz nach Anhörung der anderen sachlich in Betracht kommenden Bundesminister.

(2) Die Förderung hat durch die Gewährung von Zuschüssen nach Maßgabe der hiefür nach dem Bundesfinanzgesetz verfügbaren Bundesmittel zu erfolgen und ist möglichst davon abhängig zu machen, daß aus Mitteln anderer Gebietskörperschaften jeweils gleich hohe Zuschüsse geleistet werden. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Förderung besteht nicht.

(3) Zuschüsse dürfen physischen und juristischen Personen nur für solche Einrichtungen gewährt werden, die mit Rücksicht auf die Zahl der Personen, von denen zu erwarten ist, daß sie die dort angebotene Hilfe in Anspruch nehmen, zweckmäßig erscheinen und wirtschaftlich betrieben werden können.

(4) Vor der Gewährung eines Zuschusses hat sich der Förderungswerber dem Bund gegenüber zu verpflichten, über die widmungsgemäße Verwendung Bericht zu erstatten, Rechnung zu legen und zum Zweck der Überprüfung der widmungsgemäßen Verwendung des Zuschusses Organen des Bundes die erforderlichen Auskünfte zu erteilen sowie Einsicht in die Bücher und Belege und Besichtigungen an Ort und Stelle zu gestatten. Ferner hat sich der Förderungswerber zu verpflichten, bei widmungswidriger Verwendung von Zuschüssen oder Nichteinhaltung der erwähnten Verpflichtungen die Zuschüsse dem Bund zurückzuzahlen, wobei der zurückzuzahlende Betrag für die Zeit von der Auszahlung bis zur Rückzahlung mit einem Zinsfuß zu verzinsen ist, der 3 vH über dem Basiszinssatz (Art. I § 1 des 1. Euro-Justiz-Begleitgesetzes, BGBI. I Nr. 125/1998) liegt.

Artikel VII

Inkrafttreten und Schlußbestimmungen

(1) Die durch Art. I Z 4a, 18 und 21, Art. IV und Art. V Z 1 bis 5 geänderten Bestimmungen treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag, die übrigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes mit 1. Jänner 2000 in Kraft.

(2) Die Bestimmungen des durch Art. I in die Strafprozeßordnung eingefügten IXa. Hauptstückes und die darauf bezogenen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind in Strafsachen nicht anzuwenden, in denen vor dem 1. Jänner 2000 die Anklage rechtskräftig oder ein Antrag auf Bestrafung eingebracht wurde.

(3) Die §§ 364 Abs. 2 Z 2 und 460 bis 462 der Strafprozeßordnung sind auf Strafverfügungen, die vor dem Außerkrafttreten oder der Änderung dieser Bestimmungen durch Art. I dieses Bundesgesetzes erlassen werden, weiterhin anzuwenden.


(4) Verweisungen in diesem Bundesgesetz auf andere Rechtsvorschriften des Bundes sind als Verweisungen auf die jeweils geltende Fassung zu verstehen. Wird in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen verwiesen, an deren Stelle mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes neue Bestimmungen wirksam werden, so sind diese Verweisungen auf die entsprechenden neuen Bestimmungen zu beziehen.

(5) Mit der Vollziehung des Art. VI dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Justiz betraut.

Vorblatt


Probleme und Ziele der Gesetzesinitiative:

In den letzten Jahren ist international ein Bemühen um neue Ansätze in der Reaktion auf strafbare Handlungen des unteren Kriminalitätsbereiches zu beobachten. Dabei steht die Ergänzung des klassischen Strafprozesses in der Abfolge Anklage – Hauptverhandlung – Urteil durch summarische und vereinfachte Erledigungsformen im Mittelpunkt des Interesses. Diese Überlegungen lassen in der internationalen Rechtsentwicklung eine Tendenz erkennen, vor allem im Bereich der Kleinkriminalität anstelle (vornehm­lich) der Geldstrafe alternative Maßnahmen einzusetzen, die unnötige Stigmatisierungseffekte vermeiden und zugleich den berechtigten Interessen des Tatopfers, vor allem jenem auf Schadensgutmachung, effizienter und rascher dienen können. Diese Intentionen lassen sich unter der Sammelbezeichnung “Diversion” zusammenfassen. Unter Diversion versteht man demnach alle Formen staatlicher Reaktion auf strafbares Verhalten, welche den Verzicht auf die Durchführung eines Strafverfahrens oder die Beendigung eines solchen ohne Schuldspruch und ohne förmliche Sanktionierung des Verdächtigen –jedoch in der Regel unter der Voraussetzung der Zustimmung des Verdächtigen zur Erbringung bestimmter Leistungen (“Geldbuße”, Schadensgutmachung, Verantwortungsübernahme gegenüber dem Opfer, gemeinnützige Arbeiten, Therapie usw.) – ermöglichen.

Die seit 1985 auch in Österreich, zunächst im Jugendstrafverfahren, verstärkt einsetzenden Diversionsüberlegungen wurden bereits auf das Erwachsenenstrafrecht ausgedehnt. Insbesondere wird der derzeit nur im Jugendrecht gesetzlich geregelte außergerichtliche Tatausgleich (“ATA”) seit 1992 in einem Modellprojekt “Außergerichtlicher Tatausgleich bei Erwachsenen” (“ATA-E”) auf der – allerdings unzulänglichen – Rechtsgrundlage des § 42 StGB durchgeführt. Dieser Modellversuch hat zugleich deutlich werden lassen, daß diversionelle Verfahrenslösungen für Fälle, die einem Tatausgleich nicht zugänglich sind, im Erwachsenenstrafrecht fehlen. Der Erfolg des außergerichtlichen Tatausgleichs bei Erwachsenen legt also nahe, allen in Betracht kommenden diversionellen Reaktionsformen eine allgemeingültige und dauerhafte gesetzliche Grundlage zu geben.

Grundzuge der Problemlösung:

Unter Zugrundelegung der bisherigen, überaus positiven Erfahrungen mit den Diversionslösungen des Jugendgerichtsgesetzes, der Ergebnisse zahlreicher intensiver Gespräche mit Angehörigen der Justiz, der Anwaltschaft und der Lehre, aber auch mit Vertreterinnen und Vertretern weiterer unmittelbar betroffener Berufsgruppen und Organisationen, und nicht zuletzt nach umfassender Auseinandersetzung mit den zahlreichen Stellungnahmen und Anregungen zum Begutachtungsentwurf hat sich das nunmehr vor­liegende Diversionskonzept im wesentlichen zum Ziel gesetzt, eine Rechtsgrundlage für flexible, einzelfallbezogene Reaktionen auf strafbares Verhalten des unteren und – in Ausnahmsfällen – mittleren Kriminalitätsbereiches zu schaffen, die sowohl den Interessen der durch die Straftat verletzten Person als auch spezial- und generalpräventiven Bedürfnissen genügen, ohne daß ein Strafverfahren mit formeller Verurteilung des Täters durchgeführt wird.

Alternativen:

Zur gesetzlichen Regelung des außergerichtlichen Tatausgleichs bei Erwachsenen bietet sich keine Alternative an. Ein Teil der übrigen vorgeschlagenen Diversionsmaßnahmen könnte durch spezielle Bestimmungen für vereinfachte Verfahren wegen bestimmter Delikte (zB fahrlässige Körperverletzungen im Straßenverkehr) ersetzt werden. Eine einheitliche und in allen für eine vereinfachte Verfahrens­erledigung in Betracht kommenden Fällen anwendbare Lösung ist jedoch vorzuziehen.

Kosten:

Die durch die Gesetzesinitiative zu erzielenden Mehr-Einnahmen wie die durch sie verursachten Mehr-Kosten sind außergewöhnlich schwierig abzuschätzen, weil weder die Anwendungshäufigkeit der einzelnen Diversionsformen noch die Akzeptanz freiwilliger Leistungen durch Verdächtige mit hinreichender Verläßlichkeit vorausgesehen werden können.

Es wird aber damit gerechnet werden können, daß der durch “Geldbußen” und Geldstrafen in der Strafrechtspflege insgesamt eingenommene Betrag die derzeitigen Einnahmen aus Geldstrafen um etwa 10 Millionen Schilling übersteigen wird. Es ist zu erwarten, daß ein erheblicher Teil der bisher verhängten Geldstrafen – insbesondere auch ein Großteil der bedingten Geldstrafen – durch “Geldbußen” ersetzt werden wird; so kann damit gerechnet werden, daß von den derzeit jährlich über 12 000 bedingten Geldstrafen bis zu 60% durch “Geldbußen” mit einem Durchschnittsbetrag von 2 500 Schilling ersetzt werden. Aus diesem Überschuß sollen vom Bundesministerium für Justiz Einrichtungen gefördert werden, die sich die Unterstützung von Opfern strafbarer Handlungen zum Ziel gesetzt haben (Artikel VI). Die Förderung solcher Einrichtungen durch andere zuständige Stellen (BMAGS, BMI, BMUJF, BKA, Bundesländer) soll dadurch freilich nicht ersetzt, sondern bloß ergänzt werden.


Der neu vorgesehene Pauschalkostenbeitrag des Verdächtigen zum außergerichtlichen Tatausgleich (§ 388 StPO) wird voraussichtlich zu Einnahmen in Höhe von rund 6 bis 8 Millionen Schilling führen (9 600 geschätzte ATA-E-Fälle mit einem durchschnittlichen Kostenbeitrag von zirka 750 Schilling).

Im Gleichschritt mit der stufenweisen regionalen Ausweitung des Modellversuches “Außergerichtlicher Tatausgleich für Erwachsene” wurden bereits die organisatorischen und infrastrukturellen Vorausset­zungen für die Durchführung des ATA-E auf Ebene der Sozialarbeit (im Bereich des Vereines für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit) geschaffen. Dabei wurden – auch im Hinblick auf zu erwartende umfassende Diversionsregelungen – die Fachbereiche Bewährungshilfe und Außergerichtlicher Tataus­gleich in personeller und räumlicher Hinsicht weitgehend getrennt und eigene Organisations­einheiten für den ATA geschaffen. Bis 1998 wurden dafür Mittel in Höhe von zirka 90 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt. Die für den bundesweit flächendeckenden Ausbau (ab 1. Jänner 1999) nach den bisherigen Erfahrungen geschätzten (zusätzlichen) Kosten von zirka 30 Millionen Schilling jährlich wurden im Bundesfinanzgesetz für 1999 veranschlagt. Die jährlichen Gesamtkosten für die Durchführung des (voll ausgebauten) außergerichtlichen Tatausgleichs im Bereich der Sozialarbeit sind mit 75 Millionen Schilling (9 600 Fälle mit Durchschnittskosten von 7 900 S pro Fall) veranschlagt. Weitere zusätzliche Kosten wird das Inkrafttreten des vorliegenden Entwurfes am 1. Jänner 2000 in diesem Zusammenhang nicht verursachen.

Für eine Einschätzung des mit der Vermittlung gemeinnütziger Leistungen nach § 90e StPO durch Sozialarbeiter verbundenen Aufwands fehlen jegliche Erfahrungswerte, zumal sich weder die Zahl solcher Fälle noch die Erforderlichkeit und Intensität sozialarbeiterischer Vermittlungsbemühungen einigermaßen verläßlich vorhersagen lassen. Es kann jedoch damit gerechnet werden, daß sich beides im Rahmen des Gesamtkonzeptes der Diversion in Grenzen halten wird und daß der “Vermittlungsaufwand” keinesfalls die Höhe der Einnahmen aus dem neu vorgesehenen Pauschalkostenbeitrag zum außergerichtlichen Tatausgleich überschreiten wird.

Die für den Bereich der Kleinkriminalität vorgeschlagenen vereinfachten Verfahrensabläufe werden eine insgesamt spürbare Verminderung des Aufwandes der Justizbehörden bewirken, insbesondere durch eine geringere Inanspruchnahme der Gerichte; dem steht allerdings eine stärkere Belastung der Staatsanwalt­schaften (Bezirksanwälte) gegenüber, weil die Diversionsmöglichkeiten vornehmlich von den Anklagebe­hörden wahrzunehmen sein werden. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Staatsanwälte ihre Aufsichtsfunktion gegenüber den Bezirksanwälten insbesondere in den ersten Jahren der Neuregelung in stärkerem Maß wahrzunehmen haben werden, ist in diesem Zusammenhang mit einem annähernden Ausgleich des Mehr- und des Minderaufwandes (Kostenneutralität) zu rechnen, wobei längerfristig eher die Kostenminderungstendenzen überwiegen werden.

Die Haftungsübernahme durch den Bund im Fall der Schädigung Dritter bei der Erbringung gemeinnütziger Leistungen (§ 90e Abs. 3 und 4 StPO) wird voraussichtlich keine ins Gewicht fallenden Kosten verursachen, zumal auf Grund der für das Jugendstrafrecht geltenden gleichartigen Auslobung des Bundes seit 1990 kein Schadensfall eingetreten ist.

Nach der in Aussicht genommenen Verordnung des Bundesministers für Justiz zur Schaffung von Rechtsgrundlagen für die Festsetzung inhaltlicher Standards und einer entsprechenden Honorierung forensisch-psychiatrischer Gutachten mit Gefährlichkeitsprognosen bei Sexual- und Gewaltstraftätern (§ 1 26a StPO) ist auf Grund von Erfahrungswerten und Hochrechnungen jährlich mit zirka 150 Gutachten zu rechnen, sodaß unter Zugrundelegung eines Betrages von 25 000 S pro Gutachten ein jährlicher Finanzierungsbedarf von 3,75 Millionen Schilling besteht. (Festzuhalten ist, daß eine Aufstellung über die in diesem Zusammenhang jährlich zu erwartenden Mehrkosten bereits dem vom Ministerrat am 10. Dezember 1998 zustimmend zur Kenntnis genommenen Aktionsprogramm Kindes­mißbrauch/Kinderpornographie der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie, für Inneres und für Justiz angeschlossen wurde.)

EU-Konformität:

Der Entwurf enthält keine Vorschläge, die EU-Recht berühren.

Erläuterungen


Allgemeines

1. Unter Diversion versteht man alle Formen staatlicher Reaktion auf strafbares Verhalten, welche den Verzicht auf die Durchführung eines Strafverfahrens oder die Beendigung eines solchen ohne Schuldspruch und ohne förmliche Sanktionierung des Verdächtigen ermöglichen. Mit Diversionsmaß­nahmen sollen kriminalpolitische Ziele auch ohne aufwendigen und förmlichen Strafprozeß mit informellen und vom Verdächtigen freiwillig akzeptierten Reaktionen anstelle der herkömmlichen Geld- oder Freiheitsstrafen erreicht werden (BURGSTALLER in: Perspektiven der Diversion in Österreich, Schriftenreihe des BMJ Nr. 70, 123 ff).

Ausgangspunkte für Diversionsüberlegungen sind zunächst im berechtigten Wunsch nach einer verstärkter Einbeziehung der durch Straftaten in ihren Rechten verletzten Personen in das Strafverfahren und vor allem in der Betonung des Aspekts der Wiedergutmachung beim strafrechtlichen Rechtsgüterschutz zu sehen (restitutive Strafrechtspflege, restorative justice). Eine tatbezogene Reuehandlung als Reaktion auf sozial verpöntes Verhalten stellt das strafrechtlich geschützte Rechtsgut deutlicher in den Vordergrund als eine abstrakte Sanktion. Darüber hinaus ist von Wiedergutmachungsakten eines Verdächtigen, dem im Zuge von Ausgleichsbemühungen der Wert des von ihm zuvor beeinträchtigten Rechtsgutes vor Augen geführt wird, am ehesten erzieherische Wirkung zu erwarten. Diesen Überlegungen kommt umso mehr Gewicht zu, als kriminologische Forschungsergebnisse auf eine weitgehende Austauschbarkeit der (“klassischen”) strafrechtlichen Sanktionen hindeuten. Untersuchungen in den Vereinigten Staaten und in mehreren Ländern Westeuropas (vgl. SCHROLL, Diversion als Ausdruck eines Paradigmenwechsels der Strafrechtsdogmatik, MOOS-FS [19971. 260 mwN) belegen, daß Rückfallsquoten unabhängig davon, ob eine strengere oder eine mildere Strafenpraxis angewendet wird, im wesentlichen gleich bleiben. Diese Ergebnisse der Sanktionen­forschung werden auch durch österreichische Untersuchungen bestätigt (PILGRAM, Die erste österreich­ische Rückfallsstatistik – ein Mittel zur Evaluation regionaler Strafenpolitik, ÖJZ 1991, 577 ff). Eine Erweiterung der Reaktionsmöglichkeiten über die herkömmlichen Sanktionen hinaus erscheint daher im Sinne des Subsidiaritätsprinzips innerhalb des Strafrechts bzw. der Ökonomie des Strafens geboten (vgl. LÖSCHNIG–GSPANDL, Die Wiedergutmachung im Österreichischen Strafrecht – Auf dem Weg zu einem neuen Kriminalrecht? Wien 1996). Solche Alternativen bieten sich für die Bereiche der Klein- und – in besonders gelagerten Fällen – der mittleren Kriminalität mit Diversionsmaßnahmen an, während im Bereich der Schwerkriminalität andere Überlegungen im Vordergrund stehen, weil der Gedanke des Schutzes der Gesellschaft dort wesentlich höheres Gewicht hat.

Diversion bietet den weiteren Vorteil, den Verfahrensaufwand der Strafverfolgungsbehörden bei der Bearbeitung von Teilen der Kleinkriminalität tendenziell zu vermindern und eine Konzentration ihrer Tätigkeit auf die schwerere und organisierte Kriminalität zu fördern. Dieser Verlagerungseffekt darf allerdings nicht überbewertet werden: Vor allem Diversionskonzepte, die ein Tätigwerden von Sozialarbeitern voraussetzen, wie etwa der außergerichtliche Tatausgleich oder zum Teil die Erbringung von gemeinnützigen Leistungen, erfordern auf der Justizebene, insbesondere bei den Staatsanwalt­schaften, erhebliches persönliches Engagement der Entscheidungsträger und verursachen Personalkosten für qualifizierte Kräfte aus der Sozialarbeit.

2. Diversionelle Maßnahmen bringen keine Entkriminalisierung mit sich. Der wesentliche Ansatz der Kriminalpolitik liegt darin begründet, daß die Gesellschaft auf strafbare Handlungen hinreichend normbewahrend reagiert und weder den Verdächtigen aus seiner Verantwortung entläßt, noch das Vertrauen der Allgemeinheit in den Bestand und in die Bewährung des Rechts enttäuscht (MOOS, SchwZStrR III 1993, 60). Dazu ist aber nicht in jedem Fall ein förmliches Verfahren notwendig, das mit Schuldspruch und Strafe endet und zu einer Eintragung im Strafregister führt. In vielen Fällen läßt sich bei grundsätzlicher Aufrechterhaltung der Strafdrohung und des Sanktionierungssystems mit staatlichen Reaktionen das Auslangen finden, die zwar den Bedürfnissen der Spezial- wie auch der General­prävention genügen, aber nicht die Wirkungen einer gerichtlichen Verurteilung haben. Die wesentlichsten Vorteile der Diversion gegenüber der materiellrechtlichen Entkriminalisierung bestehen gerade darin, daß die Strafbarkeit des vorgeworfenen Verhaltens außer Diskussion bleibt und daß die Einleitung von Diversionsmaßnahmen keineswegs den Verzicht auf ein Strafverfahren, sondern im Gegenteil die Möglichkeit (der Einleitung bzw. Fortsetzung) eines solchen voraussetzt, und daß ein solches gerade dann durchgeführt wird, wenn im Rahmen der Diversion keine das Strafbedürfnis befriedigende Lösung erreicht werden kann. Diversion versteht sich daher nicht als Entkriminalisierung, sondern als prozessuale Alternative zu dieser innerhalb des strafrechtlichen Reaktionssystems.

3. Das geltende österreichische Recht kennt bereits eine Reihe von Möglichkeiten diversionellen Vorgehens. Vor allem im Jugendstrafrecht ist der Diversionsgedanke bereits umfassend verwirklicht (vgl. §§ 4 Abs. 2 Z 2 und Z 3, 6 Abs. 1 und 2, 7, 8 und 9 JGG). Aber auch im allgemeinen Strafrecht finden sich Diversionslösungen (zB § 3 Abs. 2 MilStG, §§ 118 Abs. 3, 167 Abs. 1, 170, 178 StVG, § 9 Abs. 3 ARHG, § 114 Abs. 3 ASVG sowie die schon seit 25 Jahren unter dem Schlagwort “Therapie statt Strafe” bekannten Möglichkeiten der nunmehrigen §§ 35 und 37 SMG).

Seit dem Frühjahr 1985, dem Beginn des Justizexperiments “Konfliktregelung bei Jugendlichen” in einigen Gerichtssprengeln, bis Ende 1998 wurden den Dienst- und Geschäftsstellen für den außergericht­lichen Tatausgleich insgesamt rund 40 000 Falle zugewiesen. Bei jugendlichen Verdächtigen gelang dabei in zirka 85% aller bearbeiteten Fälle ein Ausgleich, bei erwachsenen Verdächtigen in zirka 70%. Während des Jahres 1998 waren zirka 7 600 Fälle zu registrieren, von denen bereits deutlich mehr als die Hälfte erwachsene Verdächtige betrafen. Bei Vollausbau des Modellprojekts ATA-E (ab 1999) ist mit einer jährlichen Zuweisung von bis zu 10 000 Fällen zu rechnen. Die beim ATA tätigen Sozialarbeiter würden also in Konflikten vermitteln, an denen jährlich mehr als 20 000 Personen (als Verdächtige oder als Opfer) beteiligt sind.

Der außergerichtliche Tatausgleich als einzig bestehende Möglichkeit der Diversion ist jedoch unvollständig und nicht in ausgewogener Weise einsetzbar. Vor allem eignet er sich nicht für Fälle ohne individuelles Tatopfer, für Straftaten, die das Versuchsstadium nicht überschritten haben, oder – im Hinblick auf die Sicherstellung des Schadenersatzes durch die Haftpflichtversicherungen – für Delikte im Straßenverkehr oder für Delikte, die eher eine gleichförmige (zivil- und) strafrechtliche Reaktion erfordern, wie zB für den Ladendiebstahl. Damit sind große Teile der Alltags- und Kleinkriminalität von Diversionsmaßnahmen bisher weitgehend ausgeschlossen.

Es ist daher anzustreben, die Möglichkeiten zur diversionellen Erledigung von Strafverfahren auf die volle Breite der hiefür geeigneten Straffälle zu erweitern und den Rechtsanwendern ausreichend flexible Reaktionsformen zur Verfügung zu stellen.

Die Schaffung eines solchen “Diversions-Gesamtkonzeptes” wurde in den letzten Jahren auch bei einer Reihe von Fachtagungen in Österreich gefordert bzw. allgemein befürwortet, so bei der interdisziplinären Tagung “Perspektiven der Diversion in Österreich” (Innsbruck, April 1994; Schriftenreihe des BMJ Nr. 70), beim Fortbildungsseminar aus Strafrecht und Kriminologie in Ottenstein ( Februar 1995; Schriftenreihe des BMJ Nr. 76) sowie bei der Österreichischen Richterwoche 1996 in Rust (Entwicklungslinien im Straf- und Strafprozeßrecht, Schriftenreihe des BMJ Nr. 82). Die Strafrechtslehre befaßte sich in den letzten Jahren eingehend mit den dogmatischen Grundlagen und den Entwicklungsmöglichkeiten der Diversion in Österreich (vgl. zuletzt BURGSTALLER, Aktuelle Wandlungen im Grundverständnis des Strafrechts, JBI 1996, 362 ff; MOOS, Der Außergerichtliche Tatausgleich für Erwachsene als strafrechtlicher Sanktionsersatz, JBl 1997, 337 ff; LÖSCHNIG–GSPANDL, Die Wiedergutmachung im österreichischen Strafrecht – Auf dem Weg zu einem neuen Kriminalrecht? Wien 1996).

4. In der Bundesrepublik Deutschland bestehen Diversionsmöglichkeiten bereits seit 1924 (§§ 153, 153a dStPO). In der deutschen Praxis wurde die Anwendung solcher Reaktionsformen nach und nach ausgedehnt. Im Jahre 1993 kam es bereits bei 47% aller dringend tatverdächtigen Erwachsenen zu einer diversionellen Verfahrenserledigung; bei den Jugendlichen betrug der Diversionsanteil 65% (HEINZ, Strafrechtliche Probleme der Gegenwart 23, 89 und 97). Dabei dominiert die Geldbuße (SCHÖCH in: Perspektiven der Diversion in Österreich, 107).

5. Auch in zahlreichen anderen Rechtsordnungen werden schon seit langem auf der Grundlage des strafprozessualen Opportunitätsprinzips diversionelle Reaktionsformen angewendet (Verwarnung, “Trans­aktion”, vorläufige Einstellung des Strafverfahrens usw.). In Staaten mit Legalitätsprinzip wurden zumeist entsprechende Ausnahmen mit ähnlichem Effekt eingeführt. Heute gibt es kaum noch Rechtsordnungen mit striktem Verfolgungszwang (Legalitätsprinzip) und ohne die Möglichkeit der Diversion.

Die breite internationale Entwicklung zur diversionellen Erledigung einfacherer Straffälle wurde auch durch zahlreiche Empfehlungen internationaler Organisationen und strafrechtlicher Vereinigungen in dieser Richtung gefördert [siehe zB die Empfehlung Nr. R (87)18 des Europarates über die Vereinfachung der Strafrechtspflege; letztere empfiehlt insbesondere: “Der Grundsatz diskretionärer Strafverfolgung (Opportunitätsprinzip) sollte eingeführt oder seine Anwendung erweitert werden, soweit die historische Entwicklung und die Verfassung der Mitgliedstaaten dies zuläßt; andernfalls sollten Maßnahmen mit gleicher Zweckbestimmung entwickelt werden.”].

6. In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist ein Verfolgungsverzicht – gleichgültig aus welchen Gründen er erfolgt – eine Konsequenz der sowohl in Art. 90 Abs. 2 B-VG verankerten als auch aus Art. 6 Abs. 1 MRK ableitbaren Anklagebefugnis der Staatsanwaltschaft. Sofern der Staatsanwalt einen Verfolgungs­verzicht davon abhängig macht, daß der Verdächtige bestimmte, vom öffentlichen Ankläger definierte Vorleistungen erbringt, liegt aber keine mit Zwangsgewalt durchsetzbare staatliche “Entscheidung” vor, zumal es dem Verdächtigen offensteht, dem “Anbot” des Staatsanwalts nicht zu entsprechen. Ein solcher Diversionsvorgang widerspricht daher auch nicht dem richterlichen Sanktionsmonopol. Der belastende Charakter der vom Verdächtigen erwarteten Leistung resultiert nicht daraus, daß ihm ein staatliches Organ diese Maßnahme gegen seinen Willen aufbürden würde; vielmehr unterwirft sich der Angezeigte dieser Belastung freiwillig, wobei er in der Regel das sonst zu erwartende Strafverfahren und dessen drohende Folgen mit seiner “Gegenleistung” abwägen wird. Das “Anbot” des öffentlichen Anklägers eröffnet dem Verdächtigen also lediglich eine zusätzliche Verfahrensoption. Als Voraussetzung der “freiwilligen Unterwerfung” wird allerdings zu fordern sein, daß der Verdächtige ausreichende Möglichkeiten hatte, sich über die Konsequenzen und die Reichweite seiner Entscheidung, diese Option in Anspruch zu nehmen oder auszuschlagen, zu informieren; der Freiwilligkeitsaspekt aller Diversionslösungen ist praktisch, dogmatisch und kriminalpolitisch von fundamentaler Bedeutung. Er wird dadurch unterstrichen, daß der Verdächtige bis zur Zahlung der “Geldbuße” oder bis zum Ende der Probezeit die (Einleitung bzw.) Fortsetzung des Verfahrens verlangen kann; bei den anderen diversionellen Erledigungen bedarf es vor der Diversionsentscheidung sogar seiner ausdrücklichen Zustimmung zu dieser Form der Verfahrensbeendigung.

Eine “Entscheidung” nach dem vorgeschlagenen IXa. Hauptstück ruft auch nicht die Wirkungen eines Urteils hervor. Anders im Mandatsverfahren nach den §§ 460 ff StPO: Bei einer Strafverfügung steht dem Beschuldigten zwar eine 14tägige Überlegungsfrist zu, innerhalb deren er einen Einspruch erheben kann, doch muß er rechtzeitig tätig werden, um zu verhindern, daß die erlassene Strafverfügung rechtskräftig wird und einem Urteil gleichsteht. Bleibt er während der Einspruchsfrist untätig, so ist er gerichtlich verurteilt, ohne daß zuvor eine mündliche Verhandlung stattgefunden hätte. Diese grundrechtliche Problematik des Mandatsverfahrens indiziert den Ersatz der Strafverfügung durch ein (Diversions-)-Verfahren, das die tatsächliche Akzeptanz der vereinfachten Erledigung des Anzeigevorwurfs durch den Verdächtigen gewährleistet (siehe auch Erläuterungen zu Art. I Z 1 ff; 2.1.3.).

7. Jede Diversionsmaßnahme nach dem IXa. Hauptstück soll fünf Jahre lang im justizinternen Namensregister ersichtlich sein, sodaß – ohne daß eine Eintragung im Strafregister, das Verurteilungen vorbehalten ist, vorgenommen würde – Gerichten und Staatsanwaltschaften die diversionelle Erledigung im Fall neuerlicher Strafanzeigen zur Kenntnis gelangt. Dadurch soll im Fall weiterer Anzeigen die ausreichende Berücksichtigung der Präventionsaspekte gewährleistet werden. Denn im Falle eines (neuen) Tatverdachts können bei der Beurteilung der präventiven Zweckmäßigkeit des Vorgehens nach dem IXa. Hauptstück frühere diversionelle Maßnahmen ohne weiteres berücksichtigt werden. Gegen die Unschuldsvermutung würde lediglich eine dahin gehende Begründung des Verzichts auf eine (neuerliche) diversionelle Erledigung verstoßen, daß sich der Verdächtige bereits einmal strafbar gemacht habe. (Desgleichen wäre es unzulässig, den diversionell erledigten Vorwurf einer strafbaren Handlung in einem – späteren – Strafverfahren als Erschwerungsgrund heranzuziehen.)

Der Verdächtige soll aber, wie schon erwähnt, jederzeit die Möglichkeit haben, die Einleitung bzw. Fortsetzung des Strafverfahrens zu verlangen (vgl. § 38 Abs. 1 Z 3 SMG im Hinblick auf die Registrierung nach § 24 SMG und § 11 Abs. 1 JGG im Hinblick auf die Erfassung von diversionell beendeten Jugendstrafverfahren beim Pflegschaftsgericht nach § 33 Abs. 1 JGG) und dadurch die belastenden Effekte einer Diversionsmaßnahme zu verhindern. Er muß daher rechtzeitig auch über die möglichen Konsequenzen der Registrierung und sein Recht, ein Strafverfahren zur Entkräftung des Anzeigevorwurfs zu verlangen, belehrt werden.

8. Diversion soll grundsätzlich vom öffentlichen Ankläger angewendet werden; dies einerseits aus dogmatischen Gründen, weil Diversionsmaßnahmen alternative Möglichkeiten sind, das Anklagerecht wahrzunehmen, andererseits aus verfahrennökonomischen Überlegungen.

Dies schließt aber nicht aus, daß auch das Gericht von der Führung eines Strafverfahrens abzusehen hat, wenn die Anklage diversionell erledigt werden kann. Denn der in der Verfassung verankerte Grundsatz, daß im Strafverfahren der Anklageprozeß gilt (Art. 90 Abs. 2 B-VG), bedeutet in formeller Hinsicht nur, daß ein Strafverfahren lediglich auf Grund eines Verfolgungsantrags des berechtigten Anklägers eingeleitet oder fortgesetzt werden darf, nicht aber, daß die richterliche Funktion inhaltlich reduziert würde. Voraussetzung dafür, daß ein Gericht eine Anklage diversionell erledigt, ist daher ein konkreter Verfolgungsantrag des öffentlichen Anklägers, also entweder ein Antrag auf Einleitung der gerichtlichen Voruntersuchung oder ein Antrag auf Bestrafung. Im Fall von (auch gerichtlichen) Vorerhebungen kann das Gericht über den Strafverfolgungsantrag des Anklägers (noch) nicht absprechen; auch muß es dem Staatsanwalt (Bezirksanwalt) unbenommen bleiben, die Erhebungen durchführen zu lassen, die ihm die Entscheidung über sein Recht, Anklage zu erheben, ermöglichen.

9. Dem Privatbeteiligten soll nach einem Absehen von der Verfolgung nach dem IXa. Hauptstück – anders als im Falle eines Rücktritts von der Verfolgung nach § 90 StPO (§§ 48 Z 2, 449 StPO) – nicht die Möglichkeit offenstehen, anstelle des öffentlichen Ankläger die Anklage zu übernehmen, weil alle Diversionsformen die Anklage materiell erledigen (auf einen qualifizierten Tatverdacht inhaltlich reagieren, und zwar in der Regel in Form eines “Sanktionsersatzes”), sodaß es dem Privatbeteiligten nicht zustehen kann, anstelle des Staatsanwalts eine weitere Verfolgung einzuleiten oder fortzusetzen.

10. Die Position des Opfers soll im größtmöglichen Ausmaß gestärkt und durch umfassende Belehrungs- und Anhörungspflichten sowie Mitwirkungsrechte abgesichert werden (§ 90i StPO). Der Verletzte soll sich – unabhängig von seiner anfälligen Stellung als Privatbeteiligter – aktiv an der diversionellen Verfahrenserledigung beteiligen können:

Vor einem Verfolgungsverzicht ist der Verletzte zu hören, sofern dies nach Maßgabe seiner Interessen erforderlich ist (§ 90i StPO). In Bemühungen um einen außergerichtlichen Tatausgleich ist er stets einzubeziehen, soweit er dazu bereit ist (§ 90g Abs. 2 StPO). Schadensgutmachung oder anderer Tatfolgenausgleich soll bei jeder diversionellen Erledigung nach Möglichkeit zu einer (gegebenenfalls zusätzlichen) Voraussetzung des Rücktritts von der Verfolgung gemacht werden (vgl. §§ 90c Abs. 3, 90d Abs. 3, 90f Abs. 2, 90g Abs. 1 StPO). Soweit die darüber erforderlichen Informationen, insbesondere zur Schadenshöhe oder zu den Ersatzmöglichkeiten der Verdächtigen, fehlen, hätte die Staatsanwaltschaft oder das Gericht entsprechende Erhebungen zu veranlassen (§ 90i Abs. 1 StPO). In Verbindung mit einer Probezeit sollen nach § 90f StPO darüber hinaus auch opferbezogene Pflichten bzw. “Präventions­maßnahmen” auferlegt werden können, wie beispielsweise, Kontakte zu der von der Straftat betroffenen Person zu unterlassen (§ 90f Abs. 2 StPO).

Aus grundsätzlichen Erwägungen, aber auch um die Durchsetzung berechtigter Interessen optimal zu ermöglichen, ist eine im Rahmen des Tatausgleiches erarbeitete Ausgleichsvereinbarung in der Regel von der Zustimmung des Verletzten abhängig. Damit soll gewährleistet werden, daß der Tatausgleich neben der ernsthaften Auseinandersetzung des Verdächtigen mit der Tat auch seine weitere Hauptfunktion erfüllt, nämlich die Befriedigung der Ansprüche der Geschädigten zu fördern. Die Zustimmung soll nur dann nicht erforderlich sein, wenn sie aus Gründen nicht erteilt wird, die – mögen sie auf eine nachvollziehbare Haltung des Verletzten oder auch auf Rachebedürfnisse zurückgehen – im Strafver­fahren (dem Verdächtigen gegenüber) nicht berücksichtigungswürdig sind (§ 90g Abs. 2 StPO).

Der Entwurf sieht schließlich auch vor, daß das Bundesministerium für Justiz aus voraussichtlich zu erzielenden Mehreinnahmen (siehe Vorblatt – Kosten) nach dem Vorbild der Haftentlassenenhilfe (vgl. Art. II der Bewährungshilfegesetznovelle 1980) Einrichtungen der Opferhilfe fördert (Art VI). Dabei sollen insbesondere auch Einrichtungen unterstützt werden, die sich der Betreuung von minderjährigen Opfern oder von Personen widmen, die in ihrer Geschlechtssphäre verletzt wurden.

11. Beim außergerichtlichen Tatausgleich wird ein als Konfliktregler bezeichneter, besonders geschulter oder erfahrener Sozialarbeiter eingeschaltet, dem es obliegt, die für den Ausgleich notwendigen Kontakte zwischen Verdächtigem und Opfer herzustellen. Der Konfliktregler schafft für die in den Täter-Opfer-Ausgleich einbezogenen Personen Abstand von der förmlichen, oft unpersönlich wirkenden Justizebene und fördert die gegenseitige Gesprächsbereitschaft und damit das Ziel einer Einigung sowie, wenn notwendig und möglich, der Versöhnung der Konfliktparteien.

Ein wesentliches Element des bisherigen Erfolges des außergerichtlichen Tatausgleiches, sowohl bei jugendlichen als auch bei erwachsenen Verdächtigen, bildet die Praxis, auf lokaler Ebene in regelmäßigen informellen Zusammenkünften von Richtern und Staatsanwälten mit Sozialarbeitern die Auswahlkriterien für die Fallzuweisungen zu erarbeiten. Dadurch konnten die Erwartungen von Justizorganen und Sozialarbeitern ausgetauscht und abgeglichen und das gegenseitige Verständnis zwischen diesen Berufsgruppen gefördert werden.

Die besondere Bedeutung der Sozialarbeit im Rahmen sonstiger Diversionsprojekte manifestiert sich auch in der Einbindung von Sozialarbeitern in das bisherige Auflagenmodell nach dem Jugendgerichtsgesetz (§ 9 Abs. 1 Z 2 JGG). Auch dieses Tätigkeitsfeld erweitert die klassische Betreuungsarbeit um eine eigenständige sozialarbeiterische Funktion. Spezialisierte, in der Sozialarbeit erfahrene Personen sollen nicht nur die Kontakte zu jenen Einrichtungen knüpfen, bei denen gemeinnützige Leistungen erbracht, Kurse absolviert oder Schulungen durchgeführt werden können, sondern auch die Koordination zwischen dem Verdächtigen und der Institution wahrnehmen. Schließlich kann einem solchen Vermittler auch eine gewisse Beratungsfunktion in bezug auf die Mitarbeiter jener Einrichtungen zukommen. Die Praxis zeigt, daß im Falle einer vom Verdächtigen übernommenen Verpflichtung zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen oder zum Besuch von Schulungen oder Kursen die Einbindung einer Koordinationsstelle (als welche die örtliche Dienst- oder Geschäftsstelle des außergerichtlichen Tatausgleichs vorgesehen ist) schon bei der Auswahl von geeigneten Fällen den Erfolg der Diversionsmaßnahme wesentlich begünstigt (vgl. §§ 90d Abs. 4 StPO, 29 Abs. 4 BewHG).

12. Allgemeine Voraussetzungen der Diversion und Grenzen ihrer Anwendung:

12 1. Ausgangspunkt jeder Diversion ist zunächst die hinreichende Klärung des Sachverhalts (§ 90a Abs. 1 StPO). Das bedeutet, daß im Fall des Unterbleibens einer diversionellen Erledigung in der Regel Anklage zu erheben sein wird, sofern nicht zuvor (zB auf Grund einer Stellungnahme des Verdächtigen) einzelne ergänzende Erhebungen vorzunehmen wären. Ein umfassendes Geständnis ist jedoch nicht unbedingt vorauszusetzen; es genügt, wenn der Verdächtige bereit ist, der Sache nach Verantwortung für die ihm angelastete Tat zu übernehmen. Bei unklarer Beweislage ist eine Diversionsmaßnahme (im Sinne des vorgeschlagenen IXa. Hauptstücks der StPO) hingegen ausgeschlossen.

12.2. Eine diversionelle Erledigung eines bereits eingeleiteten Strafverfahrens soll bis zum Schluß der Hauptverhandlung möglich sein. In der Praxis des Jugendstrafverfahrens zeigt sich, daß immer wieder erst in der Hauptverhandlung Indikatoren für eine diversionelle Erledigung hervorkommen. In einem solchen Fall soll das Gericht tätig werden.

12.3. Diversion bildet lediglich einen Teil des strafrechtlichen Reaktionsspektrums; diese Alternative zur förmlichen Strafe kann selbstverständlich nicht in allen Strafverfahren und bei allen Verdächtigen zum Tragen kommen. Grundsätzlich reichen die vorgeschlagenen schuld-, präventions- und folgenbezogenen Anwendungsvoraussetzungen für Diversionsmaßnahmen (§ 90a Abs. 1 und 2 Z 2 und 3 StPO) aus, um eine allenfalls überzogene Anwendung zu verhindern. Dennoch sollen der Anwendung – wie im Jugendgerichtsgesetz für den Staatsanwalt – nach oben hin auch absolute Grenzen gesetzt werden, die sowohl den Staatsanwalt als auch das Gericht binden. Demgemäß sollen Delikte, die in die Zuständigkeit des Schöffen- oder Geschworenengerichtes fallen, vom Anwendungsbereich des neuen IXa. Hauptstückes ausgeschlossen sein. Im Jugendstrafverfahren hingegen soll die bereits bestehende höhere Obergrenze beibehalten werden. Eine weitere Einschränkung des diversionellen Handlungsspielraums, etwa durch Abstellen auf eine Strafobergrenze von drei Jahren, wäre nicht sachgerecht, weil sich in der Praxis durchaus Sachverhaltskonstellationen ergeben, die zwar einem Tatbestand mit höherem Strafrahmen zu unterstellen sind, in denen nach Lage des konkreten Falles aber bloß geringes Unrecht oder ein solches Maß der Schuld vorliegt, daß mit Diversionsmaßnahmen das Auslangen zu finden ist. So wird besonders in Sprengeln mit längerer ATA-E-Erfahrung die dreijährige Strafobergrenze des § 42 StGB schon jetzt als unzweckmäßige Einschränkung empfunden (vgl. SCHARMÜLLER, Außergerichtlicher Tatausgleich für Erwachsene im Rechtsalltag, Jahrbuch 1994 für Rechts- und Kriminalsoziologie, 157 f; MOOS, Der Außergerichtliche Tatausgleich für Erwachsene als strafrechtlicher Sanktionsersatz, JBl 1997, 356). Schließlich versteht es sich von selbst, daß Diversionsformen nach dem IXa. Hauptstück ein weiterer Anwendungsbereich zukommt als der Strafbefreiung mangels Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB, in dem eine Obergrenze von drei Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen ist).

12.4. Das neue IXa. Hauptstück der Strafprozeßordnung läßt den in mehrfacher Beziehung wesentlich engeren Anwendungsbereich des materiellrechtlichen Strafbefreiungsgrundes der mangelnden Straf­würdigkeit der Tat (§ 42 StGB) im bisherigen Umfang unberührt. Ein Vorgehen nach dem neuen Hauptstück kommt erst dann in Betracht, wenn nach dem angezeigten Sachverhalt und allfälligen ergänzenden Erhebungen deutlich wird, daß die Voraussetzungen des § 42 StGB zu verneinen sind.

Faktisch wird der Anwendungsbereich des § 42 StGB allerdings künftig dadurch eingeengt werden, daß sich die Durchführung eines außergerichtlichen Tatausgleichs auch im Erwachsenenstrafrecht nicht mehr auf diese (hiefür unzulängliche) Gesetzesstelle, sondern auf die neuen Vorschriften (§ 90g StPO) stützen wird.

Der wesentliche Inhalt des Entwurfes läßt sich wie folgt zusammenfassen:

“A. Änderungen der Strafprozeßordnung

Schaffung einer allgemeinen gesetzlichen Grundlage für Diversionsmaßnahmen durch Einfügen eines neuen IXa. Hauptstückes über den Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages, nach Erbringung einer gemeinnützigen Leistung, nach einer Probezeit und nach außergerichtlichem Tatausgleich; Einführung eines Nichtigkeitsgrundes der Nichtberücksichtigung diversioneller Maß­nahmen; Schaffung einer Rechtsgrundlage für die ADV-mäßige Kennzeichnung diversionell beendeter Strafverfahren für Staatsanwaltschaften und Gerichte; Aufhebung des III. Unterabschnitts des XXVI. Hauptstücks (Mandatsverfahren); Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Anforde­rungs- und Honorierungskriterien für forensisch-psychiatrische Gutachten mit Gefährlichkeitsprognosen durch Verordnung (§ 126a StPO).

B. Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes

Anpassungen an die Änderungen der StPO unter Aufrechterhaltung der erweiterten Anwendungsmöglich­keiten für Diversionsmaßnahmen im Jugendstrafrecht.

C. Änderungen des Finanzstrafgesetzes

Anpassungen an die Änderungen der StPO und des JGG.

D. Änderungen des Strafvollzugsgesetzes

Anpassung des § 15 StVG an die neu geschaffene Bestimmung des § 126a StPO sowie Wiederherstellung der früheren, durch § 82 Abs. 7 AVG 1991 materiell derogierten Fassung des § 22 Abs. 3 StVG.

E. Änderungen des Bewährungshilfegesetzes

Anpassung und Ergänzung der Bestimmungen über die Mitwirkung am außergerichtlichen Tatausgleich sowie an der Vermittlung und Durchführung von gemeinnützigen Leistungen, Schulungen und Kursen; Definition der Aufgaben im Bereich der Konfliktregelung und der Vermittlung.

F. Förderung von Einrichtungen für Opferhilfe

Gesetzliche Verankerung der Förderung von Einrichtungen der Opferhilfe durch den Bundesminister für Justiz nach Maßgabe verfügbarer Bundesmittel.

Zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu Artikel I (Änderungen der Strafprozeßordnung 1975):

Zu Art. 1 Z 1 bis 12, 14 bis 17 und 20, Art. 11 Z 6 lit. a (§§ 48, 68 Abs. 5, 90a bis 90d, 90e Abs. 1 und 2, 90f bis 90m, 114 Abs. 1, 126a, 211a, 281 Abs. 1 Z 10a, 285e, 288 Abs. 2 Z 2a, 345 Abs. 1 Z 12a, 364 Abs. 2 Z 2, 388, 390 Abs. 1, 449, 460 bis 462, 470 Z 3, 475 Abs. 4, 494a Abs. 5 StPO und § 32 Abs. 1 und 4 JGG):

1. Allgemeine Voraussetzungen der Diversion:

1.1. Der Anwendungsbereich diversioneller Maßnahmen soll in objektiver Hinsicht Delikte umfassen, die in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes oder des Einzelrichters des Gerichtshofs erster Instanz fallen, und jedenfalls ausgeschlossen sein, wenn die vorgeworfene Tat den Tod eines Menschen zur Folge hatte (§ 90a Abs. 2 Z 1 und 3 StPO; siehe zum Anwendungsbereich näher oben, Allgemeiner Teil, 1 2.3.).

Diversionelle Maßnahmen sollen auch dem Gericht zur Verfügung stehen. Anders als im geltenden Jugendstrafrecht soll das Gericht dabei jedoch – wie in der Begutachtung vielfach, auch von Gerichten, gefordert – an die gleichen Einschränkungen gebunden sein wie die Staatsanwaltschaft (§ 90b StPO). Dadurch soll deutlich zum Ausdruck gebracht werden, daß diversionelle Maßnahmen ungeachtet ihres spezial- und generalpräventiven (kriminalpolitischen) Effekts, der dem einer Verurteilung in mancher Hinsicht überlegen ist – ausschließlich im unteren und – in geeigneten Fällen – im mittleren Kriminalitäts­bereich angewendet werden sollen, wenngleich nicht verkannt wird, daß besonders gelagerte Ausnahms­fälle einen gelegentlichen Einsatz diversioneller Maßnahmen auch im oberen Kriminalitätsbereich als wünschenswert erscheinen lassen könnten.

Nach Einleitung der Voruntersuchung oder Erhebung der Anklage haben die Gerichte die Voraus­setzungen der Diversion jederzeit von Amts wegen zu prüfen und gegebenenfalls – sofern der Sachverhalt hinreichend geklärt ist – in jeder Lage des Verfahrens diversionelle Maßnahmen einzuleiten oder das Verfahren – nach Anhörung des Staatsanwalts – vorläufig zu beenden (§ 90l Abs. 2 StPO).

1.2. Neben dem bei Diversionsmaßnahmen nach dem IXa. Hauptstuck stets geforderten hinreichend geklärten Tatverdacht (§ 90a Abs. 1 StPO, vgl. auch Allgemeiner Teil, 12.1.) sind alle Diversions­varianten zunächst dadurch begrenzt, daß dem Verdächtigen keine schwere Schuld zur Last fallen darf und überdies keine Bedenken gegen die Anwendung diversioneller Maßnahmen aus Gründen der (General- oder Spezial-)Prävention bestehen dürfen (§ 90a Abs. 1 und 2 Z 2 StPO). Bei der Beurteilung der Schuld werden die von der Rechtsprechung und Lehre zu den §§ 9 JGG, 88 Abs. 2 StGB und 34 Abs. 3 FinStrG gebildeten Richtlinien sowie die Grundsätze der deutschen Judikatur zu § 153a dStPO als Orientierung dienen können. Wenn dem Verdächtigen eine Leistung abverlangt werden soll, wird dieser Umstand in die Präventionsüberlegungen jedenfalls einzubeziehen sein, weil gerade die Erbringung einer solchen Leistung vielfach geeignet ist, präventiven Bedürfnissen entgegenzukommen.

1.3. Weiters ist das Prinzip der Freiwilligkeit der Leistung des Verdächtigen hervorzuheben: ein “Auftrag” an den Verdächtigen, jene Leistungen zu erbringen, welche die spätere Einstellung des Verfahrens ermöglichen, wäre als zwangsweiser Eingriff in die Persönlichkeitssphäre nämlich nur im Rahmen einer gerichtlichen Verurteilung zulässig.

1.4. Bei allen Diversionsmaßnahmen sind die Rechte und Interessen des Opfers zu berücksichtigen. Die durch die strafbare Handlung verletzte Person ist (durch die Sicherheitsbehörden, die Staatsan­waltschaft oder das Gericht) sobald wie möglich umfassend über ihre Rechte zu belehren und anzuhören, wenn dies geboten erscheint (§ 90i Abs. 1 StPO). Der Verletzte ist jedenfalls zu verständigen (§ 90i Abs. 2 StPO), wenn sich der Verdächtige zu Schadensgutmachung oder zu anderen Handlungen verpflichtet, welche die Interessen des Verletzten unmittelbar berühren (etwa dazu, persönlichen Kontakt zu der zuvor bedrohten Person zu unterlassen). Damit soll erreicht werden, daß die verletzte Person einem pflichtwidrigen Verhalten des Verdächtigen oder dessen Weigerung, die übernommene Pflichten zu erfüllen, mit Hilfe der Justiz entgegentreten kann (siehe auch allgemeiner Teil, 10. und Erläuterungen zu Art. I Z 19).

Schadensgutmachung bzw. Tatfolgenausgleich sind Bestandteil und eine regelmäßige Voraussetzung sämtlicher Diversionsformen (vgl. §§ 90c Abs. 3, 90d Abs. 3, 90f Abs. 2, 90g Abs. 1 StPO). Die Restitution materiellen (und teilweise auch immateriellen) Schadens ist einerseits “Opferschutz”, andererseits wichtiges Indiz für die Möglichkeit des Einsatzes der Diversion und ein bedeutendes spezialpräventives Element, welches vielfach erst den Verzicht auf formelle Verurteilung ermöglicht. Schadensgutmachung kann und soll daher – sofern ein Schaden zum Zeitpunkt der staatlichen Interven­tion noch besteht – mit allen Diversionsformen kombiniert werden (können), wobei Art und Umfang des Schadens sowie die Leistungsmöglichkeiten des Verdächtigen und die Berechtigung der Ansprüche des Verletzten im Einzelfall gegeneinander abzuwägen wären.

2. Die einzelnen Formen der Diversion:

2.1. Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages:

2.1.1. Das “Geldbußen”-System (§ 90c StPO) hat zur Voraussetzung, daß der Verdächtige – über anfällige Schadensgutmachung hinaus und grundsätzlich innerhalb von 14 Tagen (siehe unten 2.1.6.) – einen Geldbetrag zugunsten des Bundes bezahlt. Diese Diversionsmaßnahme beinhaltet in jedem Fall effektiv spürbare Folgen (die Möglichkeit einer “bedingten Nachsicht” des Geldbetrages ist nicht vorgesehen), wirkt freilich schon wegen der für den Routinefall vorgesehenen schematischen Handhabung unpersönlich und wird daher vor allem bei Massendelikten ohne unmittelbare Notwendigkeit eines persönlichen Tatfolgenausgleichs in Betracht kommen. Schließlich wäre sie – vor allem bei bislang unbescholtenen Verdächtigen – zu wählen, wenn trotz einer über der Bagatellgrenze liegenden Verfehlung der Signal- und Bußcharakter einer Geldzahlung für ausreichend erachtet wird, künftiger Delinquenz entgegenzuwirken.

2.1.2. Hauptanwendungsfall dieser Diversionsvariante wäre wohl der sogenannte “Ladendiebstahl”. Diese massenhaft auftretende Kriminalitätsform läßt sich dadurch charakterisieren, daß der Verdächtige Waren geringen Werts (meist) unter Ausnutzung einer Selbstbedienungseinrichtung stiehlt oder allenfalls betrügerisch beiseite schafft. In diesen Fällen wird – sofern nicht wegen besonderer Tatumstände oder persönlicher Verhältnisse des Verdächtigen (zB Alter, psychische Situation; vgl. EvBI 1990/92 = JBl 1991, 124 mit Anm. Burgstaller) die Voraussetzungen für einen Verfolgungsverzicht nach § 42 StGB vorliegen oder wegen einer einschlägigen Vorbelastung entweder eingriffsintensivere Diversionsmaß­nahmen oder ein förmliches Strafverfahren geboten sind – in der Regel mit einer “Geldbuße” vorgegan­gen werden können; eine solche sollte die gebotene strafrechtliche Reaktion verdeutlichen und zugleich zur Vereinheitlichung einer bisher vielfach unterschiedlichen Reaktionspraxis beitragen können. Durch den Wegfall der Strafverfügung und der nur im Fall einer Verurteilung möglichen bedingten Strafnach­sicht, von der derzeit in durchschnittlich rund 40% der Fälle Gebrauch gemacht wird, wird es in diesem Bereich insgesamt zu einer kriminalpolitisch vertretbaren Verschärfung der staatlichen Reaktion kommen.

Darüber hinaus wäre in der Regel sicherzustellen, daß der Verdächtige neben dem zu überweisenden Geldbetrag auch eine allenfalls noch nicht geleistete Schadensgutmachung nachholt, indem er zu Recht bestehende zivilrechtliche Ansprüche – auch jene, welche erst durch die Anzeige entstanden sind (je nach Lage des Einzelfalles werden – außer bei ganz niedrigem Wert der Sache – Bearbeitungskosten des geschädigten Unternehmens von rund 500 bis 1 000 Schilling als angemessen anzusehen sein) – befriedigt und dies von sich aus nachweist (§ 90c Abs. 3 StPO).

2.1.3. Die Höhe der “Geldbuße” richtet sich einerseits nach dem Gewicht der dem Verfahren zugrunde­liegenden strafbaren Handlung und andererseits nach der Einkommens- und Vermögenssituation des Verdächtigen. Sie ist mit dem Gegenwert von 180 Tagessätzen (zuzüglich der im Fall einer Verurteilung zu ersetzenden Kosten des Strafverfahrens) limitiert und liegt damit deutlich über dem Anwendungs­bereich der Strafverfügung, die lediglich Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen zuläßt (§ 460 StPO) und nur im bezirksgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, während die “Geldbuße” auch in Fällen, in denen der Gerichtshof für das Strafverfahren zuständig ist, eingesetzt werden kann. Sofern aber präventive Bedenken gegen eine Erledigung mittels “Geldbuße” bestehen, werden diese in der Regel auch gegen ein vereinfachtes Verfahren sprechen, das gleichfalls bloß auf einer Beurteilung nach Aktenlage beruht, aber – im Gegensatz zum “Geldbußen”-System – zu einer Verurteilung des Verdächtigen führt, sofern dieser nicht rechtzeitig Einspruch gegen die Strafverfügung erhebt. Diese Überlegungen gewinnen umso mehr Gewicht, als gerade Präventionsgesichtspunkte vielfach die Durchführung einer Hauptver­handlung mit persönlicher Anwesenheit des Beschuldigten bedingen. Damit zeigt sich, daß diversionelle Erledigungsformen, insbesondere das “Geldbußen”-System, den bisherigen, für eine vereinfachte Verfahrensbeendigung geeigneten Anwendungsbereich des Mandatsverfahrens (im bezirksgerichtlichen Verfahren) einerseits nahezu zur Gänze erfassen, ihn andererseits aber (durch das höhere Ausmaß der Geldbuße und durch die Möglichkeit ihres Einsatzes im Gerichtshofverfahren), nicht unerheblich überschreiten.

2.1.4. Das “Geldbußen”-System bietet gegenüber dem Mandatsverfahren darüber hinaus den Vorteil, daß das Verfahren erst beendet wird, wenn der Verdächtige in Kenntnis der damit verbundenen Konsequenzen mit einer aktiven Handlung, nämlich der Zahlung der “Geldbuße”, sein Einverständnis zur Diversions­maßnahme erklärt. Unterläßt er dies – aus welchen Gründen immer –, so kommt es zum ordentlichen Strafverfahren, in dem er seine Rechte als Beschuldigter wahren kann. Damit entfällt auch die Notwendigkeit zwangsweiser Einbringung; der Verdächtige kann das drohende Verfahren und die mögliche Verurteilung nur dadurch abwenden, daß er die ihm vorgeschlagene “Geldbuße” bezahlt.

Demgegenüber entfaltet eine rechtskräftige Strafverfügung die Wirkung eines Strafurteils, was dann besonders problematisch ist, wenn sie durch postamtliche Hinterlegung zugestellt wurde. In diesem Fall kann es daher zu einer gerichtlichen Verurteilung kommen, von der der Betroffene – zunächst – keine Kenntnis hat, ja sich unter Umständen nicht einmal des konkreten Anklagevorwurfs bewußt ist. Das Mandatsverfahren ist aber darüber hinaus schon deswegen grundsätzlich problematisch, weil es lediglich auf Grund der Aktenlage und ohne daß der Verdächtige gehört wird, also ohne daß das Gericht einen persönlichen, unmittelbaren Eindruck vom Verdächtigen und den Beweismitteln gewinnt, zu einer gerichtlichen (Vor-)Entscheidung kommt, gegen die der Verdächtige aktiv werden und die Einspruchsfrist wahren muß, um eine gerichtliche Verurteilung zu verhindern. Im Falle eines Einspruchs ist er aber wiederum mit demselben Richter bzw. derselben Richterin konfrontiert, die gegen ihn eine Strafverfügung erlassen hat und demgemäß von ihm als nicht unbefangen angesehen werden könnte. Diese seit längerem bekannte und mehrfach kritisierte Problematik könnte nur dadurch entschärft werden, daß anstelle der Zustellung der Strafverfügung auf dem Postweg eine persönliche Übergabe an den Beschuldigten und dessen rechtliche Belehrung durch Gerichtsorgane vorgesehen würde. Der damit verbundene Verfahrensaufwand wurde jedoch den administrativen Einsparungseffekt des Mandatsverfahrens gegenüber dem ordentlichen Verfahren minimieren.

Demgegenüber entfaltet eine “Geldbuße” in spezialpräventiver Hinsicht faktisch weitgehend gleiche Wirkungen wie eine mit Strafverfügung verhängte Geldstrafe, wodurch sie auch das Normgeltungs­bewußtsein der Allgemeinheit in ähnlicher Weise stärkt wie eine Geldstrafe; es unterbleiben lediglich die formelle Verurteilung und eine Eintragung ins Strafregister. Andererseits wird die Erledigung des Falles im Wege der Diversion in den Registern routinemäßig erfaßt, sodaß letztlich zwar die – im unteren Kriminalitätsbereich in der Regel ohnehin unerwünschte – stigmatisierende Wirkung einer Eintragung ins Strafregister, jedoch nicht die – für den Fall weiterer Anzeigen wünschenswerte – Information der Staatsanwaltschaft bzw. des Gerichts entfällt (vgl. § 90m StPO). In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß jährlich etwa 65 000 Verurteilungen ins Strafregister eingetragen werden, was innerhalb von 45 Jahren rund drei Millionen Verurteilungen zur Folge hat (und damit – statistisch gesehen – zur Verurteilung jeder dritten erwachsenen Person führt). Die Geldbuße ist aber – wie erwähnt – jedenfalls insofern belastender als eine Geldstrafe, als sie nicht bedingt nachgesehen werden darf.

Aus all diesen Gründen erweist sich das Mandatsverfahren somit angesichts der vorgeschlagenen beträchtlichen Erweiterung der strafrechtlichen Reaktionspalette als entbehrlich. Da es überdies auf rechtsstaatliche Bedenken stößt und bei einem Nebeneinander von Strafverfügung und “Geldbußen”-System regional und individuell voneinander beträchtlich abweichende Sanktionierungsstile zu besorgen wären, wird vorgeschlagen, das Mandatsverfahren ganz entfallen zu lassen und demgemäß die dieses Verfahren regelnden Bestimmungen (§§ 460 bis 462 StPO) sowie die sonst auf die Strafverfügung Bezug nehmenden Gesetzesstellen (§§ 364 Abs. 2 Z 2, 494a Abs. 5 StPO; 32 Abs. 4 JGG) aufzuheben.

2.1.5. In administrativer Hinsicht ist das “Geldbußen-Verfahren dem Mandatsverfahren – trotz der dargelegten Unterschiede – ähnlich: es soll in der Regel mit einer mittels Formblattes an den Verdächtigen gerichteten Mitteilung des Staatsanwalts (Bezirksanwalts) an den Verdächtigen eingeleitet werden. Darin wäre mitzuteilen, daß die Einleitung des Strafverfahrens (in der Regel wohl die Einbringung eines Antrages auf Bestrafung) gegen ihn beabsichtigt sei, aber unterbleiben werde, wenn er einen bestimmten Geldbetrag und allenfalls Schadensgutmachung leiste (§ 90c Abs. 3 und 4 StPO). Diese Mitteilung hat überdies die nach § 90j StPO vorgesehenen Belehrungen zu enthalten. Sie ist eigenhändig zuzustellen (§ 90j Abs. 2 StPO), um auszuschließen, daß allenfalls Dritte die “Geldbuße” bezahlen, ohne daß der Verdächtige davon weiß und die damit verbundenen Folgen tatsächlich zur Kenntnis nimmt.

Ab der Zustellung dieser Mitteilung ist die Anklagebehörde an ihren “Vorschlag” insofern gebunden, als sie das ordentliche Verfahren nur dann einzuleiten oder fortzusetzen berechtigt ist, wenn eine der Voraussetzungen des § 90h Abs. 2 StPO vorliegt, also insbesondere dann, wenn der Verdächtige den ihm genannten Geldbetrag nicht (rechtzeitig) bezahlt. Zahlt der Verdächtige die “Geldbuße” hingegen rechtzeitig – was von der Behörde von Amts wegen zu registrieren wäre –, so hätte der Staatsanwalt auf die weitere Verfolgung (endgültig) zu verzichten (§ 90c Abs. 5 StPO).

Das gleiche Verfahren soll vice versa für das Gericht mit der Maßgabe gelten, daß dieses vor Zustellung der “Mitteilung” an den Verdächtigen den Staatsanwalt zu hören und überdies dem Verdächtigen mitzuteilen hätte, daß dem Staatsanwalt gegen die geplante Vorgangsweise ein Rechtsmittel zustünde. Vor Zustellung eines Beschlusses auf Einstellung des Verfahrens an den Verdächtigen hätte das Gericht daher zunächst abzuwarten, ob die Anklagebehörde Beschwerde erhebt und gegebenenfalls um Irritationen zu vermeiden – den Beschluß erst nach seiner Rechtskraft dem Verdächtigen zu übermitteln (§ 90l Abs. 2 StPO).

2.1.6. Die “Geldbuße” ist grundsätzlich innerhalb von 14 Tagen zu bezahlen. Für den Fall, daß dies den Verdächtigen unbillig hart träfe, kann ihm – auch von Amts wegen, etwa auf Grund der in der Anzeige enthaltenen Informationen – Zahlungsaufschub gewährt werden. (Sofern dies nicht geschieht, ist der Verdächtige auf die Möglichkeit, einen entsprechenden Antrag zu stellen, zu verweisen.) Dieser Aufschub kann in einer Stundung des gesamten Betrages oder in der Erlaubnis bestehen, Teilzahlungen zu leisten; die Frist zur Zahlung der gesamten “Geldbuße” darf jedoch in beiden Fällen ein halbes Jahr nicht übersteigen (§ 90c Abs. 2 StPO). Während dieser Zeit, die in die Verjährungszeit nicht eingerechnet wird (§ 90k Abs. 2 StPO), bleibt das Verfahren “in Schwebe”. Unterläßt der Verdächtige die rechtzeitige Zahlung weiterer Teilbeträge oder hält er die ihm zugestandene Zahlungsfrist nicht ein, so hätte der Staatsanwalt (Bezirksanwalt) grundsätzlich – sofern nicht besondere Gründe dagegen sprechen (vgl. § 90h Abs. 3 StPO) – einen Fortsetzungsantrag bei Gericht zu stellen (§ 90h Abs. 2 Z 1 StPO), also die Anklage zu erheben, auf die er andernfalls verzichtet hätte.

2.2. Rücktritt von der Verfolgung nach gemeinnützigen Leistungen:

2.2.1. Diese Diversionsform (§ 90d StPO) stellt darauf ab, daß die Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens vorläufig unterbleibt (Abs. 1), wenn sich der Verdächtige zu unentgeltlichen gemeinnützigen Leistungen bereit erklärt, und von der Verfolgung endgültig zurückgetreten wird (Abs. 5), wenn er die Leistung erbracht hat. Die Zustimmung des Verdächtigen muß also bereits vor der Entscheidung des Justizorgans auf vorläufige Verfahrensbeendigung vorliegen.

2.2.2. Gemeinnützige Leistungen sollen die grundsätzliche Bereitschaft des Verdächtigen zum Ausdruck bringen, für die Tat einzustehen, fungieren somit als Sanktionsersatz. Sie bestehen darin, daß der Verdächtige in seiner Freizeit – also gegebenenfalls neben seiner beruflichen Tätigkeit, unter Umständen aber auch an deren Stelle – unentgeltlich für eine soziale Einrichtung arbeitet. Sie stellen ein reaktions­intensives Diversionsinstrument dar, weil sie in die Lebensführung des Verdächtigen erheblich eingreifen, und sind daher geeignet, auch einzelne Fälle der mittleren Kriminalität und Wiederholungstaten zu erfassen.

2.2.3. Zur Erbringung der gemeinnützigen Leistungen ist eine Frist von höchstens sechs Monaten zu bestimmen (§ 90d Abs. 1 StPO). Dieser Zeitraum wird – wie die Probezeit – nicht in die Verjährungszeit eingerechnet (vgl. § 90k Abs. 2 StPO). Nach Ablauf der Frist hat der Verdächtige von sich aus nachzuweisen, daß er die Leistung erbracht und gegebenenfalls Schaden gutgemacht bzw. Folgen der Tat ausgeglichen hat (§ 90d Abs. 3 StPO). Zwecks Klarstellung und effektiver Kontrolle wird es daher notwendig sein, die Verpflichtungen des Verdächtigen in der Entscheidung über die vorläufige Verfahrensbeendigung präzise zu umschreiben.

2.2.4. Gemeinnützige Leistungen sollen weder mit einer Probezeit noch mit der Betreuung durch einen Bewährungshelfer verbunden oder mit Pflichten, die den in § 51 Abs. 2 und 3 StGB geregelten Weisungen entsprechen, verknüpft werden können. Damit soll einerseits ihr besonderer Charakter als Sanktionsersatz unterstrichen und andererseits eine “kaskadenhafte” Kombination von Diversionsmaß­nahmen hintangehalten werden.

Es wird allerdings häufig zweckmäßig sein, eine in der Sozialarbeit erfahrene Person damit zu betrauen, den Verdächtigen und jene Einrichtung, bei der die gemeinnützigen Leistungen zu erbringen wären' zu kontaktieren und den weiteren Verfahrensablauf zu klären (§ 90d Abs. 4 StPO, § 29b BewHG), zumal diese Einrichtung mit Zustimmung des Verdächtigen bestimmt werden sollte und das Einvernehmen mit ihr (ihrer Leitung) hergestellt werden muß (Abs. 2). Dieser Sozialarbeiter könnte aber nicht nur zur Vermittlung solcher gemeinnütziger Leistungen, sondern auch zur Belehrung des Verdächtigen (Abs. 4) sowie zu seiner ergänzenden Beratung und Unterstützung eingesetzt werden, sofern es sich als notwendig oder zweckmäßig erweisen sollte, den Verdächtigen während der Erbringung der Leistung zu betreuen und anzuleiten. (Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn er auch zu Schadensgutmachung oder zu sonstigem Tatfolgenausgleich verpflichtet ist.) Zum gegebenen Zeitpunkt, jedenfalls nach Erfüllung der vom Verdächtigen übernommenen Verpflichtungen, hätte der Sozialarbeiter einen Endbericht zu verfassen und diesen samt der Bestätigung über die Erbringung der Leistung dem Staatsanwalt bzw. dem Gericht zu übersenden (Abs. 4; § 29b BewHG).

2.2.5. Die gemeinnützigen Leistungen dürfen andererseits aber keinen unzumutbaren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte oder in die Lebensführung des Verdächtigen bewirken. Unabhängig von dieser, anhand der konkreten Lebensumstände des Verdächtigen zu prüfenden Begrenzung sieht der Entwurf unter Berücksichtigung der Situation eines im Erwerbsleben stehenden Menschen eine Beschränkung der Dauer und des Umfangs der zu erbringenden gemeinnützigen Leistungen vor (§ 90e Abs. 1 StPO). Sie sind innerhalb eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten zu absolvieren und dürfen jedenfalls nicht mehr als 240 Arbeitsstunden in Anspruch nehmen, wobei diese Arbeitszeit mit täglich maximal acht Stunden und wöchentlich maximal 40 Stunden limitiert sein soll; eine Ausschöpfung der (täglichen bzw. wöchentlichen) Höchstgrenzen wird jedoch nur bei nicht im Berufsleben (oder in Ausbildung) stehenden Personen in Betracht kommen. Im Übrigen wird auf die besonderen Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen sein.

“Unentgeltlich” bedeutet in diesem Zusammenhang die Erbringung von Leistungen ohne Entlohnung, wobei etwa die Beistellung von Verpflegung oder dergleichen durch die Einrichtung nicht als Entlohnung (Entgeltlichkeit) zu werten ist.

2.2.6. In gleicher Weise wie bei der “Geldbuße” soll es auch bei gemeinnützigen Leistungen möglich sein, auf erheblich geänderte Lebensumstände des Verdächtigen Rücksicht zu nehmen und den Leistungsumfang oder die Leistungsart – auf dessen Ersuchen, allenfalls von Amts wegen – anzupassen (§ 90h Abs. 4 StPO). Eine bloße Minderung des Leistungsumfanges bedarf dabei nicht der Zustimmung des Verdächtigen, wohl aber das Umstellen auf eine andersartige gemeinnützige Leistung, mag diese auch weniger belastend erscheinen als jene, zu der sich der Verdächtige ursprünglich verpflichtet hatte.

2.2.7. Da diversionelle Maßnahmen primär vom Staatsanwalt angewendet werden sollen, soll es auch dem Leiter der Staatsanwaltschaft obliegen, eine Liste der Einrichtungen zu führen, zu deren Gunsten gemeinnützige Leistungen erbracht werden können (§ 90e Abs. 2 StPO). Dabei wird insbesondere der Verein für Bewährungshilfe und soziale Arbeit zur Erstattung entsprechender Vorschläge aufzufordern sein (vgl. § 90k Abs. 1 StPO, § 29b BewHG). Den Präsidenten der Gerichtshöfe und den Vorstehern der Bezirksgerichte wird die Liste zur Verfügung zu stellen sein; auf Verlangen wäre allgemeine Einsicht zu gewähren, um jedermann die Möglichkeit zu geben, eine Erweiterung anregen oder Bedenken gegen die Gemeinnützigkeit einzelner Institutionen anbringen zu können. Die Anführung geeigneter Einrichtungen in der Liste soll im übrigen jedoch nicht in dem Sinne taxativ sein, daß eine Erbringung von Leistungen bei anderen Einrichtungen unzulässig wäre.

2.3. Rücktritt von der Verfolgung nach einer Probezeit:

2.3.1. Das bloße “Dulden” einer Probezeit, deren Dauer mit einem Jahr bis zu zwei Jahren bestimmt werden kann (§ 90f Abs. 1 StPO), ist die für den Verdächtigen am wenigsten belastende Form der Diversion. Sie kommt daher in der Regel – ohne die Übernahme bestimmter Verpflichtungen (siehe unter 2.3.2.) durch den Verdächtigen – nur bei geringfügigen Taten in Betracht, bei denen eine Strafbefreiung wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) gerade nicht (mehr) möglich erscheint, und jedenfalls dann nicht in Frage, wenn diese Form der Verfahrensbeendigung den Interessen des Tatopfers nicht genügt. Da diese “bloße” Probezeit dem Verdächtigen keine Handlungsverpflichtung auferlegt, ist seine Zustimmung zum vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung unter dieser Voraussetzung nicht erforderlich. Der Verdächtige muß aber spätestens mit der Mitteilung über die vorläufige Beendigung des Verfahrens über deren Folgen und über seine Rechte belehrt werden (Abs. 3); danach kann er im übrigen während der gesamten Probezeit die Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens begehren (§ 90h Abs. 1 letzter Satz StPO). Die Probezeit beginnt, sobald dem Verdächtigen die Mitteilung über den vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung oder über die vorläufige Einstellung des Strafverfahrens zugestellt wurde (§ 90f Abs. 1 StPO); ab diesem Zeitpunkt wird auch der Fortlauf der Verjährungsfrist gehemmt (§ 90k Abs. 2 StPO).

2.3.2. Im Zuge eines vorläufigen Rücktritts von der Verfolgung mit Probezeit soll dem Verdächtigen allerdings anheimgestellt werden können, zusätzlich Verpflichtungen zu übernehmen und/oder sich während der Probezeit von einem Bewährungshelfer betreuen zu lassen (§ 90f Abs. 2 StPO). Diese Verpflichtungen entsprechen inhaltlich den Weisungen, die einem Rechtsbrecher vom Gericht im Fall einer Verurteilung (grundsätzlich) auch gegen seinen Willen auferlegt werden konnten; sie sollen – wie Weisungen – erforderlichenfalls auf Antrag des Verdächtigen auch abgeändert werden können (§ 90h Abs. 4 StPO). Die Anordnung der Bewährungshilfe wäre hingegen schon dann aufzuheben, wenn eine weitere Betreuung nicht mehr notwendig ist (§ 50 Abs. 2 StGB). Auch der Anwendungsbereich dieser Diversionsmaßnahme, die dem Verdächtigen unter Umständen erhebliche Leistungen abverlangt, zielt auf Sachverhalte, die außerhalb der Bagatellkriminalität liegen oder bei denen aus Gründen der Spezialprävention (etwa im Hinblick auf entsprechende kriminelle Vorbelastung) eine Betreuung des Verdächtigen geboten ist.

2.4. Rücktritt von der Verfolgung nach außergerichtlichem Tatausgleich:

2.4.1. Zentrales Anliegen des außergerichtlichen Tatausgleichs (ATA; § 90g StPO) ist die Wiederherstellung des durch die vorgeworfene Tat gestörten Rechtsfriedens mit dem vorrangigen Ziel, beim Verdächtigen einerseits die Einsicht in das Unrecht der ihm angelasteten und andererseits die Bereitschaft zu fördern, sich mit ihren Ursachen auseinanderzusetzen, um in die Lage zu kommen, jene Verhaltensweisen, die zur Tat geführt haben, künftig zu unterlassen.

Wesentliche Bedeutung kommt dabei der Schadensgutmachung bzw. einem sonstigen Tatfolgenaus­gleich zu, welche nicht nur die konkreten Interessen der verletzten Person fördern, sondern auch die Einsicht des Verdächtigen nach außen sichtbar machen. (In quantitativer Hinsicht kommt es dabei nicht nur auf die Angemessenheit des Ausgleichs im Verhältnis zur vorgeworfenen Tat und deren Folgen, sondern auch auf die Leistungsfähigkeit des Verdächtigen an; die objektiv vollständige Wiedergut­machung ist daher nicht absolute “conditio sine qua non”.)

2.4.2. In die Ausgleichsbemühungen ist die durch die strafbare Handlung verletzte Person – soweit sie dazu bereit ist – jedenfalls einzubeziehen, (Abs. 2). Die geschädigte Person soll im Ausgleichsgespräch eine prominente Rolle einnehmen, weil es wesentlich darum geht, ihren Interessen zu dienen und ihren Befindlichkeiten Raum zu geben. Ihre Zustimmung zu der erarbeiteten “Lösung” ist grundsätzlich Voraussetzung für das Zustandekommen einer Ausgleichsvereinbarung. Diese zentrale Rolle könnte die verletzte Person in einer Gerichtsverhandlung, die sich vor allem mit dem erhobenen Schuldvorwurf und damit fast ausschließlich mit dem Verdächtigen auseinanderzusetzen hat, nicht in gleicher Weise einnehmen wie in einem informellen, von einem Sozialarbeiter moderierten Ausgleichsverfahren (siehe auch Allgemeiner Teil, 10.).

2.4.3. Seine gegenüber den übrigen Diversionsformen besondere Bedeutung erhält der außergerichtliche Tatausgleich aber durch das ihm innewohnende zukünftige Element: die Auseinandersetzung des Verdächtigen mit der ihm vorgeworfenen Handlung soll in der Einsicht münden, bestimmte Verhaltensweisen künftig zu unterlassen, die – soweit dies nach der Natur der Sache sinnvoll und zweckmäßig ist – durch entsprechende Verpflichtungen für künftiges Verhalten dokumentiert werden sollte Die verletzte Person soll also nicht nur Genugtuung, sondern auch begründete Aussicht erhalten, daß der Verdächtige gewillt ist, der vorgeworfenen Straftat zugrundeliegende Verhaltensweisen aufzugeben, was seinen prozeduralen Ausdruck in der “doppelten” Berichtspflicht findet (siehe unten 2.4.4.). Damit wird deutlich, daß der ATA insbesondere auch in solchen Fällen in Betracht kommt, in denen schon vor der vorgeworfenen Handlung eine persönliche Beziehung zwischen dem Verdächtigen und der verletzten Person bestanden hat, die voraussichtlich nach dem Tatausgleich weiter andauern wird (zB Familienzugehörigkeit, Nachbarschaft), wobei allerdings gerade in den Fällen der sogenannten “häuslichen Gewalt” der Frage, ob die verletzte Person bereit ist, einen Ausgleich einzugehen, und darüber hinaus der Eignung des Tatausgleichs zur Wiederherstellung des Rechtsfriedens (im Verhältnis zu anderen Diversionsformen, aber auch zur Bestrafung) besondere Bedeutung zu geben sein wird.

2.4.4. Ein wesentliches Element des ATA besteht in der fachlich kompetenten Abwicklung durch Konfliktregler, die als qualifizierte Sozialarbeiter Kontakte zwischen Verdächtigen und Opfern herstellen sowie die Grundlagen des Ausgleichs mit allen Beteiligten erarbeiten und solcherart daran mitwirken, einen konkreten Tatausgleich herbeizuführen (§ 29a BewHG). Kommen Staatsanwalt oder Richter daher zur Auffassung, daß ein ATA angezeigt wäre, können sie die Anzeige bzw. den Akt (oder Kopien der wesentlichen Teile daraus) an die örtlich zuständige Geschäftsstelle “Außergerichtlicher Tatausgleich” des Vereins für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit übersenden, deren Leitung sodann einen Konfliktregler mit der weiteren Durchführung des Ausgleichs zu betrauen hat (§ 29 Abs. 5 BewHG).

Der Konfliktregler informiert die verletzte Person über das Wesen des außergerichtlichen Tatausgleichs sowie über ihre Rechte und Interessen (§ 90i StPO), die er jederzeit zu wahren und zu fördern hat. In gleicher Weise befragt er den Verdächtigen über seine Bereitschaft zum ATA und belehrt ihn über den Verfahrensablauf und über die Notwendigkeit der Zahlung eines Pauschalkostenbeitrags als Voraussetzung für einen späteren Rücktritt von der Verfolgung bzw. für eine Einstellung des Strafverfahrens (vgl. § 388 StPO) sowie über seine Rechte (vgl. § 90j StPO), insbesondere über jenes, jederzeit die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens verlangen zu können (§ 90h Abs. 1 letzter Satz StPO). Auch die Konsequenzen einer Beendigung des Verfahrens nach einem Tatausgleich, vor allem die besondere Kennzeichnung des Verfahrensausganges im Namensregister (§ 90m StPO), sind dem Verdächtigen mitzuteilen.

Der Konfliktregler hat der Staatsanwaltschaft bzw. dem Gericht über getroffene Ausgleichsverein­barungen zu berichten. Staatsanwaltschaft oder Gericht sollen auf dieser Grundlage beurteilen können, ob auf die Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens (zunächst) verzichtet werden kann, sie könnten auch – sofern dies erforderlich scheint – bestimmte Erhebungen durchführen (lassen) oder eine Ergänzung des Berichts verlangen. Einen abschließenden Bericht hat der Konfliktregler zu verfassen, wenn der Ausgleich gescheitert oder erfolgreich zustande gekommen ist. Letzteres ist (erst) dann der Fall, wenn der Verdächtige den Ausgleich, die getroffene Vereinbarung, erfüllt hat oder “seinen Verpflichtungen zumindest soweit nachgekommen ist, daß unter Berücksichtigung seines übrigen Verhaltens angenommen werden kann, er werde die Vereinbarungen weiter einhalten” (Abs. 4). Die Einhaltung dieser Verpflichtungen (die von bestimmten Unterlassungen bis zu persönlichen Dienstleistungen, zB im gemeinsamen Haushalt oder bei der Kinderbetreuung, reichen können) sollen vom Konfliktregler unter Mithilfe der verletzten Person also zumindest so lange – für einige Wochen oder Monate – überwacht werden, bis angenommen werden kann, daß der Verdächtige nicht nur gewillt, sondern auch in der Lage ist, sein inkriminiertes Verhalten tatsächlich zu ändern (vgl. auch unten 3.2.2.). Erst danach soll es zum Rücktritt von der Verfolgung nach Abs. 1 kommen.

2.4.5. Die Grenzen des ATA werden in sachlicher Hinsicht dort zu sehen sein, wo es nicht nur um die Bereinigung eines persönlichen Konflikts, sondern um zusätzliche Aspekte geht, die nicht (mehr) in der persönlichen Verfügungsgewalt der verletzten Person liegen. So wird der ATA etwa bei den Vergehen der falschen Beweissaussage vor Gericht oder vor einer Verwaltungsbehörde (§§ 288 und 289 StGB) und beim Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt (§ 269 StGB) kaum in Betracht kommen.

3. Allgemeine Verfahrensvorschriften:

3.1. Nachträgliche Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens:

3.1.1. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, nach Zahlung einer Geldbuße oder nach außergerichtlichem Tatausgleich von der Verfolgung zurückzutreten oder das Verfahren einzustellen bzw. nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen oder nach Bestehen der Probezeit endgültig von der Verfolgung zurückzutreten oder das Verfahren einzustellen, entfaltet sogleich Rechtswirksamkeit. Das bedeutet, daß eine Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens in diesen Fällen nur unter den Voraussetzungen der ordentlichen Wiederaufnahme, also unter dem Eindruck bestimmter neuer Beweise, möglich und eine sogenannte “formlose” Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 363 Z 1 StPO daher unzulässig wäre (§ 90h Abs. 1 StPO).

3.1.2. Im Hinblick auf die Unschuldsvermutung und auf Art. 6 Abs. 1 MRK muß es dem Verdächtigen auch möglich sein, jederzeit auf der Einleitung bzw. Fortsetzung eines Strafverfahrens zu bestehen, solange der Rücktritt von der Verfolgung bzw. die Einstellung des Verfahrens noch nicht rechtswirksam ist. Einem solchen Antrag ist daher ohne weiteres zu entsprechen (Abs. 1 zweiter Satz).

3.1 3. Im Sinne des Vertrauensschutzes sollen Staatsanwaltschaft und Gericht aber auch an ihre eigenen Vorschläge gegenüber dem Verdächtigen, eine “Geldbuße” zu bezahlen, gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder eine Probezeit zu bestehen, gebunden sein, solange dem Verdächtigen offensteht, diesem Vorschlag zu entsprechen (“Immutabilitätsprinzip”; Abs. 2). Im Falle eines außergerichtlichen Tatausgleichs kann das Verfahren dagegen bis zum Rücktritt von der Verfolgung bzw. bis zur Einstellung jederzeit formlos fortgesetzt werden, solange Staatsanwalt oder Gericht keine (bindende) Erklärung abgegeben haben.

Im Zusammenhang mit der genannten Bindungswirkung ist zu beachten, daß diese nur Vorschlägen zukommt, die Staatsanwaltschaft und Gericht selbst machen, nicht jedoch “Zusagen” eines mit der Abwicklung einer konkreten Diversionsmaßnahme betrauten Konfliktreglers.

3.1.4. Das Verfahren wäre jedoch einzuleiten oder fortzusetzen, der Verdächtige dem Vorschlag, eine “Geldbuße” zu bezahlen oder Schadensgutmachung zu leisten, oder seiner Erklärung, gemeinnützige Leistungen oder einen Tatfolgenausgleich zu erbringen, nicht vollständig, nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht entspricht (Abs. 2 Z 1). Von dieser Maßnahme soll jedoch aus besonderen Gründen abgesehen werden können (Abs. 3), die beispielsweise in einer bloß geringfügigen Fristüberschreitung oder einer vernachlässigbaren Minderzahlung liegen könnten (siehe auch oben, 2.1.6.). Ähnliches gilt, wenn der Verdächtige seiner Erklärung, bestimmte Pflichten zu erfüllen, nicht hinreichend nachkommt oder sich beharrlich dem Bewährungshelfer entzieht (Abs. 2 Z 2), und die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens aus spezialpräventiven Gründen geboten erscheint (Abs. 3; vgl. auch § 53 Abs. 3 StGB).

3.1.5. Auch eine nachträglich begangene oder hervorgekommene Straftat kann zur nachträglichen Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens führen, wenn dieses Verfahren eingeleitet wird, solange der Verdächtige nicht alle Voraussetzungen für den Rücktritt von der Verfolgung (Zahlung der “Geldbußen”, Erbringung gemeinnütziger Leistungen, Tatfolgenausgleich) erfüllt hat oder die Probezeit noch nicht abgelaufen ist (Abs. 2 Z 3). Die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens setzt in formeller Hinsicht voraus, daß wegen der neuen Straftat Anklage erhoben wurde (soll aber auch noch binnen eines weiteren Monats nach diesem Zeitpunkt möglich sein), und kann dann unterbleiben, wenn sie aus spezialpräventiven Gründen nicht erforderlich ist (Abs. 3; vgl. auch § 53 Abs. 1 StGB), was insbesondere auch dann der Fall sein kann, wenn der Verdächtige die “Geldbuße” bezahlt, die gemeinnützigen Leistungen erbracht und die Tatfolgen ausgeglichen hat. Wenn das Strafverfahren wegen der neuen oder neu hervorgekommenen strafbaren Handlung nicht mit einem Schuldspruch endet, wäre das nachträglich eingeleitete oder fortgesetzte Strafverfahren jedenfalls unter den ursprünglichen Voraussetzungen neuerlich einzustellen (Abs. 2 Z 3 letzter Satz).

3.1.6. Korrespondierend zur Möglichkeit der nachträglichen Milderung der Strafe auf Grund veränderter Verhältnisse (§ 31a StGB) ist eine “Härteklausel” vorgesehen, derzufolge die vom Verdächtigen übernommenen Verpflichtungen abgeändert werden können. Demzufolge wäre etwa die Höhe einer “Geldbußen” herabzusetzen, wenn der Verdächtige dies wegen erheblicher Änderung seiner für die Bemessung maßgeblich gewesenen Lebensumstände (zB wegen Arbeitslosigkeit) beantragt (§ 90h Abs. 4 StPO). Eine Änderung der Höhe der “Geldbuße” oder des Inhalts übernommener Verpflichtungen kann – bei geklärten Voraussetzungen – auch von Amts wegen erfolgen; jede Änderung von Verpflichtungen, die nicht in einem bloßen “Minus” besteht, bedarf jedoch der Zustimmung des Verdächtigen.

3.1.7. Wird das Strafverfahren nachträglich eingeleitet oder fortgesetzt, so sieht § 90h Abs. 4 StPO vor, daß bereits erbrachte Leistungen nicht erstattet, allerdings im Fall einer später notwendig werdenden Strafbemessung angemessen berücksichtigt werden. Eine “Geldbuße” wäre somit etwa auf die Geld- oder Freiheitsstrafe (im Wege der Umrechnung über eine theoretische Ersatzfreiheitstrafe) anzurechnen. In gleicher Weise wären gemeinnützige Leistungen zu bewerten und im Umfang des erbrachten Arbeitseinsatzes von der Geld- oder Freiheitsstrafe abzuziehen. Im Falle eines Freispruchs sollen aber nur “Geldbußen” zurückzuzahlen, alle anderen bis dahin erbrachten – vielfach immateriellen – Leistungen jedoch nicht abzugelten sein.

3.1.8. Um die volle Unbefangenheit der entscheidenden Richter entsprechend dem Gebot des fairen Verfahrens nach Art. 6 MRK zu gewährleisten, soll der Katalog der Ausschließungsgründe nach § 68 StPO auf jene Fälle erweitert werden, in denen die Rechtsmittelinstanz das Verfahren nach Aufhebung einer erstinstanzlichen Entscheidung zum Zweck der Durchführung diversioneller Maßnahmen an das Erstgericht zurückverweist (§ 68 Abs. 5 StPO).

3.2. Rechte und Interessen des Verletzten sowie Rechte des Verdächtigen:

3.2.1. Die Förderung der Rechte und Interessen der durch die strafbare Handlung verletzten Person ist ein wesentliches Anliegen des Entwurfes (vgl. Allgemeiner Teil, 10.). Der Verletzte ist sowohl von der Sicherheitsbehörde als auch von der Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls vom Gericht sobald wie möglich umfassend über seine Rechte zu belehren. Beim Einsatz diversioneller Maßnahmen ist in jedem einzelnen Fall zu prüfen, wie seinen berechtigten Interessen in größtmöglichem Ausmaß entsprochen werden kann, und zu prüfen, welche der jeweils in Betracht kommenden Diversionsformen besser geeignet sind, diese Interessen zu fördern. Vor dem Rücktritt von der Verfolgung ist der Verletzte zu hören, soweit seine Interessen aus den vorliegenden Unterlagen (zB aus einem Vernehmungsprotokoll oder aus der Anzeige) nicht zweifelsfrei entnommen werden können (§ 90i Abs. 1 StPO).

3.2.2. Häufig bildet die Schadensgutmachung ein wesentliches, primäres Interesse des Verletzten. Der Entwurf sieht daher vor, daß Schadensgutmachung bzw. sonstiger Tatfolgenausgleich bei sämtlichen Diversionsformen zur Voraussetzung des Rücktritts von der Verfolgung gemacht werden kann (vgl. §§ 90c Abs. 3, 90d Abs. 3, 90f Abs. 2 und 90g Abs. 1 StPO) und daß erforderlichenfalls entsprechende Erhebungen zu Art und Umfang des entstandenen Schadens durchzuführen sind (§ 90i Abs. 1 StPO). Beim außergerichtlichen Tatausgleich nimmt der Tatfolgenausgleich darüber hinaus insofern eine besondere Stellung ein, als ein besonderer präventiver Zweck unmittelbar wirksam wird: Der Verdächtige soll nicht nur den Schaden nach Kräften ausgleichen, sondern sich auch mit den Ursachen der Tat auseinandersetzen und durch sein Verhalten bekunden, daß er bereit ist, alles zu tun, um künftige Handlungen der vorgeworfenen Art zu vermeiden.

Darüber hinaus ist die Konzeption der Schadensgutmachung im Rahmen der Diversion strukturell eher geeignet, die Opferinteressen zu fördern als das gerichtliche Strafverfahren. Diesem kann sich der Privatbeteiligte mit dem Ziel anschließen, einen “Zuspruch” bezüglich seiner vermögenswerten Interessen zu erhalten. Das heißt, daß er im Strafverfahren – soweit der Angeklagte nicht von sich aus zu freiwilligen Leistungen bereit ist – keine Schadensgutmachung erlangen, sondern bestenfalls einen Exekutionstitel über seine vermögenswerten, durch die Tat (unmittelbar) entstandenen Ansprüche erlangen kann, mit dessen Hilfe er in die Lage versetzt wird, auf eigene Gefahr und Kosten gegen den Angeklagten Exekution zu führen. Er ist also zunächst darauf angewiesen, daß es im Strafverfahren gelingt, seine Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach festzustellen. Schon das mißlingt in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle, weil der Angeklagte das verfassungsmäßig garantierte Recht hat, daß das Straf­verfahren unter größtmöglicher Beschleunigung durchgeführt wird, und die exakte Höhe des Schadens im Hinblick auf das System der Erhöhung von Strafrahmen bei bestimmten Schwellenwerten für Verurteilung und Strafbemessung vielfach von untergeordneter Bedeutung ist. Der Zuspruch ist auch nur bezüglich geldwerter Ansprüche möglich, die aus unmittelbaren Tatfolgen resultieren. Das bedeutet, daß Ansprüche aus mittelbaren Tatfolgen und immaterieller Schaden, insbesondere solcher, der nicht in Geld abgegolten werden kann, nicht zugesprochen werden können. Schließlich ist es allein der Privatinitiative des Geschädigten überlassen, seine Ansprüche – in der Regel nach dem Strafverfahren und im Exeku­tionsweg – zu verfolgen, was gleichfalls häufig nicht von Erfolg begleitet ist. Mehrere legislative und andere Versuche, diese unbefriedigende Situation des Privatbeteiligten im Strafverfahren zu verbessern, haben nicht den gewünschten Erfolg gezeitigt, weil sie an strukturell vorgegebene Grenzen des Strafverfahrens gestoßen sind.

Im Gegensatz hiezu bieten die vorgeschlagenen Diversionsmaßnahmen wesentlich bessere Voraus­setzungen dafür, Verletzten zum Schadensausgleich zu verhelfen. Zunächst wird nicht bloß am Ende des Strafverfahrens ein Exekutionstitel geschaffen, sondern die tatsächliche Schadensgutmachung bzw. der sonstige Tatfolgenausgleich in den Mittelpunkt des Verfahrens gerückt. Dadurch, daß er zur Voraus­setzung des Rücktritts von der Verfolgung gemacht wird, wird nicht nur dem Verdächtigen ein Anreiz geboten, diesem Anliegen nachzukommen, sondern ganz allgemein die Bedeutung der Restitution im (Straf-)Verfahren betont und der Verletzte mit seinen Interessen vom Rand des Geschehens in den Mittelpunkt gerückt. Damit wird die Schadensgutmachung vom privaten Interesse eines einzelnen zum öffentlichen Interesse der Strafverfolgung, die nicht nur ihre Möglichkeiten der Durchsetzung von Ansprüchen für ein privates Interesse einsetzt, sondern diesem damit auch öffentlichen Stellenwert zuerkennt. Dabei muß natürlich eingeräumt werden, daß die Schadensgutmachung in der subjektiven Leistungsfähigkeit des  Verdächtigen ihre Grenze findet. Mit anderen Worten kann es nicht – wie beim Privatbeteiligtenzuspruch – bloß darum gehen, möglichst hohe Beträge festzusetzen, deren Zahlung unrealistisch ist, sondern muß beurteilt werden, ob jene Summe, die der Verdächtige leisten kann, oder jene Handlungen, die er im Interesse des Tatfolgenausgleichs vorzunehmen imstande ist, auch ausreichen, dem Wiedergutmachungsaspekt zu genügen. Das bedeutet, daß es mitunter entweder nicht zu vollem Schadensausgleich kommen kann oder andererseits in jenen Fällen, in denen ein grobes Mißverhältnis zwischen Schadenshöhe und Leistungsfähigkeit des Verdächtigen besteht, auf den Einsatz diversioneller Maßnahmen unter Umständen sogar verzichtet werden muß, wenn keine andere spezial- und generalpräventiv ausreichende Form diversioneller Erledigung in Betracht kommt.

Schadensgutmachung im Zusammenhang mit einer Geldbuße läßt schon im Hinblick auf die standardisierte Form ihrer Abwicklung lediglich eine Geldleistung zu. Die anderen Diversionsformen, nämlich vor allem der außergerichtliche Tatausgleich, aber auch gemeinnützige Leistungen und Verpflichtungen, die der Verdächtige im Zusammenhang mit einer Probezeit eingeht, bieten hingegen die Möglichkeit, auch immaterielle Werte auszugleichen, die nicht ohne weiteres oder nicht ihrem ganzen Wesen nach in Geld abgegolten werden können. Der Bogen spannt sich von persönlichen Entschuldigungen über symbolische Schadensgutmachung und reuebekundende Dienstleistungen bis zur Übernahme häuslicher Pflichten und Tätigwerden im Sozialwesen. In bezug auf den Verletzten sieht der Entwurf daher vor, daß dieser nicht nur zu verständigen ist, wenn sich der Verdächtige zur Schadensgutmachung verpflichtet, sondern auch dann, wenn seine Interessen durch vom Verdächtigen übernommene Verpflichtungen unmittelbar berührt werden (§ 90i Abs. 2 StPO).

Dem Verletzten soll ferner auch das Recht zustehen, bei allen Diversionsformen und bei jedem behördlichen Vorgehen eine Person seines Vertrauens beizuziehen.

3.2.3. Auch der Verdächtige ist im Rahmen diversionellen Vorgehens umfassend über seine Rechte zu belehren, sodaß er abschätzen kann, welche Verpflichtungen er übernimmt, welche Konsequenzen er damit trägt, wie das Verfahren ablaufen wird, unter welchen Umständen es zu einem (vorläufigen oder endgültigen) Rücktritt von der Verfolgung kommt und worin die Alternative besteht, wenn er nicht bereit ist, freiwillig Leistungen zu erbringen. (Dabei wird es sich in der Regel um eine Anklageerhebung handeln.) Im Hinblick auf die Tragweite seiner Entscheidungen ist es erforderlich, daß ihm entsprechende Mitteilungen und Belehrungen – soweit diese nicht mündlich überbracht werden – persönlich und in bestimmten Fällen zu eigenen Handen zugestellt werden. Aus diesem Grund ist auch die Staatsan­waltschaft an die für die Gerichte vorgesehenen Zustellvorschriften zu binden (§ 90j StPO).

3.3. Gemeinsame Bestimmungen

3.3.1. Der Staatsanwaltschaft und dem Gericht soll ermöglicht werden, schon bei der Entscheidung, ob diversionelle Maßnahmen und gegebenenfalls welche in Betracht kommen, sozialarbeiterische Erfahrung und Kompetenz in Anspruch zu nehmen. Wenn ein solches Vorgehen erwogen wird, können Staatsanwaltschaft oder Gericht die Leitung der örtlichen Geschäftsstelle für den außergerichtlichen Tatausgleich ersuchen, entsprechende Vorgespräche zu führen und einen Vorschlag zu erstatten, der sich gegebenenfalls auch auf Maßnahmen erstrecken kann, deren Durchführung der Geschäftsstelle für Bewährungshilfe obliegen würde (mit der vor Erstattung des Vorschlages das Einvernehmen herzustellen ist; die Geschäftsstelle für den außergerichtlichen Tatausgleich soll den Justizbehörden insoweit als “Clearingstelle” dienen.) In diesem Zusammenhang haben sich regelmäßig abgehaltene “Teamsitzungen” unter Beiziehung aller Beteiligten bewährt. Den Justizbehörden bleibt es natürlich unbenommen, auch selbst Erhebungen durchzuführen bzw. durchführen zu lassen oder sogleich eine der beiden Geschäftsstellen damit zu betrauen, die Möglichkeiten einer bestimmten Diversionsmaßnahme zu erkunden und ihre Durchführung in die Wege zu leiten (vgl. § 90k Abs. 1 StPO, §§ 29 Abs. 4 und 5, 29a und 29b BewHG).

3.3.2. Die Staatsanwaltschaft soll aus eigenem Diversionsmaßnahmen solange einleiten können, als sie nicht durch Erhebung einer Anklage hat erkennen lassen, daß sie einen Rücktritt von der Verfolgung nach dem IXa. Hauptstück für nicht angebracht hält. Im Sinne der Rechtssicherheit und Kontinuität des Verfahrens soll ihr nach Anklageerhebung zwar das Recht zustehen, entsprechende Maßnahmen bei Gericht zu beantragen (was insbesondere im Fall neuer Erkenntnisse in Betracht kommen wird), nicht jedoch das Recht, die Verhandlung über ihre Anklage zu unterbrechen und das Verfahren wieder “zu übernehmen” (§ 901 Abs. 1 StPO).

3.3.3. Gerichtliche Beschlüsse nach dem IXa. Hauptstück sollen im Vorverfahren vom Untersuchungs­richter, in der Hauptverhandlung vom erkennenden Gericht (Einzelrichter, Schöffengericht oder Schwurgerichtshof) und außerhalb einer Hauptverhandlung vom Vorsitzenden gefaßt werden. Sofern das Gericht aus eigenem, ohne entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft, diversionelle Maßnahmen einleitet, soll es die Staatsanwaltschaft hiezu zu hören und ein eventuelles Rechtsmittelverfahren durchzuführen haben, bevor es den Verdächtigen von der Einstellung des Strafverfahrens verständigt. Es wird sich daher empfehlen, daß das Gericht dem Verdächtigen zugleich mit dem Vorschlag, eine “Geldbuße” zu leisten (§ 90c Abs. 4), gemeinnützige Leistungen zu erbringen (§ 90d Abs. 4) oder eine Probezeit mit anfälligen Pflichten auf sich zu nehmen (§ 90f Abs. 3), mitteilt, daß die Einstellung des Verfahrens nach Zahlung des Betrages, Erbringung der Leistungen oder Bestehen der Probezeit auch davon abhängt, daß einer eventuellen Beschwerde der Staatsanwaltschaft kein Erfolg beschieden ist (§ 901 Abs. 2 StPO).

3.3.4. Gegen Beschlüsse, mit denen das Verfahren nach dem IXa. Hauptstück eingestellt wird, steht dem Staatsanwalt, gegen Beschlüsse, mit denen die Einstellung des Verfahrens abgelehnt wird, dem Verdächtigen und dem Staatsanwalt Beschwerde an den übergeordneten Gerichtshof zu. Wenn eine solche Beschwerde gegen einen abweisenden Beschluß erhoben wird, soll vor der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts keine Hauptverhandlung stattfinden, um die zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht entstandene Streitfrage, ob Diversion in Betracht kommt, vor Beginn der Hauptverhandlung zu klären (§ 901 Abs. 3 StPO). Soweit über Anträge auf Einstellung des Verfahrens in der Hauptverhandlung entschieden wird, soll ein abgesondertes Rechtsmittel aus prozeßökonomischen Gründen jedoch nicht erhoben werden können; in diesem Fall kann das ergehende Urteil aus den Nichtigkeitsgründen des § 281 Abs. 1 Z 4 und 10a bzw. des § 345 Abs. 1 Z 5 und 12a StPO bekämpft werden.

3.3.5. Gegen Beschlüsse, mit denen das Verfahren nachträglich eingeleitet oder fortgesetzt wird (§ 90h StPO), soll sowohl dem Verdächtigen als auch dem Staatsanwalt Beschwerde zustehen, weil diese Beschlüsse einer Wiederaufnahme des Verfahrens nahekommen und somit – als Durchbrechung der im Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK grundrechtlich gesicherten “ne bis in idem”-Wirkung – im Rechtsmittelweg überprüfbar sein müssen. Einer solchen Beschwerde soll daher in jedem Fall, also auch wenn sie sich gegen einen in einer Hauptverhandlung gefaßten Beschluß richtet, aufschiebende Wirkung zukommen. Im letztgenannten Fall auch deshalb, weil es nicht sachgerecht erschiene, trotz einer Beschwerde eine Verurteilung wegen eines zu Beginn der Hauptverhandlung nicht angeklagt gewesenen Vorwurfs zuzulassen. In diesem Fall wäre das fortgesetzte Verfahren wohl gemäß § 57 StPO auszuscheiden, sofern nicht eine Vertagung der Hauptverhandlung unumgänglich ist (§ 90l Abs. 4 StPO).

3.4. Registrierung:

Bei der Entscheidung, ob diversionelle Maßnahmen eingeleitet werden sollen, kann die Information von Bedeutung sein, daß ein Vorgehen nach dem IXa. Hauptstück in einem früheren – womöglich ähnlich gelagerten – Fall in spezialpräventiver Hinsicht nicht das gewünschte Ergebnis erbracht hat. Allgemein wird Diversion umso eher in Betracht kommen, je weniger der Beschuldigte durch gerichtliche Verurteilungen vorbelastet ist oder vermutet werden muß, daß ihn frühere diversionelle Maßnahmen nicht abgehalten haben, eine Straftat zu begehen. Es ist daher von besonderer Bedeutung, daß der Staatsanwaltschaft und dem Gericht – für gewisse Zeit – die Information zur Verfügung steht, daß ein gegen den Verdächtigen gerichteter früherer Vorwurf zu einem Rücktritt von der Verfolgung nach dem IXa. Hauptstück geführt hat. Aus diesem Grund soll eine entsprechende Kennzeichnung in den justizinternen, automationsunterstützt geführten Namensregistern erfolgen, die bei der im Zuge einer Anzeige routinemäßig erfolgenden Anfrage (“Priorierung”)eine diversionelle Erledigung erkennen läßt. Diese Information soll – ohne Rücksicht auf weitere Vorgänge – nach fünf Jahren automatisch entfallen.

3.5. Nichtigkeitsgrund, Einspruch gegen die Anklageschrift:

3.5.1. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, soll das Gericht verpflichtet sein, nach dem IXa. Hauptstück der StPO vorzugehen. In Anlehnung an die bestehende Regelung des Jugendgerichts­gesetzes (§ 32 Abs. 1 JGG) soll daher ein materiellrechtlicher Nichtigkeitsgrund eingeführt werden: Hat das Gericht die Voraussetzungen für eine Diversion zu Unrecht nicht angenommen, so ist das Gesetz verletzt (§ 281 Abs. 1 Z 10a StPO), wobei dieser Nichtigkeitsgrund auch von Amts wegen wahrzunehmen wäre (§ 290 Abs. 1 StPO). In diesem Fall hätte das Rechtsmittelgericht das Urteil aufzuheben und das Gericht erster Instanz anzuweisen, nach dem IXa. Hauptstück vorzugehen (§§ 285e, 288 Abs. 2 Z 2a bzw. § 345 Z 12a StPO sowie §§ 470, 475 Abs. 4 StPO).

3.5.2. Ähnliche Überlegungen haben für das Verfahren über den Einspruch gegen die Anklageschrift zu gelten: Der Gerichtshof zweiter Instanz soll im Rahmen seiner Entscheidung die Möglichkeit einer diversionellen Verfahrenserledigung prüfen können. Liegen die Voraussetzungen dafür vor, so hätte das Oberlandesgericht die Anklageschrift vorläufig zurückzuweisen und dem Erstgericht aufzutragen, nach dem IXa. Hauptstück der StPO vorzugehen (§ 211a Abs. 1 StPO). Wenn der Verdächtige in weiterer Folge die “Geldbußen samt anfälliger Schadensgutmachung (§ 90c StPO), die gemeinnützigen Leistungen samt anfälligem Tatfolgenausgleich (§ 90d StPO) oder die übernommenen Pflichten (§ 90f StPO) überhaupt nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig bezahlt, erbringt oder erfüllt, wenn er sich beharrlich dem Einfluß des Bewährungshelfers entzieht oder ein außergerichtlicher Tatausgleich (§ 90g StPO) nicht zustande kommt, hätte der öffentliche Ankläger entweder die Anklageschrift neuerlich einzubringen oder sonst zweckdienliche Anträge zur Fortführung oder Beendigung des Verfahrens zu stellen (§ 211 a Abs. 2 StPO).

3.5.3. Der Vollständigkeit halber und zur Vermeidung von Mißverständnissen sei festgehalten, daß diversionelle Erledigungen ungeachtet des gesetzlichen Ausschlusses von Delikten, für die das Schöffen- oder das Geschworenengericht zuständig ist (§ 90a Abs. 2 Z 1 StPO), auch in diesen Verfahren (etwa nach geänderter rechtlicher Qualifikation, bei Teilfreispruch oder im Zuge teilweiser Stattgebung eines Einspruchs gegen die Anklageschrift sowie im Jugendstrafrecht) von praktischer Bedeutung sein können.

3.6 Kostenfolgen (§§ 388, 390 Abs. 1 StPO):

3.6.1. Den Privatbeteiligten, der anstelle des öffentlichen Anklägers die Verfolgung eingeleitet oder fortgesetzt hat (“Subsidiarankläger”), soll keine Kostenersatzpflicht treffen, wenn das Strafverfahren nach Zahlung einer “Geldbuße” oder Erbringung gemeinnütziger Leistungen, nach einer Probezeit oder nach einem außergerichtlichen Tatausgleich eingestellt wird (§ 390 Abs. 1 StPO).

3.6.2. Im Fall der Verfahrensbeendigung in Form eines außergerichtlichen Tatausgleiches soll der Verdächtige grundsätzlich verpflichtet sein, einen pauschalen Kostenersatzbeitrag von höchstens 2 000 S zu leisten (§ 388 StPO); darüber ist er im Zuge der Belehrung über den Verfahrensablauf zu informieren (§ 90j Abs. 1 StPO). Dieser Betrag entspricht in etwa der Summe, die vielfach in Strafverfahren mit vergleichbarem Zeitaufwand als Pauschalbeitrag nach § 381 Abs. 1 Z 1 StPO festgesetzt wird. Wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenshilfe vorliegen, soll ein Kostenbeitrag nicht oder nur in geringerer Höhe eingehoben werden; gleiches gilt, wenn der Kosten­beitrag das Zustandekommen oder die Erfüllung des außergerichtlichen Tatausgleiches gefährden würde.

Bei den übrigen Diversionsmaßnahmen, die entweder wesentlich weniger Verfahrensaufwand verursachen oder bei denen der Verdächtige eine geldwerte Leistung erbringt, ist ein gesonderter Kostenersatz nicht vorgesehen; im Falle einer “Geldbuße” (vgl. oben, 2.1.3.) ist er in dem zu bezahlenden Betrag integriert (§ 90c Abs. 2 StPO).

3.6.3. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, daß eine diversionelle Verfahrensbeendigung, mag sie auch erst in der Hauptverhandlung oder danach erfolgen, einen Anspruch des Angeklagten auf (teilweisen) Ersatz der Verteidigungskosten nach § 393a Abs. 1 StPO nicht begründen kann; Voraussetzung hiefür ist nach dieser Gesetzesstelle nämlich ein Freispruch oder die Einstellung des Strafverfahrens nach § 227 StPO.

Zu Art. I Z 3 (§ 90e Abs. 3 bis 5 StPO):

Fügt der Verdächtige bei der Erbringung gemeinnütziger Leistungen der Einrichtung oder – wenn sie nicht selbst Rechtspersönlichkeit hat – deren Träger einen Schaden zu, so soll er grundsätzlich einem Dienstnehmer gleichgestellt werden. Daher soll das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz zur Anwendung gelangen, demzufolge für den Umfang der Haftung richterliches Mäßigungsrecht und für “entschuldbare Fehlleistungen” ein Haftungsausschluß besteht (Abs. 3).

Für Schäden, welche ein Verdächtiger derzeit bei der Erfüllung einer Auflage nach § 19 Abs. 1 Z 2 JGG einem Dritten rechtswidrig und schuldhaft zufügt, sichert eine Auslobung des Bundes eine Ersatzleistung für den Geschädigten (Amtsblatt der Wiener Zeitung vom 25. April 1990; Bundesministerium für Justiz, JMZ 618.011/31-ll 2/90). Auch wenn bisher kein Schadensfall eingetreten ist, soll diese Frage nunmehr einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden.

In der Regel wird der Verdächtige mangels besonderer Ausbildung und wegen der kurzfristigen Beschäftigung bei der Verrichtung gemeinnütziger Leistungen von der ausgewählten Einrichtung für Tätigkeiten eingesetzt werden, die geringe Schadensgeneigtheit aufweisen. Durch die fortschreitende Technisierung sind jedoch Gefahrenquellen für Schäden bei Arbeitsverrichtung nicht auszuschließen. Damit den Verdächtigen nicht bei geringen Fehlleistungen im Rahmen einer gemeinnützigen Leistung unverhältnismäßig belastende Haftungsfolgen treffen, soll neben ihm auch der Bund nach den Schadenersatzregelungen des allgemeinen bürgerlichen Rechtes für Schäden haften, die Dritten entstanden sind (Abs. 3). Während vom Verdächtigen nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes Schadenersatz auch durch Naturalrestitution geleistet werden kann, ist für den Bund entsprechend den Prinzipien des Amtshaftungsgesetzes die Ersatzpflicht auf Geld einzuschränken.

Im Verhältnis zwischen Bund und Verdächtigem soll wiederum das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz sinngemäß zur Anwendung gelangen, sodaß – je nach Inanspruchnahme – wechselseitiger Regreß, abhängig von der Schwere des Verschuldens des Verdächtigen, und richterliches Mäßigungsrecht zur Anwendung gelangen können (Abs. 4).

Ferner soll die Einrichtung oder deren Träger dem Dritten nicht unmittelbar haften, sondern (vom Bund) nur im Regreßweg und überdies nur insoweit in Anspruch genommen werden können, als ihnen (ihren Vertretern) grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz anzulasten ist. Ein Mitverschulden des Verdächtigen kann diesen Regreßanspruch des Bundes mindern. Mit dieser Regelung soll einerseits die Verantwortlichkeit der Einrichtung im Hinblick auf die spezial- und generalpräventive Bedeutung dieser Reaktionsform unterstrichen, zugleich aber auch die Bereitschaft von Einrichtungen, sich zur Aufnahme von Verdächtigen bereit zu erklären, gefördert werden (Abs. 4).

Eine Haftung des Bundes für Schäden, die der Verdächtige allenfalls bei Erbringung gemeinnütziger Leistungen der Einrichtung (ihrem Träger) zufügt, soll – wiederum im Einklang mit der geltenden Rechtslage bei gemeinnützigen Leistungen nach dem JGG – nicht normiert werden, weil dies angesichts der Unentgeltlichkeit der Leistungen kaum angemessen wäre.

Um sicherzustellen, daß der Verdächtige im Fall eines bei Erbringung gemeinnütziger Leistungen erlittenen Unfalls oder einer dabei hervorgerufenen Krankheit Versicherungsschutz genießt, sollen – entsprechend der bestehenden Regelung im § 20 Abs. 6 JGG – die §§ 76 bis 84 des Strafvollzugsgesetzes (die ihrerseits auf das ASVG verweisen) sinngemäß angewendet werden (Abs. 5).

Zu Art. I Z 3 und Art. III Z 2 (§§ 90k Abs. 2 StPO, 31 Abs. 4 FinStrG):

Vom Staatsanwalt nach § 90f Abs. 1 StPO bestimmte Probezeiten und von ihm nach § 90c Abs. 2 und 3 sowie § 90d Abs. 1 und 3 StPO zur Zahlung der “Geldbuße” und zur Erbringung gemeinnütziger Lei­stungen samt anfälligem Tatfolgenausgleich eingeräumte Fristen sollen in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet werden, um zu verhindern, daß im Falle des Scheiterns von Diversionsmaßnahmen Verfolgungsverjährung eintritt. Wenn ein Gericht Probezeiten und Fristen zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen und zur Erfüllung von Pflichten bestimmt (§ 90b StPO), wird das Verfahren spätestens mit dem entsprechenden Beschluß gerichtsanhängig, wodurch der Fortlauf der Verjährungsfrist gehemmt wird.

Zu Art. I Z 4a (§ 126a StPO) und Art. IV Z 1 (§ 15 StVG):

Die im Verhältnis zum Zeitaufwand, zur Verantwortung und zur umfassenden Auseinandersetzung mit Widerspruch liehen Befundergebnissen unverhältnismäßig niedrige Honorierung forensisch-psychiatrischer Sachverständigengutachten, die Gefährlichkeitsprognosen bei Sexual- und Gewaltstraf­tätern beinhalten und außergewöhnliche Kenntnisse auf dem Fachgebiet der forensischen Psychiatrie voraussetzen, hat dazu geführt, daß zu wenige qualifizierte psychiatrische Sachverständige für solche Gutachten zur Verfügung stehen. Zugleich besteht die Gefahr, daß auf Grund dieser niedrigen Hono­rierung international anerkannte Qualitätsstandards in solchen Gutachten nicht ausreichend berück­sichtigt werden. Es soll daher im Wege einer Verordnungsermächtigung die Möglichkeit geschaffen werden, daß der Bundesminister für Justiz zur Gewährleistung der Qualität forensisch-psychiatrischer Gutachten mit Gefährlichkeitsprognosen Rechtsgrundlagen für inhaltliche Standards schafft und für eine angemessene, sich den außergerichtlichen Einkünften des jeweiligen Sachverständigen annähernde Gebühr für Mühewaltung (§ 34 Abs. 1 GebAG) vorsorgt.

In diesem Zusammenhang war auch § 15 des Strafvollzugsgesetzes, der für die Beiziehung von Sachverständigen im Rahmen der Strafvollzugsverwaltung gleichfalls eine Honorierung nach dem Gebührenanspruchsgesetz vorsieht, anzupassen.

Zu Art. I Z 13 (§ 393a Abs. 5 StPO):

Durch diese Änderung sollen bestehende Unklarheiten beseitigt und ausdrücklich festgehalten werden, daß über Beschwerden der jeweils übergeordnete Gerichtshof, im Falle einer Beschwerde gegen den Beschluß eines Bezirksgerichts daher das Landesgericht zu entscheiden hat.

Zu Art. I Z 18 (§ 478 Abs. 3 StPO):

Der letzte Satz des § 478a StPO, der besagt, daß im Falle eines neuerlichen Ausbleibens des Beschuldigten nach Stattgebung seines Einspruchs gegen ein Abwesenheitsurteil “der Einspruch als nicht erhoben und das angefochtene Urteil als rechtskräftig anzusehen” sei, soll gestrichen werden. Der Beschuldigte hat nämlich im Hinblick auf diese Bestimmung überhaupt keine Möglichkeit mehr, das Urteil zu bekämpfen, weil auch eine allenfalls bereits erhobene Berufung gegenstandslos wird. Falls er auch beim zweiten Mal unverschuldet ausbleiben sollte, werden ihm seine Verteidigungsrechte überhaupt in unzulässiger Weise beschnitten. Dementsprechend hat die EKMR in einem solchen Fall (Ismail ILHAN gegen Österreich) eine Verletzung des Art. 6 EMRK festgestellt.

Dessenungeachtet soll die Möglichkeit bestehen, bei neuerlichem Ausbleiben des Beschuldigten ein (weiteres) Abwesenheitsurteil zu erlassen, gegen das wiederum Einspruch und Berufung offenstünden.

Zu Art. I Z 19 (§ 494 Abs. 2 StPO):

Eine Weisung, welche die Interessen des Verletzten unmittelbar berührt, soll – unabhängig davon, ob sie anläßlich einer diversionellen Vorgangsweise oder nach einem Schuldspruch Wirkung erlangt – auch dem Opfer bekanntzumachen sein, um diesem zu ermöglichen, im Falle eines weisungswidrigen (oder “pflichtwidrigen”) Verhaltens die Hilfe der Justiz in Anspruch zu nehmen (§§ 90i Abs. 2 letzter Satz, 494 Abs. 2 StPO; siehe auch Erläuterungen zu Art. I Z 1 ff, Punkt 1.4.).

Zu Art. 1 Z 21 (§ 506 Abs. 1 StPO):

Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine sprachliche Anpassung, die auf Grund des Gesetzes über die Ausbildung von Frauen im Bundesheer, BGBI. I Nr. 30/1998, erforderlich wurde.

Zu Artikel 11 (Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes):

Zu Art. 11 Z 1 bis 4 und 7 (§§ 6 bis 11, 14, 19 bis 22 und 33 Abs. 2 JGG):

Das IXa. Hauptstück der StPO soll die bisher im Jugendrecht bestehenden Diversionsmöglichkeiten des außergerichtlichen Tatausgleichs, des Verfolgungsverzichts der Staatsanwaltschaft und der vorläufigen Verfahrensbeendigung durch das Gericht ersetzen, wobei die in Jugendstrafsachen derzeit geltende – im Vergleich zu der für das Erwachsenenstrafrecht vorgesehenen – höhere Strafsatzobergrenze für eine staatsanwaltschaftliche Diversion, das Fehlen einer solchen Obergrenze für die gerichtliche Diversion und das Abstellen auf (bloß) besondere generalpräventive Gründe beibehalten werden sollen. Mit letzterem soll im Jugendstrafrecht – wie schon bisher – zum Ausdruck kommen, daß bei günstiger spezialprä­ventiver Prognose generalpräventive, also allgemeine Erwägungen, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem zur Entscheidung anstehenden Fall stehen (müssen), nur ausnahmsweise bedeutsam sein sollen. Dies hat im unteren Bereich der Jugendkriminalität in besonderem Maße zu gelten. Die Bestimmung über den Verfolgungsverzicht nach § 6 JGG ist auf das neue diversionelle System abzustellen und soll künftig auch durch die Gerichte anwendbar sein.

Die Regelungsinhalte der §§ 10, 11, 19 bis 21, 22 Z 1 und 32 Abs. 1 JGG sind im wesentlichen in vorgeschlagenen Änderungen der Strafprozeßordnung enthalten bzw. berücksichtigt; Normen können daher entfallen.

Bei jugendlichen Verdächtigen sollen die Rahmenbedingungen für die Zahlung einer “Geldbuße” und die Erbringung gemeinnütziger Leistungen den Möglichkeiten und Fähigkeiten von Jugendlichen angepaßt sein. Bei den vorgesehenen Grenzen für die täglich und wöchentlich höchstzulässige Arbeitsleistung wird keine wesentliche Änderung der im § 20 Abs. 2 JGG bereits bestehenden Limitierung vorgeschlagen. Es sollen jedoch die Höchstgrenze gegenüber dem geltenden Recht von 60 auf 120 Stunden angehoben und die insgesamt zur Verfügung stehende Zeit zur Erbringung der Leistung von derzeit drei Monaten auf sechs Monate ausgeweitet werden.

Zu Art. II Z 5 (§§ 27, 28 und 39 JGG):

Die mit dem Geschworenen- und Schöffengesetz 1990 dem heutigen Sprachgebrauch angepaßte Ausdrucksweise “Geschworene” (anstatt “Geschworne”) soll auch im Jugendgerichtsgesetz eingeführt werden (vgl. Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum GSchG, 1193 BlgNR XVII*GP).

Zu Art. II Z 6 lit. a (§ 32 Abs. 1 und 4 und § 33 Abs. 2 JGG):

Siehe die Erläuterungen zu Art I Z 1 ff.

Zu Art. II Z 6 lit. b (§ 32 Abs. 2 JGG):

Das durch das Strafprozeßsänderungsgesetz 1993 unzutreffend gewordene Zitat “§ 455 Abs. 3 StPO” wird auf “§ 455 Abs. 2 StPO” richtiggestellt.

Zu Art. II Z 8 (§ 38 JGG):

Bei den Mitwirkungsrechten der gesetzlichen Vertreter von jugendlichen Beschuldigten sind die im IXa. Hauptstuck der StPO und die im § 7 JGG vorgeschlagenen Neuerungen zu berücksichtigen.

Zu Art. II Z 9 (§ 45 JGG):

Im Fall eines außergerichtlichen Tatausgleichs soll im Jugendstrafrecht – entsprechend der Bestimmung über den Kostenersatz nach § 45 Abs. 2 JGG – von einer Kostenbeteiligung nach § 388 StPO (schon) dann abgesehen werden, wenn diese das Fortkommen des Jugendlichen erschweren würde.

Der bisherige erste Absatz entfällt, weil durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1996, BGBI. Nr. 762, bereits eine entsprechende, allgemein geltende Bestimmung (§ 381 Abs. 7 StPO) in die Strafprozeß­ordnung aufgenommen wurde.

Zu Art. II Z 10 (§ 46 VGG):

Es handelt sich um eine Anpassung an § 51 Abs. 3 StGB in der Fassung des Strafrechtsänderungsgesetzes 1996, BGBI. Nr. 762.

Zu Art. II Z 11 (§ 48 Z 2 VGG):

Der Aufgabenbereich der Jugendgerichtshilfe soll den diversionellen Möglichkeiten des IXa. Hauptstückes der StPO und des neuen § 7 JGG angeglichen werden.

Zu Artikel III (Änderungen des Finanzstrafgesetzes):

Auf Grund des im Erwachsenenstrafrecht auf die Einzelrichterzuständigkeit eingeschränkten Anwendungsbereiches der Diversion sind die in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Finanzvergehen, für die gemäß § 196a FinStrG das Schöffengericht zuständig ist, nur im Bereich des Jugendstrafrechts einer diversionellen Erledigung zugänglich.

Zu Art. III Z 1 (§ 24 Abs. 1 FinStrG):

Die im gerichtlichen Finanzstrafverfahren anzuwendenden Bestimmungen des JGG werden den Änderungen des Art. II angepaßt. Der außergerichtliche Tatausgleich (§ 90g StPO) eignet sich seiner Natur nach für Finanzstrafsachen nicht.

Zu Ad. III Z 2 (§ 31 Abs. 4 FinStrG):

Siehe die Erläuterungen zu Art. I Z 3 (§ 90k Abs. 2 StPO).

Zu Art. III Z 3 (§ 202a FinStrG):

Diversionelles Vorgehen nach den §§ 90a bis 90f StPO soll bei strafbaren Handlungen nach dem Finanzstrafgesetz voraussetzen, daß die Entscheidungsträger der Justiz zuvor mit der Finanzstrafbehörde als Vertreterin des geschädigten Bundes in Verbindung treten; dies entspricht der Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Opfers nach § 90i Abs. 1 StPO.

Zu Artikel IV (Änderungen des Strafvollzugsgesetzes):

Zu Art. IV Z 1 (§ 15 StVG):

Siehe die Erläuterungen zu Art. I Z 4a (§ 126a StPO).

Zu Art. IV Z 2 (§ 22 Abs. 3 StVG):

Mit 1. Jänner 1999 trat das Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 sowie eine Reihe weiterer Gesetze geändert werden, in Kraft (BGBI. I Nr. 158/1998). Diese Novelle sieht unter anderem im Rahmen des AVG eine Neuregelung im Verfahrensablauf und in der Verfahrensgestaltung, insbesondere betreffend die Form der Erledigung und den Umfang der Parteienrechte, vor. So haben gemäß § 18 Abs. 3 AVG idF der Novelle Erledigungen schriftlich zu ergehen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich angeordnet ist oder von der Partei verlangt wird.

Gemäß § 82 Abs. 7 AVG in der neuen Fassung treten alle in Vorschriften des Bundes und der Länder enthaltenen Bestimmungen, die (unter anderem) von § 18 Abs. 3 AVG abweichen, mit Ablauf des 31. Dezember 1998 außer Kraft, sofern die widersprechende Bestimmung nicht nach dem 30. Juni 1998 kundgemacht wurde.

Nach § 22 Abs. 3 StVG soll jedoch ein formelles Verfahren und eine bescheidmäßige Erledigung nur im Disziplinarverfahren und bei der Erledigung einer Beschwerde eines Strafgefangenen Platz greifen. Nur in diesen Fällen hat der Strafgefangene das Recht, eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung zu verlangen.

Da § 22 Abs. 3 StVG mit § 18 Abs. 3 AVG idF der Novelle in Widerspruch steht, kann davon ausgegangen werden, daß der zitierten Bestimmung im StVG materiell derogiert wurde und mit 1. Jänner 1999 jede Anordnung und Entscheidung, auch außerhalb eines Disziplinar- oder Beschwerdeverfahrens, auf Verlangen schriftlich zu ergehen hätte. Dies ist jedoch mit den praktischen Erfordernissen des Strafvollzuges nicht in Einklang zu bringen. Der Gesetzgeber wollte die Förmlichkeit und Schriftlichkeit des Verfahrens und einen Aktenbetrieb im Strafvollzug auf das den Zielsetzungen des Strafvollzugs­gesetzes entsprechende Maß beschränken, weshalb dem Strafgefangenen das Recht auf eine schriftliche Ausfertigung nur in den – dem Umfang und der Bedeutung nach besonders wichtigen – Fällen der §§ 17, 116 und 121 StVG, eingeräumt wurde (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage einer Strafvoll­zugsgesetznovelle 1971, 26 BlgNR XIII. GP, 5).

§ 22 Abs. 3 StVG soll daher in der seit 1971 geltenden Fassung wieder in Kraft gesetzt werden, um dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprechend einen praktikablen Strafvollzug zu gewährleisten. Hervorgehoben sei, daß der Strafgefangene durch die vereinfachte Erledigungsform, die sich in der Praxis bewährt hat, nicht in seinen Rechten beschränkt wird, weil es jeder Strafgefangene in der Hand hat, durch Erhebung einer Beschwerde nach § 121 StVG zunächst eine formelle Entscheidung des Anstaltsleiters und sodann eine der übergeordneten Stellen zu erreichen (KUNST, StVG, Anm. 3 zu § 22).

Zu Artikel V (Änderungen des Bewährungshilfegesetzes):

Zu Art. V Z 1 (§ 25 Bewährungshilfegesetz):

Um der sich in der Praxis ergebenden Rechtsunsicherheit zu begegnen, ob private Vereinigungen, die mit der Besorgung von Aufgaben des Bewährungshilfegesetzes betraut sind, oder die Einrichtungen für Entlassenenhilfe (Artikel II des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 1980, BGB1. 578 idF BGBl. Nr. 605/
1987) betreiben, berechtigt sind, Daten über Straftaten, strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen im Rahmen einer Klientendatei zu ermitteln und zweckentsprechend zu verwenden, soll die neue Bestimmung des § 25 BewHG eingefügt werden. Damit wird dem Artikel 8 Abs. 5 der (in Österreich noch umzusetzenden) EU-Datenschutzrichtlinie 95/46 EG Rechnung getragen.

Zu Art. V Z 2 bis 5 (§§ 26 Abs. 2, 26b, 26c und 26f Bewährungshilfegesetz):

Durch Art. IV Z 10 des Strafrechtsänderungsgesetzes 1996 (BGBI. Nr. 762) wurde in den §§ 26 bis 26f des Bewährungshilfegesetzes eine Neufassung der dienstrechtlichen Bestimmungen für die einer mit der Wahrnehmung der Bewährungshilfe betrauten Vereinigung zur Verfügung gestellten Bundesbeamten und Vertragsbediensteten vorgenommen und so den im Gesamtkonzept für eine Neuregelung des Bereiches Bewährungshilfe erarbeiteten Zielen Rechnung getragen (siehe Seiten 73 ff der Regierungsvorlage zum Strafrechtsänderungsgesetz 1996; 33 BlgNR, XX. GP).

Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Strafrechtsänderungsgesetzes 1996 war die Durchführung der Bewährungshilfe und des außergerichtlichen Tatausgleiches in allen Bundesländern, ausgenommen die Steiermark, dem Verein für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit übertragen. Nunmehr wurde mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 1999 der Verein für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit auch mit der Durchführung der Bewährungshilfe und des außergerichtlichen Tatausgleiches im Bundesland Steiermark betraut. Es ist daher notwendig, für die in diesem Bereich verwendeten Beamten und Vertragsbediensteten neue dienstrechtliche Übergangsbestimmungen zu schaffen. Dafür waren Zeitpunkte und Zeiträume zu wählen, die jenen entsprechen, die sich bei der Umsetzung des Strafrechtsänderungsgesetzes 1996 bewährt haben.

Zu Art. V Z 6 (§§ 29 bis 29b Bewährungshilfegesetz):

1. Im Hinblick auf die unterschiedlichen sozialarbeiterischen Aufgabenstellungen wird – im Sinne der bereits geübten Praxis – zwischen (Dienst- und) Geschäftsstellen für Bewährungshilfe und (Dienst- und) Geschäftsstellen für den außergerichtlichen Tatausgleich unterschieden und die in der Praxis vollzogene organisatorische Trennung beider Bereiche der Sozialarbeit im Dienste der Strafjustiz auch im Gesetz festgehalten. Dabei soll eine ATA-Geschäftsstelle aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin für mehrere (kleinere) Gerichtshofsprengel zuständig sein, sofern die Erfüllung der Aufgaben des außergerichtlichen Tatausgleichs dadurch nicht beeinträchtigt wird.

2. Die Verweisungsbestimmung des Abs. 3 gilt sowohl für den – ab. 1. Jänner 1999 nur noch hypothetischen, aber nach der (nur) historisch erklärbaren Systematik des Gesetzes insgesamt notwendigerweise zu erwähnenden – Bereich der Wahrnehmung der Aufgaben nach Abs. 1 durch den Bund, als auch für den – ab 1. Jänner 1999 ausschließlich gegebenen – Fall, daß die Besorgung dieser Aufgaben einer privaten Vereinigung übertragen ist.

Während für den ersten Fall auf den ersten Abschnitt des Gesetzes und aus dem zweiten Abschnitt auf § 21 verwiesen wird (für die übrigen Bestimmungen des zweiten Abschnitts besteht hier kein Bedarf), gilt für den zweiten Fall der dritte Abschnitt, aus dem sich wiederum ergibt, inwieweit die Bestimmungen des ersten und zweiten Abschnitts in diesem Fall gelten (vgl. § 24).

Beide Verweise gelten mit der Maßgabe, daß Sonderbestimmungen des sechsten Abschnittes prävalieren.

3. § 29 Abs. 4 und 5 BewHG stellt klar, daß Ersuchen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts nach den §§ 90d Abs. 4 und 90f Abs. 3 StPO an die Leitung der zuständigen Dienst- oder Geschäftsstelle für Bewährungshilfe und Ersuchen nach dem § 90g Abs. 3 StPO an die Leitung der Geschäftsstelle für den außergerichtlichen Tatausgleich zu stellen sind. Die Leitung der Dienst- oder Geschäftsstelle für den außergerichtlichen Tatausgleich soll auch Ansprechpartner (“Clearingstelle”) für Staatsanwaltschaft oder Gericht sein, wenn eine Vorgangsweise nach dem IXa. Hauptstück erwogen wird, und auf Anfrage der Justizbehörden dazu Stellung zu nehmen haben, ob eine und gegebenenfalls welche Diversionsmaßnahme am zweckmäßigsten wäre (§ 90k Abs. 1 StPO), sowie erforderlichenfalls die Person des Konfliktreglers oder Vermittlers zu bestellen oder nach Kontaktaufnahme mit der Leitung der Geschäftsstelle für Bewährungshilfe von dieser bestellen zu lassen haben.


4. Zum Aufgabenbereich eines Konfliktreglers bzw. Vermittlers, zu seinen Befugnissen und Pflichten siehe Allgemeiner Teil, 11., sowie zu Art. I Z 1 bis 17, 2.2.4. und 2.4.4.

Zu Artikel VI (Opferhilfe):

Mit den vor allem durch das “Geldbußen”-System eingenommenen Geldbeträgen (unter Berücksichtigung der Mindereinnahmen aus Geldstrafen) sollen – neben den (ihrerseits begrenzten) Fördermöglichkeiten anderer zuständiger Stellen – auch durch den Bundesminister für Justiz Einrichtungen der Opferhilfe gefördert werden (siehe Allgemeiner Teil, 10.), wofür eine gesetzliche Grundlage zu schaffen ist. Hiebei wird davon ausgegangen, daß solche Opferhilfeeinrichtungen ihre personelle und materielle Grundausstattung in der Regel aus anderen Finanzierungsquellen sicherstellen. Als förderungswürdig kann insbesondere auch die Betreuung von minderjährigen oder in der Geschlechtssphäre verletzten Personen während des Strafverfahrens sowie die Unterstützung und Beratung von bedrohten oder miß­handelten Personen gelten.

Um die widmungsgemäße Verwendung der Förderungsbeträge zu gewährleisten, haben sich die Förderungswerber entsprechenden Kontroll- und Berichtspflichten zu unterwerfen.

Zu Artikel VII (lnkrafttreten und Übergangsbestimmung):

Die vorgeschlagenen Diversionsmaßnahmen sollen nach dem Inkrafttreten des neuen IXa. Hauptstückes mit 1. Jänner 2000 in Verfahren anwendbar sein, in denen zu diesem Zeitpunkt noch keine Anklage rechtskräftig geworden bzw. noch kein Antrag auf Bestrafung bei Gericht eingebracht worden ist.

Einzelne andere Änderungen der Strafprozeßordnung sowie jene Änderungen des Bewährungshilfe­gesetzes, die mit den neuen Diversionsmöglichkeiten in keinem Zusammenhang stehen, sollen jedoch unverzüglich in Kraft treten.