1617 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP
Bericht
des Justizausschusses
über den Antrag (286/A) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (BGBl. Nr. 599/1988)
Die Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt, Mag. Thomas Barmüller, Klara Motter und Genossen haben den vorliegenden Initiativantrag am 19. September 1996 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
”In letzter Zeit wurde das Thema Kindesmißbrauch hauptsächlich in der Richtung diskutiert, daß dem Täter höhere Strafen drohen müßten, und das Schutzalter für Kinder hinaufgesetzt werden müsse. Abgesehen davon, daß gerade im Bereich von Sexualdelikten Strafdrohungen nur sehr beschränkt präventive Wirkung haben, die Änderung des Schutzalters wiederum die Kriminalisierung geschlechtlicher Kontakte Jugendlicher zur Folge hätte, hat die öffentliche Diskussion bislang wenig Augenmerk auf die Situation des Opfers im gerichtlichen Verfahren gelegt. Zwar wurden im strafprozessualen Bereich Sonderbestimmungen eingeführt, die eine möglichst schonende Behandlung der Opfer ermöglichen sollen (§§ 162a, 250 Abs. 3 StPO), doch hat die Praxis gezeigt, daß viele Richter mit diesen Möglichkeiten überfordert sind, weil die Handhabung dieses Instrumentariums ein hohes Maß an Einfühlsamkeit in die kindliche Psyche und Kenntnisse auf dem Gebiet der Psychologie, Pädagogik und Sozialarbeit erfordert.
Daher, und weil für bestimmte Vorgangsweisen die technische Routine fehlt, kommt es oft vor, daß die gesetzlichen Möglichkeiten gar nicht ausgeschöpft werden, wie etwa die Videovernehmung aus einem Nebenzimmer, getrennter Eingang, Zuziehung einer Vertrauensperson und so weiter. Dazu kommt, daß die räumlichen Gegebenheiten (besondere Ausstattung der Vernehmungszimmer, getrennte Zugangsmöglichkeiten usw.) nicht bei jedem Gericht gegeben sind. Das bringt oft zusätzliche psychische Qualen für die Opfer mit sich, vor allem auch dann, wenn es sich beim Täter um ein Elternteil handelt.
An Jugendgerichten hingegen sind Richter und Staatsanwälte tätig, die speziell geschult sind und im Umgang mit Minderjährigen Erfahrung haben. Sie verfügen auch über die notwendigen Kontakte zu den Jugendämtern, den Kinder- und Jugendanwälten und sonstigen Stellen, die als erste mit den Opfern in Berührung kommen. Es ist daher eine gewisse Vertrauenssituation gegeben, die es auch den Einrichtungen der Jugendwohlfahrt leichter macht, sich an das Jugendgericht zu wenden, wenn ein Fall akut wird. Auch für die Nachbetreuung der Opfer ist so wesentlich besser vorgesorgt.
Eine Konzentration der Verfahren bei den Jugendgerichten würde auch bewirken, daß Richter und Staatsanwälte das notwendige Fachwissen regelmäßig anwenden und erweitern würden, was der Qualität der Verfahrensführung zugute käme. Dazu kommt, daß diese Verfahren wesentlich zeitaufwendiger als solche mit mündigen Personen sind, da auf die Situation des Kindes eingegangen werden muß.
Da es im Sinne der minderjährigen Opfer ist, daß solche Verfahren mit möglichst geringer Belastung für sie verbunden sind, scheint die Übertragung an ein Gericht, das im Umgang mit Minderjährigen speziell geschult ist, wie die Jugendgerichte, dringend geboten.”
Der Justizausschuß hat diesen Antrag erstmals in seiner Sitzung am 16. Juli 1998 in Verhandlung genommen. Als Berichterstatter im Ausschuß fungierte der Abgeordnete Mag. Thomas Barmüller.
Sodann wurde einstimmig beschlossen, gemäß § 40 Abs. 1 Geschäftsordnungsgesetz Stellungnahmen zum gegenständlichen Gesetzentwurf einzuholen und zwar: vom Bundesministerium für Justiz, vom Obersten Gerichtshof, von der Oberstaatsanwaltschaft Wien, vom Landesgericht für Strafsachen Wien sowie vom Jugendgerichtshof.
Weiters beschäftigte sich der Justizausschuß in seinen Sitzungen am 17. November 1998 und am 11. Februar 1999 mit dem gegenständlichen Initiativantrag. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Harald Ofner, Dr. Johannes Jarolim, Dr. Walter Schwimmer, Mag. Dr. Heide Schmidt und die Ausschußobfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter sowie der Bundesminster für Justiz Dr. Nikolaus Michalek.
Bei der Abstimmung am 11. Februar 1999 fand der im Initiativantrag (286/A) enthaltende Gesetzentwurf keine Mehrheit.
Als Berichterstatterin für das Haus wurde die Abgeordnete Rosemarie Bauer gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Justizausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.
Wien, 1999 02 11
Rosemarie Bauer Mag. Dr. Maria Theresia Fekter
Berichterstatterin Obfrau